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Peregrine bemüht sich, die Freundschaft des Menschenhassers zu gewinnen, der ihm eine flüchtige Skizze seiner Geschichte mittheilt.
Dieser gelegentliche Verweis machte Peregrine viel Vergnügen, und er dünkte ihm so passend zu seyn, daß er ihn kaum für zufällig halten konnte, auch erschien ihm Crabtree als eine der größten Merkwürdigkeiten. Dies bewog ihn denn, sich so angelegentlich um die Bekanntschaft des alten Mannes zu bewerben, daß er wirklich in weniger als vierzehn Tagen dessen Vertrauen erlangte.
Als sie eines Tages mit einander spazieren gingen, begann der Misanthrop wie folgt: »So kurze Zeit wir uns auch erst kennen, so müssen Sie doch bereits bemerkt haben, daß ich Ihnen mit einer mehr als gewöhnlichen Achtung begegne; glauben Sie jedoch nicht, daß Sie dies Ihren Eigenschaften oder Ihrer Zuvorkommenheit gegen mich verdanken. Ueber die ersteren sehe ich weg, die letztere durchschaue ich. Aber es liegt in Ihrer Gemüthsart etwas, was mich anspricht und was von einer gründlichen Verachtung der Narrheiten der Welt zeugt; auch habe ich gehört, daß Sie bereits einige glückliche Versuche gemacht haben, den einen Theil der Menschen dem andern zum Gespötte preiszugeben. Hierzu biete ich Ihnen nun meinen Rath und meinen Beistand an, damit Sie noch mehrere Streiche dieser Art ausführen können, und um Sie zu überzeugen, daß eine solche Verbindung nicht zu verachten ist, will ich Ihnen eine kleine Skizze meines Lebens geben, dessen Beschreibung nach meinem Tode in siebenundvierzig von mir selbst geschriebenen Bänden herauskommen wird.«
»Ich bin ungefähr vierzig Meilen von hier geboren. Meine Aeltern gaben meinem älteren Bruder das ganze Vermögen, um den sehr alten Familiennamen behalten zu können, und ich erbte demnach von meinem Vater fast nichts als einen bedeutenden Theil seines Jähzorns, der mich in manche Abentheuer verwickelte, die nicht immer zu meinem Vergnügen ausschlugen. Als ich achtzehn Jahre war, sandte man mich mit einem Empfehlungsschreiben an einen gewissen Pair in die Hauptstadt, der Mittel ausfindig zu machen wußte, mich ganzer sieben Jahre hindurch mit der Hoffnung auf eine Anstellung hinzuhalten. Dennoch würde ich endlich durch meine Beharrlichkeit mein Glück gemacht haben, wenn mich nicht mein Wirth hätte einziehen und nach Marshalsea bringen lassen. Drei Jahre hindurch hatte er mir geborgt, nachdem mein Vater beliebt hatte, sich meiner als eines faullenzerischen Tagediebes zu entsagen. Ich blieb demnach ein halbes Jahr unter den Gefangenen, die keine andere Unterstützung als die haben, welche das Mitleiden zufällig gewährt, stiftete jedoch eine Bekanntschaft, die mir in der Folge von vielem Nutzen war.«
»Sowie ich endlich durch eine Parlamentsacte zum Besten unvermögender Schuldner wieder auf freien Fuß gekommen war, eilte ich nach der Wohnung meines Gläubigers, um ihn tüchtig durchzuprügeln, und von da begab ich mich, um nichts zu versäumen, nach Westminsterhall. Hier wartete ich so lange, bis mein Patron aus seinem Hause kam, wo ich ihn dann mit einem so derben Streiche begrüßte, daß er besinnungslos zu Boden stürzte. Mein Rückzug war leider nicht so glücklich, als ich dies wohl gewünscht hätte. Die daselbst sich herumtreibenden Lakaien und Sänftenträger umringten und entwaffneten mich. Ich ward nach Newgate gebracht und mit Ketten beladen, und ein scharfsinniger Gentleman, den man später henkte, erkannte mich, als über meine Sache gesprochen ward, des Todes schuldig und verkündete mein Urtheil in Old-Baily voraus.«
