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Zu einer hohen Kultur gehört endlich noch etwas, und zwar mit Notwendigkeit, was gemeine Naturen in Delirien von Neid und Haß ausbrechen läßt: Der Besitz im ursprünglichen Sinne, der alte und dauerhafte Besitz, der von den Vätern her ererbt oder in Jahrzehnten strenger und entsagungsvoller eigener Arbeit herangewachsen ist und für Söhne und Enkel gepflegt und vermehrt wird. Reichtum ist nicht nur eine Voraussetzung, sondern vor allem die Folge und der Ausdruck von Überlegenheit, und nicht nur durch die Art, wie er erworben wurde, sondern auch durch die Fähigkeit, ihn als Element echter Kultur zu gestalten und zu verwenden. Es muß endlich einmal offen gesagt werden, obwohl es der Gemeinheit dieser Zeit ins Gesicht schlägt: Besitzen ist kein Laster, sondern eine Begabung, deren die wenigsten fähig sind. Auch sie ist das Ergebnis einer langen Zucht durch gehobene Geschlechter hin, zuweilen, bei den Gründern aufsteigender Familien, durch Selbsterziehung auf der Grundlage starker Rasseeigenschaften erworben, beinahe nie durch urwüchsige Genialität allein vorhanden, ohne alle Voraussetzungen von erziehender Umgebung und vorbildlicher Vergangenheit. Es kommt nicht darauf an, wieviel, sondern was und in welcher Weise man es hat. Bloße Quantität als Selbstzweck ist gemein. Man kann Besitz als Mittel zur Macht wollen und haben. Das ist die Unterordnung von wirtschaftlichen Erfolgen unter politische Ziele und bestätigt die alte Erfahrung, daß zum Kriegführen und zum Lenken von Staaten Geld gehört. So hat es Cäsar aufgefaßt, als er Gallien eroberte und plünderte, und in unseren Tagen Cecil Rhodes, als er die südafrikanischen Minen in seine Hand brachte, um hier ein Reich nach seinem persönlichen Geschmack zu gründen. Kein armes Volk kann große politische Erfolge haben, und wenn es Armut für Tugend und Reichtum für Sünde hält, so verdient es auch keine. Besitz ist eine Waffe. Das war auch der letzte, kaum ganz bewußte Sinn germanischer See- und Landfahrten: Mit den erbeuteten Schätzen baute man Schiffe und warb ein Gefolge. Eine königliche Freigebigkeit kennzeichnet diese Art des Willens zur Macht. Sie ist das Gegenteil von Habgier und Geiz wie von parvenühafter Verschwendung und von weibischer Nächstenliebe. Aber davon ist hier nicht die Rede. Ich spreche vom Besitzen, insofern es die Tradition einer Kultur in sich hat. Es bedeutet innere Überlegenheit; es zeichnet vor ganzen Klassen von Menschen aus. Es gehört nicht viel dazu: Ein kleiner gut gehaltener Bauernhof, ein tüchtiges Handwerk von gutem Ruf, ein winziger Garten, dem man die Liebe ansieht, mit der er gepflegt wird, das saubere Haus eines Bergmannes, ein paar Bücher oder Nachbildungen alter Kunst. Worauf es ankommt ist, daß man diese Dinge in eine persönliche Welt verwandelt, mit seiner Persönlichkeit durchdringt. Echter Besitz ist Seele und erst insofern echte Kultur. Ihn auf seinen Geldwert hin abzuschätzen ist irgendwie ein Mißverständnis oder eine Entweihung. Ihn nach dem Tode des Besitzers zu teilen ist eine Art Mord. Das war die germanische Auffassung vom Erbe: Es war der Idee nach eine unauflösliche Einheit, von der Seele des Verstorbenen durchdrungen, der es verwaltet hatte; es war keine teilbare Summe. Aber wer versteht das? Wer hat heute noch Augen und Gefühl für den innerlichen, beinahe metaphysischen Unterschied von Gut und Geld? Echte Güter sind etwas, mit dem man innerlich verwachsen ist, wie ein germanischer Krieger mit seinen Waffen, die er als Eigentum mit ins Grab nimmt, wie ein Bauer mit seinem Hof, auf dem schon die Väter gearbeitet haben, ein Kaufmann alten Schlages mit der Firma, die den Namen der Familie trägt, ein echter Handwerker mit seiner Werkstatt und seinem Beruf: etwas, dessen Wert für den Besitzer nicht in Geld auszudrücken ist, sondern in einer Verbundenheit besteht, deren Zerstörung ans Leben greift. Deshalb ist wirklicher »Besitz« im tieferen Sinne immer unbeweglich. Er haftet am Besitzer. Er besteht aus Dingen und ist nicht in ihnen »angelegt« wie die bloßen Vermögen, die nur quantitativ zu bestimmen und ganz eigentlich heimatlos sind. Deshalb streben aufsteigende Familien immer nach Grundbesitz als der Urform des unbeweglichen Gutes, und sinkende suchen ihn in Bargeld zu verwandeln. Auch darin liegt der Unterschied von Kultur und Zivilisation.
