Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, 11. April 1855 (an Schädel)

Lieber alter Freund! Solche Dinge, wie sie Dein Brief bringt, rühren mich, das muß ich gestehen. Daß sich jemand darauf freut, ja sich darum beinahe bewirbt, mich in seinem Hause zu beherbergen, macht mich in meinen Augen wertvoller als ich mich zu halten gewohnt bin. Was kann einem Angenehmeres geschehen? Aber genug in diesem Tempo. Sei schönstens bedankt für Deine Freundlichkeit, und sei froh, daß Dir die Plage erspart wird, eine ganze Karawane im Haus zu haben. Es bleibt diesmal alles zu Hause, der Schulen wegen, auch aus Rücksicht auf die bedeutenden Kosten, und ich muß meine Wanderschaft allein antreten. Müssen doch andere übers Meer oder in den Krieg, um ihr Brot zu gewinnen, da hab ich's vergleichsweise noch gut. Wünschenswert wäre mir ein vierzehntägiger séjour zwischen der Vollendung der Zeichnungen und dem Beginn der Freskomalerei, die einen ausgerasteten Mann verlangt, denn die Anstrengung ist eine gewaltige, und ich kann nicht leugnen, daß ich von der starken Arbeit und den nichts weniger als erfrischenden Erlebnissen dieses Winters ziemlich auf dem Hund bin. Wo ich eine solche Erholung suchen soll, ich weiß es noch nicht. Einmal zieht's mich nach Paris, mit den noch nicht gesehenen Bildern von Rafael, ein anderes Mal möchte ich ins Gebirg oder nach Wien – irgend etwas wird geschehen. Vorderhand bin ich, Gott sei's gedankt, so weit mit meinen Arbeiten, daß ich morgen die letzte Zeichnung zur Geschichte der heil. Elisabeth anfange, womit dann alles, was ich brauche, beisammen ist. Vor Weihnachten wurde ich mit der Aschenbrödl fertig, seitdem ist der Sängerkrieg, ein Karton von 18 Fuß Breite und 9' Höhe, und die sechs Bilder zur heiligen Elisabeth glücklich fertig geworden nebst einer sehr durchführten Farbenskizze des ersten. Von der Anordnung des Bildes in Frankfurt ist aber auch keine Spur in der neuen Komposition. Nach den bisher gemachten Versuchen an Fürst Pückler, Kaulbach und Paul Heyse habe ich ziemlich bemerken können, daß der Hauptknoten der Aufgabe glücklich überwunden ist. Die Handlung an und für sich ist ungeheuer roh und gewalttätig. Gleichwohl handelt es sich darum, zur Anschauung zu bringen den großen Adel, der im dreizehnten Jahrhundert liegt – keine Kleinigkeit – aber es scheint gelungen. Ich knüpfe da an, wo der Adel liegt, in der hohen Ehrfurcht, die den Frauen gezollt wurde; die Stärke des Glaubens konnte ich nicht hineinziehen und damit scheint das Kunststück gelungen.

Auf eins mache ich Dich aufmerksam. Ende September werde ich fertig und ist auf der Wartburg eine Zusammenkunft von Künstlern im Antrag. Denke beizeiten daran, vielleicht könntest Du auch kommen. Wagner wird nicht sehr zufrieden sein mit meiner Auffassung des Sängerkriegs, und das um so weniger, als sie durchaus nachzuweisen und begründet ist. Die Herren meinen, die Wartburg sei bloß erbaut, um etwas Propaganda für die Zukunftsmusik zu machen. Leb recht wohl, halte Dich bereit, wenn ich über Frankfurt komme, Dich mit mir herumzuquälen, und jedenfalls nimm meinen besten Dank, als hätte ich vierzehn Tage mit Kind und Kegel bei Dir im Quartier gelegen. Dein alter Freund Schwind.


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