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Vierzehntes Kapitel.

Beim ersten Klange der Glocke, die die burgundischen Edlen mit den wenigen französischen Pairs, die zugegen waren, in die Versammlung rief, trat Herzog Karl, von einem Teil seines bewaffneten Gefolges begleitet, in die Halle des Herbertturms im Peronner Schlosse ein. König Ludwig, der diesen Besuch erwartet hatte, stand auf, trat dem Herzog ein paar Schritte entgegen und blieb dann mit einem würdevollen Anstande stehen, den er, wenn er es nötig fand, wohl anzunehmen wußte. Der Herzog hingegen trat ungestüm ein und wechselte, obgleich er sich zwang, im Aeußern und auch in der Sprache eine gewisse Höflichkeit anzunehmen, doch jeden Augenblick seine Farbe; seine Stimme stockte, die Stirn zog er in Falten und biß sich in die Lippe, bis sie blutete: kurz, jeder Blick, jede Bewegung deutete an, daß der leidenschaftlichste Fürst, der jemals lebte, unter der Herrschaft eines der heftigsten Anfälle von Wut stand.

Der König sah diesem Kampfe der Leidenschaft ruhig zu; las er auch in den Blicken des Herzogs die bitterste Ankündigung des Todes, den er als sterblicher und sündhafter Mensch gleich sehr fürchtete, so war er dennoch entschlossen, sich gleich einem vorsichtigen, geschickten Steuermann weder durch Besorgnisse außer Fassung bringen zu lassen, noch auch vom Steuerruder zu weichen, so lange noch die Möglichkeit, das Schiff zu retten, vor»Händen blieb.

»Ich komme,« sprach der Herzog, »Ew. Majestät zu hohem Rate einzuladen. Dinge von hoher Wichtigkeit, die Wohlfahrt Frankreichs und Burgunds betreffend, sollen verhandelt werden. Ihr werdet Euch daher sogleich dahin verfügen – sofern es Euch beliebt natürlich ...« – »Lieber Vetter,« erwiderte der König, »treibt Eure Höflichkeit nicht so weit, daß Ihr um das bittet, was Ihr befehlen dürft ... also zur hohen Versammlung, wenn es Ew. Hoheit so beliebt! Wir sind,« fügte er mit einem Blick auf die wenigen hinzu, die sich zu seiner Begleitung anschickten, »in unserm Gefolge etwas geschmälert worden – drum, lieber Vetter, müßt Ihr für uns beide glänzen.«

Unter Vorantritt des ersten Herolds von Burgund, Toison d'Or, verließen die Fürsten den Herbertturm und traten in den Schloßhof, der mit des Herzogs Leibwache in prachtvoller Rüstung angefüllt war. Ueber den Hof gelangten sie in den Versammlungssaal, der in einem neueren Teile des Gebäudes sich befand. Zwei Prunksessel standen unter einem Thronhimmel; der für den König bestimmte zwei Stufen höher als derjenige für den Herzog. Ungefähr zwanzig Mitglieder des hohen Adels saßen der Reihe nach zu beiden Seiten, so daß, als sie Platz genommen hatten, König Ludwig, über den der hohe Rat zu Gericht sah, den Vorsitz zu führen schien. Herzog Karl machte nun eine leichte Verbeugung vor dem König und eröffnete die Versammlung hastig mit den Worten:

»Meine treuen Vasallen und Räte! Es ist Euch nicht unbekannt, welche Unruhen in Unseren Landen zu Lebzeiten meines Vaters, sowie unter Unserer Regierung durch den Aufstand von Vasallen gegen ihre Lehnsherren, von Untertanen gegen ihre Fürsten, stattgefunden haben. So haben wir erst kürzlich den schrecklichsten Beweis gehabt, bis zu welcher Höhe dieses Uebel bei Uns gestiegen ist, durch die schändliche Flucht der Gräfin Isabelle von Croye und ihrer Muhme, der Gräfin Hameline, um bei einer fremden Macht Schutz zu suchen, wodurch sie ihre Lehenspflicht verletzt und ihre Lehen verwirkt haben; und einen andern, noch furchtbarerern Fall erlebten Wir durch die ruchlose Ermordung Unseres geliebten Bruders und Bundesgenossen, des Bischofs von Lüttich, wie durch die Empörung der verräterischen Stadt. Wir haben Uns berichten lassen, daß diese traurigen Ereignisse nicht sowohl in dem Leichtsinn und der Torheit von Weibern oder in der Anmaßung übermütiger Bürger, sondern in den Umtrieben einer fremden Macht und der Einmischung eines mächtigen Nachbarn ihren Grund haben, von dem doch Burgund nichts als die aufrichtigste, treueste Freundschaft hätte erwarten sollen. Sollte dies alles als wahr befunden werden,« sagte der Herzog, indem er mit den Zähnen knirschte und mit dem Fuße auf den Boden stampfte, »welche Rücksicht sollte Uns abhalten, – da Wir die Mittel in den Händen haben, – diejenigen Maßregeln zu ergreifen, die die Quelle aller dieser Uebel, die in jedem Jahre Uns treffen, an ihrem Ursprünge verstopfen?« Der Herzog hatte mit Ruhe zu sprechen begonnen, aber seine Stimme gegen das Ende derselben erhoben und die letzten Worte in einem Tone gesprochen, vor dem alle seine Räte erzitterten und selbst König Ludwig erblaßte. Der letztere sammelte sich jedoch gleich wieder und wandte nun seinerseits sich mit einer Anrede an die Versammlung, in welcher so viel Unbefangenheit und Fassung lagen, daß der Herzog, obgleich er oft versucht schien, ihn zu unterbrechen und dem Laufe seiner Rede Einhalt zu tun, dennoch keine schickliche Ursache dazu finden konnte.

