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Vor dem Herrenhause von Kloningken, nach der Gartenseite zu, war unter schönen alten Bäumen der Kaffeetisch gedeckt. Renate und Rikchen waren mit den Waffeln fertig geworden, zum Berg getürmt stand das leckere Gebäck auf dem runden Tisch, dessen Mitte ein Strauß süß duftender Zentifolien zierte. Neben Frau Luise von Seeheim saß schon ein alter hochgewachsener Herr, er hielt sich noch ganz gerade und aufrecht, und die klugen Augen schienen immer gleich in eines Menschen Herz tief hinein zu schauen. Das war der alte Amtsrat Flemming, Frau Luises Bruder. Auch sein ältester Sohn Fritz Flemming war gekommen, er war blond und blauäugig und hatte nur in der Figur und Haltung Ähnlichkeit mit seinem Vater. Frau Luises Sohn, Herr Joachim von Seeheim, und seine Frau Anna kamen ihren Gästen herzlich entgegen, sie hatten beide eine so behagliche Güte, daß jeder Gast sich schnell in ihrem Hause wohl fühlte. Auch der älteste Sohn Franz war von seinem Vorwerk Amsee herüber gekommen, und Lizzie Brown war ein bißchen verwirrt unter all diesen Seeheims und Flemmings.
Am besten schien ihr von allen das alte Geschwisterpaar zu gefallen, immer wieder ruhten ihre Augen auf beiden, und als der Amtsrat sie einmal unversehens ansprach, erglühte sie tief und senkte verlegen den Kopf. Die drei Basen fanden sie an diesem Nachmittag süß, gar nicht so steif und hochmütig wie am Vormittag, ein wenig still zwar, aber dafür gingen die Plaudermünder der drei um so geschwinder. Und Hans-Heinrich von Seeheim war wieder begeistert von seiner Reisegefährtin, er saß zu seinem Ärger beim Kaffee nicht neben ihr, und darum machte er auch, als die Waffelberge schon beträchtlich niedriger geworden waren, den Vorschlag, der Fremden Haus und Garten zu zeigen. Zu seinem großen Vergnügen erklärte sich Lizzie dazu bereit; sie meinte aber, es sei besser, erst das Haus zu sehen, der Garten habe Zeit.
So wanderten die vier jungen Mädchen – denn keine wollte zurückbleiben – mit Hans-Heinrich ins Haus hinein, zu aller Verwunderung schloß sich Franz ihnen an, während die Flemmingsöhne es vorzogen, im Garten zu bleiben. Treppauf, treppab lief die Jugend in dem alten weitläufig gebauten Haus, und Lizzie bekam alle Zimmer zu sehen, viel Urväterhausrat und dazu viele Geschichten aus vergangenen Tagen zu hören.
»Hier ist das Bilderzimmer,« erklärte endlich Hans-Heinrich und öffnete ein weites, niedriges Zimmer im ersten Stock. »Hier hängen von den Urgroßeltern an alle Familienbilder, Großmutter hat es so angeordnet.«
Hans-Heinrich wollte ganz ernsthaft der Reihe nach erklären, aber Lizzie Brown war rasch vor das Bild eines jungen blonden Mannes getreten und fragte: »Wer ist das?«
»Das ist Großonkel Fritz,« sagte Hans-Heinrich etwas zögernd.
Lizzie fragte nicht weiter, aber sie blieb vor dem Bilde stehen und sah es lange nachdenklich an, und als sie sich umwandte, waren ihre blauen Augen wieder schwarz geworden, und sie schien auf einmal alles Interesse für die anderen Bilder verloren zu haben. Nur flüchtig schaute sie auf den Urgroßvater von Seeheim, der in der Schlacht bei Jena gefallen war, und auf das Bild seiner Frau, die ein schönes, fast strenges Gesicht hatte. »Ich trage ihren Namen,« sagte Rikchen und seufzte dabei. Aber sie wurde Friederike genannt, und das paßte wohl auch besser für sie. »Sie muß sehr schön gewesen sein, und stolz war sie dazu; Großmutter sagt, sie sei eine Heldin gewesen; ach, und das bin ich nicht, und so schön wie die Urgroßmutter werde ich auch nie werden, und wenn ich hundert Jahre lebe.«
Die Geschwister lachten. Schön war das rundliche, rosige Rikchen freilich nicht, nur niedlich konnte sie genannt werden, und eine Heldin war sie auch nicht, sondern ein Hasenfuß, der es fertig brachte, selbst einer Maus das Feld zu räumen.
