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XCIII.

Peregrine begiebt sich nach der Garnison, um seiner Tante den letzten Liebesdienst zu erweisen. – Sein Freund Gauntlet ladet ihn zu seiner Hochzeit ein.

So war die Zeit unseres Helden in den Kreis dieser Zerstreuungen getheilt, und man kann sagen, daß wenig junge Leute von seinem Alter das Leben so genossen als er. Freilich machte ihm seine Vernunft zuweilen sehr ernste Vorwürfe über seine Ausführung, aber dies hielt ihn nicht ab, sich immer von Neuem wieder in den Strudel der Vergnügungen zu stürzen. Mitten in diesem Treiben empfing er plötzlich einen Brief, dessen Inhalt ihn bestimmte nach dem Castell zu eilen.

»Vetter Pickle,« schrieb ihm der Lieutenant, »ich hoffe, Ihr sollt das Gleichgewicht besser halten, als Eure Tante; die hat sieben Wochen in ihrem Bette vor Anker gelegen und das Wasser ist einige Male so hoch in ihrem Kielraume gestiegen, daß sie fürchtet, ihre Planken sind verfault und sie wird in Kurzem in Stücken gehen. Was an mir lag, so habe ich Alles gethan, um sie wasserdicht zu halten und zu sorgen, daß kein plötzlicher Windstoß sie in den Grund bohrt. Es sind zwei Doctors hier gewesen, die haben ihr sechs Maaß Wasser aus dem Leibe gepumpt und ich meines Parts wundere mich, wie zum Teufel das hineingekommen ist, denn Ihr wißt, Vetter, daß sie dies Getränk nicht gern in die Schuhe laufen ließ, viel weniger in den Hals. Aber die Schelme, die Doctors, machen's, wie die ungeschickten Zimmerleute; statt einen Leck zuzustopfen, machen sie immer ein paar neue, und so läuft sie denn geschwind wieder voll. Das Schlimmste ist, dass sie keinen Tropfen Nanscher mehr trinken kann und daß das Ruder ihres Verstandes ganz fort ist. Sie macht verteufelte Schwankungen mit ihrer Zunge, spricht von einem fremden Lande, das sie's neue Jerusalem nennt und will im Flusse Jordan vor Anker gehen. Der Pfarrer giebt sich viele Mühe, ihre Seele glücklich durchzusteuern und da er ihr viel von christlicher Liebe und den Armen vorredet, so hat sie denselben in ihrem Testamente zweihundert Pfund ausgesetzt. Sir Gamaliel und Buckelinichen sind dagewesen und wollten sie sehen, aber ich ließ sie nicht an Bord kommen und richtete meine Kanonen auf sie, da sind sie wieder abgesegelt. Eure Schwester, Mistreß Clover, steht in einemweg Schildwach bei ihrer Tante, ohne sich ablösen zu lassen. 'S ist ein gutherziges junges Weibsbild. Lieb wär' mir's, Euch in der Garnison zu sehen, Vetter, wenn der Wind bei Euch gerade so steht und Eure Tante wird sich freuen, wenn Ihr noch 'mal zu ihr an Bord käm't, eh' der Anker bei ihr loslassen thut. So viel für dies Mal. Verharre Euer

John Hatchway

Gleich den nächsten Morgen nach Empfang dieses Briefes machte sich Peregrine auf den Weg nach dem Castell, begleitet von Pipes, der das sehnlichste Verlangen hegte, seinen alten Schiffscameraden wiederzusehen. Aber unser Held kam zu spät; Mistreß Hatchway hatte bereits ihren Geist im fünfundsechzigsten Jahre ihres Alters aufgegeben. Was den Wittwer anlangte, so schien er seinen Verlust mit christlicher Ergebung zu tragen und benahm sich bei dieser Gelegenheit sehr dem Anstande gemäß, obschon er sich durchaus nicht jene heftigen Ausbrüche des Schmerzes zu Schulden kommen ließ, welche einige zärtliche Männer bei der Trennung von ihren Weibern zu empfinden pflegen.

