Adalbert Stifter
Der Nachsommer
Adalbert Stifter

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»›Gustav‹, sagte sie, ›so sehen wir uns wieder. Ich konnte das Unrecht nicht mehr tragen, das ich dir angetan habe.‹«

»›Es ist kein Unrecht geschehen, Mathilde‹, sagte ich.«

»›Ja, du bist immer gut gewesen‹, antwortete sie, ›das wußte ich, darum bin ich gekommen. Du bist auch jetzt gut, das sagt dein liebes Auge, das noch so schön ist wie einst, da es meine Wonne war. O ich bitte dich, Gustav, verzeihe mir.‹«

»›O teure Mathilde, ich habe dir nichts zu verzeihen, oder du hast es mir auch‹, antwortete ich. ›Die Erklärung liegt darin, daß du nicht zu sehen vermochtest, was zu sehen war, und daß ich dann nicht näher zu treten vermochte, als ich hätte näher treten sollen. In der Liebe liegt alles. Dein schmerzhaftes Zürnen war die Liebe, und mein schmerzhaftes Zurückhalten war auch die Liebe. In ihr liegt unser Fehler und in ihr liegt unser Lohn.‹«

»›Ja, in der Liebe‹, erwiderte sie, ›die wir nicht ausrotten konnten. Gustav, ich bin dir doch trotz allem treu geblieben und habe nur dich allein geliebt. Viele haben mich begehrt, ich wies sie ab; man hat mir einen Gatten gegeben, der gut, aber fremd neben mir lebte, ich kannte nur dich, die Blume meiner Jugend, die nie verblüht ist. Und du liebst mich auch, das sagen die tausend Rosen vor den Mauern deines Hauses, und es ist ein Strafgericht für mich, daß ich gerade zu der Zeit ihrer Blüte gekommen bin.‹«

»›Rede nicht von Strafgerichten, Mathilde‹, erwiderte ich, ›und weil alles Andere so ist, so lasse die Vergangenheit und sage, welche deine Lage jetzt ist. Kann ich dir in irgend etwas helfen?‹«

»›Nein, Gustav‹, entgegnete sie, ›die größte Hilfe ist die, daß du da bist. Meine Lage ist sehr einfach. Der Vater und die Mutter sind schon längst tot, der Gatte ist ebenfalls vor Langem gestorben und Alfred – du hast ihn ja recht geliebt -‹«

»›Wie ich einen Sohn lieben würde‹, antwortete ich.«

»›Er ist auch tot‹, sagte sie, ›er hat kein Weib, kein Kind hinterlassen, das Haus in Heinbach und das in der Stadt hat er noch bei seinen Lebzeiten verkauft. Ich bin im Besitze des Vermögens der Familie und lebe mit meinen Kindern einsam. Lieber Gustav, ich habe dir den Knaben gebracht – wie wußtest du denn, daß er mein Sohn sei?‹«

»›Ich habe deine schwarzen Augen und deine braunen Locken an ihm gesehen‹, antwortete ich.«

»›Ich habe dir den Knaben gebracht‹, sagte sie, ›daß du sähest, daß er ist wie dein Alfred – fast sein Ebenbild -, aber er hat niemanden, der so lieb mit ihm umgeht, wie du mit Alfred umgegangen bist, der ihn so liebt, wie du Alfred geliebt hast, und den er wieder so lieben könnte, wie Alfred dich geliebt hat.‹«

»›Wie heißt der Knabe?‹ fragte ich.«

»›Gustav, wie du‹, antwortete sie.«

»Ich konnte meine Tränen nicht zurückhalten.«

»›Mathilde‹, sagte ich, ›ich habe nicht Weib, nicht Kind, nicht Anverwandte. Du warst das Einzige, was ich in meinem ganzen Leben besaß und behielt. Lasse mir den Knaben, lasse ihn bei mir, ich will ihn lehren, ich will ihn erziehen.‹«

»›O mein Gustav‹, rief sie mit den schmerzlichsten Tönen der Rührung, ›wie wahr ist mein Gefühl, das mich an dich, den besten der Menschen, wies, als ich ein Kind war, und das mich nicht verlassen hatte, so lange ich lebte.‹«

