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Während Graf Valerian von Schlettendorf in dem Boudoir der jungen Gebieterin von Blankenaar eingeschlummert war, verfolgte der Gerichtsarzt von Birkenheim mit einem vor Erwartung und Spannung hochklopfenden Herzen den Weg, auf dem der Jude ihm als Führer voranschritt.
Isaak schien geflissentlich betretene Wege zu vermeiden, denn er wandelte Pfaden und Stegen nach, die der Arzt nicht kannte, so nahe sie auch seiner Heimat waren. Endlich, nach beinahe einer Stunde, betraten sie eine Waldallee, in welcher der Arzt sich zu orientiren wußte. Es war der Park, der zum Schlosse Blankenaar gehörte.
Nach kurzer Zeit sahen sie das altergraue Gebäude, im Mondschein doppelt groß und imponirend, sich mit seinen Giebeln und Thürmchen, mit weißen riesigen Essen am Nachthimmel abzeichnen. An den Gärten und darauf am Rande des Grabens herschreitend, erreichten sie bald die Seite des Schlosses, welche den einzigen Zugang über die gemauerte Brücke bot.
Als sie diese aber betreten hatten, wurden ihre Schritte gehemmt. Auf der Mitte der Brücke stand, auf einem vorspringenden Postament mit erbaulicher Legende, eine in Stein gehauene Gestalt, die den heiligen Johannes von Nepomuk vorstellte. Hinter derselben war eine kleine Bank angebracht und auf dieser hockte eine verklommene, zähneklappernde Figur, ein wahres Bild der Trübsal. Sie hatte sich in eine Stalldecke eingehüllt, aber die Gedanken, womit sie beschäftigt sein mochte, schienen, im Verein mit der Nachtluft, eine so erkältende Wirkung zu üben, daß sie sich dicht in die Ecke hinter dem steinernen Heiligen zusammengekauert hatte.
Der Jude stand still und maß sie mit scheuen Seitenblicken; sie schnellte empor, mit der Behendigkeit einer Schlange, die aus ihrer Verschlingung auffährt, und im nächsten Augenblicke stand sie vor dem Juden, um ihm den Weg zu vertreten.
He, Freund, wohin? Weshalb trittst du so vorsichtig auf, daß man deine Sohle nicht lauter hört, als träte sie auf Baumwolle?
Ah, Peggy, sagte Isaak, guten Abend, Herr Peggy! Ein Glück, daß Sie noch auf sind – da ist der Herr Amtsphysikus Pauli, der hat sich verspätet bei einem Kranken in der Gegend und ist müde geworden, der alte Mann, daß er ein Nachtquartier in Blankenaar sucht, wenn es könnte sein und nicht Alles schon zur Ruhe. Ei, daß Sie noch auf sind, Herr Peggy!
Der Physikus! rief Peggy aus – o Herr, Ihr kommt wie vom Himmel geschickt. Kommt nur herein, kommt schnell herein, schnell, Herr!
Peggy war plötzlich die Munterkeit selbst geworden. Er ergriff den Arzt beim Arme und indem er ihn hastig hinter sich her in das Schloß zog, rief er:
Ihr müßt ihm den Kopf verbinden, Herr, dann wird Alles wieder gut werden. Die Lady wird mir's Dank wissen, daß ich einen Doctor hergeschafft habe und darüber wird sie vergessen, daß sie mich aus dem Dienst gejagt hat, ich will meine Seele verwetten! Nur voran, nur voran, Herr!
Der Arzt folgte wie willenlos. Auch Isaak wollte folgen; aber Peggy stieß ihn zurück und schlug boshaft das Gitterthor am Ende der Brücke ihm vor der Nase zu, mit den Worten:
Geh' du nach Haus, Hebräer!
Herr Peggy, so hören Sie doch!
Herr Peggy hörte nichts, sondern stürmte über den Schloßhof fort.
Um Gottes willen, Peggy, rief mit vollständigster Seelenangst noch einmal der Jude, indem er heftig das Gitterthor schüttelte.
