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Herrn Wippchen in Bernau.
Der Erfolg, den nach Ihrer Meinung die in Ihrem vierten Bericht veröffentlichte »Karte von Afghanistan« errungen hat, veranlaßt Sie, wie Sie schreiben, auf dem nicht mehr ungewöhnlichen Wege der Illustration einen Schritt weiter zu thun, und so senden Sie uns in Ihrem jüngsten Brief eine Lebensgeschichte Schir Ali's und dazu ein Portrait Sonnenthal's in der Rolle des Wilbrandt'schen Nero, verlangend, wir sollten dasselbe in Holz geschnitten als das Portrait Schir Ali's zu der bezeichneten Biographie veröffentlichen. Wir brauchen Ihnen nicht zu sagen, daß wir diese Ihre Idee nicht zur Ausführung bringen konnten. Wir wagen ja Ihnen zu Gefallen viel, und auch in diesem Fall hätten wir 107 uns schließlich damit beruhigt, daß jeder Mann des Tages, einerlei auf welchem Gebiet, sofort nach seinem Auftauchen in sämmtlichen illustrirten Journalen und zwar in jedem derselben in einer anderen Aehnlichkeit portraitirt erscheint, und daß sich das Publikum dies ebenso ruhig gefallen läßt, wie die Portraitirten. Dasselbe ist natürlich auch mit Schir Ali der Fall. Immerhin aber ist doch Sonnenthal nicht nur als Mitglied des Wiener Burgtheaters, sondern auch durch seine Gastspiele in Deutschland zu bekannt, als daß wir den Versuch machen konnten, ihn für den Emir von Afghanistan auszugeben, ganz abgesehen von dem Widerspruch, welcher in dem Nero'schen Costüm liegt. Jeder Leser würde sofort Sonnenthal erkannt haben, selbst wenn wir auf Ihren Wunsch die Widmung: Schir Ali s/m Wippchen zur freundlichen Erinnerung hätten darunter setzen lassen, und vor Allen wären die Wiener Journale und zwar mit vollem Recht spottend über uns hergefallen. Also – der Unfug, der mit den Portraits berühmter oder berüchtigter Zeitgenossen getrieben wird, ist groß, aber wir haben nicht Lust, ihn auf die Spitze zu treiben.
108 Wir erwarten von Ihrer Einsicht, daß Sie unsern Entschluß billigen, und grüßen Sie
ergebenst
Die Redaktion.
* * *
Bernau, den 9. Januar 1879.
Wieder ist ein Sylvester unter den zwölf Nachtigallenschlägen der Mitternachtsstunde in den Neptun der Ewigkeit hinabgesunken, wieder hat ein neues Jahr begonnen. An der faulen Schwelle desselben schüttele ich Ihnen meine Hand und wünsche Ihnen im neuen Jahre ein recht langes Leben. Friede sei Ihr erst Geläute, und möge der Himmel Sie vor einer Reihe von schönen Tagen schützen, welche ja Goethe nicht zu ertragen vermochte. Um wieviel mehr Sie! Zwar singt Meyerbeer: »Gratulor est une chimère«, aber ich meine es durch und durch ehrlich und aufrichtig.
Daß Sie das Portrait Schir Ali's verwerfen, weil es das Sonnenthal's als Nero war, ist mir – verzeihen Sie das harte Wort! – fatal. Glauben Sie etwa, Schir Ali sei kein Nero? Er ist es. Ich bin ein geschworener Freund der historischen Treue, und Sie können meinen Worten taublings Glauben schenken. Eine umgekehrte Maria Stuart, ist Schir Ali schlechter als sein Ruf. Daß er seinen Sohn Jakub, der nach ihm die Krone besteigen wird, also den Thronerben, den seine zahlreichen Weiber unter dem Herzen 109 getragen hatten, in Wasser und Brod schmachten ließ, ist Ihnen bekannt, ich werde dieses Verbrechen obenein zum Gegenstand meines heutigen Berichts machen. Einem solchen Mann ist schon zuzutrauen, daß er, wie Nero Rom, Kabul an allen vier Ecken und Winkeln hätte anstecken lassen, um in solchen Flammen seine Despotennatur zu löschen. Konnte ich Ihnen also etwa Lewinsky oder Lobe in der Rolle des Nathan als das Portrait dieses Emirs zur Veröffentlichung empfehlen? Nathan hätte in keiner Weise gepaßt, wenn auch Schir Ali wie Nathan ein Vormittagsländer ist. Aber das ist auch Alles. Ihm wäre es niemals wie Nero eingefallen, Seneca und Thrasea Paetus durch Selbstmord zu meucheln.
Was Sie von den Portraits der Löwenmänner des Tages, welche die illustrirten Zeitungen veröffentlichen, sagen, mag ja in vino der veritas nahekommen, aber woher soll man sie sprechend nehmen, wenn sie nicht von Angeli, oder Richter ihr Konter haben feien lassen? Sie sehen also ein, daß Sie, als Sie sich an Sonnenthal stießen, überflüssig schlau zu sein glaubten wie der Strauß, der seinen Notenkopf bekanntlich in den Sand steckt.
Doch – ich will jetzt meinen Bericht schreiben. Setzen Sie Ihrer Güte zwei Kronen als Vorschuß auf und belasten Sie mich solchergestalt mit 40 Mark, oder nach hiesigem Geld mit 20 Rupien.
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110 Kabul, den 2. Januar 1879.
W. Es ist eine Pause eingetreten. Der alte Emir hat sich bekanntlich in wilder Hedschra zurückgezogen, nachdem er seine besseren Hälften und seine anderen, aus 30 Millionen Rupien bestehenden Schätze nach Balkh geschickt hatte. Ich will diese Pause dazu benutzen, Ihnen von dem Grunde der Gefangenschaft Jakub Khan's, des Sohnes Schir Ali's, zu erzählen.
Jakub liebte eine Prinzessin, als er noch die Universität drückte. Eines Tages sah aber der alte Ali das schöne Mädchen, verliebte sich in sie und nahm sie, da gerade ein Platz in seinem Harem verwittwet war, zur Frau. Jakub's Verzweiflung war so groß, daß sie nur noch jeder Beschreibung zu spotten vermochte. Für ihn waren die schönen Tage in Afghanistan vorüber. Dazu kam, daß der Emir – ein Othello in Menschengestalt – schon in den ersten Flitterminuten Lunte schöpfte, so daß ihm der Knabe Jakub bald fürchterlich zu werden anfing und er denselben von einen gewissen Alba Mahomed, des Fanatismus rauhen Henkersknecht, scharf bewachen ließ. Jakub's einziger Trost war ein Malteserritter, ein sonderbarer Schwärmer, welcher ihm sehr ergeben war und zwischen ihm und seiner Mutter Zusammenkünfte möglich machte. Diese Drei mischten sich aber in die Politik, und Jakub gerieth in Ketten. In diesen eines Tages von seinem Freunde besucht, fiel ein Schuß – der 111 Emir hatte dem Freund aus dem Hintergrunde eine Flinte durch die Brust gejagt. Das Weitere ist bekannt.
Der Infant Jakub Khan wird Emir werden. Das Volk, welches weiß, daß ihm der Vater das Meinige gethan, wird ihm eines Tages die Elephanten ausspannen und ihn im Triumph auf den Thron ziehen.