Es machte daher Peregrine nicht viele Mühe, ihn zu trösten, bei seiner Schwester wurde es ihm dagegen schwerer, da diese in der Hingeschiedenen die einzige Verwandte beweinte, mit der sie einen vertrautern Umgang hatte, indem die Feindschaft ihrer Mutter gegen sie und ihren Bruder Peregrine sich immer mehr zu schärfen schien und Gam noch immer wie sonst, sich als der eifrigste Ausführer der Launen und bösen Gesinnungen der Mutter zeigte und jede Gelegenheit ergriff, sowohl Juliens Ruhe zu stören als ihren guten Namen zu beschmitzen und sich feindlich gegen ihren äußerst friedfertigen Mann zu zeigen.

Der Hauptzeitvertreib dieses jungen Herrn bestand jetzt in der Jagd, bei welcher Uebung er sich durch seine Unerschrockenheit und seine von Tage zu Tage häßlicher werdende Gestalt eine Art von Ruf erworben hatte, und da er nun hiermit eine große Portion Uebermuth verband, so kam eines Tages ein Herr aus der Nachbarschaft, der von ihm beleidigt worden war, auf den Einfall, sich an ihm auf eine lustige Art zu rächen. Er ließ nämlich einen großen Pavian gerade so ankleiden, wie Gam sich auf der Jagd zu tragen pflegte; dann setzte er den Affen auf einen Jagdklepper, ließ ihn fest im Sattel binden und so hinter den Hunden hersprengen.

Das Pferd, ein äußerst rasches Thier, hatte bald die Anderen überholt und die ganze Gesellschaft, welche den Affen für Gam ansah, begrüßte ihn nun im Vorübersprengen mit einem lauten Halloh! und machte dabei die Bemerkung: der Squire habe wieder sein gewöhnliches gutes Glück, indem er besser beritten sey, als seine Nachbarn; als aber der junge Herr nun selbst anlangte, da bewirkte sein Erscheinen ein großes Erstaunen bei den Anderen und Einer fragte ihn: ob er sich getheilt habe? und zeigte dabei auf seinen Repräsentanten, der jetzt die Hunde eingeholt hatte. Voll Grimm verfolgte der wirkliche Gam nun den untergeschobenen und als er ihn erreicht hatte, da machte ihn dieser Spott so wüthend, daß er sein Ebenbild mit der Peitsche anfiel und es aller Wahrscheinlichkeit nach seinem Zorne würde geopfert haben, wenn ihn die anderen Fuchsjäger nicht daran verhindert hätten, die nur mit vieler Mühe die beiden Jagdcameraden aus einander brachten und hierauf den falschen Gam seinem Herrn zurückschickten.

Auf Ansuchen seines Freundes Jack übernahm Peregrine die Besorgung der Leichenfeierlichkeiten für seine Tante. Seine Eltern wurden dazu von ihm eingeladen, fanden jedoch nicht für gut, zu erscheinen, auch achteten sie nicht auf seine Bitte, ihm zu erlauben, ihnen seine Aufwartung machen zu dürfen; im Gegentheil mußte der alte Gamaliel, aufgehetzt von seinem bösen Weibe, einen Befehl auswirken, der Hatchway nöthigte, das Testament seiner Frau vorzuzeigen, weil zu vermuthen stände, daß sie ihm als ihrem Bruder einen Theil ihrer baaren Hinterlassenschaft, über die sie, wie er wußte, frei verfügen konnte, vermacht hätte. Dieser Schritt half ihm jedoch nichts als ihm das Vergnügen zu verschaffen, zu sehen, wie er in ihrem Testamente völlig übergangen war, indem sie ihrem Manne ihr ganzes Vermögen hinterließ, abgerechnet tausend Pfund und ihren Schmuck, welches Juliens Tochter erhalten sollte, und die in des Lieutenants Briefe erwähnte Gabe an die Armen nebst einigen Geschenken an ihre Lieblinge unter der Dienerschaft.

Wenige Tage nach Beerdigung der alten Dame, wurde Peregrine sehr angenehm durch den Eintritt seines Freundes Geoffry überrascht, der wegen seiner erhaltenen Beförderung, die er der Verwendung eines Hofmannes zuschrieb, der auch in aller Bescheidenheit seinen Dank dafür annahm, nach England gekommen war. Gauntlet theilte jetzt unserm Helden sein gutes Geschick mit und dieser wünschte ihm, als zu einer Begebenheit, die ihm ganz neu sey, Glück dazu, und der Officier erzählte ihm nun noch, daß sein Oheim in Windsor wegen dieser Beförderung endlich in seine Verbindung mit Sophy gewilligt habe, daß der Hochzeitstag bereits festgesetzt sey und er deswegen komme, seinen Freund Peregrine zu diesem Feste einzuladen.

