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Herrn Wippchen in Bernau.
Wenn wir uns die übrigens ganz überflüssige Mühe geben, nach Motiven zu suchen, aus denen diejenigen Ihrer Berichte entspringen, deren Abdruck wir bei aller Bereitwilligkeit, auch Ihren unglaubwürdigen gegenüber nicht rigorös zu sein, nicht wagen dürfen, so finden wir dennoch für Ihre jüngste Sendung kein einziges.
Nehmen Sie uns unsere Offenheit nicht übel.
Auf die, übrigens so veraltete, Nachricht hin, daß Deutschland, Frankreich und England gemeinschaftlich gegen den Khedive operiren, schreiben Sie uns – abgesehen von Allem, welche Unvorsichtigkeit! – per Sechserkarte: »Deutsch-französisch-englischer Mars gegen Aegypten beginnt! Morgen erste Schlacht von etwa hundert Zeilen bei den Pyramiden! Bitte um den Band Pierer: 152 Buchstabe A. und drei Khedivedors Vorschuß.« Wenn Sie aber auf den dortigen Bahnhof gegangen wären, so hätte Ihnen jeder Schaffner gesagt, daß an einen ägyptischen Krieg nicht im Entferntesten gedacht wird, daß in Aegypten die tiefste Ruhe herrscht, daß der Khedive zu Gunsten seines Sohnes abgedankt hat und was dergleichen hochwichtige Informationen mehr sind.
Mittlerweile traf nun auch Ihre Pyramidenschlacht ein. Sie richten ein unerhörtes Blutbad an. Sie lassen eine aus Deutschen, Franzosen und Engländern bestehende Armee die Aegypter vernichten, schreiben: »2000 Mumien bedeckten das Schlachtfeld, und das Blut der auf der Flucht Umgekommenen röthete das ohnehin so rothe Meer« und kündigen den Einzug der Sieger in Kairo an. Das aber ist uns selbst für die sauerste Gurkenzeit zu stark.
Indem wir Sie bitten, vorläufig noch über den Kaffernkrieg zu berichten, grüßen wir Sie
ergebenst
Die Redaktion.
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153 Bernau, den 17. Juli 1879.
Als ich Ihren werthen uneingeschriebenen Brief erhielt, witterte ich mit meiner Argusnase sofort, er würde mir die Mittheilung bringen, daß Tell wieder einmal keinen Vogel vom Haupt seines Sohnes abgeschossen. Und so war es auch. Ihr Brief benachrichtigt mich, daß Sie mein rasches Verfahren in Aegypten nicht billigen und für meine mit so viel Sorgfalt gearbeitete Pyramidenschlacht kein Placet in Ihrem geschätzten Blatte haben.
Wir wollen uns deshalb nicht wie die Katzen um den heißen Brei zanken. Im Gegentheil strecke ich beschämt die Segel. Ich gebe Ihnen Recht, und Sie werden es nehmen. Jetzt, wo ich mir die Pyramidenschlacht ruhig überlege, sehe ich ein, daß ich auf dem besten Holzwege war, in die traurige Manier meiner Collegen zu verfallen und der Unwahrheit die Ehre zu geben. Ich bitte Sie daher um Peccavi. Bedenken Sie: der Bock ist menschlich.