»Sie war aufgestanden, hatte ihr Haupt auf meine Schulter gelegt und weinte auf das Innigste. Ich konnte mich nicht mehr beherrschen, meine Tränen flossen unaufhaltsam, ich schlang meine Arme um sie und drückte sie an mein Herz. Und ich weiß nicht, ob je der heiße Kuß der Jugendliebe tiefer in die Seele gedrungen und zu größrer Höhe erhebend gewesen ist als dieses verspätete Umfassen der alten Leute, in denen zwei Herzen zitterten, die von der tiefsten Liebe überquollen. Was im Menschen rein und herrlich ist, bleibt unverwüstlich und ist ein Kleinod in allen Zeiten.«

»Als wir uns getrennt hatten, geleitete ich sie zu ihrem Sitze, nahm den meinigen wieder ein, und fragte: ›Hast du noch andere Kinder?‹«

»›Ein Mädchen, welches mehrere Jahre älter ist als der Knabe‹, erwiderte sie, ›ich werde dir dasselbe auch bringen, es hat ebenfalls die schwarzen Augen und die braunen Haare wie ich. Das Mädchen behalte ich, den Knaben lasse, weil du so gütig bist, um dich leben, so lange du willst. Er möge werden wie du. O, ich hatte kaum geahnt, wie hier alles werden wird.‹«

»›Mathilde, beruhige dich jetzt‹, sagte ich, ›ich werde den Knaben holen, wir werden mit ihm freundlich sprechen.‹«

»Ich tat es, trat mit dem Knaben an der Hand herein und wir sprachen mit dem Kinde und abwechselnd unter uns noch eine geraume Weile. Ich zeigte Mathilden hierauf das Haus, den Garten, den Meierhof und alles Andere. Gegen Abend fuhr sie wieder fort, um in Rohrberg zu übernachten. Den Knaben sollte sie der Verabredung gemäß wieder mit sich nehmen, ihn ausrüsten und vorbereiten und ihn, wie sie es für gelegen halte, bringen. Wir blieben von dem Augenblicke an in Briefwechsel, und als eine Zeit vergangen war, brachte sie mir Gustav, der noch bei mir ist, sie brachte mir auch Natalien, die damals im ersten Aufblühen begriffen war. Eine größere Gleichheit als zwischen diesem Kinde und dem Kinde Mathilde kann nicht mehr gedacht werden. Ich erschrak, als ich das Mädchen sah. Ob in den Jahren, in denen jetzt Natalie ist, Mathilde auch ihr gleich gewesen ist, kann ich nicht sagen; denn da war ich von Mathilden schon getrennt.«

»Es begann nun eine sehr liebliche Zeit. Mathilde kam mit Natalien öfter, um uns zu besuchen. Ich machte ihr in den ersten Tagen den Vorschlag, daß ich die Rosen, wenn sie ihr schmerzliche Erinnerungen weckten, von dem Hause entfernen wolle. Sie ließ es aber nicht zu, sie sagte, sie seien ihr das Teuerste geworden und bilden den Schmuck dieses Hauses. Sie hatte sich zu einer solchen Milde und Ruhe gestimmt, wie ihr sie jetzt kennt, und diese Lage ihres Wesens befestigte sich immer mehr, je mehr sich ihre äußeren Verhältnisse einer Gleichmäßigkeit zuneigten und je mehr ihr Inneres, ich darf es wohl sagen, sich beglückt fühlte.