»Und das hier sind die Flemmingurgroßeltern,« erklärte Renate und zeigte auf zwei Bilder; das eine stellte einen ernsten Mann im Rock des Geistlichen dar, das andere eine sehr liebliche, einem milden Sommertag gleichende Frau. Vor diesen Bildern stand Lizzie wieder sehr lange, so lange, daß ihre Führer beinahe ungeduldig wurden und froh waren, als sie ihren Gast wieder aus dem Bilderzimmer heraus hatten.
»Jetzt wollen wir in den Park gehen und an den See,« schlug Renate vor.
»Ach ja,« sagte Lotte Flemming, »an den See, die Jungens wollten dort auf uns warten, sie sagten, sie hätten sich eine Überraschung ausgedacht.«
»Denen ihre Überraschungen sind manchmal rechte Dummheiten,« spottete Franz.
Lotte fand zwar auch, daß ihre Brüder genug Dummheiten machten, aber sie fühlte sich doch als Schwester verpflichtet, ihnen zu helfen; sie rief daher schnippisch: »Nun, ein Feuerwerk, bei dem beinahe eine Scheune und noch sonst etwas anbrennt, wird es nicht sein!«
Die anderen lachten, und Lizzie Brown bekam erzählt, daß vor Jahren, als Franz noch ein Bube war, er mit dem sechs Jahre jüngeren Hans-Heinrich zusammen ein großartiges Feuerwerk hatte abbrennen wollen; dabei hatten sich beide tüchtig ihre Jacken und ihre Hände verbrannt und beinahe eine Scheune dazu.
Darüber lachte auch Lizzie, sie sah Franz von Seeheim schelmisch an: »Wenn es hier solche Überraschungen gibt, dann bin ich sehr neugierig darauf.«
Sie gingen alle zusammen durch den Park, auf dessen Baum- und Blumenfülle alle Seeheims sehr stolz waren. Jeder wies dem Gast eine andere Schönheit, jeder hatte eine besondere Lieblingsblume, und Lizzie, die viel schönere, üppigere Gärten gesehen hatte, fand das alles wundervoll und vergaß an der Zentifolienhecke alle Blütenpracht des Südens. »Sie ist eigentlich sehr, sehr nett,« dachten die Seeheims, und Lotte Flemming strahlte so über dieses Lob, als sei sie für der Fremden Liebenswürdigkeit verantwortlich.
Am See, der ein Stück hinter dem Parke lag, saßen Max und Walter auf einem schmalen, in den See hinaus gebauten Steg. Sie bammelten mit den Beinen, und Walter sagte zum achtenmal: »Du, weißte, ich habe Angst, wir blamieren uns!«
»Unsinn,« antwortete Max, »wenn's ihr nicht gefällt, dann ist sie eine öde Mariell, und wir kümmern uns nicht mehr um sie! Wir erklären sie in Acht und sie mag sehen, wie sie sich ohne uns unterhält!«
Etwas großspurig klang das, aber Walter gab doch dem Bruder recht, er meinte auch, ohne ihre Unterhaltung würde es dem Gast wohl herzlich langweilig sein.
»Jetzt kommen sie,« verkündigte Max und stand, sich dehnend, auf.
»Na, wo ist denn eure Überraschung, Buben?« rief Franz den Vettern zu; »heraus damit, wir sind allesamt neugierig.«
»Dann müßt ihr hier auf den Steg kommen, der ist für die Zuschauer,« erklärte Max, »nachher geht's los!«
Die Geschwister und Basen kamen, Lizzie in der Mitte, auf den Steg. Sie nahmen fröhlich Platz, setzten sich einfach auf das Brückchen nieder, Franz und Hans-Heinrich wie die Türken, weil sie sonst mit ihren langen Beinen ins Wasser gekommen wären, und alle harrten gespannt auf die angekündigte Überraschung.