»Geld« aber ist ein Abstraktum, eine reine Wertmenge im Sinne des Marktes, die nur mathematisch an irgendeiner Währung gemessen werden kann. Die Möglichkeit, über Nacht dazu zu kommen, vom Glücksspiel und Einbruchsdiebstahl bis zu Geschäften mit Politik und zur Börsenspekulation mit Summen, die man gar nicht hat, und andererseits es jederzeit hinauswerfen zu können, ist sein einziger Reiz. Darin sind Proleten und Parvenüs einig, und auch darin besteht eine innere Verwandtschaft zwischen Bolschewismus und Amerikanismus. Was ein zu Geld gekommener radikaler Parteiführer oder Spekulant »hat«, soll gezeigt werden. Die Schlösser reichgewordener Jakobiner, geriebener Finanzleute seit den französischen Steuerpächtern des 18. Jahrhunderts und nordamerikanischer Millionäre reden eine deutliche Sprache, und ebenso war es im alten Rom, wo Martial, Juvenal, Petronius über diese Zurschaustellung zu schnell erworbener Geldmassen spotteten. Natürlich gibt man alles für sich selbst aus, auch wenn man etwas stiftet, vergeudet oder andern gönnerhaft in die Tasche steckt: aber der Zuschauer ist das Wesentliche. Die ganze Welt soll es wissen, sonst hat es keinen Sinn. Man genießt das Geldausgeben als solches. Man will den Mäzen spielen, weil man davon gehört hat, aber man bringt es nur zu dem, was man in München eine Wurzen nennt, zum gönnerhaften Protzen, zu einer Kopie des römischen Trimalchio. Man füllt sein Haus mit Dingen, von denen man nichts versteht und an denen nur der Preis wichtig ist. Der gesamte Kunsthandel lebt heute wie zur Zeit Cäsars davon. Aber die sinnlosesten »Verschwender« und »Prasser« sind trotzdem in den Kaschemmen zu finden, wo unsaubere Gewinne und Parteigehälter vertrunken und verspielt werden, nicht in den Bürgerhäusern alter Patriziate und auf den Landgütern alter Familien. Aber weil man die Kultur, die Tradition des Genießens, die aus wenigem viel zu machen versteht, nicht hat und nicht mit Geld erwerben kann, so frißt trotz alledem der Neid auf diese Art von Überlegenheit an allen Menschen von gemeiner Natur. Es muß immer wieder gesagt werden, gerade heute, wo in Deutschland »nationale« Revolutionäre von den Idealen allgemeiner Armut und Armseligkeit schwärmen wie ein Bettelmönch, im schönen Einverständnis mit den Marxisten den Reichtum jeder Art für ein Verbrechen und Laster erklären und gegen alles zu Felde ziehen, was diese Überlegenheit in Dingen von hoher Kunst hat, was durch Fähigkeit des Erwerbens, Erhaltens und Verwendens von Besitz andere überragt – und zwar aus Neid auf diese Fähigkeiten, die ihnen selbst gänzlich fehlen: Hohe Kultur ist mit Luxus und Reichtum untrennbar verbunden. Luxus, das selbstverständliche Sichbewegen unter Dingen von Kultur, die seelisch zur Persönlichkeit gehören, ist die Voraussetzung aller schöpferischen Zeiten zum Beispiel für das Entstehen einer großen Kunst, die es heute auch darum nicht mehr gibt, weil seit dem vorigen Jahrhundert das wirkliche Kunstleben erloschen ist, das sich stets in der Gesellschaft abgespielt hat, zwischen Kennern und Schöpfern bedeutender Werke und nicht zwischen Kunsthändlern, Kunstkritikern und Snobs, dem »Volk« oder gar dem »Publikum«. Und Reichtum, der sich in wenigen Händen und in führenden Schichten sammelt, ist unter anderem die Voraussetzung für die Erziehung von Generationen führender Köpfe durch das Vorbild einer hochentwickelten Umgebung, ohne die es kein gesundes Wirtschaftsleben und keine Entwicklung politischer Fähigkeiten gibt. Ein Erfinder kann arm sein, aber in einem bettelhaften Volk kommt seine Begabung nicht durch große Aufgaben zur Reife