Peggy blieb taub; im nächsten Augenblick war er mit seiner Beute im Innern des Gebäudes verschwunden; der Jude hörte ihre eiligen Schritte drinnen auf den Steinplatten des Corridors verhallen, welcher zu den Gemächern Theophaniens führte.
Isaak stieß einen gotteslästerlichen Fluch aus, dann zog er einen Schlüssel aus der Tasche und machte mit demselben, indem er ihn an den Stangen des Gitters hin- und herstrich, das Geräusch des Feilens. Nach kurzer Zeit öffnete sich eine Seitenthür unter den Arkaden im Schloßhofe und eine weibliche Gestalt kam vorsichtig spähend auf ihn zugeschritten:
Seid Ihr's, Isaak?
Ja, macht auf!
Ihr kommt allein?
So öffnet nur und führt mich rasch zur Gräfin!
Das Gitter wurde geöffnet, Isaak schlüpfte in den Hof und folgte der Kammerjungfer, die ihn durch das Nebenpförtchen unter den Arkaden in das Innere des Schlosses führte.
Wir sehen uns indessen nach dem Arzte um. Peggy zog ihn durch den Corridor des Haupteingangs und öffnete ihm dann die Flügelthür, die zu den Gemächern seiner jungen Gebieterin führte. Am Ende der Enfilade schimmerte Licht, in dem Zimmer, in welchem Valerian von Schlettendorf so eben aus dem Schlummer erwacht war.
Der Arzt trat vor ihn und maß ihn mit bekümmerten, fragenden Blicken; Valerian schien eben so neugierig zu erfahren, wer so spät ihn suche.
Der Physikus, der Doctor, Herr! rief Peggy aus.
Der Arzt? Ach, Ihr habt einen Arzt für mich geholt? In der That, das war nicht der Mühe werth; mein Herr, ich bedaure auf's tiefste, daß man Sie um Ihre Nachtruhe gebracht hat!
Aber Eure Wunde, Herr, laßt ihn doch Eure Wunde sehen, rief Peggy.
Es ist Nichts, was den Namen Wunde verdiente, sagte Valerian zum Arzt gewendet; eine bloße Contusion, welche ich durch einen Sturz erhielt – das Schlimmste bei der Sache war der Schrecken.
Der Arzt, der durch die Vorgänge des Abends zu sehr aus allem gewohnten Gleise seiner Gedanken geworfen war, als daß er bis jetzt noch vermocht hätte sich ganz zu fassen, prüfte, mechanisch mit den Fingern tastend, die blutige Quetschung an Valerian's Kopf und flüsterte beklommen: Ja, ja, ein Sturz wird's gewesen sein.
Valerian lächelte.
Als ich am Fuß der Treppe lag, macht' ich dieselbe scharfsinnige Hypothese, sagte er; dann aber, das bekümmerte Gesicht des Mannes sehend, machte er sich Vorwürfe über diese Unart und fuhr im freundlichsten Tone fort: Nicht wahr, eine ärztliche Behandlung wird nicht nöthig sein?
Der Arzt wollte antworten, in seiner sanften Weise, die durch den Scherz Valerian's nicht im mindesten verändert worden, als die Thür zum Zimmer Theo's sich öffnete und plötzlich das Edelfräulein mit einem Lichte in der Hand auf die Schwelle trat; eine von der früheren durchaus veränderte Erscheinung und in der That ein seltsames, ja ein unheimliches Bild.
Ihre Züge waren bleich und gespannt, ihr reiches Haar hing in vollen, dichten Lockengüssen um ihre Gestalt und lag rabenschwarz auf dem weißen Nachtgewande, welches sie mit dem grünen Reitkleide vertauscht hatte. In ihrem Auge funkelte Etwas, das von einer innern Flamme sprach, für die das Wort Leidenschaft nicht ausreichte. Hatte sie früher Valerian eine stille, harmlose Liebenswürdigkeit gezeigt, so war sie jetzt imponirend, erhaben durch den Ausdruck eines gewaltigen, eines Ehrfurcht heischenden Kampfes in ihrer Brust.