Diese Einladung nahm Pickle mit um so mehr Vergnügen an, da er erfuhr, daß Emilie als Brautjungfer dabei seyn würde, und er wiederholte jetzt, was er früher schon seinem Freunde schrieb, daß er nämlich nichts sehnlicher wünsche, als seine Hand und sein Vermögen der jungen Dame zu Füßen legen zu dürfen, um hierdurch sein übles Betragen gegen sie wieder gut zu machen. Für diese rechtlichen Gesinnungen dankte ihm der Bruder und versprach zu seinem Besten zu reden, doch zweifelte er an einem guten Erfolge, da er die Festigkeit der Gesinnungen seiner Schwester kannte und gestand selbst, daß er noch nicht gewiß wisse, ob sie auch würde mit ihm in seiner Gesellschaft erscheinen wollen; da sie jedoch bis jetzt noch nichts darüber geäußert hatte, so wollte er ihr Stillschweigen aufs Beste auslegen und ihr seine Absicht nicht eher zu erkennen geben, bis sie nicht füglich mehr nein sagen könne.

Die Hoffnung, die Geliebte wiederzusehen, vielleicht sich mit ihr versöhnen zu können, erregte jetzt in Pickle's Brust eine heftige Bewegung, und Freude und Besorgniß wechselten in einem seltsamen Gemisch bei ihm. Gauntlet blieb einige Tage bei ihm, dann bat er ihn nochmals, den bestimmten Termin nicht zu versäumen und nahm hierauf Abschied; Peregrine und Hatchway statteten aber jetzt einige Besuche in der Gegend ab, um die Gesinnungen der Nachbarn wegen seines Planes auszuforschen, den Ersterer seit Kurzem gefaßt hatte und der darin bestand, bei der bevorstehenden Wahl der neuen Parlamentsglieder als Candidat für einen Burgflecken in der Nähe auf die Liste gesetzt zu werden.

Sehr wahrscheinlich würde er seinen Endzweck auch erreicht haben, wenn die Wahlen unmittelbar vor sich gegangen wären; da dies jedoch nicht geschah, so wurde sein Interesse durch einige kleine Vorfälle, deren wir in der Folge gedenken werden, überwogen.

Am Abend vor dem ihm von Geoffry anberaumten Tage fand er sich in Windsor ein, wo ihm sein Freund sagte: er sowohl als Sophy hätten unendliche Mühe gehabt, die Schwester zu bewegen, bei der Hochzeit zu erscheinen, als sie gehört habe, daß ihr ehemaliger Verehrer auch da seyn würde, und sie hätte nur unter der Bedingung eingewilligt, daß das alte Verhältniß nie und auf keine Weise zur Sprache gebracht würde, und er sich selbst nicht einmal auf den Fuß eines alten Bekannten mit ihr unterhielte.

Diese Bedingungen verdrossen unsern Helden sehr, doch versprach er sie pünktlich zu beobachten, denn er glaubte mit Stolz und Unwillen so gut befestigt zu seyn, daß er ihre Unversöhnlichkeit ertragen und ihre Eitelkeit durch Gleichgültigkeit würde bestrafen können. Mit diesen Gesinnungen ausgerüstet, ward er den folgenden Tag von Geoffry bei der Braut eingeführt; Emilie war zugegen und erwiederte seine Verbeugung mit einem sehr frostigen Gegenkompliment; allein obschon dies Benehmen seinen Unwillen verstärkte, so konnte er sich doch nicht verhehlen, daß ihre Reize seit ihrer letzten Trennung noch zugenommen hatten. Tausend angenehme Bilder kehrten in seine Einbildungskraft zurück, und er fühlte seine ganze Seele in Liebe und Zärtlichkeit aufgelöst.

