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XX.

Wie schon gesagt, hatte Augustinowitsch sich nicht entschließen können, Schwarz zu erzählen, was bei Wisberg vorgegangen war. Er hatte sich in der Gräfin geirrt. Ungeachtet ihrer aristokratischen Abstammung und obgleich Pelski als eine gute Partie aus der aristokratischen Gesellschaft erschienen war, blieb doch kein Zweifel, daß sie Schwarz liebte, besonders seit sie hörte, daß er krank sei. Die Nachricht seiner Erkrankung hatte sie erschüttert.

Deshalb hatte Augustinowitsch seine gewöhnliche Unbefangenheit verloren. Er empfand unwillkürlich Achtung für die Gräfin. Er fühlte sich tief beschämt, als ob er auf einer Lüge ertappt worden wäre. Seine Miene verdüsterte sich. Er vermied Schwarz, er fürchtete ihn und schwankte. Er konnte sich aber immer noch nicht entschließen, ihm alles zu gestehen. Endlich wurde Schwarz selbst aufmerksam auf sein verändertes Wesen.

»Was ist Dir, Adam?« fragte er.

»Ha ha ha! nach Lulu kann er nicht fragen!« rief Augustinowitsch mit komischer Verzweiflung.

Schwarz sprang auf. »Nach Lulu? Was bedeutet das? Sprich.«

»Nichts bedeutet es. Was sollte das bedeuten?«

»Du verbirgst mir etwas?«

»Er denkt nur immer an Lulu!« rief Augustinowitsch.

Schwarz suchte sich mit Mühe zu beherrschen, aber diese Ruhe verkündete Sturm. Er erbleichte noch mehr, und seine Augen funkelten.

»Gut, ich werde alles sagen, um diesen Sturm zu verhüten,« sagte Augustinowitsch, »ich werde alles sagen. Wer kann mir verbieten, Dir zu sagen, daß Du die Schlacht gewonnen hast? Ja, der Teufel soll mich holen! Lulu liebt Dich.«

»Und Pelski?« fragte Schwarz.

»Hat sich noch nicht erklärt.«

»Weiß sie alles?«

»Schwarz – «

»Sprich doch.«

»Sie weiß gar nichts, ich habe ihr nichts gesagt.«

»Nichts gesagt? Du hast mich angelogen?« Schwarz sprach dies mit ganz dumpfer Stimme.

»Ich dachte, Du werdest zu ihr zurückkehren.«

Schwarz rang die Hände, daß die Finger krachten. Die letzten Worte gossen Öl ins Feuer.

Zu ihr zurückkehren hieße Helene verlassen. Würde das sein Gewissen erlauben? Durch die Rückkehr zu Lulu gewann er das Glück, aber durch diese Rückkehr entehrte er auch Helene und sich selbst. Gewissensbisse und Selbstverachtung erwarteten ihn dafür. In der Seele Schwarz' begann jener rasende Tanz des Menschen mit sich selbst. Schwarz tanzte mit Schwarz beim Orchester der eigenen Leidenschaft. Gedanken und Entschlüsse drehten sich in tollem Wirbel in seinem Innern.

Augustinowitsch sah seinen Freund mit einem verzweifelt dummen Gesicht an. Plötzlich sprang Schwarz mit entschlossener Miene auf. Die Sache war entschieden.

»Augustinowitsch … «

»Nun was?«

»Gehe gleich zu Lulu und sage ihr, daß ich heiraten werde, daß in einem Monat meine Hochzeit sein wird und daß ich niemals zu ihr zurückkehren werde. Niemals, verstehst Du?«

Augustinowitsch ging ohne Widerrede.

Wie oben beschrieben, traf er Malinka, während Lulu ihr Gespräch behorchte.

Malinka, welche durch das Gespräch mit der Gräfin erheitert war und von ihrem Glück träumte, empfing Augustinowitsch heiter und drückte ihm die Hand.

»Gut, daß Sie gekommen sind,« sagte sie, »ich habe Ihnen viel zu sagen.«

»Ich habe Ihnen auch etwas mitzuteilen,« erwiderte Augustinowitsch, »heute komme ich als Gesandter zu Ihnen.«

»Von Schwarz?«

»Ja, von ihm.«

»Wie ist seine Gesundheit?«

»Er ist krank. – War Pelski hier?«

»Eben von ihm wollte ich Ihnen erzählen.«

»Gut, sprechen Sie.«

»Er hat sich Lulu erklärt.«

»Nun, was dann?«

»Sie hat ihm einen Korb gegeben. Sie liebt nur Schwarz allein und will nur ihm gehören. Die gute, herzige Lulu!«

Ein Schweigen trat ein.

»Schade,« sagte er mit zitternder Stimme, »sie wird ihm niemals angehören.«

»Warum?«

»Schwarz ist verlobt. Er wird eine andere heiraten.«

Diese Nachricht traf beide Mädchen wie ein Donnerschlag, und eine peinliche Stille trat ein.

Plötzlich wurde die Thür zum Nebenzimmer geöffnet, und die Gräfin trat in den Saal. Auf ihrem Gesicht lag die Röte beleidigter weiblicher Würde. Ihre Augen glühten stolz.

»Malinka,« sagte sie, »ich bitte Dich, frage nicht weiter. Es ist genug, vollkommen genug. Er führt seinen Auftrag aus, und wir dürfen uns nicht durch Fragen erniedrigen.«

Sie ergriff Malinka bei der Hand und führte sie fast mit Gewalt aus dem Zimmer.

Augustinowitsch blickte ihnen nach, schüttelte den Kopf und murmelte: »Beim Propheten! ich verstehe sie. Sie hat recht – aber Schwarz auch. Aber man muß handeln, noch ist nicht alles verloren.«

Nach wenigen Minuten war er bei Pelski und erzählte ihm alles.

»Welche tragische Zwangslage!« schloß er. »Schwarz konnte unbedingt nicht anders handeln, nicht wahr, Herr Graf?«

»Er handelte, wie es ihm gefiel. Aber sagen Sie, was veranlaßte Sie, mir das mitzuteilen?«

»Eine Kleinigkeit. Aber noch eine Frage. Als die Gräfin Ihnen ihre Hand verweigerte, hat sie nicht ehrlich gehandelt?«

»Das überlasse ich Ihnen zu beantworten.«

»Sie können sich denken, was Sie wollen, denn mir ist alles gleichgültig, denn die Gräfin interessiert mich nicht. Nur das weiß ich, daß wenn Schwarz sich zurückzieht, das künftige Schicksal der Gräfin nicht beneidenswert sein wird. Aber Sie sind ja ihr Cousin, schade … «

»Was ist schade?« fragte Pelski.

»Daß Sie sich nicht einige Tage später erklärt haben.«

Der Graf ging im Zimmer auf und ab. »Niemals,« sagte er vor sich hin.

»Es ist ein bißchen spät, Herr Graf, aber … aber noch eine kleine Bitte: Sagen Sie nicht, daß ich bei Ihnen gewesen bin, besonders nicht Frau Wisberg und Schwarz, wenn Sie ihn jemals wiedersehen sollten.«

»Was kann Ihnen daran gelegen sein?«

»Sehr viel. Aber Sie begreifen es doch nicht, teurer Graf. Auf Wiedersehen!«

Als Pelski allein geblieben war, verfiel er in tiefes Nachdenken.

»Ich kann zu ihr zurückkehren,« sagte er endlich, »als ob ich nichts wüßte.«


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