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Hierauf öffnete Lucia eine Tür, welche in eine Kammer führte, die sich neben der Stube befand. Zwei andere Mädchen kamen mit Wasser in Zubern, mit Strohknäueln und Sand, und begannen, den Fußboden der Kammer zu scheuern. Da sie mit dieser Arbeit fertig waren, wurden die Fenster der Kammer geöffnet, daß die kalte Winterluft den Boden trockne. Hierauf wurde auf ein Gestelle, das aus Tannenbalken und Tannenbrettern gemacht war, frisches reines Stroh gebunden, auf das Stroh wurde weiße Leinwand gedeckt, und auf die Leinwand wurde ein Strohpolster und wurden wollene Decken und Felle zu Witikos Nachtlager gelegt. Dann wurden die Fenster geschlossen, der trockene Boden wurde mit weißem Sande bestreut, und in dem Ofen wurde ein Feuer aus Tannenscheiten angezündet. Als die Kammer durchwärmt war, wurde Witikos Mantel sein Schwert seine Lederhaube und seine Handschuhe in dieselbe getragen, und ein Teil dieser Dinge auf eine Bank ein Teil auf eine Truhe, die da stand, gelegt. Darauf wurde er gebeten, auch in die Kammer zu treten.
Da er es getan hatte, wurde mit der Scheurung und Reinigung der Stube der Bank um den Ofen der andern Bänke der Stühle und des Tisches begonnen.
Als dies Werk vollendet, die Stube mit Sand bestreut, ausgewärmt, und in ihren Geräten in Ordnung gebracht war, öffnete der alte Mann die Tür der Kammer, führte Witiko heraus, und sagte ihm, diese zwei Gemächer seien seine Wohnung, so lange es ihm gefallen wolle, in dem Hause zu bleiben.
Als er noch redete, trat ein Mann in einem kurzen Lammspelze und einer Lammspelzhaube und mit einer Axt auf der Schulter in die Stube.
Der alte Mann sagte zu ihm: »Der junge Reiter ist der Sohn unserer Herrin, er wird in dem Hause hier bleiben, so lange er es für gut hält.«
Dann sagte er zu Witiko: »Das ist Raimund der Knecht. Er ist in dem Walde gewesen, um Holz zu spalten, und kommt jetzt, da die Dämmerung eintritt, zurück. Wir besorgen so das Haus, ich, der Knecht Raimund und Lucia die Magd. Die Taglöhner, die wir dingen, helfen nur bei größeren Arbeiten.«
»Und wo wohnet denn ihr, wenn du mir die große Stube dieses Hauses und die Kammer zur Wohnung einräumst?« fragte Witiko.
»Das Haus hat ja noch Raum genug«, sagte der Mann, »wißt Ihr es denn nicht, wir wohnen ja nie in der Stube und Kammer, ich bin in dem Stüblein, welches der Stube gegenüber liegt, und dessen Fenster auf den Hof hinaus sehen, Lucia schläft in der Kammer neben der Küche, und der Knecht schläft in dem Bretterverschlage in dem Stalle. Dann ist ja noch allerlei Raum.«
»Nun es wird sich schon fügen«, sagte Witiko.
»Wir werden Euch alle Dienste leisten, die Ihr braucht«, sagte der alte Mann.
»Ich werde nicht viel verlangen, Martin«, entgegnete Witiko, »und ich werde euch, wo ich es kann, in euren Geschäften helfen.«
»Das wäre nicht recht und nicht billig«, versetzte Martin.
»Nein, das wäre nicht recht«, sagte der Knecht.
»Wir wollen nicht hadern«, entgegnete Witiko, »es wird sich alles finden.«
»Ja, ja«, sagten die andern.
Hierauf reichte der Knecht Witiko die Hand, und ging aus der Stube.
Es war indessen Abend geworden. Witiko besorgte sein Pferd mit der Hilfe Martins, aß noch etwas von der Suppe, die ihm Lucia gebracht hatte, sperrte, als sich Martin entfernt hatte, die Stubentür, und legte sich in der Kammer auf seinem Tannengestelle zur Ruhe.