»Diese Prophezeiung traf jedoch nicht ein; da bei der nächsten Gerichtssitzung kein Kläger gegen mich auftrat, so ließen mich die Richter frei. Unmöglich könnte ich Ihnen in dem kurzen Zeitraume von vierundzwanzig Stunden alle die Ereignisse mittheilen, an denen ich von diesem Tage an einen starken Antheil nahm; nur soviel mögen Sie wissen, daß ich zu verschiedenen Zeiten in allen Gefängnissen der Stadtviertel von London saß und daß ich in allen Rumorhäusern diesseits Templebar ausbrach. Ja, in den Tagen meiner Jugend durfte kein Gerichtsdiener es wagen, ohne ein Dutzend Helfershelfer einen Verhaftsbefehl gegen mich zu vollziehen, und die Richter zitterten, wenn ich vor sie gebracht wurde.«
»Eines Tages hatte ich jedoch das Unglück, von einem Kärner gelähmt zu werden, mit dem ich deswegen in Streit gerieth, weil er sich über den Lauch, den ich am St. Davidstage, nach altenglischer Sitte, auf meinem Hute trug, lustig gemacht hatte. Eine ähnliche Veranlassung war schuld, daß mir einst ein Fleischer mit seinem Beile den Hirnschädel spaltete. Fünfmal bin ich durch den Leib gerannt worden und mein linkes Ohrläppchen ging durch einen Pistolenschuß verloren. Bei einer solchen Schlägerei blieb mein Gegner todt auf dem Platze, worauf ich denn klug genug war, nach Frankreich zu fliehen; aber schon ein paar Tage nach meiner Ankunft in Paris gerieth ich, politischer Meinungen wegen, mit einem Officier in Fehde; ich verlor alle Mäßigung und sprach in so unehrerbietigen Ausdrücken von dem allerchristlichsten König, daß ich am folgenden Morgen mittelst eines lettre de cachet in die Bastille geschickt ward. Hier blieb ich einige Monate ohne den mindesten Umgang mit vernünftigen Geschöpfen; dies war mir gar nicht unlieb, denn ich erhielt hierdurch Zeit, Plane zur Rache gegen den Tyrannen zu schmieden, der mich eingekerkert, und gegen den Buben, der mein vertrauliches Gespräch verrathen hatte. Endlich war ich dieses müßigen Brütens jedoch müde und suchte mich nun durch den Umgang mit einigen fleißigen Spinnen, die sich in meinem Kerker angesiedelt hatten, zu erheitern.«
»Ich betrachtete ihre Arbeit mit solcher Aufmerksamkeit, daß ich dadurch in die Geheimnisse ihrer Kunst eingeweiht ward und so viele nützliche Beobachtungen darüber sammelte, daß ich einen lehrreichen Tractat darüber zu schreiben vermochte, den ich einmal nach meinem Tode der königl. Societät zum Besten unserer Wollenmanufacturen vermachen will, nicht sowohl um meinem Vaterlande dadurch zu nützen, als meinen Namen unsterblich zu machen; denn, Gott sey Dank! von der Schwäche einer solchen Anhänglichkeit habe ich mich längst befreit und sehe mich als einen Menschen an, der keiner Gesellschaft, wer sie auch sey, Verbindlichkeiten schuldig ist.«
»Obschon ich in meinem Gefängnisse über meine langbeinigen Gesellschafter unumschränkt herrschte und Jeden nach Verdienst strafen und belohnen konnte, so wurde mir meine Lage zuletzt doch langweilig. Eines Tages gewann meine natürliche Gemüthsbeschaffenheit plötzlich die Oberhand und brach wie ein lang verstecktes Feuer aus: ich machte meinem Grimm gegen meine unschuldigen Unterthanen Luft und zerstörte in einem Augenblick das ganze Geschlecht; als ich aber eben noch mit diesem Gemetzel beschäftigt war, öffnete der Kerkermeister, der mir zu essen brachte, die Thüre, und da er die Ausbrüche meiner Wuth sah, so setzte er geschwind meine Portion hin, zuckte die Achseln und sprach: der arme Teufel hat das Bißchen Verstand verloren.«