Nach einer Weile indes fiel er ihm ungeduldig in die Rede ... »Gräfin Isabelle soll eintreten!« befahl er rauh. Als die Gräfin, unterstützt von der Gräfin Crevecoeur und von der Aebtissin der Ursulinerinnen, hereintrat, rief Karl barsch: »Nun, schöne Prinzessin – Was denkt Ihr denn von dem sauber« Werke, das Ihr zwischen zwei großen Fürsten und mächtigen Ländern angerichtet habt?«

Die Gräfin von Crevecoeur, eine Dame gleich geistvoll wie hochgeboren, hielt es für nötig, für die vor Schreck fast ohnmächtige Jungfrau das Wort zu nehmen. »Herr Herzog,« sprach sie, »meine schöne Cousine steht unter meinem Schutze. Ich weiß besser, als Ew. Gnaden, wie Frauen behandelt werden müssen, und wir werden uns sogleich entfernen, wenn Ihr nicht eine Sprache führen wollt, die unserm Geschlecht und unserm Range angemessener sind.«

Der Herzog brach in ein lautes Gelächter aus. »Crevecoeur,« sprach er, »Dein zahmes Wesen hat ja Deine Gemahlin zu einer recht herrischen Frau gemacht, allein das kümmert mich wenig! gebt dem einfältigen Mädchen einen Sessel: ich bin weit entfernt, feindselig gegen sie gesinnt zu sein; ich will nur, daß das Fräulein uns mit Muße erzählt, welcher böse Feind in sie gefahren ist, daß sie aus ihrem Heimatlande fliehen und ein irrendes Dämchen werden mußte.«

Mühsam und oft stecken bleibend, bekannte Isabelle, daß sie gegen eine ihr vom Herzoge angesonnene Heirat eine entschiedene Abneigung gehabt und an dem französischen Hofe habe Schutz suchen wollen ....« Bei dem französischen Monarchen,« fragte Karl, »fühltet Ihr Euch also sicherer?« – »Allerdings,« antwortete Gräfin Isabelle, »sonst hätte ich einen so entscheidenden Schritt nicht getan.« Hier warf Karl einen Blick auf den König mit unaussprechlich bitterm Lächeln, den dieser aber mit Festigkeit aushielt... »Aber meine Nachrichten über die Gesinnungen König Ludwigs gegen uns,« fuhr die Gräfin nach einer kleinen Pause fort, »rührten hauptsächlich bloß von meiner unglücklichen Muhme, der Gräfin Hameline, her, und ihre Meinung baute sie auf Einflüsterungen von Leuten, in denen ich nachher niederträchtige Verräter und treulose Wichte gefunden habe.« – Sie erzählte nun in aller Kürze, was sie von Marthons und Hayraddins Verräterei erfahren hatte.