Im Morgengrauen des anderen Tages fragte er Martin, ob er ihm Fußbekleidungen verschaffen könne, mit denen er durch jede Tiefe des Schnees zu gehen vermöchte. Martin bejahte es, und brachte ihm einen Mann, der solche Dinge verfertigte. Witiko las sich aus dem mitgebrachten Vorrate zwei Paare langröhriger aus starkem Leder verfertigter Stiefel aus, bezahlte sie, und zog sogleich ein Paar an. Als er sein Morgenmahl, das Lucia aus Milch und Mehl bereitet hatte, verzehrt, als er die Besorgung seines Pferdes beendet hatte, und als eben die Sonne über den Föhrenwald, welcher im Morgen des Ortes stand, herauf ging, trat er aus der Tür des Hauses in das Freie. Er ging auf dem schmalen Pfade zu den Häusern, ging zwischen ihnen empor, ging an der Kirche vorüber, und begann, den Berg, auf welchem das rote Kreuz stand, zu besteigen. Er fand keinen Weg, sondern mußte sich einen durch den Schnee brechen. Er ging zwischen blaulichem Wacholdergestrippe, das hie und da durch den Schnee hervor ragte, bis zu dem roten Kreuze empor. Dort tat er ein kurzes Gebetlein, und sah dann herum. Zu seinen Füßen unter dem Berge lag der Ort mit den Schneedächern seiner Hütten und Häuser. Hie und da stieg ein Rauch empor. Weiter unten war die längliche weiße Tafel des Tales. Witiko wußte, daß dort die Moldau sei; aber sie war nicht zu sehen, alles war durch die gleiche weiße Hülle des Schnees gedeckt. Um das Tal war lauter Wald. Im Morgen ging nicht fern von den Häusern sanft ein Föhrenwald empor. Von ihm weiter gegen Mittag war ein breiter mächtiger Waldrücken, dessen Rand, wohl vier Wegestunden entfernt, schon bläulich dämmerte. Witiko kannte ihn sehr wohl. Es war der Wald des heiligen Thomas, auf dessen Rande er dort, wo das Bild des heiligen Apostels Thomas gewesen war, vor zwei Jahren mit dem Führer Florian gestanden war, und von dem er dann zu der Moldau und den Häusern von Friedberg hinab gestiegen war. Witiko sah lange auf den Wald. Dann blickte er gegen Mittag auf die Waldwand, jenseits welcher das Aigen sein mußte, von wo aus der Führer Florian mit ihm gegangen war. Hierauf lenkte er seine Augen gegen Abend auf eine noch größere Waldwand, die von Steinrippen durchzogen war, welche im Morgenlichte sichtbar wurden, und in welchen der schwarze See war, auf den er mit Wolf hinab geschaut hatte, und dessen Dasein von dieser Ferne kaum zu ahnen war. Gegen Mitternacht sah er ganz nahe an seinem Berge den Waldhang, über den er gestern herein geritten war, und über welchen hin in großer Ferne Prag liegen mußte, das er vor zwei Jahren des Herzogs Sobeslaws willen gesucht, und das er nun wieder verlassen hatte.
Als er seinen Augen Genüge getan hatte, sprach er vor dem Kreuze die Worte des Kreuzzeichens, und stieg über den Berg durch den glänzenden Schnee hernieder.
Da er zu den Häusern gekommen war, ging er auf ein kleines Steinhäuschen, das neben der Kirche stand, zu, ging in dasselbe hinein, und trat in die Stube. In derselben saß ein Greis mit weißem Barte vor einem großen Buche. Am Ofen saß ein Mütterlein, und spann.
»Seid mir willkommen, ehrwürdiger Herr«, sagte Witiko, »ich bin in Eure Stube getreten, Euch zu grüßen, und Euch zu besuchen.«
»Ei, Witiko«, sagte der alte Mann, indem er aufstand, »seid Ihr auch wieder einmal nach Plan gekommen? Und wie schön und frisch Ihr ausseht. Seid recht herzlich gegrüßt.«
Das Mütterlein war von dem Spinnrade aufgestanden, wischte mit ihrer blauen Schürze einen Stuhl ab, und reichte ihn Witiko zum Sitzen.
Dieser ließ sich auf den Stuhl nieder.
»So seid Ihr noch immer auf der Pfarre in Plan?« sagte Witiko zu dem alten Manne.
»Ich bin noch da«, entgegnete der Mann, »werde wohl auch da bleiben, und in nicht entfernter Zeit als Pfarrer von Plan sterben. Ihr kennt ja meine Schwester Anna auch noch?«
»Freilich«, antwortete Witiko, und sah gegen die Spinnerin hin.
Diese blickte ihn mit freundlichen blauen Augen an.
»Plan ist ein sehr schöner Ort«, sagte der Pfarrer, »er liegt lieblich in dem Walde, und er ist auch wichtig. Als das Christentum noch wenig verbreitet war, als das ganze Land Böhmen noch am Heidentume hielt, waren hier zwei christliche Einsiedler, die den Fleck reuteten, darum er der obere Plan heißt, und die die christliche Lehre ausbreiteten. Darum ist dann auch eine Kirche geworden, die sehr alt ist. Die vielen Einsiedler in dem großen langen Walde hinauf sind die ersten Prediger der christlichen Lehre in diesem Lande geworden. Werdet Ihr lange hier bleiben?«
»Vielleicht länger als sonst«, sagte Witiko, »es ist noch ungewiß.«
»Dann werdet Ihr doch auch zuweilen zu mir kommen, und gestatten, daß ich Euch auch in Euerem Hause begrüße«, sagte der Pfarrer.
