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»Witiko ist strafbar, und hat für seine Jugend weise gehandelt«, sagte Zdik, der Bischof von Olmütz.
»Und was spricht mein Bruder Diepold?« fragte der Herzog.
»Ich spreche nicht«, sagte Diepold, »Fürsten aus Premysls Stamme stehen gegen uns, man soll nicht sagen, daß mich irgend eine Scheelsucht leite.«
»Und Heinrich?« sprach der Herzog.
»Ich rede wie Diepold«, sagte Heinrich.
»Und Bolemil?« fragte der Herzog.
Bolemil sprach: »Wir haben gesagt, daß die Hilfe des Fremden in unserem Streite ein Unglück ist, und daß die Sache sehr schnell entschieden werden sollte. Sie ist entschieden, der Fremde ist fort, und es hat keines Schwertes bedurft. Wie es Gott so gefügt, wer kann entscheiden? Witiko aber hat in dieser Art gehandelt, strafe ihn so hart du darfst, weil er deine Rechte geübt hat.«
»Und was sagt Lubomir?« fragte der Herzog.
Lubomir sprach: »Witiko ist gut wie ein Kind, ich habe ihn wie mein Kind angesehen, da er bei mir gewesen ist, und werde ihn so ansehen, weil er keinen Vater hat.«
»Und Wšebor?« sagte der Herzog.
»Strafe ihn nach Ermessen«, sagte Wšebor.
»Und du, Diwiš?« sagte der Herzog.
»Strafe ihn, wie du es verstehst«, sagte Diwiš.
»Nach deiner Weisheit«, sagte Chotimir.
»Und Daniel?« fragte der Herzog.
»Weil du mich rufst, hoher Herr«, antwortete der Priester Daniel, »so sage ich: ich kenne nicht genau das Streiten; aber der Frieden des Heilandes und seine Liebe zu dem menschlichen Geschlechte soll über allen Ländern schweben.«
»Und was spricht Welislaw?« fragte der Herzog.
Welislaw sagte: »Witiko hat bei Chynow für sein Pferd entschieden gehandelt, daß wir ihm folgen mußten, und hat jetzt für das Land entschieden gehandelt.«
»Und ist einer hier, der Witiko für einen Verräter hält?« fragte der Herzog.
Es antwortete keine Stimme.
»Nun, da ihr schweigt«, sagte der Herzog, so spreche ich, wie folgt: »Witiko, du hast in der Schlacht auf dem Wysoka einen großen Dienst getan, und nach der Schlacht wieder gedient. Als vor einigen Tagen die Führer in diesen Saal kamen, um die Entgeltung der Verdienste zu beraten, und als sie heute kamen, um die Entgeltung zu empfangen, warest du nicht unter ihnen. Du hattest die Führerschaft eines meiner Reiterfähnlein an Odolen gegeben, und die Führerschaft der Waldleute noch nicht übernommen. Dein Entgelt an Gold, Gewändern und Waffen ist in meiner Kammer, und zwei Pferde sind für dich in meinem Stalle. Empfange alles. Bei Pilsen bist du nicht ein Verräter gewesen, und hast nicht Abfall gesonnen; denn das hättest du gesagt, wie du es mir vor zwei Jahren gesagt hast; aber du hast das Kriegsgesetz und mein Recht verletzt, und ich strafe dich; du bleibst so lange von meinem Hofe verbannt, bis ich dich rufe, und zahlst sechshundert Denare in den Schatz des Landes, und weil du deine Pfennige jetzt selber brauchen wirst, so leiht dir meine Kammer die Denare. Jetzt entferne dich.«
Witiko verneigte sich, und verließ den Saal.
»Ich glaube, es war nicht zu hart«, sagte der Herzog.
»Nein, nein«, riefen mehrere Stimmen.
»Nun haben wir noch mit einem Krieger zu sprechen«, sagte der Herzog, »führt Dimut, die streitende Schwester des Wladyken Rowno, herein.«
Zwei junge Ritter des Herzoges gingen durch die Tür hinaus, und geleiteten nach einer kurzen Weile Dimut herein, welcher mehrere Mädchen folgten.
Dimut war in ein weites fließendes Gewand von veilchenblauer Farbe gekleidet, das von einem silbernen Gürtel zusammen gehalten wurde. Die schwarzen Haare waren in einem Silbernetze.
Als sie vor den Herzog gekommen war, sagte er: »Dimut, wir können dir keinen Sitz anbieten. Ein Krieger, der kein Führer ist, muß vor den Führern stehen, und ein Krieger bist du, wenn du auch keine Kriegsgewänder an hast.«
»Ich stehe, Herr«, sagte Dimut.
