Adalbert Stifter
Witiko
Adalbert Stifter

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Nach dem Markgrafen von Österreich sprach Friedrich, der Herzog von Schwaben: »Das Reich soll zu andern Rücksichten auch die Rücksicht als Schirm der Christenheit tragen, daß es nicht die böse Lehre des Aufruhrs duldet. Mein Stamm steht zu dem Rechte, wie mein Vater zu dem Kaiser Heinrich gestanden ist, und ich stelle, was Schwaben vermag, zum Streite.«

»Und ich meine«, rief jetzt der Pfalzgraf am Rheine, »die Rücksicht ist die Macht und die Herrlichkeit und das Ansehn des Reiches.«

»Das Reich, das Reich, das Reich«, riefen mehrere Stimmen.

»Es soll das Reich nicht geschädiget, es soll als das Höchste geachtet werden, was da besteht«, rief der Graf von Kleve.

»Es ist das Höchste, und muß so angesehen werden«, rief der Graf von Rineck.

»Keine Schmälerung ist zu dulden«, rief Rudolph, der Graf von Stade.

»Keine Schmälerung, keine Schmälerung«, riefen mehrere Stimmen.

»Und die Ordnung muß in jeder Mark hergestellt werden, und sohin auch in der gegen Polen«, rief Konrad von Meißen.

»Die Ordnung soll sein, und die Kurherren, und die Kirche, und die Fürsten, und die Stifte und die Städte sollen die Wächter sein«, rief der von Zütphen.

»So ist es«, »so soll es immer sein«, »gedenkt es«, »so ist es«, »so ist es«, »so tut es«, riefen mehrere Stimmen durcheinander.

Da es stille geworden war, sprach Embriko, der Bischof von Würzburg: »Es sind alle die angeführten Ursachen giltig und aufrecht, wir bedenken sie, und ziehen in die gerechte Entscheidung.«

»Und der Herr wird sie segnen, wie er die Kämpfe für den heiligen Glauben und für die Schirmmacht des Reiches gesegnet hat«, sagte der Abt von Hirschfeld.

Dann erhob Wallram, der Herzog von Niederlothringen, seine Rede, und sprach: »Weil wir nach den Übereinstimmungen zu dieser Stadt Nürnberg mit unsern Männern gekommen sind, und die Rüstungen schon vollbracht haben, so sollen die Punkte festgestellt, und es soll sogleich der Zug begonnen werden.«

Nun stand ein geharnischter Mann auf, es war der Graf von Quenstide, und legte die Hand auf den Tisch, und sprach: »Ich sage, es ist in der vergangenen Zeit schon genug geredet worden, und wir sollten endlich zur Tat gehen.«

»Zur Tat«, »zur Tat«, »wir sollen zur Tat kommen«, »die Tat sollen wir tun«, »die Tat«, »die Tat«, riefen verschiedene Stimmen.

Da streckte der König Konrad die Hand aus, und als es stille geworden war, sprach er: »So ist ja daher der Beistand beschlossen, die Männer sind geeinigt. Es ist mancher gekommen, der ein Gegner der neuen Zeit gewesen ist, und so wird unsere Macht sich erhöhen. Wir werden die Einteilung, die schon gemacht ist, in das Heer stellen, und den Zug beginnen. Seid bedankt, ihr Herren, für die heutige Zusammenkunft, sie ist die letzte, und der Reichstag geschlossen. Und so sage ich: mit Gott der Dreieinigkeit.«

»Mit Gott der Dreieinigkeit für das Reich und den König«, rief der Erzbischof von Mainz.

»Gott und das Reich und der König«, riefen die Männer. Konrad ging von seinem Platze, und redete mit mehreren Männern.

Die Herren standen auf, und traten zu verschiedenen Haufen zusammen. Viele kamen zu dem Herzoge Wladislaw, und umringten ihn.

»Wir werden dir, der du ein treuer Sohn der Kirche bist, Raum verschaffen, daß du ihr Gedeihen wie seit deinem Beginne fördern magst«, sagte Markolf, der Erzbischof von Mainz.

»Ich trachte, daß die Heiligkeit unseres Glaubens ihre Wurzeln immer mehr ausbreite«, antwortete Wladislaw.