»Ich werde kommen, und es wird mir eine Freude sein, Euch bei mir zu sehen«, entgegnete Witiko.
Die alte Anna, welche aus der Stube gegangen war, kam jetzt wieder herein, und brachte auf einem Teller Brot und Salz und in einem Kelchglase Met.
Sie stellte die Dinge vor Witiko auf den Tisch, und sagte: »Wohl bekomme es zum Gruße.«
Witiko nahm ein Schnittchen Brot, salzte es, und aß es. Dann tat er einen Schluck aus dem Glase.
Hierauf erhob er sich, um sich wieder zu entfernen.
Der alte Pfarrer nahm einen Lammspelz von einem Nagel an der Wand, zog ihn an, und begleitete Witiko aus dem Hause.
Eine kurze Strecke unterhalb des Pfarrhäuschens kam Witiko an der Schmiede vorüber. In derselben wurde ein Pferd beschlagen. Witiko ging näher, schaute zu, besah das Pferd, und redete dann mit dem Schmiede und dem Eigentümer des Pferdes über das Pferd und über einige andere Dinge.
So sprach er auch mit mehreren Männern und Frauen, welche, da er an ihren Wohnungen vorüber ging, heraus kamen, und ihn grüßten.
Des Mittags mußten Martin Lucia und Raimund mit ihm an dem großen Tische in der Stube essen.
Am Nachmittage ritt er auf seinem Pferde in der Richtung gegen Morgen in den Wald, und kam nach zwei Stunden wieder zurück.
Am Abende, da das Pferd besorgt war, da Raimund und Lucia mit der Pflege der Rinder fertig waren, und Lucia ihre Milch aus dem Stalle in die Vorratskammer gebracht hatte, wurde das Licht auf der Leuchte der Stube, die wie ein Herd in der Wand angebracht war, durch aufgelegte fette Kieferhölzer so verstärkt, daß die ganze Stube schimmerte. Martin Raimund und Lucia mußten zu ihrem Abendaufenthalte, wie sie auch sonst taten, in die Stube kommen. Selbst Martins großer graugetigerter Hund mußte herein gelassen werden. Lucia spann an der Leuchte, Raimund flickte weiter entfernt an einem Dreschflegel, und Martin saß müßig auf der Ofenbank. Witiko saß auf einem Stuhle. Der Hund hatte sich unter den Tisch gelegt.
Nach der siebenten Stunde trat ein Mann in einem Lammspelze einer Lammspelzhaube und in groben weißwollenen Beinbekleidungen mit schweren Stiefeln in die Stube.
»Gottes Gruß«, sagte der Mann.
»Gottes Dank«, sagten die Anwesenden.
»So lebst du auch noch, Tom Johannes, der Fiedler«, sagte Witiko, »es freut mich, daß du uns besuchst. Wie geht deine Kunst?«
»Ei, Witiko«, entgegnete der Mann, »so kennt Ihr mich noch. Und die Kunst, wie sie geht? Die Hochzeiten kommen fast ab, und bei den Tänzen werden die Spielleute immer mehr. Ich kann von den Rüben meines Feldes besser leben als von der Kunst.«
»Nun von beiden«, sagte Witiko.
»Und was hat denn Euch im Winter zu uns geführt?« fragte der Mann.
»Es hat sich so gefügt«, sagte Witiko.
»Und werdet Ihr jetzt länger bei uns bleiben als früher?« fragte der Mann.
»Wie es eben geschieht«, antwortete Witiko, »ich weiß es selber noch nicht.«
Während dieser Worte hatte Martin einen Laib schwarzen Roggenbrotes und ein Messer auf den Tisch gelegt, und Salz dazu gestellt. Der Mann setzte sich zu dem Tische, schnitt sich mit dem Messer ein Schnittchen Brot ab, bestreute es mit Salz, und aß es.
Dann sprachen sie von mancherlei: von Leuten, die gestorben sind, von andern, die geheiratet haben, wieder von andern, die in die weite Welt gegangen sind, und von solchen, die in den innern Ländern Krieg wünschen, um dahin zu gehen, und Beute zu machen. Sie sprachen von dem Landbaue von der Viehzucht, und was sich in dem Walde begibt, und was sonst Neues in der Welt ist, und von ähnlichen Dingen.