Um diese gefährlichen Ideen jedoch zu verdrängen, bemühte er sich nun, eine muntere Unterredung mit der Braut anzuknüpfen, aber seine Zunge verrichtete ihr Amt sehr schlecht und trotz allen seinen Anstrengungen, kehrten seine Augen immer wieder zu Emilie zurück. Geoffry bemerkte den Zwang, welchen er sich anthat und kürzte daher den Besuch ab; auf dem Rückwege nach seiner Wohnung bezeigte er aber seinem Freunde sein Bedauern, daß ihn Emiliens Anblick verstimmt habe, doch Peregine, der sich unterdessen wieder gesammelt hatte, versicherte ihm nun, er habe sich geirrt und nichts als eine kleine Unpäßlichkeit sey schuld daran. Um ihm aber noch mehr zu zeigen, wie leichten Muthes er Emiliens Gleichgültigkeit zu ertragen vermöge, bat er Gauntlet, ihm auf den Abend bei dem Balle eine hübsche Moitié zu verschaffen. »Ich hoffe,« versetzte Geoffry, »mit Beihülfe meiner Braut die Zwistigkeit zwischen meiner Schwester und Ihnen beilegen zu können und deshalb versagte ich Letztere zu heute Abend noch an Keinen, da sie jedoch so hartnäckig ist, so will ich Ihnen eine junge Dame zuweisen, deren Tänzer den Tausch vielleicht nicht ungern eingeht.«

Der Gedanke, eine Gelegenheit zu haben, einem andern Frauenzimmer unter den Augen seiner ehemaligen Geliebten den Hof machen zu können, belebte Pickle so weit, daß er während der Mittagstafel, obschon er seiner schönen Feindin gegenüber saß, doch ziemlich ruhig und voll guter Laune scherzen konnte, und da sie fortfuhr, ihn mit Gleichgültigkeit zu betrachten und sogar mit einigen der anwesenden jungen Herren sehr freundlich sprach, so ward er hierdurch in seinem Entschluß, sie zu vergessen, noch mehr bestärkt und schrieb ihrer Fühllosigkeit zu, was in der That nur eben so wie bei ihm die Frucht schwerer Mühe war.

Dieser Wetteifer im Verstellen dauerte bis um Mitternacht, wo sich die Gesellschaft zum Tanz anschickte. Peregrine eröffnete den Ball mit der Braut, dann wandte er sich an das ihm von seinem Freunde empfohlene Frauenzimmer, die zu seinem großen Vergnügen vollkommen im Stande war, selbst Emilie Eifersucht einzuflößen, doch hatte er leider auch dabei die Kränkung, sehen zu müssen, daß sie mit einem jungen Officier engagirt war, den er trotz aller Eingenommenheit für sich selbst für einen gefährlichen Nebenbuhler erkennen mußte. Dennoch begann er die Feindseligkeiten zuerst, indem er mit seiner Dame sehr vertraulich und angelegentlich zu sprechen begann und ihr eine Menge schmeichelhafter Complimente machte, die bald auf das Kapitel der Liebe führten.

Dies Betragen entging Keinem in der Gesellschaft und der größte Theil der Anwesenden hielt die Sache für Ernst; Emilie hingegen, die seine Absicht durchblickte, kehrte seine Waffen nun gegen ihn, und da ihr Tänzer kein Neuling in der Liebe war, so gelang es ihr bald, auch ihrerseits den Anderen glauben zu machen, der Officier habe an Gauntlets Schwester eine Eroberung gemacht.

Selbst Peregrine begann diese Meinung zu hegen und dieser Gedanke zerstörte plötzlich seine gute Laune und erfüllte seine Brust mit Wuth. Er that alles Mögliche, seinen Unwillen zu unterdrücken und rief jede Veranlassung herbei, um Emilie zu zeigen, wie gleichgültig sie ihm sey, aber seine Augen gehorchten seinem Willen nicht, und verriethen den Sturm seiner Seele, und wenn sie beim Tanz ihm die Hand reichen mußte, dann bebte er so, daß er sich kaum aufrecht zu halten vermochte. Kurz, seine Anstrengungen, die Lage seiner Seele zu verbergen, waren so heftig, daß ihm zuletzt die Farbe seiner Wangen entschwand und er sich genöthigt sah, schnell in ein anderes Zimmer zu eilen, wo er ohnmächtig auf ein Ruhebette hinsank.