»Als sich mein Zorn gelegt hatte, beschloß ich, diesen Wahn des Kerkermeisters zu benutzen; ich stellte mich von da an toll, und dies mit so gutem Erfolge, daß ich binnen einem Vierteljahre aus der Bastille befreit und auf die Galeeren geschickt wurde. Man glaubte hier, meinen noch rüstigen Körper nutzen zu können, wenn auch meine Seelenkräfte schwach geworden wären, und trotz dem, daß ich mir alle mögliche Mühe gab, die Leute zu überzeugen, ich sey nur toll bei Nord oder Nord-West, wenn aber der Wind aus Süden bließe, könnte ich einen Falken sehr gut von einem Kirchthurme unterscheiden Worte Hamlets. A. d. Ueb., beachtete man dies doch nicht und gab mir, ehe man mich ans Ruder schloß, dreihundert Streiche zum Willkommen, um mich geschmeidiger zu machen.«
»Bei unserer zweiten Kreuzfahrt waren wir so glücklich, von einem Sturm überfallen zu werden. Wir Rudersklaven wurden während desselben losgeschlossen, um desto besser zur Erhaltung der Galeeren arbeiten und im Fall des Schiffbruches uns vielleicht retten zu können. Kaum waren wir aber unserer Ketten entledigt, so bemächtigten wir uns des Schiffes, plünderten die Officiere und ließen das Fahrzeug zwischen den Felsen der Küste von Portugal scheitern. Ich eilte jetzt nach Lissabon in der Absicht, mit einem nach England gehenden Schiffe in mein Vaterland zurückzukehren, denn ich hoffte, daß meine Angelegenheit daselbst vergessen seyn würde.«
»Eh' ich dies jedoch noch ins Werk zu setzen vermochte, fügte es mein Unstern, daß ich in eine Gesellschaft kam, wo ich mich betrank und nun Grundsätze über Religionsgegenstände vorbrachte, durch welche ich mehreren Anwesenden ein großes Aergerniß bereitete und sie zu einem heftigen Zorne reizte. Am nächsten Morgen holten mich die Diener der Inquisition aus meinem Bette und wiesen mir eine Wohnung in den Gefängnissen dieses Tribunals an.«
»Bei meinem ersten Verhöre machte meine Erbitterung, daß ich den Schmerzen der Tortur zu widerstehen vermochte; aber mein Muth sank und mein Eifer kühlte sich gewaltig ab, als ich von einem meiner Mitgefangenen vernahm, daß binnen Kurzem ein Auto-da-Fé statt finden und ich wahrscheinlich verbrannt werden würde, wenn ich meinen ketzerischen Irrthümern nicht entsagte und mich einer solchen Strafe willig unterwürfe, wie sie mir die milde Mutterhand der Kirche zudictiren würde.«
»Der Unglückliche, der mir dies eröffnete, war überführt worden, ein heimlicher Anhänger des jüdischen Glaubens zu seyn. Mehrere Jahre sah man ihm durch die Finger, bis er ein Vermögen zusammengebracht hatte, das hinreichend war, die Aufmerksamkeit der Kirche zu erregen. Jetzt sollte er nun als ihr Schlachtopfer fallen und er bereitete sich dieserhalb zum Holzstoß vor; mir aber lüstete durchaus noch nicht nach der Märtyrerkrone, und ich beschloß daher, mich in die Zeit zu schicken. Demzufolge widerrief ich feierlich bei dem zweiten Verhöre, und da ich kein Vermögen besaß, das meiner Rettung entgegengestanden hätte, so ward ich in den Schooß der Kirche wieder aufgenommen, mit der Bedingung, daß ich zur Buße meiner Sünden barfuß und in Pilgerkleidung nach Rom wallfahrten sollte.«