Es entstand eine Pause; dann fuhr die Gräfin fort, alles von ihrer Flucht aus Burgund bis zur Erstürmung des Schlosses Schönwald zu erzählen. Alles blieb still, als sie geendigt hatte; der Herzog aber heftete seine flammenden Augen auf den Boden, als suche er einen Vorwand, seiner Leidenschaft freien Lauf zu lassen, ohne jedoch einen zu finden. »Ich möchte nun doch von König Ludwig wissen,« sagte er endlich, den Blick wieder aufhebend, »warum er die Damen an seinem Hof behielt, wenn sie nicht auf seine Einladung dahin gekommen waren?« – »Lieber Vetter,« antwortete der König, »aus Mitleid nahm ich sie insgeheim in einem Privathause auf, sorgte aber dafür, sie unter den Schutz des verewigten Bischofs, Eures Bundesgenossen, zu bringen, der, Gott hab' ihn selig! besser beurteilen konnte als ich oder irgend ein weltlicher Fürst, wie sich der Schutz, den man Flüchtlingen schuldig ist, mit den Pflichten vereinigen läßt, die ein König seinem Verbündeten schuldig ist, aus dessen Lande sie geflohen waren. Ich fordere diese Dame auf, zu erklären, ob ihr Empfang herzlich gewesen oder ob er nicht vielmehr von der Art war, daß die Damen bedauerten, meinen Hof zum Zufluchtsorte gewählt zu haben?« – »Er war so ganz aller Herzlichkeit bar,« versetzte die Gräfin, »daß ich zweifeln mußte, ob Ew. Majestät selbst wirklich die Einladung habe ergehen lassen, wie uns von denen, die sich für Eure Agenten ausgaben, versichert worden.«

»Mich dünkt, schone Dame,« sagte der Herzog, »Ihr habt bei Eurer Erzählung gewisse Liebesabenteuer vergessen. – Ei, ei! Ihr errötet ja schon? Ich meine gewisse Ritter vom Walde, die Eure Ruhe auf einige Zeit zu stören wagten. – Sagt, König Ludwig, wäre es nicht wohlgetan, ehe diese wandernde Helena von Croye noch mehrere Könige gegeneinander hetzt, eine passende Partie für sie ausfindig zu machen?«

König Ludwig wußte zwar, welch unangenehmer Vorschlag jetzt zur Sprache kommen würde. Allein Isabellens Mut war inzwischen aufs neue erwacht. Sie entwand sich dem Arme der Gräfin Crevecoeur, auf den sie sich bis jetzt gestützt hatte, kniete schüchtern, jedoch mit würdevollem Anstand, am Throne des Herzogs nieder und redete ihn also an: »Edler Herzog von Burgund, mein gnädigster Lehensherr! ich erkenne meinen Fehltritt, ohne Eure Erlaubnis mich aus Euren Landen entfernt zu haben, und unterwerfe mich in Demut jeder Strafe, die Ihr über mich zu verhängen für gut findet. Ich bitte einzig um die Gnade, daß Ihr um meines Vaters willen dem letzten Sprößling aus dem Stamme Croye ein mäßiges Einkommen bewilligen wollet, damit ich für den Rest meines Lebens in einem Kloster Aufnahme finde.« – »Was dünkt Euch, Sire, von dem Antrage dieser Person?« fragte der Herzog, sich an Ludwig wendend. – »Ich denke,« erwiderte der König, »es ist eine fromme demütige Bitte, der man nicht zuwider handeln soll.« – »Nun, wer sich selbst erniedrigt, soll erhöhet werden,« sprach der Herzog. »Erhebt Euch denn, Gräfin Isabelle! – Wir meinen es besser mit Euch, als Ihr selbst. Wir wollen weder Eure Güter einziehen, noch Eure Ehre schmälern, – im Gegenteil beides bedeutend erhöhen und mehren.« – »Ach, gnädigster Herr!« sagte die Gräfin, immer noch knieend, »eben diese wohlgemeinte Güte ist es, die ich mehr fürchte, als Ew. Hoheit Mißfallen, da sie mich nötigt –« – »Heiliger Georg von Burgund!« rief Herzog Karl, »soll denn jeden Augenblick Unserem Willen widersprochen und Unseren Befehlen zuwider gehandelt werden? Steh' auf, sag' ich, Püppchen, und entferne Dich für jetzt! – Wenn Wir Zeit haben, wieder an Dich zu denken, so werden Wir's schon so ordnen, daß Du entweder Uns gehorchen oder Dich noch schlechter befinden sollst.«