Dies Weib war das schönste, das göttlichste, was unser Flüchtling je gesehen hatte. Und wie ein Blitzstrahl schlug es ein in seine Seele. Ein elektrischer Schlag riß einen Schleier über einem Abgrunde in seinem Innern fort und unter der Decke von Muthwillen, leichtem Sinn und Uebermuth, Hauptzügen seines Charakters, fühlte er plötzlich die Tiefe einer Leidenschaft sich öffnen.
Pauli! Sind Sie da? Kommen Sie zu mir! sagte das Fräulein mit einem viel tieferen Tone, als ihr metallreiches Organ vorhin gehabt hatte, und mit einem gewissen Vibriren der Stimme.
Der Arzt folgte ihr in ihr Zimmer und als die Thür sich hinter Beiden geschlossen hatte und auch Peggy sich entfernte, sah Valerian sich nochmals allein. Er lehnte sich in dem Sopha zurück und grübelte nach über die Ereignisse des Abends und der Nacht, über das Drama, welches erschütternde Gefühle und Erregungen der gewaltigsten Art in diesem Augenblicke in der Brust des Edelfräuleins aufzuführen schienen. Der Gedanke daran versetzte ihn in eine heftige Aufregung. Und obwol er sich zehnmal sagte: welches Recht hast du, dies zu fordern? war es ihm doch, als habe er Ansprüche, hier ins Vertrauen und zur Hülfe gezogen zu werden.
In großer Bewegung trat er an die Brüstung eines Fensters und öffnete es, um frische Luft zu schöpfen. Es lag tiefer Schatten auf dem Schloßgraben an dieser Seite, da der Mond, schon im Sinken begriffen, hinter den Dächern des Gebäudes stand. Kein lebendes Wesen war zu entdecken, als zwei Schwäne, die am jenseitigen Ufer in dem hohen Schilfe ihr Nachtquartier genommen hatten, und doch – waren es die Thiere, welche so flüsterten? – es war ein Geräusch hörbar, wie von leisen Stimmen.
Valerian spähte die Mauer unten entlang, so weit er, möglichst vorgebeugt, sie in den Bereich seines Auges ziehen konnte; hinter einem Vorsprung glaubte er die Umrisse eines halben Kahns hervortreten zu sehen; von dort her klang jetzt deutlicher das Stimmengeflüster; er hörte Ruderschläge – es war als ob eine schwere Last ins Wasser klatsche – ein leise unterdrückter Schrei zittere – ein Lachen folge.
Valerian schauderte und zog sich zurück; es wurde ihm furchtbar unheimlich in diesem stillen, öden, wie seit Jahrhunderten in Todesschweigen begrabenen Schlosse Blankenaar, in dem ein unsichtbares, lautloses Treiben und Leben zu erstehen schien, wenn es sich hüllen konnte in den Mantel der Alles verschleiernden Nacht.
Da wurde plötzlich seine Aufmerksamkeit nach einer andern Seite hin abgezogen. Die Thür zum Zimmer des Edelfräuleins wurde rasch aufgestoßen und der Arzt trat mit dem Ausruf: Nimmermehr, Theophanie! auf die Schwelle, als ob er im Begriff sei, zu fliehen.
Pauli, bleiben Sie, hören Sie! tönte gebieterisch die Stimme der jungen Dame.
Der Arzt wandte sich zu ihr zurück, ohne seinen Arm von dem Schloß der geöffneten Thüre zurückzuziehen. Theophanie eilte ihm nach und sich auf beide Knie vor ihm niederwerfend, sagte sie:
Pauli, Pauli – um Alles, was Ihnen heilig ist, helfen Sie mir, bei der ewigen Barmherzigkeit – o thun Sie es, sonst sterbe ich – ja, bei Gott, Sie treiben mich zum Selbstmord, wenn Sie sich weigern!
O Gott, kommen Sie, kommen Sie, rief der Arzt, der in Todesangst gerieth bei dieser stürmischen Heftigkeit und am ganzen Leibe zitterte. Ich will Alles, Alles thun – stehen Sie nur auf, Theo, stehen Sie nur auf, ich bitte Sie!
