Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, 3. November 1862 (an Schädel)

Liebster Freund! Als ich Deinen Brief erhielt, rief ich aus: das ist ein Freund mit Gold nicht aufzuwiegen. Der schönste Brief war in Gedanken fertig, ein schönes Packl Kupferstiche zusammengedacht, – da bringt der Kuckuck einen werten Vetter, der mich ein paar Tage in Anspruch nimmt, dann wird der häusliche Krieg von Schubert aufgeführt, dann reist meine Anna nach Karlsruhe, kurz, es ist alle Abend was da, daß ich nicht zum Schreiben komme. Überdies ist zu gestehen, daß ein weiß Gott nicht grundloser Mißmut mich aller Korrespondenz abwendig gemacht hat. So flink ich früher im Schreiben war, so bin ich selbst mit meinen Brüdern kaum auf dem Laufenden geblieben und bin mit den wertesten Leuten ganz auseinander gekommen. Eine halb unfreiwillige Ungeselligkeit bringt mich nach und nach zur Ungeselligkeit. Ich weiß, daß es nicht gut ist, und doch weiß ich nicht zu helfen.

Ich war noch im Winter an einer elenden Grippe fast sechs Wochen kampfunfähig. Bis halben Mai hin waren die Kompositionen und großen Kartons fertig für Fresken in der Kirche von Reichenhall.»Mit meiner hiesigen Arbeit glaube ich eine Nuß aufgeknackt zu haben: mit einfachen, ja den einfachsten Mitteln einen reichen und feierlichen Eindruck hervorzubringen. Es sind um die Kirche herum verteilt die vierzehn Stationen des Kreuzwegs, neben dem Altare anfangend und auf der anderen Seite schließend, und in der Chornische über dem Altar die hl. Drei-Einigkeit und vier Heilige, sämtlich über Lebensgröße. Die Stationen Zirkel von vier Fuß Durchmesser. Alle Welt ist höchst zufrieden.« 25. VII. 63 an Schädel. Aus dem Malen wurde aber diesen Sommer nichts, weil ein Gewölbe einging und daher das Verputzen der Kirche sich zu weit hinausschob. Nebst zehn großen biblischen Figuren für Glasmalereien nach Glasgow – zehn Kompositionen für Glasmalereien nach London – ist im Laufe der Zeit die bewußte Sammlung lyrischer Bilder bis gegen vierzig angewachsen. Es handelt sich noch um drei bis vier, dann ist das Ganze beisammen, und ich habe den Kopf wieder frei. Die letzte Ausführung kann dann immer wieder vorgenommen werden. Wäre das jetzt ein Unglück, wenn diese Sammlung nach Frankfurt käme. Die Stiftung ist dafür da, und die Schlingel kaufen schon seit langen Jahren nicht um einen Kreuzer. Ich bin aber doch sehr zufrieden, daß ich die Sache unternommen und seit fünf Jahren jede freie Zeit darauf verwendet habe, und danke dem Himmel, daß ich die Mittel dazu habe und auftreiben kann, um dabei auszuhalten und die Rahmen zu bezahlen. Im Augenblick erwarte ich eine letzte Entscheidung in einer mir sehr wichtigen Sache. Es handelt sich um die Dekoration eines Saales in Wien. Ich habe die Zauberflöte vorgeschlagen und der Bauherr ist von der Idee entzückt. Aber obgleich ein weiß Gott wievielfacher Millionär, findet er meine gewiß bescheidene Forderung zu hoch. Ich habe nun erklärt, ich könnte herabgehen, wenn ich, statt zwei Sommer nach Wien zu gehen, um die Sachen an die Wand zu malen, sie hier auf Leinwand malte, und man setzte sie ein. Die Räume sind derart, daß ich von meiner Komposition nicht eine Figur wegzulassen und kaum etwas dazu zu machen brauchte, und es wäre so wichtig, daß endlich einmal etwas gemacht würde, was bei uns zu Haus ist. Wenn die Sache in Ordnung kommt – so wird es wahrscheinlich herauskommen, daß ich mein Annerl in Karlsruhe abhole und über Darmstadt nach Hause reise. Ich habe doch keine Ruhe, bis ich wieder einmal bei Dir war.

Die kleine Oper von Schubert hat mich ganz glücklich gemacht. Welche einfache unschuldige Freude eine schöne Musik zu machen, und welch ein Reichtum von Talent und Instinkt für das Dramatische. Mit einiger Erfahrung wäre er hinter Weber nicht zurückgeblieben.

Leb recht wohl, alter Freund, empfiehl mich Deiner Frau und allen Freunden und behalte lieb Deinen alten

Schwind.


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