Max und Walter verschwanden eilfertig in einer kleinen Boothütte am Strande; dort hatten sie ihre Indianergewänder liegen, die sie sich mühsam aus Flicken und Hahnenfedern zurechtgemacht hatten. Sie wollten der Amerikanerin einen selbsterdachten, ihrer Meinung nach ganz wundervollen, sehr echten Indianertanz vorführen. Mit halbreifen Walnüssen rieben sie sich Gesichter und Hände ein, warfen ihre Jacken ab, stülpten sich ihre Kopfbedeckungen auf, nahmen ihre Lanzen, denen man leider die Bohnenstangen noch recht ansah, und stürmten schreiend hinaus.
»O mein Himmel, was ist das?« rief Lizzie Brown erschrocken. Die beiden Indianer sprangen in das Boot und hoben brüllend ihre Lanzen hoch, schlenkerten fürchterlich mit Armen und Beinen, verzerrten grausig ihre Gesichter, und die Geschwister brachen in ein helles Lachen aus, das mehr Lizzies verdutztem Gesicht, als den beiden zappelnden und strampelnden Indianern galt.
»Das ist eine Huldigung für Amerika,« sagte Franz neckend. »Ein echter Indianertanz, keine Rothaut kann es besser!«
»Es knallt so komisch,« rief in diesem Augenblick Rikchen ängstlich.
»Hu, eine Maus,« spottete Hans-Heinrich und wiegte sich hin und her, »gib acht, Schwesterherz, die Maus knabbert den Steg an!«
»O doch, es kracht,« rief nun auch Lizzie Brown ängstlich. Aber ehe noch die andern untersuchen konnten, ob diese Behauptung wahr war, gab es wirklich einen furchtbaren Krach – der Steg barst mitten auseinander. Ein wildes Schreien, ein Plantschen, und sämtliche Zuschauer verschwanden unversehens im Wasser. Die Indianer im Boot schrien noch lauter und kippten auch zur Gesellschaft mit ihrem Kahn um. Einige Sekunden plätscherte, schrie, zappelte und gurgelte es im Wasser herum, und dann waren plötzlich alle wieder am Ufer, denn der See war an dieser Stelle noch ganz seicht, und zum Ertrinken hatte niemand Lust.
»Brrr, pschie, das war die Überraschung, hol' sie der Kuckuck,« schalt Franz von Seeheim; Hans-Heinrich schimpfte, und Rikchen heulte laut, Renate leise, Lotte kicherte, und die Buben brüllten. Lizzie schaute eine Weile etwas verdutzt ihre triefenden Gefährten und sich an, die Sache kam ihr kein bißchen tragisch, sondern unsäglich komisch vor, und sie brach zuletzt in ein helles Lachen aus. Als himmelten auf einmal lauter feine, silberne Glöckchen los, so klang es. Dieses Lachen übte einen unwiderstehlichen Reiz auf die andern aus, alle Gesichter klärten sich auf, und zuletzt saß die ganz nasse Gesellschaft am Seerand, und alle lachten so, daß sämtliche Rohrdommeln, Wasserhühner und wilde Enten, die im hohen Schilf nisteten, nun vor Schreck beinahe ins Wasser plumpsten.
»Es – es war furchtbar komisch,« kicherte Lotte, »wie – wie wir alle reinfielen.«
»Wie die Padden,« sagte Franz.
»Pfui,« schrie Hans-Heinrich, »so ein Vergleich, Fräulein Brown sah wie eine Nixe aus!«
»Na ich danke, Nixen in einer Krinoline,« erwiderte Lizzie; »aber ich denke, nun könnte man ein trockenes Kleid anziehen!«
»Ach, die Sonne trocknet uns,« schrien die Buben, die ganz gewillt waren, ihren unterbrochenen Indianertanz wieder zu beginnen. Die anderen meinten aber einmütig, die Überraschung wäre groß genug gewesen, noch mehr verlangten sie nicht, trockene Sachen wären ihnen lieber.
