Julius Stettenheim
Wippchen's sämmtliche Berichte, Band 2
Julius Stettenheim

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135 V.

Herrn Wippchen in Bernau.

Es hat sich Ihrer augenscheinlich eine große Unruhe bemächtigt, was wir daraus schließen, daß Sie uns mit Postkarten förmlich überschütten, durch welche Sie anfragen, ob wir denn keine Berichte über den Krieg der Westmächte mit »Khedivien« – so nennen Sie Aegypten – aus Ihrer Feder haben wollen. Nachdem Sie in Ihrem letzten Bericht vom Cap die Zulus vernichtet haben, scheinen Sie den Kaffernkrieg in Wirklichkeit für beendet zu halten und sich nach einem andern Kriege umzusehen. Dabei verfallen Sie denn auf die zwar originelle, aber doch sehr barocke Idee, Frankreich und England in einen Krieg mit Aegypten zu verwickeln, während im Gegentheil Alles geschieht, um diesen Krieg zu verhindern. Sie scheinen keine Zeitungen zu lesen. Wir schicken Ihnen daher etliche mit der Bitte, 136 sich zu informiren, und legen Ihren Bericht, den Sie uns über eine bei den Obelisken stattgehabte blutige Schlacht senden, mit dem Bedauern in den Papierkorb, für derartige Ausschreitungen Ihrer Phantasie keinen Raum zu haben. Beiläufig wollen wir bemerken, daß Sie sich von den Obelisken eine ganz falsche Vorstellung machen. Sie beschreiben dieselben genau nach dem Modell, welches auf dem Potsdamer Platz in Berlin aufgestellt war: von Holz und mit Wasser und Gasleitung versehen. Unglaublich!

Vernachlässigen Sie den Kaffernkrieg nicht und sein Sie gegrüßt

ergebenst

Die Redaktion.

* * *

Bernau, den 24. April 1879.

Ich rede mir wahrlich nicht ein, daß meine Wiege wie die Homer's in sieben Städten gestanden hat, das will sagen, daß ich nicht glaube, mit jedem Bericht einen unsterblichen Gesang zu dichten, aber ich weiß, daß meine Berichte weder so Lari, noch so Fari sind, daß Sie mir deshalb die Leviten zu schreiben brauchen. Man soll mich nicht unverdient herauf-, aber auch nicht muthwillig herunterreißen. 137 Ich bitte Sie daher vor Allem, nicht zu glauben, daß ich Sie oder Ihre werthen Leser hinter's Licht foppen wollte, als ich den Krieg zwischen den Westmächten und Aegypten entbrannte. Das Schwert hängt doch nur an einem Damokleshaar. Die Westmächte können es nicht ruhig mitansehen, daß der Khedive sein ihnen gegebenes Wort vom Zaune gebrochen hat. Sie haben ihn auf frischem Flagranti ertappt und werden ihm wohl jetzt höchstens zwei Schritte vom Leibe bleiben. Dazu kommt, daß der Khedive, bei seinem Volke unbeliebt, nicht wie Graf Eberhard sein Haupt jedem Unterthan an den Rockschooß hängen kann. Anstatt den Schweiß des Bürgers mehrmals in der Hand umzudrehen, bevor er ihn ausgiebt, verschwendet er, ohne das Respice zu bedenken, Hunderttausende für Frauen- und Mädchenzimmer und umgiebt sich mit Schmeichelleckern und anderen Tage- und Nachtdieben, welche ihm wie einer Citrone das Fell über die Ohren ziehen. Können die Westmächte das ruhig mit ansehen? Diese Frage muß ich beneinen. Und so beeilte ich mich denn, meinen Collegen zuvorzukommen und Ihnen die erste Schlacht zu liefern.

Was also ist mein Verbrechen? Nichts als – verzeihen Sie das harte Wort! – Gewissenhaftigkeit.

Ich sende Ihnen nach Wunsch einen Bericht vom Cap. Da Nichts passirt, so sog ich mir etwas aus der Phantasie. Sie kennen ja das Sprüchwort: Wenn die Noth am Höchsten, frißt der Teufel Fliegen am Nächsten.

138 Um den Brief nicht noch einmal wieder öffnen zu müssen, bitte ich Sie, bevor ich ihn zulecke, um einen Vorschuß von 50, schreibe sechszig, Mark. Der Cours ist leider 20,43.

Noch eins. Können Sie eine Reihe von Feuilletons von mir brauchen? Der Titel ist: »Meine Beziehungen zu Wippchen. Von Helene von Racowitza

* * *

Englisches Hauptquartier, den 2. April 1879.

W. Wenn Europa bis heute sich umsonst die Gedanken darüber zerbrach, wie es denn möglich sei, daß eine Riesenmacht wie die englische nicht sofort das kleine Zuluvölkchen mit Stumpf und Kegel vernichtet, vielmehr es erlebt habe, daß sie auf dem Glücksrade des Waffenspiels den Kürzeren zog und von Cetewayo's Haufen über diesen gerannt wurde, so bin ich heute in der angenehmen Lage, das Dunkel aufzuhellen. Uns Correspondenten – ich muß im Pluralis laesae majestatis sprechen – war dies bis heute auf das Strengste untersagt.

Es galt vor allen Dingen, die Kaffern sicher zu machen, sie über die wahren Tatzen des britischen Leun zu täuschen und aus ihren Vor- und Hinterhalten herauszulocken. Es war eine Marslist, wie sie erlaubt, ja geboten ist, und der Feind ließ sich die Leimruthe aufbinden. Immer kecker drang er hervor, und nun kann er, und zwar seit gestern, nicht mehr entkommen. Um dieses Ziel zu erreichen, waren 25 Schlappen nöthig.

139 Heute nun wurde im Lager das Fest der fünfundzwanzigsten Schlappe mit allem Pomp gefeiert. Phöbus hatte noch nicht gekräht, als sämmtliche Tambours den Zapfen ertönen ließen. Ich sprang auf die Beine, ließ mir rasch einige Eier in die Pfanne hauen, frühstückte und eilte aufs Feld, wo sich Lord Chelmsford bereits als Mittelpunkt formirt hatte und den Truppen, welche einen Kreis um ihn bildeten, die Bedeutung des Tages auseinandersetzte. Fast jedes Wort der kriegerischen Rede wurde von lauten Hochs unterbrochen. Dann wurde einzelnen Offizieren, welche die Mißerfolge herbeizuführen geholfen hatten, das Hosenband verliehen, und ein Picknick schloß die einfache, aber simple Feier. Kaum war hierauf der Commandant in sein Zelt geritten und hatte die Leinwand hinter sich geschlossen, als auch die Nachricht eintraf, daß die Zulus nahten. Daß sie geschlagen wurden, geht aus dem sofort an Sie abgeschickten und nun wohl in Ihren Händen befindlichen Draht hervor.


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