Das Edelfräulein erhob sich und warf sich, nach Athem ringend, erschöpft auf eine Chaise longue. Mit den beiden blütenweißen Händen strich sie das Haar von der Stirn zurück, welche kalte Tropfen netzten, ausgepreßt von tiefster, gewaltigster Erschütterung. Ihre düster flammenden Augen blickten starr durch das offene Fenster in die mondbeglänzte Waldgegend hinaus, welche ihr gegenüberlag.
Der Arzt hatte sich an einen Tisch gesetzt und schrieb. Von Zeit zu Zeit überreichte er Theo das Blatt, die es überblickte und durch ein Kopfnicken billigte. Als er fertig war, faltete er das Papier, adressirte es, drückte sein Dienstsiegel darauf und überreichte den Brief dem Fräulein.
Ich danke Ihnen, sagte sie bedeutungsvoll; Sie und die Ihrigen werden in jeder Lage auf mich zählen können, so lang ich lebe. Jetzt gehen Sie.
Pauli ging; er schritt durch das Vorzimmer, ohne Valerian zu gewahren, den der Schatten der Fensternische verbarg, in welcher er Zeuge des eben beschriebenen Auftritts geworden. Der Arzt trat rascher und entschiedener auf, als er gekommen war; und wie er durch die Zimmerreihe dahin wandelte, schien sein Schritt sich mehr und mehr zu beflügeln, als ob er mit voller Anstrengung seiner alternden Kraft einen Ort zu verlassen strebe, an den sich von nun an für sein ganzes Leben eine fürchterliche Erinnerung knüpfen werde.
Valerian blieb nichts übrig, als sich auch zu entfernen; er durfte unmöglich einen Augenblick länger allein in den Zimmern des Edelfräuleins bleiben und er machte sich Vorwürfe, daß er so lange geblieben, bis man seine Gegenwart vergessen und er ein Horcher geworden. So schmerzlich es ihm war, ohne ein letztes Wort sich von dem Fräulein zu trennen, wagte er doch nicht, sie in ihrer jetzigen Stimmung auf sich aufmerksam zu machen, um so weniger, da sie wahrscheinlich dadurch beschämt und bestürzt geworden wäre.
So tappte er möglichst geräuschlos den Weg zum Schlosse hinaus, mit dem Entschluß, der Heerstraße, welche er am Abend gekommen, so weit nachzuwandern, bis er an irgend einen bewohnten Ort komme, welcher ihm eine Unterkunft für die letzten Stunden der Nacht verheiße. Er fand nirgends ein Hemmniß; nicht einmal ein Hund schlug an, als er über den stillen Hof schritt, und das Gitterthor an der Brücke ließ sich von innen leicht öffnen.
Eine halbe Stunde später verließ eine ganz weißgekleidete, verschleierte Gestalt das Schloß. Zwei andere dunklere folgten ihr in ziemlich geraumer Entfernung. Sie schritt draußen an dem Schloßgraben her. Als sie sichtbar wurde von der Rückseite des Gebäudes aus, die nach den Gärten und nach den Waldungen hinaus lag, entstand eine große Bewegung unter einer Gruppe von Männern, die in einem Kahne kauerten, welcher sich hier auf dem Graben hinter einen Mauervorsprung geschmiegt hatte.
Pst, sieh da! flüsterte der Eine, auf die Erscheinung deutend.
Die weiße Frau! rief der Andere.
Zum Henker mit der weißen Frau; es gibt keine weiße Frau, fiel der Dritte ein. Ich kenne sie am Schritt; sie ist's, sie ist's!
Wer? rief der Erste.
Frag' du noch! Ans Ruder, ihr nach!
Gemach, gemach, grüner Jägersmann! Baron Tondern hat uns befohlen, hier still zu halten, bis er wiederkommt, und deshalb laß die Ruder liegen.
Der Zweite stimmte nickend diesem Entschluß bei und der »grüne Jägersmann« sprang nun mit dem Ausrufe: Ihr Tölpel, so geh' ich ihn suchen! auf eine große Steinplatte, welche über dem Niveau des Wassers hervorragte und als Schwelle für eine kleine, halbrunde Thür diente, die offenstand und hinter welcher eine Wendelstiege ins Innere führte. Der Jäger sprang mit Blitzeseile die Stufen derselben hinan.