Um die neunte Stunde erhob sich der Mann, sagte eine ruhige Nacht, und entfernte sich. Lucia trug ihr Spinnrad aus der Stube, Martin mit dem Hunde und Raimund suchten ihre Schlafstellen, und Witiko legte sich auf sein Tannengestelle, indem er die Tür von der Kammer in die Stube offen, und die Föhrenklötze auf der Leuchte verglimmen ließ.
Am nächsten Morgen besah Witiko, so wie er am Tage vorher Berg und Tal und Wald überschaut hatte, das Haus, in dem er war, und seine Wirtschaft. Er besah die zwei Gespanne Ochsen, die Kühe, die einigen Schafe, die Schweine und das Federvieh, er besah die Scheuer die Holzlaube die Wagenlaube die Vorratskammer und den Keller. Dann ging er in drei der nächsten Nachbarhäuser, und besuchte deren Bewohner. Nach dem Essen ritt er auf seinem Pferde wieder in den Wald. Am Nachmittage ließ er einen Mann kommen, welcher Kleider verfertigte, und bestellte sich ein Gewand aus dem groben weißgrauen Wollstoffe, welcher in dem Walde gemacht und getragen wurde. Durch Martin ließ er sich eine graue Filzhaube kaufen.
Am Abende dieses Tages kamen vier Männer in Lammspelzen zu Witiko in die erleuchtete Stube. Es war Tom Johannes der Fiedler, es war Stephan der Wagenbauer, es war Christ Severin der Wollweber, und es war David der Zimmerer. Martin setzte ihnen wieder Brot und Salz vor, und sie taten, wie gestern Tom Johannes. Lucia saß an der Leuchte, und spann, Raimund schnitt aus Buchenklötzen lange Späne, Martin flocht an einem breiten Tragbande, und Witiko auch an einem. Man sprach wie gestern von verschiedenen Dingen, und um die neunte Stunde entfernten sich die Männer, und gingen nach Hause.
Am dritten Tage war es ungefähr wie an den vorhergegangenen zwei Tagen.
Am vierten Tage kam gegen den Mittag ein Mann auf einem Saumtiere gegen das steinerne Haus. Er war in ein sehr weites dunkelbraunes Wollgewand gekleidet, das ein Ledergürtel zusammenhielt. Auf dem Haupte hatte er eine Haube von schwarzen Lammfellen, die über die Ohren und den Nacken ging. Er saß zwischen zwei Päcken von rauher Dachshaut auf seinem Saumpferde. Als er in den Hof des Hauses gekommen war, gingen Witiko und Martin hinaus. Der Mann stieg von seinem Tiere, und sagte: »Boreš läßt Euch sehr schön grüßen, Witiko, es wird nichts fehlen.«
»Das ist gut«, sagte Witiko, »wann bist du in Hostas Burg weggeritten?«
»Vor neun Tagen«, antwortete der Mann, »der Schnee hindert das Weiterkommen sehr.«
»Du bist gut genug weiter gekommen«, sagte Witiko, »Raimund wird die Päcke abschnallen helfen, du bringe dann dein Pferd in den Stall, und gehe darauf in die Stube, daß man dir eine Erquickung gebe.«
Martin rief nach Raimund, und da er gekommen war, lösten sie die Päcke von dem Saumtiere, und Raimund trug sie in Witikos Kammer. Witiko folgte ihm. Der Mann brachte das Pferd in den Stall, und ging dann in die Stube. Dort legte er sein baumwollenes Oberkleid und seine Lammshaube ab, und setzte sich an den Tisch. Man gab ihm Bier und Brot.
Witiko ging in die Kammer, kam bald darauf wieder heraus, und trug ein Päckchen in der Hand, das in Fuchsfell genäht war.
»Da ist etwas an einem meiner zwei Päcke angebunden gewesen, das ich nicht kenne«, sagte er.
»Es wird schon recht sein«, entgegnete der Mann, »Boreš hat es mir gegeben, und hat gesagt, ich soll sehr acht darauf haben, deshalb habe ich es an einen Pack gebunden.«
Witiko trennte die Naht, und es kam ein sehr schlechter Gürtel aus dem Fuchsfelle. Der Gürtel hatte eiserne Buckeln, und war mit Leder gefüttert. Als Witiko noch einmal in dem Fuchsfelle nachsah, fand er ein Papier, auf dem von Boreš' Hand geschrieben stand: ›Die hocherlauchte Herzogin Adelheid hat manchem Manne des verblichenen Herzoges ein Ding des Herzoges gegeben, und dir Witiko gibt sie den Gürtel, den der Herzog auf dem Sachsenzuge getragen hat, sie gibt ihn dir, weil der Herzog gesagt hat, du seiest auf jenem Zuge klug gewesen, und sie gibt ihn dir, weil der Herzog ebenfalls gesagt hat, daß du in eine große Gefahr für ihn nach Prag gegangen bist.«