»Kommt geschwind ins Haus,« mahnte Renate fürsorglich Lotte und den Gast, »durchs Dorf sollt ihr so nicht laufen, Fräulein Brown erkältet sich sonst, ihr könnt Kleider von uns anziehen!«
Lotte fand dies sehr verständig, Lizzie Brown zögerte ein wenig, sie wurde auf einmal wieder fremd und kühl und meinte, sie könnte dies nicht annehmen. Darauf sahen die drei Mädels sie so betroffen an, daß sie ordentlich verlegen wurde und rasch einwilligte. »Es ist, als wäre ich hier seit Jahren, so vertraut und herzlich sind alle,« dachte sie, während sie mit zum Mädchenstübchen emporstieg. Ihr Herz schlug ihr laut, und die drei Basen, die so fröhlich neben ihr schwatzten, wußten gar nicht, was für ein einsames Menschenkind die bewunderte Amerikanerin eigentlich war. Oben wurden dann geschwind die Schränke geöffnet. Renate, die ziemlich gleich groß wie Lizzie war, brachte ihr weißes Sonntagsgewand herbei, denn nur dieses erschien ihr für den Gast gut genug. Ein wenig kurz und knapp war es, und eine Krinoline hatte es nicht, denn Frau von Seeheim war gegen die Reifenungetüme und meinte, Landmädel brauchten sich damit nicht zu verunstalten. Auch Lizzies Haar war naß geworden, sie rieb es trocken und legte dann die dicken blonden Flechten etwas anders um den Kopf. »Nicht zum Erkennen,« rief Renate, und Lotte sagte nachdenklich: »Sie sehen jemand ähnlich, wenn ich nur wüßte, wem.«
Lizzie Brown lachte selbst über ihr verändertes Aussehen, als sie wieder die Treppe hinabstieg, um an den Kaffeetisch zurückzukehren.
»Sie ist so schön,« flüsterte Rikchen hinter ihr begeistert Lotte zu; die hatte eine kleine Falte auf der Stirn und sah wie lauter Nachdenken aus. »Wenn ich nur wüßte, wem sie ähnlich sieht, wenn ich das nur wüßte,« murmelte sie.
Unten im Garten saßen die Großeltern und Eltern noch immer am Kaffeetisch unter der Linde, deren tausend Blüten einen fast betäubend süßen Duft ausströmten. Es war ein friedliches Bild, das alte Geschwisterpaar da vor dem mit Rosen geschmückten Tisch, ihnen zur Seite die drei stattlichen Männer und die beiden Frauen. Aber das Gespräch, das sie alle miteinander führten, paßte nicht zu Sonnenglanz und Sommerschöne, sie sprachen ernst und nachdenklich von den politischen Verhältnissen der Zeit. Sie sprachen von der dunkeln Wetterwolke, die drohend im Westen stand, das Flüstern wollte nicht verstummen, daß es einen Krieg mit Frankreich geben würde.
Amtsrat Flemming schaute still in den Garten hinein, aber über Blütenhecken und grünen Rasen hinweg schien sein Blick in eine weite Ferne zu sehen. An die Tage seiner Jugend dachte er, da er feurig und begeistert mit hinausgezogen war in den Kampf für die Freiheit des Vaterlandes. Er sah sich wieder auf der Ebene von Leipzig an Hans-Heinrichs, des Freundes, Seite im Pulverdampf fechten, sah sich in Frankreich einziehen und dann drei lange schwere Jahre in Festungshaft hinsiechen, vergessen, von den Seinen für tot gehalten, bis endlich die Stunde der Befreiung schlug. So lang war das her, so lang, und doch schien es ihm manchmal, als hätte er alles erst kürzlich erlebt. »Wenn es Krieg wird,« sagte Frau Anna von Seeheim plötzlich aus trüben Gedanken heraus, »dann muß unser Franz mitziehen!«
»Und unser Hans-Heinrich bleibt nicht daheim, wie ich ihn kenne, der läßt Schule und alles im Stich,« sagte ihr Mann halb stolz, halb sorgenvoll, und seine Mutter nickte: »Die Seeheims hören es schon, wenn das Vaterland ruft, ich weiß es noch wie heute, wie meine Schwiegermutter um ihren Einzigen litt, wie sie kämpfte, daß er daheim bleiben sollte, und sie vermochte ihn doch nicht zu halten.«
Frau Anna seufzte schwer, aber sie schwieg, lautes Klagen war nicht ihre Art.