Gräfin Crevecoeur hob ihre junge Freundin auf und führte sie aus der Halle. Jetzt wurde Quentin Durward vor den Rat gefordert. Er erschien in der Bogenschützen-Uniform mit jenem freien Blicke, der, ebenso entfernt von schüchterner Zurückhaltung als von zudringlicher Dreistigkeit, einem edelgeborenen und wohlerzogenen Jünglinge geziemte. Seine große Jugend nahm alle Räte um so mehr zu seinem Vorteil ein, je weniger sie voraussetzen konnten, daß der scharfsinnige Ludwig einen so jungen Mann zum Vertrauten seiner politischen Händel gemacht haben sollte; und so genoß der König hier wie in andern Fällen einen bedeutenden Vorteil durch die seltsame Wahl seiner Bevollmächtigten, die er oft in einem Alter und in Ständen wählte, wo man es am wenigsten vermutet hätte. Auf die Aufforderung des Herzogs, die Ludwig bekräftigte, begann Quentin die Erzählung seiner Reise mit den Gräfinnen von Croye bis in die Nähe von Lüttich, indem er der Verhaltungsbefehle des Königs voraus erwähnte, die dahin gingen, daß er die Damen wohlbehalten nach dem Schlosse des Bischofs zu geleiten habe. »Und Ihr seid also meinen Befehlen getreulich nachgekommen?« fragte der König. – »Ja, Sire,« war die Antwort des Schotten. – »Ihr übergeht einen Umstand,« sagte der Herzog. »Ihr wurdet ja in dem Walde von zwei irrenden Rittern angefallen.« – »Es kommt mir nicht zu, mich dieses Vorfalls zu erinnern, noch ihn namhaft zu machen,« sagte der Jüngling, bescheiden errötend. – »Aber mir kommt es zu, auf ihm zu bestehen,« sagte der Herzog von Orleans. »Dieser Jüngling entledigte sich mannhaft seines Auftrags und tat seine Pflicht auf eine Art, die mir noch lange im Andenken bleiben wird. – Komm auf mein Zimmer, Bogenschütze, wenn diese Angelegenheit abgetan ist, und Du sollst finden, daß ich Dein tapferes Benehmen nicht vergessen habe, da ich nun sehe, daß Deine Bescheidenheit Deinem Mute gleicht.« – »Komm auch zu mir,« sprach Dunois. »Ich habe einen Helm für Dich; denn ich glaube, daß ich Dir einen solchen schuldig bin.«

Quentin verbeugte sich tief, und das Verhör begann aufs neue. Aufgefordert vom Herzog Karl, wies er die geschriebenen Verhaltungsbefehle vor, die er hinsichtlich seiner Reise bekommen hatte. »... Befolgtet Ihr diese Verhaltungsbefehle buchstäblich, Soldat?« fragte der Herzog. – »Nein, gnädigster Herr,« antwortete Quentin. »Ich sollte ihnen zufolge bei Namur über die Maas gehen, hielt mich aber auf dem linken Ufer, das mir einen näheren, sicherern Weg nach Lüttich bot.« – »Und warum diese Abänderung?« fragte der Herzog. – »Weil mir die Treue meines Führers verdächtig ward,« antwortete Quentin. – »Merke jetzt auf die Fragen, die ich an Dich tun werde,« sprach der Herzog. »Beantwortest Du sie der Wahrheit gemäß, so fürchte Dich vor keines Menschen Zorn. Antwortest Du aber ausweichend und zweideutig, so werde ich Dich lebendig an einer eisernen Kette am Turme des Rathauses aufhängen lassen.«

Tiefes Stillschweigen folgte diesen Worten. Endlich verlangte der Herzog von Durward Auskunft, wer sein Führer gewesen, wer ihm solchen verschafft, und was ihn veranlaßt habe, gegen dessen Treue Verdacht zu schöpfen? Auf die erste dieser Fragen nannte Quentin Hayraddin Maugrabin, den Zigeuner; auf die zweite antwortete er, Tristan l'Hermite habe ihm den Führer zugewiesen, und als Antwort auf den dritten Punkt erzählte er das, was sich im Franziskanerkloster bei Namur zugetragen, wie der Zigeuner aus dem heiligen Haus ausgetrieben worden, wie er, sein Benehmen beargwöhnend, seine Zusammenkunft mit einem von den Landsknechten des Wilhelm von der Mark belauscht und mit angehört habe, wie sie einen Plan geschmiedet hätten, die seinem Schutze anvertrauten Damen zu überfallen.

»Nun höre weiter,« sagte der Herzog, »und bedenke abermals, daß Dein Leben von der Wahrheit Deiner Aussage abhängt. Erwähnten diese Bösewichter, daß sie von dem König – ich meine den König Ludwig von Frankreich, – beauftragt seien, die Bedeckung zu überfallen und die Damen zu entführen?«

– »Wenn solche schändlichen Subjekte auch etwas von der Art gesagt hätten,« versetzte Quentin, »so hätte ich es ihnen nicht glauben können, da ihre Worte den ausdrücklichen Befehlen des Königs entgegen lauteten.«