Die weiße Nachtwandlerin ging unterdeß mit schnellen Schritten weiter. Zwischen den Taxushecken der Gärten hob sich leicht und federkräftig ihr Fuß auf dem knirschenden, gelben Sand der Pfade; darauf den Thau der Rasenstrecken nicht scheuend, eilte sie rüstig weiter. Eine äsende Hinde hob den Kopf und schien sie am Eingang ihrer Waldregionen bewillkommnen zu wollen, indem sie ihr friedlich einige Schritte entgegentrat und dann in weitem Bogen, halb scheu, halb vertraulich sie umtanzte.
Die Wandlerin zagte einen Augenblick, ehe sie sich in den Wald mit seinen riesigen Schattengebilden und den zauberhaften Lichtern wagte, die der Mond durch das Blättergewölbe warf. Dann ermannte sie sich und ging muthig vorwärts. Ein Leuchtkäfer zog schwirrend weite Lichtkreise um ihren Kopf; es war wie ein Heiligenschein um das schöne, jungfräuliche Haupt der neuen Genovefa, die verlassen und verfolgt Schutz in der Einsamkeit der tiefen Waldnacht suchte.
Die Fliehende war Theophanie. Ihr folgten eine Dienerin und der treue Ire. Nur in diesem äußersten Mittel, in der Flucht, hatte sie Rettung gesehen vor der schrecklichen Gefahr, die ihr drohte, vor der Gefahr, von einem verhaßten Menschen entführt und ihm mit Gewalt angetraut zu werden. Das war ja – so verrieth es das Billet, welches durch Valerian in ihre Hände gekommen – der Plan und Wille der unbeugsamen, mächtigen Gräfin von Quernheim, der sie zur Obhut übergeben, einer Frau, welche mit eiserner Energie durchzusetzen wußte, was sie einmal beschlossen. Gegen die hatte Theo keine andere Waffe. Ihr Vormund, ein Freiherr von Mainhövel, zu dem wir später den Leser führen werden, war erblindet und völlig in der Gewalt der Gräfin. Bei ihm war kein Schutz zu hoffen. Nur der Nachforschung nach ihrem Asyl wollte Theo zuvorkommen.
Während sie über das Mittel hierzu nachgesonnen, hatte sie die Stimme des befreundeten Arztes vor ihrem Zimmer im Gespräche mit Valerian vernommen. Mit der ihr eigenen Geistesgegenwart hatte sie seine Anwesenheit für ihren Zweck zu benutzen gewußt. Wir sahen ihn, von ihren Bitten bestürmt, ein Schreiben an ihren Vormund aufsetzen, das, wie sie hoffte, alle Nachforschungen nach ihr verhindern sollte. Sie schonte nichts mehr, sie wollte Alles, was in ihrer Macht stand, aufbieten, ungehindert das stille Asyl zu erreichen, das sie im Auge hatte und das sie aus dem Bereich der Gewalt der Gräfin halten sollte.
So wanderte sie jetzt in die Waldnacht hinaus, bestürmt von den ängstigendsten Gefühlen. Unter dem Druck einer Erziehung, wie – Dank der Gräfin – die ihre gewesen, war Theo frühe verschlossen und in sich gekehrt, träumerisch und einsiedlerisch geworden. Aber darum war das ursprüngliche Feuer ihres lebhaften Charakters nicht erloschen. Im Gegentheil, es gab Augenblicke, wo eine mehr als muthige Entschlossenheit, wo die Fähigkeit, leidenschaftlichen Aufregungen Raum zu geben, sich bei ihr zeigte.
Hatte sie einer solchen Erregung jetzt sich hingegeben, so dürfen wir nicht vergessen, daß dies in der Stunde geschah, in welcher sie einen Eindruck empfangen, der sie jetzt noch mehr beängstigte und verwirrte und der nur das Klare hatte, daß er den Gedanken an eine Verbindung mit Tondern ihr doppelt unerträglich und empörend, die Gewalt, welche die Gräfin sich über ihr innerstes Gemüthsleben anmaßte, doppelt gehässig machte. Diesen Eindruck hatte die Erscheinung Valerian's auf sie gemacht.