»Auf meiner Wanderung durch Spanien hielt man mich so lange als Spion fest, bis ich Beglaubigungsschreiben von der Inquisition zu Lissabon beizubringen vermochte, und da ich mich nun während dieser Zeit mit vieler Bedachtsamkeit benommen hatte, so glaubte man mich jetzt geschickt dazu, den geheimen Kundschafter an einem gewissen Hofe zu machen. Diesen Ehrenposten nahm ich ohne Bedenken an; man versah mich mit Geld und Empfehlungsschreiben; so ging ich über die Pyrenäen in der Absicht, mich an den Menschen für die Strenge zu rächen, mit welcher sie mich während meiner Gefangenschaft behandelt hatten. Zu dem Ende verkleidete ich mich und bedeckte das eine Auge mit einem großen Taffetpflaster; dann miethete ich mir ein Fuhrwerk und trat in Bologne als reisender Arzt auf. Die Sache ging ganz leidlich, bis einst meine Leute in einer Nacht mit allen meinen Sachen auf und davon gingen und mich nackt wie Adam zurückließen.«
»Kurz, ich bin den größten Theil von Europa als Bettler, Pilger, Spieler, Soldat, Priester und Quacksalber durchreist; ich habe alle Stufen des Elends und des Ueberflusses durchgemacht, habe alle Unfreundlichkeit und allen Wechsel der Witterung geduldet und die Einsicht gewonnen, daß sich die Menschen überall gleichen, daß Thorheit und Laster stets das Uebergewicht über Verstand und Tugend haben, und daß es mit dem Leben, sey es auch noch so glänzend, ein ärmlich Ding bleibt.«
»Nachdem ich auf diese Art unzählige Bedrückungen, Gefahren und Widerwärtigkeiten ausgestanden hatte, kehrte ich nach London zurück, wo ich einige Jahre in einem Dachstübchen wohnte und mir meinen Unterhalt dadurch verschaffte, daß ich auf einer Schecke durch die Straßen ritt und Purganzen verkaufte, indem ich dabei den Pöbel in gebrochenem Englisch haranguirte und mich für einen deutschen Arzt ausgab.«
»Endlich starb ein alter Onkel von mir, der mir ein Einkommen von dreihundert Pfund hinterließ; bei seinem Leben würde er nicht einen Pfennig hergegeben haben, um meinen Leib oder meine Seele vom Untergange zu retten.«
»Nunmehr erschien ich wieder in der Welt, aber nicht als ein geselliges Geschöpf, sondern als ein Zuschauer, der sich an den Fratzengesichtern der Narren ergötzt und seinem Spleen ein Mahl bereitet, wenn er seine Feinde sich herumbalgen sieht; und damit ich dies desto besser und ungestörter thun könne, stellte ich mich taub. Es ist dies ein Mittel, wodurch ich nicht allein allen Streitigkeiten und deren Folgen entgehe, sondern auch eine Menge kleine Geheimnisse erfahre, die man sich täglich in meiner Gegenwart ohne den mindesten Argwohn, belauscht zu werden, zuflüstert.«
»Sie wissen, wie ich neulich den albernen Politiker bei der Lady heimschickte; auf gleiche Weise verfahre ich mit dem hirnverbrannten Tory, dem frömmelnden Whig, dem eiteln Pedanten, dem aufgeblasenen Kunstrichter, der großprahlerischen Memme, dem kriechenden Speichellecker, dem unverschämten Kuppler, dem gaunerischen Spieler, kurz, mit allen jenen Schurken und Narren, an denen unser Königreich einen so großen Ueberfluß besitzt.«
»Vermöge meines Charakters und Standes habe ich bei allen Frauenzimmern freien Zutritt. Sie haben mir den Namen Lästerchronik gegeben, und da sie mich, so lange ich schweige, nur gleich ihrem Fußschemel betrachten, so legen sie in ihren Unterredungen alle Zurückhaltung ab, wodurch ich denn zuweilen gar wunderliche Dinge zu hören bekomme. Könnte ich es über das Herz bringen, der Welt ein Vergnügen zu machen, so vermöchte ich ein gar seltsames Werk von geheimen Geschichten zu geben, wodurch gewisse Personen in einem höchst eigenthümlichen Lichte erscheinen würden.«
»Aus allem diesen, mein junger Herr, werden Sie aber zur Genüge ersehen, daß ich, wenn ich will, ein guter Zuträger zu seyn vermag, und daß es wohl in Ihrem Interesse liegt, sich mein Vertrauen zu verdienen.«