Ludwig, der bisher mit der gespanntesten Aufmerksamkeit zugehört hatte, konnte sich nicht enthalten, bei Durwards Antwort tief Atem zu holen, als ob er sich auf einmal von einer schweren Last befreit fühlte. Der Herzog blickte abermals verstört und finster drein; dann begann er wieder und fragte Quentin noch genauer, »ob er nicht aus dem heimlichen Gespräch jener Leute so viel verstanden habe, daß ihre Pläne wenigstens König Ludwigs Genehmigung hätten.« – »Ich wiederhole, daß ich nichts hörte, was mich ermächtigen könnte, dies zu bejahen,« antwortete der junge Mann; denn obgleich er für sich die Ueberzeugung hatte, daß der König um die Verräterei Hayraddins wußte, so hielt er es doch für pflichtwidrig, seinen Verdacht hierüber laut werden zu lassen; »und wenn ich auch dergleichen Aeußerungen von solchen Leuten gehört hätte, so hätte ich doch ihrer Aussage gegen die bestimmten Verhaltungsbefehle, die mir der König erteilt hatte, kein Gewicht beigemessen.« – »Du bist ein treuer Bote,« sagte der Herzog mit höhnischem Lachen; »und ich wette, daß Du, indem Du so des Königs Befehlen nachkamst, seine Erwartungen auf eine Weise getäuscht hast, die Dir vielleicht teuer zu stehen gekommen wäre, wenn nicht nachfolgende Ereignisse Deine blinde Treue hätten als guten Dienst erscheinen lassen.« – »Ich verstehe Euch nicht, gnädigster Herr,« antwortete Durward; »alles, was ich weiß, ist, daß mein Gebieter, der König von Frankreich, mich zum Schütze dieser Damen aussandte und daß ich diesen Auftrag sowohl auf der Reise nach Schönwald als während der nachherigen Auftritte erfüllt habe.«

»Aber höre, Bogenschütze, was waren das für Instruktionen, vermöge deren Du, wie einige unglückliche Flüchtlinge von Schönwald berichteten, in den Straßen von Lüttich an der Spitze der Meuterer einherstolziertest, die nachmals ihren weltlichen Herrn und geistlichen Vater ermordeten? Und was war das für eine Rede, die Du hieltest, nachdem der Mord begangen war, in der Du Dir herausnahmst, als Agent Ludwigs aufzutreten und Dir eine Gewalt über die Bösewichter anzumaßen, die eben ein großes Verbrechen verübt hatten?«

»Herr Herzog,« erwiderte Quentin, »es fehlt nicht an Leuten, die bezeugen können, daß ich mich in der Stadt Lüttich keineswegs für einen Agenten von Frankreich ausgab, sondern daß das beharrliche Geschrei des Volks, das durchaus sich nicht vom Gegenteil überzeugen lassen wollte, mich dazu gestempelt hat. Dies erzählte ich auch den Leuten des Bischofs, als ich aus der Stadt entkommen war, und empfahl ihnen Aufmerksamkeit auf die Sicherheit des Schlosses, wodurch vielleicht das Unglück und die Schrecknisse der folgenden Nacht abgewendet worden wären. Freilich ist es wahr, daß ich in der äußersten Gefahr mich des Einflusses, den mir mein vermeintlicher Charakter gab, bediente, um die Gräfin Isabelle zu retten und, soweit es mir möglich war, der Mordlust zu steuern, die sich bereits in einer so schrecklichen Handlung kund gegeben hatte. Ich wiederhole und kann mit meinem Leben dafür haften, daß ich von dem König von Frankreich keinen Auftrag hatte.« – »Und hierin,« fiel Crevecoeur ein, der nicht länger schweigen konnte, »hat mein junger Waffengefährte mit ebenso viel Mut als Besonnenheit gehandelt, und daß er es getan, kann König Ludwig nicht zum Vorwurf gemacht werden.«

Ein Gemurmel des Beifalls ließ sich unter den versammelten Edeln vernehmen, das freudig zu Ludwigs Ohr klang, indes es höchst widrig in Karls Ohren widertönte. Sein Auge rollte vor Zorn; und diese so allgemein ausgesprochenen Gesinnungen mancher seiner mächtigsten Vasallen und weisesten Ratgeber hätten ihn vielleicht nicht verhindert, sich der ganzen Heftigkeit seines despotischen Gemüts zu überlassen, hätte nicht Argenton, die Gefahr voraussehend, plötzlich einen Herold aus der Stadt Lüttich angekündigt.

»Ein Herold von Webern und Nagelschmieden,« rief der Herzog aus, – »man lasse ihn gleich eintreten! Bei unserer lieben Frau! Ich will von diesem Herold mehr herausbekommen, als dieser französisch-schottische Bogenschütze zu sagen Lust zu haben scheint.«


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