Albero, der Erzbischof von Trier, sagte zu dem Herzoge: »Ich bringe den Mährern keinen Wein, wie den Sachsen; aber es ist manches Fuder in meinem Geleite, dessen Lieblichkeit ihr alle erfahren sollt.«

»Der hohe Kirchenherr führt manche Waffen«, sagte Hermann, der Markgraf von Baden.

»So müssen wir ja in unserem Amte mit Liebe und Strenge walten«, entgegnete Albero.

Der Markgraf von Österreich nahm den Herzog Wladislaw bei der Hand, und sagte: »Ja, du lieber Schwager, so mir Gott helfe, werde ich mit den Männern, die mir nach meinen Händen frei sind, nicht der Schwächste sein, die Strolche von Prag zu verjagen. Die Angst meiner Schwester Gertrud wird bald dahin sein, wir werden in Prag ein Fest feiern, und dann ein anderes, zu dem die Ladung kommen wird.«

»Habe Dank, mein Schwager«, entgegnete Wladislaw, »der Krieg wird kurz sein, du wirst zu deiner Gertrud zurückkehren, und ich werde dir mit meiner Gertrud folgen. Diese wird aber jetzt in Prag nicht Angst, sondern etwas Höheres empfinden.«

»Die Angst um ihr Volk«, erwiderte der Markgraf; »denn die aus dem Stamme Babenberg wissen nichts von Angst um sich.«

»So ist es«, antwortete der Herzog, »und möge Gertrud neues Glück zu deinem Stamme bringen.«

»Ich werde sie in die heitere Stadt Wien führen, in der ich eine Wohnung errichte«, sagte der Markgraf, »die heiteren Sangeszeiten meines Geschlechtes werden wieder sein, und mögen ihnen noch heitrere folgen.«

»Und wenn ich dir heitrere und schönere erringen helfen kann, Schwager, werde ich auch nicht der Schwächste sein, wie du eben gesagt hast«, sprach Wladislaw.

Jetzt trat Friedrich, der Herzog von Schwaben, herzu, und sagte: »Nun, mein hoher Schwager Wladislaw, jetzt werden die, welche um den hohen Staufen wohnen, auch die Gefilde von Böhmen sehen, und ich hoffe, der Raum, den sie bedecken werden, wird nicht der kleinste sein.«

»Und er wird durch solche Krieger, die ihn betreten, geehrt sein, mein erlauchter Schwager«, antwortete Wladislaw.

»Wir bringen dir auch die vom Rheine«, sagte Wallram, der Herzog von Niederlothringen.

»Sie werden willkommen sein«, entgegnete Wladislaw.

»Wir führen selber unsere Ritter und Männer«, sprach Arnold, der Erzbischof von Köln.

»Ich werde des in aller Zeit gedenk sein«, sagte Wladislaw.

»Und mich wirst du doch auch begrüßen, lieber Schwager, wenn ich nach Prag komme«, sprach Otto, der Bischof von Freisingen.

»Ich werde dich grüßen, Otto, und deine Schwester Gertrud wird dich grüßen«, antwortete Wladislaw.

»Wir kommen mit reichen Scharen«, sagte der Pfalzgraf.

»Und es sind noch immer Zuzüge da«, sagte der Graf von Kleve.

»Habet Dank, ihr Herren«, entgegnete Wladislaw, »ich hoffe euch zu vergelten.«

»Das wissen wir, und es wird die Zeit kommen«, riefen mehrere.

Und da alles ausgesprochen war, und da der König den Saal verlassen hatte, schickten sich die Männer an, auseinander zu gehen.

Die Geleite kamen heran, die Pferde wurden in den Hof gebracht, und die Herren ritten in ihren Gewändern aller Art durch das Tor, durch die Stadt und durch die Zuschauer in das Lager.

Der Herzog Wladislaw ritt desselben Tages noch zu dem Könige Konrad, und war mit dem Bischofe Zdik und den Kaplänen zwei Stunden bei dem Könige und dem Kanzler.

Dann ritt er zu dem Kardinale Dietwin dem Schwaben, um zu erwirken, daß der Heilige Vater einen Beauftragten von Rom nach Böhmen und Mähren sende.

