Julius Stettenheim
Wippchen's sämmtliche Berichte, Band 2
Julius Stettenheim

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58 Die Pariser Weltausstellung.

V.

Herrn Wippchen in Bernau.

Mit Ihrer Schilderung der letzten Sitzung des Congresses, in welchem der Frieden unterzeichnet worden ist, war Ihre Aufgabe als erfüllt zu betrachten. Sie scheinen indeß anderer Meinung zu sein, sonst hätten Sie uns wohl, nachdem sämmtliche Bevollmächtigte bereits abgereist waren, nicht noch einen Sitzungsbericht zugeschickt, aus dem hervorging, daß Sie den Congreß wieder eröffneten. Mit Bedauern mußten wir Ihr Manuscript cassiren. Welch eine nutzlose Arbeit machen Sie sich mit einem Bericht, wie der erwähnte! Sie halten denn doch das Publikum für viel naiver, als es in Wirklichkeit ist. Dies mögen Sie nach Belieben thun, aber wir können Ihnen unmöglich die Hand dazu bieten, seine Leichtgläubigkeit auf so harte Proben zu stellen 59 und es dadurch zu Betrachtungen zu nöthigen, die es schließlich zu unserm und Ihrem großen Schaden kuriren müssen. Das ist zu verhüten.

Nochmals, der Congreß ist geschlossen und durch keine Berichte aus Ihrer werthen Feder wieder zum Leben zu erwecken.

Ebensowenig können wir uns entschließen, den Passus Ihres Berichtes abzudrucken, in welchem Sie die Fächer schildern, welche sich die Congreßbevollmächtigten für ihre Frauen haben von Ihnen mit Ihrem Namen »bedecken« lassen. Wer würde es als wahrscheinlich vernehmen, daß z. B. der Graf Andrassy seiner Gemahlin einen Fächer mitgenommen habe, auf dessen einzelne Theile er sich von Ihnen Ihren werthen Namen hat schreiben lassen? Wir wissen ja, was Sie zu dieser Nachricht angeregt hat: der Fächer des Times-Correspondenten mit den Namen sämmtlicher Congreßmitglieder. Das ist aber etwas durchaus Anderes.

Wir bitten Sie, sich wieder der Pariser Weltausstellung zuzuwenden,

Ergebenst

Die Redaktion.

* * *

60 Bernau, den 25. Juli 1878.

Bin ich denn ein Kiekinsfeld, daß ich nichts mehr schreiben kann, ohne mir von Ihnen eine Harke zeigen lassen zu müssen? Oder glauben Sie, daß ich meine Arbeiten über's Knie schüttele? Im Gegentheil! Während ich producire, ist meine festina derart lente, daß ich oft stundenlang die Feder in meinem Gehirn hin und herwälze, bevor ich sie auf's Papier werfe. Ich bin vom Scheitel bis zum Wirbel – verzeihen Sie das harte Wort! – bedächtig. Ich schreibe nicht aus der Pistole. Bewahre Sie der Himmel! Wie Jakob sieben volle Jahre um ein Linsengericht diente, so bemühe auch ich mich oft eine Spanne lang um einen guten Gedanken.

Ein solcher war auch meine Wiedereröffnung des Congresses. Nach langer Ueberlegung sagte ich mir: »Welch ein Glück für Europa, wenn immerfort ein Friedenscongreß tagte, der alle brennenden Fragen aus dem Wege löscht!« Wer, wie ich, ein langwieriger Freund des Friedens ist, mußte dieser Idee zujubeln, durch deren Ausführung Europa aufgeblüht wäre wie Tannhäuser, der sich noch im hohen Alter mit frischem Grün bedeckte. Nur Sie nicht! Gewohnt, Alles über einen Leisten zu scheeren, dachten Sie: Bei Nacht sind alle Katzen keine weißen Raben, und – da lag mein Artikel, den ich mit meiner Herzdinte geschrieben hatte, wie Kraut und Rüben durcheinander. Mit einem Wort:

»Der Mohr hat seine Schuldigkeit gethan,
Cardinal, thun Sie die Ihre.«

61 Auch den Congreßfächer, der mit meinem Namen geschmückt war, haben Sie gestrichen. Also sollen nur die Fächer mit den Namen der Diplomaten und Diplomätchen Werth haben? Als ich das las, war ich stumm wie Portici. Ist es denn möglich! Wahrlich, es ist ein trauriges Zeichen der Zeit, daß der Aristokrat noch immer höher geschätzt wird, als der Mann aus altplebejischem Hause, obschon wir doch Alle von einem und demselben Apfel abstammen. Ich will ja gerne zugeben, daß Bismarck's Ahnen schon als Teutoburger Waldmenschen gegen die Römer gekämpft haben, und daß Beaconsfield's Vorfahren einen Stiefel vertragen konnten, den sie bei dem ewigen Schuster, dem Juden Ahasver, hatten machen lassen, aber darum rede ich mir doch nicht ein, daß ich weniger bin als diese Männer, bloß weil ich nicht wie Bismarck durch und durch lauchtigst, oder nicht wie Beaconsfield zum Earl geoft bin. Gewiß nicht! Mir bedeutet der Adel nichts, denn Adam hieß nicht von Adam, oder d'Adam, oder of Adam, und unser Aller Wiege ist der erste Vers des vierten Capitels im ersten Bande Mose. In meinen Augen giebt es auch kein blaues Blut. Das Blut ist roth, nicht blau wie der Karpfen, die Säure, der Strumpf, der Dunst, die Beere und der Montag. Lassen Sie mich hier meine Feder abbrechen, ich fühle, daß ich hart werde wie der Landgraf.

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* * *

62 Paris, den 24. Juli 1878.

W. Seit einigen Tagen ist es völlig Sommer (l'été) geworden, und heute ist es so schwül, daß ich es in der Ausstellung kaum zwölf Stunden auszuhalten vermochte. Es war auch so leer, daß jeder Apfel bequem zur Erde fallen konnte. Die Besucher nehmen ab. Die Haufen sind nicht mehr so hell, wie früher. Sehr begreiflich. Jeder fühlt das Bedürfniß, sich in die kühlenden Nixen zu stürzen, oder irgend einen schönen Bergkessel in vollen Zügen einzuathmen.

Desto besser. So hat der gewissenhafte Berichterstatter mehr Muße und Raum, die Ausstellung zu würdigen, und ich fahre daher fort, wie ich in dem Bericht vom 28. Mai begonnen, hervorragende Erzeugnisse zu notiren:

Aus Wien: Tränkchen.

Von den Canarischen Inseln: Vögel.

Aus Persien: Teppiche, Insektenpulver.

Aus Holland: Käse.

Aus Brüssel: Spitzen.

Aus Bern: Steine.

Aus Arabien: Gummi.

Aus Calabrien: Hüte.

Aus Jamaica: Rum.

Aus der Türkei: Erbsen, Divans, Tabak, Trommeln.

Aus Polen: Wirthschaftsgegenstände, Karpfen.

Dies mag für heute genügen.

63 Gestern hatte ich das Vergnügen, den Minister Waddington zu sprechen. Er sah sehr angegriffen von den Zeitungen aus. Man nimmt es ihm krumm (courbe), daß er nicht gleichfalls ein Stück Türkei mitgebracht hat, und das ärgert ihn so, daß er seine Demission niederzulegen gedenkt. »Was sollte ich auch nehmen?« rief er zwei Mal über das andere. »Wo nichts ist, hat der Mac Mahon sein Recht verloren!« Ich nickte ihm Recht, und so schieden wir.


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