In diesem Zustande fand ihn sein Freund, der ihm nachgefolgt war und bat ihn, nachdem er ihn wieder zu sich gebracht hatte, für diese Nacht sich eines Bettes in seinem Hause zu bedienen, um sich der Nachtluft nicht auszusetzen; hierzu war Peregrine jedoch nicht zu bewegen, sondern begab sich, begleitet von seinem Freunde, nach seinem Gasthofe, wo er, kaum angekommen, von einem heftigen Fieber befallen wurde. Edelmüthig erbot sich Geoffry, trotz seiner Verhältnisse, bei ihm zu bleiben; Peregrine bestand jedoch darauf, daß er sich wieder zu der Gesellschaft zurückbegäbe und bat ihn sein plötzliches Weggehen bei seiner Tänzerin zu entschuldigen.

Dies Zurückkehren des Bräutigams war sehr nothwendig, um die Gesellschaft zu beruhigen, denn da einige Damen gesehen hatten, wie Gauntlet dem Fremden unmittelbar auf dem Fuße folgte, so fürchteten sie, es möchte ein Streit zwischen Beiden entstanden seyn. Emilie war übrigens so erschüttert, daß sie sich kaum auf den Füßen zu erhalten vermochte; die Braut aber, welche das ganze Geheimniß kannte und die Einzige war, die sich nicht weiter beunruhigt fühlte, suchte die Anderen dadurch zufrieden zu stellen, daß sie versicherte: Sir Pickle's Weggehen habe weiter nichts zu bedeuten und sey blos durch eine kleine Anwandlung von Uebelbefinden veranlaßt worden, das ihm öfters zuzustoßen pflege. Als nun Gauntlet dies auch bei seiner Rückkehr bestätigte, da überließen sich die Gäste von neuem ihrer Fröhlichkeit und der Tanz begann wieder wie vorher, nur mit dem Unterschiede, daß auch Emilie sich davon zurück zog, worauf denn nun die Dame, mit welcher Peregrine bisher getanzt hatte, von dem Officier aufgefordert wurde, der ihr erst bestimmt gewesen war.

Unterdessen begab sich die Braut mit ihrer Schwägerin in ein anderes Zimmer, wo sie diese wegen ihres hartherzigen Benehmens ausschalt und ihr sagte, daß nach Geoffry's Bericht, Pickle leicht eine heftige Krankheit davon tragen könne; aber obschon Emilie gegen die Vorstellungen der sanften Sophy taub blieb, so machten doch Mitleid und Liebe auf ihr Herz einen solchen Eindruck, daß sie sich außer Stande befand ihr Amt, die Braut zu Bette zu bringen, zu verrichten und sich still auf ihr Zimmer zurückzog, wo sie insgeheim mit der Unpäßlichkeit ihres Verehrers sympathisirte.

Am folgenden Morgen begab sich der junge Ehemann so früh, als es nur der Anstand erlaubte, zu seinem Freunde. Peregrine hatte eine sehr unruhige Nacht gehabt und gestand jetzt offen, daß ihn der Gedanke, Emilie könne ihn für immer verschmähen und einem Anderen ihre Hand reichen, bis zum Wahnsinn zu bringen vermöchte und daß er um keinen Preis in der Welt jemals wieder solche Augenblicke, wie die gestern Abend erleben wollte.

Sein Freund suchte ihn jetzt mit der Versicherung zu beruhigen, daß die Liebe bei seiner Schwester gewiß noch über alle Bedenklichkeiten des Unwillens und des Stolzes die Oberhand behalten würde, und erzählte ihm zur Unterstützung dieser Behauptung, wie sehr Emilie von der Nachricht seines Unwohlseyns ergriffen worden wäre: zugleich gab er ihm den Rath, um Sophie's Vermittelung in einem Briefe zu bitten, den diese dann Emilie mittheilen sollte.

