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Die Kunde von der Luckaer Schlacht flog wie auf Sturmesfittichen durch Thüringen und Meißen, Osterland und Pleißen, und alles kam so, wie es Friedrich vorausgesagt hatte. Die Feinde des Hauses Wettin überfiel ein gewaltiger Schrecken, seine Freunde aber erhoben ihre Häupter und schlossen sich dem geächteten Fürsten offen an. Eine Burg und eine Stadt nach der andern fiel in Friedrichs Hand, und mit rastlosem Eifer war er bemüht, seinen Sieg auszunützen. Nur einen Tag ließ er das Heer in Leipzig ruhen, dann brach er sofort gegen Freiberg auf. In der Stadt war die Stimmung ganz für ihn, denn die Bürgerschaft hatte unter der Herrschaft des Königs nicht viel Gutes erlebt, und kaum erscholl die Nachricht, daß er als Sieger im Anrücken sei, da griffen seine Anhänger für ihn zu den Waffen. Seine alten Feinde und Widersacher im Rate setzten sie fest, und die kleine königliche Besatzung schlossen sie in der Burg ein. So fand er weitgeöffnete Tore, als er sich an der Spitze seines Heeres der Stadt näherte, und die Bürger zogen ihm entgegen und huldigten ihm kniend. Noch an demselben Tage übergaben sich die in der Burg gegen Zusicherung ihres Lebens, da sie einsahen, daß ein Widerstand gegen die Übermacht zwecklos war, und so hatte er ohne Schwertstreich die Stadt der reichen Silbergruben, den wichtigsten Platz der ganzen Landschaft wieder gewonnen.
Ganz ähnlich ging es einige Tage darauf vor dem festen Meißen. Friedrich schickte einen Trompeter hinein und ließ der Gattin des Burggrafen sagen, ihr Mann sei in seiner Hand und habe als eidbrüchiger Rebell den Tod durchs Schwert verdient. Öffne sie aber binnen drei Stunden die Tore, so wolle er seines Lebens schonen. Da kam große Mutlosigkeit über die Seele der Frau, und schon nach einer halben Stunde zog sie aus der Stadt, angetan mit einem schwarzen Gewande, an der Spitze ihrer schwertlosen Mannen, und erflehte durch einen Fußfall die Gnade des Fürsten. Nur Leißnig widerstand noch längere Zeit, denn die Frau, die hier an Stelle ihres Gatten gebot, war eine böse Sieben und ließ es darauf ankommen, ob Friedrich seine Drohungen wirklich wahr machen werde. Aber nach zehn Tagen der Belagerung hatten sie in Schloß und Stadt kein Brot mehr, und die harte Frau wurde von ihren eigenen Mannen gezwungen, sich zu unterwerfen.
So war binnen zwei Monden ganz Meißen wieder in Friedrichs Hand. Kein Mann des Königs stand mehr auf seinem Boden, das ganze Land hatte dem angestammten Fürsten von neuem gehuldigt.
Noch viel schneller gewann er Thüringen. Hier hatten sich nur wenige dem Könige angeschlossen, ins Feld gezogen gegen den Landgrafen war keiner. Die Großen des Landes hatten nur voller Furcht abwartend zur Seite gestanden, und wenn manchem von ihnen noch vor Jahresfrist ein Untergang der landgräflichen Macht und die Reichsfreiheit nicht unwillkommen gewesen wäre, so hatten sie in der Zwischenzeit den Sinn des Königs zur Genüge erkannt, und kein einziger mehr wünschte ihm den Sieg. Nun hörten sie, daß ihr Landgraf das starke Heer des Habsburgers vollkommen geschlagen habe, und die lähmende Furcht wich von ihnen. Der König führte zwar noch immer eine stolze und hochfahrende Sprache, aber daß er in einer üblen Lage war, konnte niemand verkennen. In Böhmen waren neue Unruhen ausgebrochen, die ihn zwangen, seine Blicke dorthin zu lenken und Streiterscharen zu entsenden. Gegen Thüringen hatte er vorläufig kein Heer, das eine war an der Wartburg zerschellt, das andere auf dem Felde von Lucka des Landgrafen Schwerte erlegen. Es mochte lange dauern, ehe er imstande war, ein neues aufzubringen, denn die Söldner kosteten Geld, viel Geld. Und wenn Friedrich jetzt schon die eiserne Umklammerung gesprengt hatte, die ihn erdrücken sollte – war er dann nicht vollends unüberwindlich, wenn er Meißen wieder hatte und Thüringen zu ihm stand?
