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Herrn Wippchen in Bernau.
Ihre Idee, nunmehr den Kaffernkrieg durch eine Hauptschlacht zu beenden, um ungestört über die Berliner Gewerbe-Austellung zu berichten, mißfällt uns derart, daß wir Sie recht sehr bitten, sie sofort aufzugeben.
Unsere Gründe, welche uns zu dieser Bitte veranlassen und mit denen wir nicht zurückhalten wollen, können nur scheinbar etwas Verletzendes für Sie haben: Ihr Feld ist die Kriegs-Correspondenz. Auf diesem leisten Sie Ersprießliches, eine so große Concurrenz Ihnen auch gegenübersteht.
Aber auf anderen Gebieten der Berichterstattung fühlen Sie sich nicht heimisch. Wir erinnern Sie nur an Ihre Briefe von der Pariser Weltausstellung im vorigen Jahre. Wir und wohl auch unsere Leser merkten es denselben an, 141 daß sich Ihre Feder mit den Werken des Friedens nicht so behaglich beschäftigte, wie mit den erschütternden Ereignissen eines Krieges. Es wollte uns scheinen, als wäre Ihnen Alles zu harmlos, zu unblutig, zu philiströs. Das Beste, was Sie leisten, – dies wird selbst Ihre unbestrittene Bescheidenheit zugeben, – leisten Sie als Kriegsberichterstatter.
Außerdem aber ist der Kaffernkrieg noch lange nicht zu Ende. Und endlich: Welchen Eindruck würde es machen, wenn Sie plötzlich als Berichterstatter einer Berliner Ausstellung auftauchten, während jeder Leser auszurechnen vermag, daß Sie unmöglich so flink den Weg vom Zululande bis Berlin zurückgelegt haben können!
Wir bitten Sie also, bei der einmal begonnenen Berichterstattung zu bleiben, und sehen einem möglichst sensationellen Artikel entgegen.
Ergebenst
Die Redaktion.
* * *
Bernau, den 15. Mai 1879.
Vergeblich zerbreche ich mir den Horizont über Ihr jüngst ergebenes Schreiben. Was konnte Sie zu dem herben Urtheil 142 über die Gränzen meiner Befähigung, einem Urtheil, das mir durch Mark und Pfennig drang, veranlaßt haben? Und wie soll ich Ihnen den Staar ad absurdum stechen? Aufrichtig gesagt, ich glaubte, Sie würden nach meinen Berichten aus der Gewerbe-Ausstellung alle zehn Hände lecken, statt dessen rufen Sie mir zu: Schuster, fege vor Deinem Leisten! Wir sollten Arm in Arm wie Hiob gehen, Sie aber wollen davon nichts wissen. Wo Sie meines Zeuges habhaft werden können, da flicken Sie mir etwas daran, aus jeder meiner noch so kleinen Mücken machen Sie irgend einen Elephanten, aus Allem, was ich im Auge habe, einen Splitter, und wenn ich mit einer neuen Idee vor Sie hintrete, so drehen Sie mir den Rücken oder eine Nase. Ich glaube, wenn ich morgen die Quadratur irgend eines Wendekreises entdeckte, so würden Sie sagen, ich hätte das Pulver nicht erfunden. Ich will mich den Werken des Friedens zuwenden, und Sie stoßen mich unbarmherzig in den Mars zurück. Das ist – verzeihen Sie das harte Wort! – überraschend.
Mein Trost ist: Ich habe den Krieg nur ergriffen, weil Sie eine Kriegsfeder brauchten. Eigentlich bin ich, wie oft soll ich es wiederholen? in keinem Sattel ungerecht. Damit will ich nicht sagen, daß man meine Wiege vor lauter Musen, die sie umstanden, nicht gesehen habe, und daß ich jetzt mit dem Kopf durch den Parnaß will. Aber ich lasse es mir auch nicht nehmen, daß mich der Storch zu etwas Höherem gebracht hat. Als Kriegsberichterstatter kann ich dies nicht 143 zur Geltung bringen. Jeder Vergleich hinkt ja wie ein Bote, aber ich möchte meine Thätigkeit doch mit der des alltäglichen Rebhuhns vergleichen, welcher Vogel bekanntlich auch dem Stärksten schließlich aus dem Halse fliegt. Darum sehnte ich mich nach einer Variatio, ohne welche das Leben überhaupt keinen Delectat hat, und die Briefe aus der Gewerbe-Ausstellung hätten mir einmal wieder Gelegenheit gegeben, mich dem Publikum von der anderen Seite zu zeigen. Da treten Sie hervor und stoßen mich mit Tell's Worten: »Fort mußt Du, Vogt, die Pferde sind gesattelt!« in den Krieg zurück.
Sie werden sich darum nicht wundern, wenn ich heute, um meinem Aerger Luft zu machen, den Engländern eine Schlappe, welche einer besseren Sache würdig wäre, beibringe. Ich deute eine einfach zu erwartende Landung der Zulus und Boers in England an!
Und der Vorschuß? fragen Sie. Sie nehmen mir das Wort vom Munde. Ich hoffe, wenn ich 60 Mark zum Course von 20,40 verlange, auf keine Fehlbitte zu stoßen.
* * *
Am Tugela-Ufer, den 22. April 1879.
W. Spiegelgefechte der Offiziellen, nichts weiter! Wenn Sie lesen, daß die Engländer abermals einen Sieg erlitten haben, so seien Sie überzeugt, daß derselbe nichts als ein Schatten ist, den das Dementi vorauswirft. Man darf eben nicht Alles für baare Siege nehmen. Bei Lichte 144 besehen ist die Lage der Engländer eine sehr finstere, obwohl die Regierung, um sie in glänzenden Farben zu schildern, ihren Pinsel in den Makart taucht, da wo er am tiefsten ist. Die Wahrheit ist, daß England froh wird sein können, mit blauem Schreck davonzukommen, nachdem es den Fehler gemacht hat, die Katze im Sack anzugreifen. Nun freilich schlagen die Engländer die Hände und Füße über dem Kopf zusammen und wissen weder die Kaffern noch sich zu fassen. Es wird ihnen nichts anderes übrig bleiben, als sich in wildes Fersengeld aufzulösen und mit wendender Flotte wieder heimzukehren.
Vielleicht ist es schon zu spät.
Die Boers sind gestern Vormittag aus Transvaal über die Engländer hergefallen und haben eine glänzende Oberhand davon getragen. Sie griffen mit einer Heftigkeit an, daß die Engländer schon nach einer Stunde das Weite fanden. Der Prinz Napoleon floh mit den Worten: Les Boers ou la vie! Bald vereinigten sich die Boers mit den Zulus, und nun flohen die Engländer, Alles hinter sich hertreibend, derart, daß der zehnte Mann decimirt wurde.
Raffen sich die Engländer nicht wieder auf und treiben die Feinde zu möglichst vielen Paaren, so ist das Schlimmste für England zu erwarten: die Belagerung London's durch Zulus und Boers, ein Gedanke, der geeignet ist, jedes Herz in Gänsehaut zu verwandeln. Man denke sich London, wenn es heißt: Cannibal ante portas!