»Dimut«, sprach der Herzog, »die Bischöfe, Priester, Fürsten, Herren und Lechen dieses Saales erkennen, daß du heldenmütig gewesen bist, wie dein Geschlecht es nicht ist, und daß du Dank und Gaben verdienst. Den Dank sagen wir hier, und in Prag und in dem Lande werden sie es sagen, was du getan hast. An Gaben sind wir arm. Ich gebe dir ein Kriegerkleid, Goldschmuck, ein Schwert, das so klein ist wie das deinige, und ein weißes Pferd, das meine Herzogin mit Silber geschmückt hat. Deinem Bruder habe ich Land an seinem Lande gegeben, und du wirst es mit genießen. Und ich warte, daß dich einer als Hausfrau heim führt, und werde dann sinnen, was euch erfreuen kann. Du mußt jetzt mit deinem Bruder nach Hause gehen, daß du wegen des Verrates, den du an der Veste Rowna geübt hast, gestraft werdest. Wenn du die Strafe abgebüßt hast, komme nach Prag, du gehörst zu der Herzogin, bleibe bei ihr, oder gehe wieder nach Hause, oder komme, so oft du willst.«
»Hoher Herr«, antwortete Dimut, »ich verdiene keinen Dank und keine Gaben, weil ich getan habe, was ich nicht lassen konnte. Was mir deine Huld beschert, dafür gebührt dir der Dank, ich sage ihn, und werde alles mit Freude gebrauchen. Man sagt, du werdest die zerstörten Heiligtümer wieder schöner aufbauen, als sie gewesen sind. Ich werde dann kommen, in ihnen zu beten, und dann werde ich in Ehrfurcht zu der hohen Herzogin gehen.«
»Nun so nimm als Krieger Abschied von den Kriegern, die mit dir gekämpft haben, Dimut«, sagte der Herzog, »und auch von denen, die mit dir gekämpft hätten, wenn sie nicht mit mir nach Deutschland hätten ziehen müssen.«
Die Männer erhoben sich von ihren Sitzen, und näherten sich Dimut.
Diepold reichte ihr die Hand, Heinrich reichte ihr die Hand, das taten auch die Bischöfe und die Äbte, der greise Bolemil, Lubomir, Diwiš, Chotimir, Wšebor, und alle älteren Führer. Die jüngeren Krieger drängten sich herzu, faßten nach ihrer Hand, und sprachen zu ihr. Welislaw sagte: »Du gibst mir noch den Pfeil nicht.«
»In meinem Leben nicht«, sagte Dimut.
Als alle Männer zurück getreten waren, sagte der Herzog: »Nun verschmähe auch meine Hand nicht.«
Er reichte sie ihr.
Dimut faßte sie, und neigte sich mit der Stirne auf sie.
Da sie zurück getreten war, sagte sie: »Herrsche glücklich und gerecht, hoher Herr.«
»Gehe mit Gott, Dimut«, sagte der Herzog, »gebe der Himmel das eine, und vermöge ich das andere.«
Dimut wendete sich, ihre Mädchen umringten sie, und sie gingen aus dem Saale.
»Und nun, hohe Herren«, sagte der Herzog, »gehabt euch wohl als Krieger und nach dem Kriege. Als Freunde kommen wir heute am Abende noch in der Hofburg zusammen, vielleicht führt bald den einen oder den andern sein Wille auf den Heimweg. Möget ihr dort alles gut finden, und bringet meinen Gruß euern Angehörigen und denen, die im Lande um euch wohnen.«
Nach diesen Worten riefen die Männer dem Herzoge ein Lebewohl zu, er dankte entblößten Hauptes, und sie verließen den Saal.
In dem Lager auf dem großen Verkaufsplatze zwischen dem rechten Burgflecken und dem Wyšehrad wurde an dem Tage auch eine große Bewegung. Männer aus den Hofherren des Herzoges waren bei den verschiedenen Abteilungen, die Führer kamen aus der Hofburg zu ihren Kriegern, und man verteilte die Gaben und Geschenke des Herzoges an jeden Mann, der in dem Lager war.
So geschah es auch bei den Männern aus Budissin, welche in der Nähe des Dorfes Buben ihren Platz hatten. Sie empfingen Lohn, daß sie gekommen, und zu dem Streite bereitwillig gewesen waren.
Und so geschah es auch bei den Verteidigern der Stadt Prag. Diepold war bei ihnen, und alle Führer waren bei ihnen, welche den Kampf mit ihnen geteilt hatten. Sie erhielten reiche Geschenke, und die, welche verwundet worden waren, empfingen noch besondere Gaben.