Dieser Vorschlag dünkte Peregrinen so gut, daß er ihn auf der Stelle befolgte und das Schreiben, in welchem er seine ganze Liebe zu Emilie und die tiefste Reue über sein früheres Benehmen gegen sie, zugleich mit der festen Versicherung aussprach, ihr auf immer Herz und Hand zu weihen, an Geoffry gab, der es nun seiner Frau überbrachte, die es mit der innigsten Theilnahme las und dann damit auf das Zimmer ihrer Schwägerin eilte. »Hier,« sprach sie zu dieser, indem sie ihr das Papier übergab, »ist etwas, das ich Ihrer ernstesten Aufmerksamkeit empfehle;« aber Emilie, welche sogleich vermuthete, was es war, weigerte sich schlechterdings, den Brief zu nehmen und selbst ihn auch nur lesen zu hören; jetzt aber trat ihr Bruder herein und nahm sich, da er ihre Hartnäckigkeit sah, seines Freundes mit solcher Wärme an, und beschuldigte sie so unverholen der Lieblosigkeit und Härte, daß sie gekränkt hierdurch in Thränen ausbrach und sich über den Mangel an Liebe bei ihrem Bruder beklagte, der, wie sie sagte, Parthei gegen sie mit ergriffen habe. Jetzt aber umarmte sie ihr Bruder, der die innigste Liebe zu ihr hegte und sie nicht kränken wollte, und bat sie wenigstens um seinetwillen, sich die Erklärung seines Freundes vortragen zu lassen.

So vielen dringenden Vorstellungen konnte Emilie nicht länger widerstehen; sie willigte darein, den Brief anzuhören, nachdem dies aber geschehen war, beklagte sie ihr Schicksal, die unschuldige Ursache so vieler Unannehmlichkeiten seyn zu müssen und bat dann ihren Bruder, Sir Pickle in ihrem Namen zu versichern: sie sey durchaus nicht seine Feindin und wünsche ihm im Gegentheil alles mögliche Glück und Wohlergehen, doch hoffe sie, daß man es ihr auch nicht verdenken würde, wenn sie ebenfalls auf ihr Wohl dächte und um dies zu bewahren, allen Umgang mit einem Manne vermiede, der sie einmal genöthigt hätte, jede Gemeinschaft mit ihm aufzuheben.

So sehr das junge Ehepaar sich nun auch noch bemühte, sie auf andere Gedanken zu bringen, so blieb sie doch fest bei ihrem Entschlusse und drohte zuletzt, falls man ihr nicht heilig verspräche, diese Angelegenheit nicht wieder anzuregen, das Haus auf der Stelle zu verlassen.

Sehr betrübt durch den übeln Erfolg seiner Bemühungen, begab sich Geoffry nun abermals zu seinem Freunde, und da er trotz aller Schonung, die er anwendete, nicht umhin konnte, ihn den bittern Kelch fehlgeschlagener Erwartungen leeren zu lassen, so verfiel Peregrine nun nach einem kurzen Ausbruche heftiger Verzweiflung, bald in den düstersten Unwillen und suchte sich unter dem Vorwande, der Ruhe zu bedürfen, von der Gesellschaft des Officiers loszumachen.

Während er aber nun in finsterer Schwermuth auf seinem Lager hinbrütete, kam Pipes, dem die Ursache seines Kummers bekannt war und der die feste Ueberzeugung hegte, Emilie liebe seinen Herrn, so sehr sie sich auch bemühe, ihre Gesinnungen zu verbergen, auf einen, wie er meinte, sehr klugen Einfall, der nach seiner Ansicht Alles schnell in Ordnung bringen würde. Ohne seinem Herrn ein Wort zu sagen, lief er in anscheinender Bestürzung nach dem Hause von Sophie's Vater und klopfte hier mit solchem Ungestüm an, daß die ganze Familie in Aufruhr gerieth; nachdem man ihn aber eingelassen hatte, begann er den Mund aufzusperren, mit starren Blicken um sich zu schauen, zu keuchen und nicht eher eine Antwort auf die an ihn gerichteten Fragen zu geben, bis die junge Frau ihm ihre Besorgnisse wegen seines Herrn äußerte. Als Pickle jetzt genannt wurde, schien Tom einen angestrengten Versuch zum Sprechen zu machen und versetzte endlich in einem bellenden Tone: »Sich selbst ufgebracht! zerreiß meine Bramsegel!« Mit diesen Worten deutete er auf seinen Hals und hob sich auf den Zehen empor, um den Sinn seiner Rede ganz deutlich zu machen.