Am Nachmittage war ein Mahl. Der König und die Männer des Saales und die erhabenen Frauen und Jungfrauen, welche in dem Lager waren, saßen unter einem Gezelte, und genossen bei dem Klingen der Flöten und Geigen die Speisen und Weine des deutschen Landes.

Nach dem Mahle waren Kampfspiele, und die Frauen verteilten die Preise.

Am nächsten Tage kamen Herren und Fürsten zu Wladislaw, um ihn zu begrüßen, und er ritt wieder zu ihnen, um den Gruß zurück zu geben.

Zdik führte die Bischöfe und ihre Priester zu Wladislaw, und Wladislaw ging mit Zdik wieder zu ihnen.

Er führte an dem Tage auch Welislaw, Odolen, Witiko und andere Männer zu dem Könige Konrad.

Der König sprach mit jedem, und sagte: »Witiko hat uns bei Fulda die Furt gewiesen, durch die wir die gute Stellung erlangten.«

»Ich bin noch ein Knabe gewesen, hoher Herr«, antwortete Witiko, »und ein Bauer hat mir die Furt gezeigt.«

»Und hast Gutes gestiftet, mein Kind«, sagte der König.

Am Nachmittage ging Witiko mit Wolfgang von Ortau zu mehreren deutschen Rittern, und es wurde Genossenschaft gestiftet.

Seinen Begleitern Lambert, Augustin, Urban und dem Knechte Jakob gab er Freiheit, sich am Lager, an der Stadt, an Liedern und Gauklern zu erlustigen.

Da es Abend wurde, ging eine große Zeile von Wagen und Saumtieren in der Richtung gegen Morgen, und es ritten auch Männer dahin, um den Zug des Heeres vorzubereiten. Durch die grünen Felder kamen von Erlangen her noch Reisige, und es kamen Reisige von Würzburg.

Am dreißigsten Tage des Monates Mai nahmen die hohen und niederen Herren von ihren Ehefrauen und Müttern oder Schwestern oder Kindern, die in dem Lager waren, Abschied, und der Zug begann. An der Spitze war der Herzog Wladislaw mit seiner Schar. Dann kamen die Männer von der Mosel und dem Rheine, von der Donau und der Weser, von dem Neckar und dem Maine, vom Spessart, vom Taunus, vom Schwarzwalde und den Alpen. Der König der Deutschen, Konrad, aus dem Geschlechte der Hohenstaufen führte sie. Volk und Troß war am Ende der Reihe.

Bei dem Orte Taus gelangten sie in den Wald, der Böhmen von Deutschland scheidet.

Auf dem böhmischen Boden kamen die Männer herbei, die sich für Wladislaw gesammelt hatten. Es waren so viel, daß seine Schar selber eine Macht wurde. Er teilte sie ein, und gab den Zupenmännern die Zupenkrieger, den Wladyken die Wladyksippen, und Welislaw, Odolen und Witiko eigene Leute.

Diese streiften oft vor oder neben dem Heere.

Bei Pilsen sammelten sich alle, und lagerten.

Eines Tages ritt Witiko mit seiner Schar auf dem Wege, der von Pilsen gegen Prag führt, vorwärts. Nach einer Zeit folgte ihm Odolen auch mit seiner Schar. Sie kamen am Mittage zusammen, und vereinigten ihre Leute. Es war an der Stelle ein kleiner Föhrenwald neben einer Seite des Weges, und hinter ihm waren trockene Wiesen. Odolen und Witiko führten ihre Reiter auf die Wiese hinter dem Walde, daß sie geborgen wären, und ließen sie ruhen, und sie und die Pferde die Mittagsnahrung einnehmen. An die Spitzen des Waldes und an den Saum gegen den Weg hin wurden Späher gestellt.

Da die Erquickung für Menschen und Tiere schon fast vollendet war, kam einer der Späher von der unteren Spitze des Waldes, und meldete, daß sich Reiter auf dem Wege von Prag her näherten. Witiko und Odolen hießen ihre Leute sich rüsten, die Pferde besteigen, und ruhig stehen bleiben. Sie aber faßten den Entschluß, daß sie die Reiter, wenn sie Feinde, und in nicht zu großer Zahl wären, an dem Walde vorüber lassen, und ihnen dann nachreiten wollten.