Vor dieser Frist wurde Witiko zu dem Herzoge gerufen. Der Herzog gab ihm die Führerschaft über die Waldleute zurück, und sagte, er möge zu den Seinigen eilen, um bei der Verteilung der Gaben zu sein, welche sie für ihre Taten erhalten sollen.
Witiko dankte, und ritt zu den Männern des Waldes. Da waren schon Hofherren, da war Rowno, Hermann, Wyhon, Diet, Wolf, Wernhard, und alle, die zu führen gehabt hatten. Und die Gaben wurden verteilt. Als Witiko erschien, begann auch die Verteilung bei den Seinigen. Sie war reichlich, und der Kammerschreiber gab ihm auch Geld für diejenigen, die vom Wysoka heim gegangen waren, und für die Angehörigen der Toten. Es war viel Freude und Frohlocken, und sie zeigten sich wechselweise, was sie bekommen hatten.
Der Herzog und die Herzogin ritten in schönen Gewändern mit einem Gefolge, das in prunkenden Kleidern war, zu allen Abteilungen, an welche die Gaben gereicht wurden.
Am Abende dieses Tages waren Festmahle in allen Lagern, es waren Feste in den beiden Burgflecken von Prag, und in dem Burgflecken des Wyšehrad, und es war ein Festmahl in der Hofburg des Herzogs.
Witiko ritt zu dem Festmahle des Herzogs, und wurde von vielen seiner Leute bis zu dem Tore begleitet.
Nach dem Mahle wurde er in das Priesterhaus geführt, in welchem ihm wieder seine Wohnung bereitet worden war, weil man die Lager zu verlassen begann.
Am Morgen des folgenden Tages ging er zu den Seinigen, um sie zu begrüßen, und Anordnungen zu treffen.
Sie standen oder saßen im Sonnenglanze an den Hütten oder Schirmen, die sie auf ihrem Platze errichtet hatten, herum, und sprachen von verschiedenen Dingen. Sie sprachen von dem, was geschehen war, von ihren Geschenken, und zeigten sich dieselben neuerdings wieder, und mancher zählte sein Geld aus einer Hand in die andere. Der Schmied von Plan hatte ein sehr großes und starkes und altes Waffenhemd erhalten, und hatte es über seinen groben Rock angetan. David der Zimmerer, welcher auf dem Berge Wysoka verwundet worden war, trug alle Geräte des Zimmerwerkes herbei, welche klarer und spiegelnder waren, als er je gesehen hatte. Veit Gregor zeigte ein Becken aus Silber, in welches er das heilige Wasser, wenn es im nächsten Frühlinge geweiht sein würde, zu gießen gesonnen sei. Tom Johannes, der Fiedler, saß auf Holzblöcken, welche zum Verbrennen hergerichtet waren. Er hatte eine Geige in der Hand, und betrachtete sie.
»Da hast du ja wieder eine Fiedel«, sagte Witiko.
»Ich habe niemals etwas so Schönes gesehen«, antwortete Tom Johannes, »und wenn ich daran kneipe, so klingt sie, wie gar keine geklungen hat. Ich werde jemanden in Plan unterrichten, daß er sie streichen lerne, damit wir auch hören, wie sie singt.«
»Du wirst sie schon selber streichen, daß sie singt«, sagte Witiko.
»Ach, Witiko«, sprach der Fiedler, »du bist doch ein Tor.«
»Wir werden sehen, ob ich ein Tor bin«, sagte Witiko.
Er zeigte nun auch manches von dem, was er von dem Herzoge erhalten hatte, und es wurden die Pferde herbei geführt, daß die Waldleute sie sähen. Sie waren ganz gleich lichtbraun, und mit Silber gezäumt. Raimund führte sie hierauf wieder in das Priesterhaus.
Jeder der Knaben Osels ritt auf einem weißen Pferdchen herum, das er von dem Herzoge erhalten hatte.
Witiko hieß nun die Seinen sich zum Abzuge in die Heimat rüsten, und sagte, daß er sie bis zu ihren Häusern führen werde.
In dem Lager auf dem großen Marktplatze wurden die Gezelte abgebrochen, und die Krieger bereiteten sich zum Fortziehen. Die Männer von Budissin gingen in der Richtung nach ihrer Heimat davon, und die Lechen ordneten die Ihrigen zum Heimwege, nur diejenigen, welche mit dem Herzoge zu der Hochzeit Heinrichs, des Markrafen von Österreich, nach Frankfurt zu gehen gesonnen waren, richteten ihre Kostbarkeiten zu dem Zuge.