Ein freundlicher Verkehr hatte sich entwickelt, Gustav hatte sich an mich gewöhnt, ich an ihn, und aus der Gewöhnung war Liebe entstanden. Mathilde gab Rat in meinem Hauswesen, ich in der Verwaltung ihrer Angelegenheiten. Nataliens Erziehung wurde oft zwischen uns besprochen und Schritte getan, die wir verabredet hatten. Und in der gegenseitigen Hilfleistung stärkte sich die Neigung, die wir gegen einander hatten, die nie verschwunden war, die sich zu einem edlen, tiefen freundlichen Gefühle gebildet hatte und die nun offen und rechtmäßig bestehen konnte. Ich hatte wieder Jemanden, den ich zu lieben vermochte, und Mathilde konnte ihr Herz, das mir immer gehört hatte, unumwunden an mein Wohl und an mein Wesen wenden. Nach einer Zeit wurde der Sternenhof verkäuflich. Ich schlug Mathilden den Kauf vor. Sie besah das Gut. Seiner Nachbarschaft mit mir willen und schon seiner Linden willen, die sie an die großen Bäume auf dem Rasenplatze vor dem Hause in Heinbach erinnerten, war sie zu dem Kaufe geneigt. Auch hatte der Sternenhof überhaupt große Ähnlichkeit mit dem Hause in Heinbach, war an sich eine sehr angenehme Besitzung und gab Mathilden für den Rest ihres Lebens einen festen Punkt und einige Abrundung ihrer Verhältnisse. Also wurde er erworben. Um dieselbe Zeit ließ ich in meinem Hause die Wohnung für Mathilden und Natalien herrichten. In dem Sternenhofe war viel Arbeit, bis alles zur gefälligen Wohnlichkeit geordnet war. Und auch nach dieser Zeit wurde beständig geändert und umgewandelt, bis das Haus so war, wie es jetzt ist. Und selber jetzt, wie ihr wißt, wird dort wie hier gebaut, befestigt, verschönert, und es wird wohl immer so fortgehen. Die Rosen, dieses Merkmal unserer Trennung und Vereinigung, sollten vorzugsweise auf dem Asperhofe bleiben, weil es Mathilden lieb war, daß sie dieselben dort gefunden hatte. Jede Rosenblütezeit verlebte sie bei mir, sie liebte diese Blumen außerordentlich, pflegte sie und konnte sich freuen, wenn sie mir eine Art, die ich noch nicht hatte, zubringen konnte. Dafür ließ ich ihr in ihrem Schlosse die Geräte machen, die ihr so viel Vergnügen bereiten. Gustav wurde von Tag zu Tage trefflicher und versprach, einmal ein Mann zu werden, woran seines Gleichen Freude haben sollten. Natalie wurde nicht bloß schön und herrlich, sondern sie wurde auch im Umgange mit ihrer Mutter so rein und edel, wie Wenige sind. Sie hatte das tiefe Gefühl ihrer Mutter erhalten; aber teils durch ihr Wesen, teils durch eine sehr sorgfältige Erziehung ist mehr Ruhe und Stetigkeit in ihr Dasein gekommen. Zwischen Mathilden und mir war ein eigenes Verhältnis. Es gibt eine eheliche Liebe, die nach den Tagen der feurigen, gewitterartigen Liebe, die den Mann zu dem Weibe führt, als stille, durchaus aufrichtige süße Freundschaft auftritt, die über alles Lob und über allen Tadel erhaben ist, und die vielleicht das Spiegelklarste ist, was menschliche Verhältnisse aufzuweisen haben. Diese Liebe trat ein. Sie ist innig, ohne Selbstsucht, freut sich, mit dem Andern zusammen zu sein, sucht seine Tage zu schmücken und zu verlängern, ist zart und hat gleichsam keinen irdischen Ursprung an sich.

Mathilde nimmt Anteil an meinen Bestrebungen. Sie geht mit mir in den Räumen meines Hauses herum, ist mit mir in dem Garten, betrachtet die Blumen oder Gemüse, ist in dem Meierhofe und schaut seine Erträgnisse an, geht in das Schreinerhaus und betrachtet, was wir machen, und sie beteiligt sich an unserer Kunst und selbst an unsern wissenschaftlichen Bestrebungen. Ich sehe in ihrem Hause nach, betrachte die Dinge im Schlosse, im Meierhofe, auf den Feldern, nehme Teil an ihren Wünschen und Meinungen und schloß die Erziehung und die Zukunft ihrer Kinder in mein Herz. So leben wir in Glück und Stetigkeit gleichsam einen Nachsommer ohne vorhergegangenen Sommer. Meine Sammlungen vervollständigen sich, die Baulichkeiten runden sich immer mehr, ich habe Menschen an mich gezogen, ich habe hier mehr gelernt als sonst in meinem ganzen Leben, die Spielereien gehen ihren Gang, und etwas Weniges nütze ich doch auch noch.«