Ohne eine weitere Frage zu thun, stürzte Geoffry voll Schrecken fort nach dem Gasthofe hin; Sophy aber, die des Boten Sprache nicht recht verstand, wandte sich nochmals an ihn und fragte sehr dringend: »Ich hoffe doch nicht, daß Sir Pickle etwas Uebles begegnet ist?« – »Uebles?« versetzte Tom; »Uebles gerade nicht; er hat sich vor Liebe ufgehenkt.« – Kaum waren diese Worte aus seinem Munde, als Emilie, die im Nebenzimmer lauschte, mit einem lauten Schrei zu Boden sank. Sowie Pipes deren Stimme vernahm, begann er im Innern über den glücklichen Erfolg seiner List zu triumphiren und eilte herzu, um der Ohnmächtigen beistehen zu helfen, bis diese wieder zur Besinnung kam, und nun im Tone verzweiflungsvoller Liebe den Namen des Geliebten ausrief. Jetzt kehrte er im vollen Laufe und voll herzlicher Freude nach dem Wirthshause zurück, um seinem Herrn erzählen zu könne, welch ein Geständniß er Emilie abgepreßt habe. Dabei wußte er sich nicht wenig damit, einen so sinnreichen Einfall gehabt zu haben.

Unterdessen war Geoffry daselbst angelangt und ohne Weiteres die Treppe hinaufgestürzt, und als er hier Peregrinens Zimmer verschlossen fand, besann er sich nicht lange und sprengte die Thüre mit einem Fußtritt auf. Aber wie groß war sein Erstaunen, als ihm Peregrine mit dem Ausruf: »Wer zum Teufel, ist denn da?« entgegentrat. Kaum glaubte er dem Zeugnisse seiner Sinne, bis Peregrine, verletzt über dies ungestüme Hereinbrechen, mit einer Miene, die deutlich seine Unzufriedenheit verrieth, weiter sprach: »Ich sehe, sie betrachten mich als Ihren Freund, da die so ohne alle Umstände mit mir umgehen.«

Von der Falschheit der erhaltenen Nachricht nunmehr überzeugt, begann der Officier den Argwohn zu hegen, das Ganze möchte wohl eine von Pickle angestellte Sache seyn und da ihn dieser Betrug, der für seine Schwester und seine Frau die traurigsten Folgen haben konnte, verdroß, antwortete er nun ebenfalls in einem hochfahrenden Tone. »Sir, Sie müssen diese Störung Ihrer Ruhe nur sich selbst zuschreiben und können Sie allein dem unbesonnenen Scherz zumessen, den Sie sich erlaubt haben.«

Pickle, der stets lebhaft und vor diesem Besuche schon vor Ungeduld seiner kaum mehr mächtig gewesen war, im Ganzen auch durchaus nicht begriff, von was die Rede war, erwiederte mit einem Blick voll Zorn: »Mein Herr, Sie irren, wenn Sie glauben, daß ich scherze; es ist mein bitterer Ernst, das versichere ich Ihnen.« – Auch der Capitaine war nicht der Mann von großer Geduld, am wenigsten wenn man ihm zu drohen schien: er glaubte mit Recht sich beleidigt und da er sich jetzt noch dazu hart angefahren sah, erwiederte er nun ebenfalls mit einem heftigen Tone: »Sir Peregrine, es mag nun Scherz oder Ernst gewesen seyn, so müssen Sie mir doch erlauben, Ihnen zu sagen, das es, mindestens gesagt, unschicklich und unfreundschaftlich war.«

»Tod und Hölle!« rief Peregrine jetzt ganz außer sich, »Sie scheinen mit meinem Kummer zu spielen und ob ich gleich in dem Ganzen noch keinen Zusammenhang sehe, so muß ich Sie doch bitten, sich deutlicher zu erklären.« – »Wohlan,« sprach Gauntlet, »es sey. Ich kam mit ganz anderen Gesinnungen hierher, da Sie mich jedoch trotz Ihres Benehmens noch zu Vorwürfen reizen, so erfahren Sie denn ohne alle Umstände, daß Sie die Ruhe meiner Familie auf das Freventlichste gestört haben. Wie konnten Sie Ihren Diener mit der Nachricht zu uns schicken, daß Sie Ihrem Leben ein Ziel gesetzt hätten und uns dadurch in den heftigsten Schreck stürzen?«

