Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, 27. März 1851 (an Schädel)

Liebster Freund! An Dich schreiben und nicht alles schreiben, das will nicht recht und wollte nicht recht gehen, daher das lange Schweigen. Seit ich hier bin, steht ein Ereignis nach dem andern vor der Tür, das es ratsam erscheinen ließ, auf dem Platz zu bleiben, keines aber ging in Erfüllung. Insofern war ich aber bedeutend erleichtert, als ich bis jetzt noch von den akademischen Sitzungen dispensiert bin, und das andere ist nicht von Belang.

Mit der Gesundheit ging es von Anfang gar nicht gut. Habe ich das Seebad zu lang gebraucht, oder hat es mich übermäßig angegriffen, ich war tüchtig auf dem Hund. Ich machte mich mit Donner und meinem kleinen Hermann nach Aussee, wo ich 14 Tage blieb und doch so weit kam, daß ich bei dem dortigen Maler zuerst wieder die Courage bekam, den Pinsel in die Hand zu nehmen. Zurückgekehrt fing ich wieder an zu arbeiten, und siehe da, es ging wieder, und fast kommt es mir vor, besser als vorher. Nur bin ich kein Narr mehr und plage mich den ganzen Tag. Großes habe ich weislich nicht unternommen, wodurch denn, was auch nicht unwichtig ist, die Geldernte gegen die bisherigen Münchener Jahre sich bedeutend besser stellt. Meine nächste Arbeit sind sechs Kirchenfahnen für eine hiesige Kirche [die Theatinerkirche], die ich nun freilich fast umsonst mache, auf die ich mich aber sehr freue. Erstens bleiben sie in der Kirche stehen, und zweitens ist mir von Zeit zu Zeit ein wahres Bedürfnis, etwas Kirchliches zu machen. Es sind einzelne Figuren, da lange ich mit meiner geringen Fähigkeit aus; zu großen Sachen gehört Beruf und ein theologischer, ja priesterlicher Zustand, von dem allem ich nicht viel aufzuweisen habe. Ein neuer Bilderbogen, die bisherigen wirst Du wohl kennen und für Deine Jugend angeschafft haben, ist im Schneiden; der soll Dir gefallen, denke ich, diesmal in der Form des Frieses, die zum Erzählen doch ganz unvergleichlich ist. Ein zweiter ist ausgedacht und wird demnächst zu Papier gebracht werden. Mit lauter so kleinem Zeug wird der August (Monat, nicht Bruder) herankommen, und wenn es Gottes Wille ist, packe ich meine ganze Wirtschaft aus und leg mich auf drei Monat nach Aussee. Da kann ich mich denn an eine Herzensarbeit machen, wenn mir nicht alle Lust bis dahin vergangen ist. Das hiesige Kunstleben ist einem Spaziergang zwischen Torgau und Wittenberg zu vergleichen, wo man drei Stunden weit Landpartien zu einem Baum macht. Eine Öde, ein allmähliches Krepieren, das einen anekelt, wo »man es nur von weitem sieht«. Gott sei Dank hält sich Lachner mit seinem Orchester wenigstens obenauf. Wir hatten gestern (25jähriger Todestag Beethovens) eine Aufführung der Eroika und der Musik zum Egmont, von einer Feinheit und Wärme, wie es nicht schöner zu denken ist. Der Publikus war auch völlig bezaubert. Besagter hat diesen Winter eine Symphonie geschrieben nebst vielen Liedern, nebst den Propheten»Den ›Propheten‹ habe ich pflichtschuldigst gehört und kann nur staunen, daß damit ein so weltenstürmerisches Halloh hervorzubringen war. Solchen Dingen gegenüber wird mir himmelangst, wie denn unsereiner etwas hervorbringen soll, was da auch gefallen könnte. Und doch geht es.« (An Bauernfeld.) einstudieren. Wie schwach ich war, kannst Du daraus sehen, daß ich das erstemal wieder im Konzert nach dem zweiten Stück der Symphonie das Weite suchte – ich konnte es nicht aushalten. Jetzt entgeht mir keine Note.

Im Garten wird schon gearbeitet. Es gibt Verbesserungen und Verschönerungen, nach der Blittersdorfischen Maxime, jeden Zustand anzusehen, als sei es der ein für allemal bleibende. (Definitives Provisorium?) Von Deiner schönen Wohnung und gutem Klavier habe ich mit großem Vergnügen mir erzählen lassen. Ist nur noch zu wünschen, daß Dein edler Graf Bilder kauft und sie bis auf weiteres bei Dir aufhängt.

Grüß überall schönstens, empfiehl uns Deiner Frau und schreib bald wieder Deinem alten Freund Schwind.


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