Die Führer gingen gegenseitig zu einander, um Abschied zu nehmen. Sie reichten sich mannigfaltige Geschenke. Witiko ging zu den älteren, und dann zu seinen jungen Freunden. Er brachte manchem etwas mit, und empfing von manchem etwas. Bolemil gab ihm den wohlgegliederten Waffenrock, den Dalimil auf dem Wysoka getragen hatte, daß er ihn als Erinnerung an jenen Tage bewahre, an welchem er die Lücke des Verrates ausgefüllt hat, und dadurch sein Kampfnachbar geworden ist. Lubomir gab ihm ein Schwert mit einem Silbergürtel.
An alle Stellen, auf denen Männer waren, die fortziehen wollten, wurden Nahrungsmittel gebracht, daß sie sich für ihren Weg versehen konnten.
Der Herzog ordnete noch manches, setzte Diepold zu seinem Stellvertreter ein, und ging mit der Herzogin und mit einem großen Geleite auf seinen Zug zur Hochzeit seines Schwagers Heinrich.
Witiko verkaufte noch das lahme Pferd, welches Raimund während der Belagerung Prags gepflegt hatte, und kaufte für den Knecht Jakob ein anderes.
Dann begannen die Männer des Waldes gegen den Mittag des Landes zu ziehen.
Rowno zog mit den Seinen zuerst davon. Dimut ritt auf ihrem Pferde neben ihm. Das weiße Pferd wurde von einem Manne Rownos geführt. Dann ging Hermann von Attes, dann Wyhon von Prachatic.
Die Leute Witikos richteten auch ihr Letztes zu ihrem Heimzuge. Sie bargen oder nähten gar ihr Hauptgeld in ihre Gewänder, sie füllten ihre Säcke mit Nahrung und anderen Dingen, und hängten daran noch allerlei seltsame Sachen aus der Lagerbeute oder Werkzeuge. Sie kauften Honigbrote und Brote aus Weizenmehl, geflochtene und gebackene Kränzlein für die Kinder, dann Hausgeschirre, besonders gar schöne runde gedrechselte Holzkrüge und anderes Geräte, wohl auch Stoffe zu Schleifen und Latzen. Und dann gingen sie an der Burg Wyšehrad vorüber in der Richtung gegen ihren Wald dahin.
Witiko führte sie auf dem Wege, den er eingeschlagen hatte, da er von Wladislaw fort gegangen war, als derselbe den Herzogstuhl bestiegen hatte. Er ritt in seinem Ledergewande auf seinem grauen Pferde, und jedes der braunen Pferde wurde von einem Knechte geführt. Saumpferde trugen alles größere Gepäcke.
Gegen den Abend des sechsten Tages kamen sie an der Rückseite des Kreuzberges von Plan an. Die Leute hatten auf ihre Zurückkunft gewartet, und von dem Berge gegen den Wald ausgeschaut. Jetzt liefen sie ihnen entgegen. Die Männer aber, die von dem Kriege kamen, hielten vor dem Berge an, setzten sich in das Gras, zogen ihre Stiefel aus, hingen dieselben auf ihre Schäfte oder Stäbe oder Schwerter, und zogen barfüßig in die Kirche. Witiko ritt aber als Führer in seiner Bekleidung vor ihnen, und gab das Pferd vor der Kirche zum Halten. In der Kirche harrte der Pfarrer auf die Männer, segnete sie beim Eingange, sprach dann vor dem Altare ein Dankgebet. Dann wendete er sich um, und hielt eine Festrede. Er ermahnte die Männer, sie sollen Gott preisen, der sie erhalten hat, sollen der Toten gedenken, und sollen durch den erlangten Reichtum nicht übermütig und leichtfertig werden. Beim Ausgange segnete er sie wieder.
Außerhalb der Kirche begannen nun die Männer erst über alles zu sprechen. Die Ihrigen und andere umringten sie, und Freuden und Reden wurden getauscht. Die Männer drängten sich dann zu Witiko, verabschiedeten sich, und zerstreuten sich in ihre Wohnungen.
Witiko ritt in das steinerne Haus.
Er verteilte an diesem Tage noch das Geld, welches ihm der Kammerschreiber für die Streiter auf dem Wysoka und die Angehörigen der Toten mitgegeben hatte, er tröstete die Mutter Norberts und Wolfgangs, und besuchte den Pfarrer.
Am nächsten Morgen ging er auf den Kreuzberg, und sah auf den Wald des schwarzen Sees und auf den Wald des heiligen Thomas.