Jetzt war es an Peregrine, vor Erstaunen stumm dazustehen; während aber noch beide Freunde so voll gegenseitigen Unwillens gleichsam im Dunkeln tappten und sich Einer des Andern Reden und Benehmen nicht ganz zu erklären vermochten, trat Pipes mit einem freudigen Gesicht herein und rief seinem Herrn zu: »Glück auf! ziehen Sie die Bramsegel Ihres Herzens in die Höhe und lassen Sie die Freudenflagge wehen! Ich hab's Feinliebchen rumgesteuert; das Schiff hat sich gewendet und ist nun auf gutem Cours.«

Peregrine war noch immer so erstaunt über Alles, was er hörte, daß er seinem Diener mehrmals und bei Strafe seines Zornes gebieten mußte, sich deutlicher zu erklären, eh' es ihm gelang, aus dessen seltsamen Andeutungen den Zusammenhang der ganzen Sache zu erfahren: als er aber endlich über Alles im Klaren war, da fühlte er sich nicht wenig durch diesen Vorgang in Verlegenheit gesetzt und würde Pipes auf der Stelle für seinen thörichten Einfall bestraft haben, hätte er nicht deutlich gesehen, daß nur Liebe zu ihm diesen Menschen auf diesen Gedanken gebracht hatte. Auf der andern Seite wußte er aber auch wieder nicht, wie er sich, ohne eine Erklärung zu geben, zu der er jetzt durchaus nicht in der Stimmung war, von dem Verdachte freimachen sollte, den Geoffry natürlich gegen ihn hegen mußte.

Nach einer Pause wandte er sich indeß mit einer finstern Miene zu Pipes und sprach: »Das ist nun das zweite Mal, Schurke, daß ich durch Deine Unwissenheit und Tölpelhaftigkeit bei der jungen Dame in ein übles Licht gesetzt werde. Merke Dir's, wofern Du es Dir noch ein Mal einfallen läßt, Dich in meine Angelegenheiten unberufen zu mischen, so jage ich Dich auf der Stelle ohne Gnade fort. Jetzt marsch! und laß die Pferde satteln.«

Pipes entfernte sich; hierauf wandte sich aber Peregrine zu dem Officier, legte die Hand auf die Brust und sprach mit einem feierlichen Tone: »Capitaine Gauntlet, auf meine Ehre, ich bin an dem elenden Kunstgriff unschuldig, den Sie für meine Erfindung halten und Sie lassen weder meinem Verstande, noch meiner Ehrliebe Gerechtigkeit widerfahren, wenn Sie mich einer so abgeschmackten Ungereimtheit wirklich für fähig halten. Was Ihre Schwester anlangt, so habe ich einmal im Taumel wilder Begierden mich gegen sie vergangen; ich habe aber seitdem solche Erklärungen dieserhalb gethan und solche Genugthuungen angeboten, daß schwerlich ein anderes Frauenzimmer ihres Standes sie würde ausgeschlagen haben. Jetzt bin ich aber, bei Gott! fest entschlossen, eher jede Qual fehlgeschlagener Hoffnungen zu ertragen, als mich von Neuem vor ihrem Stolze und ihrem Eigensinne zu beugen, die sich beide nicht rechtfertigen lassen.«

Mit diesen Worten eilte er schnell die Treppe hinab mit dem festen Vorsatze, sich für Emiliens stolze Verschmähung in dem Besitz der ersten, besten, gutwilligen Person, die ihm aufstoßen würde, zu trösten; während er aber in diesen Gesinnungen sich auf den Weg zum Castell machte, kehrte Gauntlet, dessen Seele zwischen Aerger, Scham und Theilnahme schwebte, in das Haus seines Schwiegervaters zurück, wo er seine Schwester noch in der heftigsten Unruhe über die früher empfangenen Nachricht fand. Er theilte jetzt den wahren Hergang der Sache mit, und zugleich auch das Gespräch, welches er mit Peregrinen gehabt hatte, über dessen Benehmen hierbei er einige bittere Ausdrücke fallen ließ, die weder Emilie angenehm waren, noch von der sanften Sophy gebilligt wurden, die sich unzufrieden darüber bezeigte, daß er seinen Freund in einem Mißverständnisse hatte abreisen lassen können.


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