Er schwieg nach diesen Worten eine Weile, und ich auch. Dann fuhr er wieder fort: »Ich habe das alles mitteilen müssen, damit ihr wißt, wie ich mit der Familie in dem Sternenhofe zusammenhänge, und damit in dem Kreise, in welchen ihr nun auch tretet, für euch Klarheit ist. Die Kinder wissen die Verhältnisse im Allgemeinen, ein näheres Eingehen war für sie nicht so nötig wie für euch. Ich wünsche nicht, daß ihr gegen eure künftige Gattin Geheimnisse habt, ihr könnt Natalien mitteilen, was ich euch sagte, ich konnte es, wie ihr begreifet, nicht. Über Nataliens Zukunft sprach ich oft mit Mathilden. Sie sollte einen Gatten bekommen, den sie aus tiefer Neigung nimmt. Es sollte die gegenseitige größte Hochachtung vorhanden sein. Durch Beides sollte sie das Glück finden, das ihre Mutter und ihren väterlichen Freund gemieden hat. Mathilde hat in Begleitung des alten Raimund, der seitdem gestorben ist, große Reisen gemacht. Sie hat auf denselben dauerndere Ruhe gesucht und auch gefunden. Sie hat sie in der Betrachtung der edelsten Kunstwerke des menschlichen Geschlechtes und in der Anschauung mancher Völker und ihres Treibens gefunden. Natalie ist dadurch befestigt, veredelt und geglättet worden. Manche junge Männer hat sie kennen gelernt, aber sie hat nie ein Zeichen einer Neigung gegeben. Sogenannte sehr glänzende Verbindungen sind auf diese Weise für sie verloren gegangen. Ich hätte auch große Sorge gehabt, wenn ich unter unseren jungen Männern hätte wählen müssen. Als ihr zum ersten Male an dem Gitter meines Hauses standet und ich euch sah, dachte ich: ›Das ist vielleicht der Gatte für Natalien.‹ Warum ich es dachte, weiß ich nicht. Später dachte ich es wieder, wußte aber warum. Natalie sah euch und liebte euch, so wie ihr sie. Wir kannten das Keimen der gegenseitigen Neigung. Bei Natalien trat sie Anfangs in einem höheren Schwunge ihres ganzen Wesens, später in einer etwas schmerzlichen Unruhe auf. In euch erschloß sie euer Herz zu einer früheren Blüte der Kunst und zu einem Eingehen in die tieferen Schätze der Wissenschaft. Wir warteten auf die Entwicklung. Zu größerer Sicherheit und zur Erprüfung der Dauer ihrer Gefühle brachten wir absichtlich Natalien zwei Winter nicht in die Stadt, daß sie von euch getrennt sei, ja sie wurde von ihrer Mutter wieder auf größere Reisen und in größere Gesellschaften gebracht. Ihre Gefühle aber blieben beständig und die Entwicklung trat ein. Wir geben euch mit Freuden das Mädchen in eure Liebe und in euren Schutz, ihr werdet sie beglücken und sie euch; denn ihr werdet euch nicht ändern, und sie wird sich auch nicht ändern. Gustav wird einmal den Sternenhof und was dazu gehört erhalten; denn das Haus ist Mathilden so lieb geworden, daß sie wünscht, daß es ein Eigentum ihrer Familie bleibe und daß die kommenden Geschlechter das ehren, was die erste Besitzerin darin niedergelegt hat. Gustav wird es tun, das wissen wir schon, und seinen Nachfolgern die gleiche Gesinnung einzupflanzen, wird wohl auch sein Bestreben sein. Natalie erhält von mir den Asperhof mit allem, was in ihm ist, nebst meinen Barschaften. Ihr werdet mein Andenken hier nicht verunehren.«

Mir traten die Tränen in die Augen, da er so sprach, und ich reichte ihm meine Hand hinüber. Er nahm sie und drückte sie herzlich.