Die Erklärung für meine jüngst ergebene Pyramidenschlacht liegt allerdings nahe. Der nunmehr beseitigte Vice-Khedive war mir stets unsympathisch. Er steckte bis an die Ohren in Rothschild, er genoß eines unbeschränkten Mißcredits, seine Wechsel wurden überall mit Vergnügen protestirt, die Ebbe in seinem Staatsschatz war zu einer bedenklichen Höhe angeschwollen, er wurde jedem noch so fälligen Coupon ungerecht, seine ganze Finanzwirthschaft bestand aus einem Peloton von Vorschüssen, und dennoch! Dennoch konnte man 154 vor lauter Schranzen seinen Hof nicht sehen, dennoch hatte er alle linken Hände voll Frauen, dennoch hätte er gern aus jedem Weib, welches er sah, einen Kebs gemacht. Sein Harem war täglich ausverkauft, kaum war noch ein Stehplatz zu haben. In seinem Theater wurden nur Opern von Johann Sebastian Offenbach gegeben. Und was war seine Regierung? Daß er den Suezkanal durchstach, das war doch gewiß nicht sein Werk. Die Vox seines Populi war erstickt, der Merkur lag darnieder, die Wüste verödete, die Kameele – so nennt man die Schiffe der Wüste – verfaulten, und mit dem schönsten Schmuck des Landes, den Obelisken, – ich erinnere nur an den von Luxor – warf der Khedive förmlich um sich. Da ergriff ich die erste beste Gelegenheit, eine Katastrophe herbeizuführen, und war dies thatsächlich nicht richtig, in der sauern Saison morte hätte man es kaum bemerkt. Mein Grundsatz ist: Man muß das Lämpchen schmieden, so lange es glüht. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, bekritteln Sie wohl meinen Bericht – verzeihen Sie das harte Wort! – milder, und so kehre ich neugekräftigt zum Kapland zurück. Ich schildere das Scheitern der Friedensunterhandlungen.
Mit der Einführung des neuen Zolltarifs, welcher jedes Hundert Kilogramm auch meiner Lebensbedürfnisse um ein Bedeutendes vertheuert, bitte ich Sie um einen Vorschuß von vier Sterlingen zum heutigen Cours. Geld macht Sie ja nicht glücklich.
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155 Natal, den 24. Juni 1879.
W. Gestern Abend – der Mondgott lenkte eben seinen silbernen Wagen in die Arena des Horizontes – ist Sir Garnet Wolseley in der Kapstadt eingetroffen und an das Herz der daselbst befindlichen höheren Offiziere gedrückt worden. Heute kam er hier an, um die Friedensunterhandlungen zu leiten. Er ritt ein prächtiges Trakehner Kameel, trug den Inexpressiblesbandorden und machte den Eindruck eines Lebemannes, der nicht aussieht, als ducke er Mäuser.
Er empfing uns, umtuscht von der Regimentsmusik, mit einem militärischen Gruß, in den ich begeistert einstimmte.
Es war Nachmittag. Eben schlug es von meiner Taschenuhr drei, als der gefürchtete Cetewayo aus dem hohen Grase, das ihn bis dahin unseren Blicken entzogen hatte, hervortrat. Derselbe trug die große Uniform und zwar über dem Arm, so daß dieser völlig bedeckt, der übrige Körper aber nackt war. Er hatte ein Paar Ohrringe erster Klasse angelegt. Es war ein interessanter Moment. Er begrüßte den englischen Heerführer und dieser ihn mit einer stummen Verbeugung, da Jeder nur seiner eigenen Mutterzunge mächtig ist. Dann präsentirte Cetewayo seinen Assegai, die schreckliche Lanze, welche in diesem Kriege eine so traurige Rolle spielt. Dies war das Signal zum Beginn der Unterhandlung, welche, wie gesagt, in der Zeichensprache geführt wurde und daher Vielen unverständlich blieb. Ich verstand, daß Sir Wolseley die Unterwerfung des Landes forderte, worauf Cetewayo, die 156 dunklen Augen in Falten legend, den Kopf schüttelte, als wollte er sagen: »Bitte, gehen Sie voran, ich bin hier zu Hause.« Der englische General stampfte unwillig das Straßenpflaster und wandte sich zu seiner Umgebung mit den Worten: »Und wenn wir wie Jakob um Rahel sieben magere Kühe lang um dies elende Land kämpfen sollen, ja, wenn uns die Kaffern vertreiben, wir wanken und weichen nicht!«
Bei diesen Worten erschütterte eine tiefe Rührung, welche sich des Generalstabs bemächtigte, die Luft.
Die Unterredung war zu Ende. Cetewayo, der, soweit dies einem Nackten möglich ist, sich sehr zugeknöpft gezeigt hatte, machte ein fast elegantes Kehrt und schlug sich seitwärts in die Büsche.
Ich höre eben, daß die Engländer hoffen, dennoch Cetewayo zu zwingen, ihnen nach ihrer nächsten Niederlage den Frieden zu dictiren.