In dieses ernste Gespräch und wehmütige Erinnern herein kamen die Jungen, fröhlich, strahlend, noch über ihr Abenteuer am See Scherzreden tauschend.
Lotte und Rikchen wollten erzählen, Franz meinte, er als Ältester müßte berichten, Hans-Heinrich hatte auch etwas dazu zu sagen, und die Wildlinge Max und Walter schauten ganz stolz drein, sie hatten ein ordentlich heldenhaftes Gefühl, ihnen hatten die andern die prachtvolle Geschichte zu verdanken, nein, so ein Witz passierte nicht alle Tage.
Lächelnd hörten die Eltern den Bericht an. Man war nicht sehr zimperlich in Kloningken, und so ein unfreiwilliges, nasses Bad sah niemand als großes Unheil an. Die Kleider der Kinder waren schon so eingerichtet, daß sie auch einmal einen tüchtigen Puff vertrugen, und als Franz sehr dramatisch schilderte, wie sie alle im Wasser herumgepaddelt wären, lachte selbst der Amtsrat Flemming so herzlich, daß ihm die Tränen in die Augen kamen.
»Jetzt weiß ich, wem Fräulein Brown ähnlich sieht,« rief da auf einmal Lotte, und aller Augen wandten sich Lizzie zu, die etwas beengt, ob des geborgten Gewandes, im Hintergrund gestanden hatte. »Sie sieht wie die Urgroßmutter Flemming aus, auf dem kleinen Elfenbeinbild. Nur die Augen sind etwas anders!«
Fast entsetzt sahen die beiden alten Geschwister auf das junge Mädchen, das in tiefer Verlegenheit dastand, Glut und Blässe kam und ging auf dem feinen Gesicht, und aus längst vergangener Zeit stieg den beiden Alten das Bild der lieblichen, sanften Mutter auf. Wie ein Traum war es ihnen, denn diese junge Fremde glich wirklich fast Zug um Zug der geliebten Toten.
Lizzie Brown schlug die Hände vor das Gesicht, wie um es den beobachtenden Blicken zu entziehen, und brach dann plötzlich in ein heißes, wildes Schluchzen aus; als stiege ein still getragener Schmerz aus tiefem Herzensgrund empor, so klang es.
Erschrocken wollte die Pfarrerin trösten und beruhigen, doch Lizzie riß sich los und lief durch den Garten in das Haus hinein, sie wollte allein sein, wollte fliehen mit ihrem traurigen Geheimnis. Drinnen im Haus lief sie an einer Dienerin vorbei, die Treppe empor, sie öffnete hastig irgendeine Türe. Niemand war in dem Zimmer, das sie betrat, sie war allein, und weinend sank sie auf einem Stuhl am Fenster nieder.
Die drei Bäslein wollten ihrem Gast nachlaufen, Großmutter Seeheim aber erhob sich und sagte tiefernst: »Laßt mich gehen, Mariellchens, mir ist, als müßte es ein Band geben, das dieses fremde Kind an uns bindet.« Sie nickte ihrem Bruder wehmütig zu und ging dann langsam in das Haus; dort sagte ihr die Dienerin, das amerikanische Fräulein sei in dem Zimmer, in dem die Familienbilder hingen.
Frau Luise von Seeheim öffnete die Türe des Zimmers, das ihr ein Heiligtum war; dort am Fenster kauerte weinend Lizzie. Sanft legte die alte Frau ihre Hand auf den blonden Scheitel und leise fragte sie: »Mein Kind, mein liebes Kind, wollen Sie mir nicht Ihr Vertrauen geben?«