»Ihr könnt hier auf dem Asperhofe wohnen oder in dem Sternenhofe oder bei euren Eltern. Überall wird Platz für euch zu machen sein. Ihr könnt auch euern Aufenthalt abwechselnd zwischen uns teilen, und das wird wohl wahrscheinlich der Fall sein, bis sich alle unsere Verhältnisse dem neuen Ereignisse gemäß gerichtet haben. Die Schriften bezüglich der Übertragung meines Vermögens an Natalien werden ihr nach der Vermählung eingehändigt werden. So lange ich lebe, erhält sie einen Teil, den Rest nach meinem Tode. Wie ihr mit dem, was sie jetzt empfängt, gebaren sollt, darüber wird euer Vater die beste Belehrung geben können. Er wird wohl mit mir auch darüber sprechen. Natalie erhält auch nach ihrer Vermählung den Teil, der ihr aus dem Nachlasse ihres Vaters Tarona gebührt.«

»Ist Nataliens Name Tarona?« fragte ich.

»Habt ihr das nicht gewußt?« fragte er seinerseits.

»Ich habe Mathilden immer die Frau von Sternenhof nennen gehört«, antwortete ich, »bin mit Mathilden und Natalien nirgends zusammen gewesen als im Sternenhofe, Asperhofe und Inghofe, und da wurden beide stets bei ihrem Vornamen genannt. Weitere Forschungen stellte ich gar nie an.«

»Mathilde ließ geschehen, daß sie nach dem Sternenhofe geheißen wurde, der Name war ihr lieber. So mag es wohl gekommen sein, daß ihr keinen andern gehört habt. Für Gustav wird die Erlaubnis zur Führung dieses Namens nachgesucht werden.«

»Aber die Tarona, erzählte man mir, sei gerade in jenem Winter, an welchem ich Natalien in der Loge gesehen habe, nicht in der Stadt gewesen«, sagte ich, und dachte an Preborn, welcher mir diese Tatsache mitgeteilt hatte.

»Ganz richtig«, erwiderte mein Gastfreund, »wir sind auch nur zur Aufführung des König Lear hingefahren. Ich war in der Loge hinter Natalien, habe euch aber nicht gesehen.«

»Ich euch auch nicht«, antwortete ich.

»Natalie hat uns von dem jungen Manne erzählt, der ihr im Schauspielhause aufgefallen sei«, erwiderte er, »aber erst nach langer Zeit konnte sie uns eröffnen, daß ihr es gewesen seid.«

»Habe ich euch nicht einmal im Winter in der Stadt nach der Wiedergenesung des Kaisers, mit euren Ehrenzeichen geschmückt, fahren gesehen?« fragte ich.

»Das ist möglich«, antwortete er, »ich war in jener Zeit in der Stadt und an dem Hofe.«

»Nun mein sehr lieber junger Freund«, sagte er nach einer Weile, »ich habe euch von meinem Leben erzählt, da ihr einer der unseren werden sollt, ich habe zu euch von meinem tiefsten Herzen geredet, und jetzt enden wir dieses Gespräch.«

»Ich bin euch Dank schuldig«, antwortete ich, »allein all das Gehörte ist noch zu mächtig und neu in mir, als daß ich jetzt die Worte des Dankes finden könnte. Nur eins berührt mich fast wie ein Schmerz, daß ihr mit Mathilden nach eurer Wiedervereinigung nicht in einen nähern Bund getreten seid.«

Der Greis errötete bei diesen Worten, er errötete so tief und zugleich so schön, wie ich es nie an ihm gesehen hatte.

»Die Zeit war vorüber«, antwortete er, »das Verhältnis wäre nicht mehr so schön gewesen, und Mathilde hat es auch wohl nie gewünscht.«

Er war schon früher aufgestanden, jetzt reichte er mir die Hand, drückte die meine herzlich und verließ das Zimmer.

Ich blieb eine geraume Weile stehen und suchte meine Gedanken zur Sammlung zu bringen. Das wäre mir nie zu Sinne gekommen, als ich zum ersten Male zu diesem Hause heraufstieg und des andern Tages seinen Inhalt sah, daß alles so kommen würde, wie es kam, und daß das alles zu meinem Eigentume bestimmt sei. Auch begriff ich jetzt, weshalb er meistens, wenn er von seinem Besitze sprach, das Wort »unser« gebrauchte. Er bezog es schon auf Mathilden und ihre Kinder.

Nachdem ich noch eine Zeit in meiner Wohnung verweilt hatte, verließ ich sie, um in frischer Luft einen Spaziergang zu machen und noch das Gehörte in mir ausklingen zu lassen.


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