und oft nicht einmal zum Bewußtsein ihrer selbst. Und nicht anders steht es mit staatsmännischen und künstlerischen Anlagen. Deshalb wurden die Deutschen seit 1648 das weltfremde Volk der Theoretiker, Dichter und Musiker, denn allein dazu braucht man kein Geld. Sie verwechselten, und verwechseln heute noch, romantische Einbildungen mit wirklicher Politik, denn das kostet nichts außer den Erfolg. Aber Reichtum ist ein relativer Begriff. Was in England um 1770 geringen Wohlstand bedeutete, war in Preußen sehr reich. Und ebenso Armut: Der preußische Adel war in seiner guten Zeit arm und deshalb im Gegensatz zum englischen arm an staatsmännischen Begabungen, die zu ihrer Ausbildung, von seltenen Ausnahmen abgesehen, das Leben in der großen Welt voraussetzen; er war arm, aber er empfand das nicht als Armut. Der Mangel an bedeutendem Besitz oder Einkommen ist kein Unglück oder Elend, so wenig ihr Vorhandensein Glück im alltäglichen Sinne bedeutet. Nicht die Tatsache, erst ein gewisses Denken über sie, die Empfindung von Unterschieden als Gegensätze, der Neid macht ihn dazu. Damit man sich elend fühle, muß einem das bescheidene Dasein erst verekelt werden, und das ist die Aufgabe der Demagogen aller Zeiten gewesen. Im Nürnberg Albrecht Dürers etwa freute sich der einfache Mann ohne Neid über die Pracht der höheren Stände. Etwas von dem Glanz der Vaterstadt fiel auch auf ihn und er bedachte, daß seine Lebenshaltung davon abhing und daß er sich in der der anderen niemals glücklich fühlen würde. Gerade der unverbildete Verstand von Bauernknechten und Handwerkern ist sich bewußt, daß Besitz vor allem Verantwortung, Sorge und Arbeit bedeutet. Aber seit dem 18. Jahrhundert, seit der Heraufkunft des rationalistischen Denkens über Leben, Geschichte und Menschenschicksal ist der Neid planmäßig gezüchtet worden, der dem fleißigen und tüchtigen Arbeiter von Natur ganz fernliegt, und zwar von der Unterwelt der demokratischen Berufspolitiker und Schreiber des Tages wie Rousseau, die daran verdienten oder ihren kranken Gefühlen Genüge taten. Die Gier nach dem Eigentum der andern, das als Diebstahl gezeichnet wird, ohne daß man die damit verbundene Arbeit und Begabung achtet oder beachtet, wird zur Weltanschauung ausgebildet und hat eine entsprechende Politik von unten zur Folge.
Und erst damit beginnt die Revolution der Gesellschaft eine wirtschaftliche Tendenz zu erhalten, die in agitatorischen Theorien zum Ausdruck kommt, nicht in bezug auf Organisation und Ziele der Wirtschaft, sondern im Hinblick auf den Geldwert ihrer Anlagen und Erträge. Es werden Gegensätze zwischen reich und arm geschaffen, um zwischen ihnen den Kampf zu eröffnen. Man will »alles« haben, was da ist, was sich zu Geld machen läßt, durch Verteilung oder Gemeinbesitz, und zerstören, was man nicht haben kann, damit es die anderen nicht weiterbesitzen. Aus diesem Fühlen und Denken nicht der unteren Gesellschaftsschichten, sondern von deren sich selbst ernennenden Wortführern ist alles entstanden, was in der Antike gleiche Verteilung der Güter und was heute Klassenkampf und Sozialismus heißt. Es ist der Kampf zwischen unten und oben in der Gesellschaft, der geführt wird zwischen den Führern der Nationen und den Führern aus der Unterwelt, denen die Klassen der Handarbeiter nur Objekte und Mittel zu eigenen Zwecken sind, und in welchem die altgewordene Gesellschaft nur eine schwächliche Verteidigung, ihre geborenen Feinde aber einen schonungslosen Angriff führen, bis der heraufkommende Cäsarismus der Diktatur des Proletariats, den gracchischen und catilinarischen Tendenzen ein Ende bereitet.