An den Waldrand wurden noch mehr Späher gestellt.

Da kam einer von ihnen, und sagte, die Reiterschar sei um vieles kleiner als die ihrige, es müssen Feinde sein, weil man kein Abzeichen des Herzogs an ihnen sehe. Sie reiten sehr langsam, und haben keine Vorreiter.

Nun stiegen Witiko und Odolen von ihren Pferden, ließen dieselben unter die Bäume führen, und dort von Knechten bewachen. Sie aber gingen gegen den Weg an den Saum des Waldes, um die Reiter kommen zu sehen.

Diese kamen, und ritten in ruhigem Gange ihrer Pferde an dem Rande des Waldes dahin. An ihrer Spitze war Wratislaw, der Herzog von Brünn, Otto, der Herzog von Olmütz, und Wladislaw, der Sohn des verstorbenen Herzoges Sobeslaw. Sie hatten keine Zierden an sich. Dann war Bogdan mit der Rabenfeder, dann der rothaarige Beneš mit weißen Federn, dann Domaslaw mit seinem roten Gefieder, dann der ältere Bohuš mit der Feder aus einem Schwanenfittiche. Sonst waren Männer, die als Mährer erkannt wurden, und einige, die von Böhmen stammten. Die Reiter gingen bis gegen die Mitte des Gehölzrandes. Dort blieben sie stehen, als hielten sie Beratung. Witiko und Odolen gingen gegen die Stelle so weit vorwärts, daß sie die Worte der Reiter vernehmen konnten. Es sprach nur zuweilen einer von ihnen. Sie sandten dann einen Mann vorwärts an die Spitze des Waldes, der dort stehen blieb. Es war an dem Orte eine Krümmung des Weges gegen Pilsen, und der Mann stand vielleicht als Späher.

Nach einer langen Zeit sah man ein Häuflein Reiter auf einem Wege zwischen den Feldern gegen den Wald heran reiten. Sie kamen näher, und man sah, daß sie in Gewänder der Landleute gekleidet seien. Sie ritten zu den Mährern, und einer grüßte gegen Wratislaw.

»Swak, du hast Jarohnew verlassen«, sagte Wratislaw zu ihm.

Der Mann antwortete: »Er wird mit den Seinigen sogleich kommen, wir haben verschiedene Wege eingeschlagen.«

»Und wann seid ihr umgekehrt?« fragte Wratislaw.

»Heute nach Mitternacht, der Weg von Milin her ist weit und beschwerlich«, antwortete der Gefragte.

»Und warum bist du abseits nach Milin gegangen?« fragte Wratislaw.

»Damit Zeugen sind, welche uns in Milin gesehen haben«, antwortete der Mann.

»So fürchtest du Gefahr?« fragte Wratislaw.

»Ja«, entgegnete der Mann, »und Jarohnew ist gegen Manetin geritten, davon er noch weiter hieher hat.«

»Und wo seid ihr gestern gewesen?« fragte Wratislaw.

»In Pilsen, und auf dem Felde vor Pilsen sind wir auseinander gegangen«, antwortete der Mann.

»Und seid umgekehrt?« sagte Wratislaw.

»Der König Konrad ist nach Pilsen gekommen«, entgegnete der Gefragte, »wir sind in seinen Scharen gewesen, dann haben wir das weite Feld gesucht, und haben uns getrennt.«

»Nun?« fragte Wratislaw.

»Hoher Herr!« antwortete der Mann, »der Kriegsbann der Deutschen ist dreimal und viermal größer als das Heer vor der Stadt Prag, sie tragen blanke Harnische von Stahl oder von Gold, und da sie auf dem ebenen Boden vor Pilsen standen, erglänzte das Feld und der Wald von ihrem Scheine. Dann hat Wladislaw noch eine große Schar.«

»Du bist ein kluger Mann, Swak«, sagte Otto, der Herzog von Olmütz, »und es ist gut, Wratislaw, daß wir selber gekommen sind.«

»Es ist gut«, sagte Wladislaw, der Sohn Sobeslaws, »es müssen unsere Augen schauen, und unsere Herzen dabei sein.«


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