Solche Gedanken wurden überall laut in den Burgen der thüringer Grafen und Herren, und die beiden mächtigsten unter ihnen, Hermann und Otto von Orlamünde, setzten sie in die Tat um. Sie verständigten sich heimlich mit dem Landgrafen und ließen sich von ihm ihre alten Rechte und Freiheiten verbriefen, was er auf der Stelle tat. Dann forderten sie ihre Standesgenossen auf, mit ihnen in Erfurt zusammenzukommen und eine Tagung abzuhalten, wo über des Landes Wohl verhandelt werden sollte. Alle folgten dem Rufe, die Schwarzburger und Kefernburger, die Hohnstein und Beichlingen, Elsterberg und Gleichen, und einmütig beschlossen sie, den Landgrafen als ihren Oberherrn und Schirmvogt anzuerkennen und sich um die Achtsprüche des Königs nicht weiter zu kümmern.
Friedrich befand sich wieder in Leipzig, als ihm diese Beschlüsse mitgeteilt wurden. Hocherfreut brach er auf der Stelle auf und erschien, männiglich zur Überraschung, am zweiten Tage unter den in Erfurt Versammelten. Er wurde mit donnerndem Heilruf begrüßt und empfing den Treuschwur aller, die zugegen waren. Dann wurde das Verbündnis nach uralter deutscher Sitte durch einen gewaltigen Trunk gefeiert.
Noch saß man beim Becher, da langte ein fränkischer Ritter an, der einen Brief des Königs an die beiden Orlamünder trug. Darin stand geschrieben, der König sei in Eisenach eingetroffen und habe in Erfahrung gebracht, daß sie in Erfurt eine Tagung der Edlen des Landes abhielten. Er ermahne sie und alle Grafen und Herren Thüringens, sofort zu ihm zu kommen und mit ihm zu beraten. Am Tage Sankt Jacobi, des heiligen Apostels, erwarte er sie sämtlich in Eisenach.
Graf Hermann von Orlamünde war ein Gelehrter und vermochte es, das königliche Schreiben der Versammlung vorzulesen. Es verursachte zunächst große Aufregung, ja sogar Bestürzung. Der König in Eisenach? Das erschien fast unglaublich! Hatte er in aller Stille und in solcher Schnelligkeit wieder ein Heer gesammelt? Ohne Anwendung der schwarzen Kunst war das ganz unmöglich, und einige waren geneigt, dem Habsburger solche zuzutrauen.
Aber die Bestürzung verwandelte sich in Heiterkeit und Spottlust, als man vernahm, der König sei ohne Heer gekommen, und sie erst sollten ihm ein neues stellen. Man lachte und schrie durcheinander, bis der Landgraf mit lauter Stimme rief: »Freunde und Getreue! Liebe Vettern! Der Jacobitag ist übermorgen. Wie wär's, wenn ihr mich an diesem Tage alle auf der Wartburg besuchtet? Ich kehre ohnehin heim, denn ich habe mein Weib und Kind nicht gesehen seit dem Tage der Luckaer Schlacht. Wir reiten da vorbei an Eisenachs Toren, damit der Habsburger sehe, daß niemand mehr ihm gehorcht, und daß er verspielt hat wie in Meißen, so in Thüringen!«
»Heil! Heil! Wir kommen herzlich gern!« lachten und schrien die Herren von allen Seiten.
»Das hat er verdient, der boshafte, hochmütige Mann!« rief Heinrich von Schwarzburg.
»Er wird sein eines Auge wohl schön aufreißen, wenn er uns vorbeiziehen sieht,« sagte Hermann von Elsterberg. »Aber was antworten wir jetzt des Königs Hoheit?«
Der kluge und gewandte Orlamünder lächelte fein und schlug dann vor: »Wir geben ihm diese Antwort: Am Tage des heiligen Zwölfboten Jacobus werden wir allesamt bei unserm Herrn sein. Er wird sonder Zweifel denken, wir meinten ihn damit, und er wird dann um so mehr schäumen, wenn er sich betrogen sieht.«
In der Tat ward der Sankt Jacobustag zu einem der bittersten im Leben des stolzen, hochfahrenden Königs. Als ihm gegen Mittag die Kunde gebracht ward, eine glänzende Reiterschar nahe sich von Gotha her, da ließ er sich herab, den thüringischen Großen entgegenzureiten. Er wußte nur zu gut, warum er das tat, wenn er's auch klüglich vor jedermann verbarg. Ohne den Beistand dieser Herren, die er bisher sehr von oben herab behandelt hatte, war er fürs erste völlig machtlos in Thüringen, und er frohlockte innerlich unbändig, daß sie sich auch nach seiner Niederlage noch willig und gehorsam zeigten. Aber er war kaum in die Untergasse hinuntergeritten, da scholl ihm der Schreckensruf entgegen: »Der Landgraf ist da! Schließt die Tore! Die Brücke auf!« und das Volk, das sich in dichten Massen aufgestellt hatte, drängte bestürzt und erschrocken durcheinander.
Sein Gesicht wurde bleich. »Was kann das sein?« fragte er den Bürgermeister Hellgrave, der sein Roß am Zügel führte. »Sind diese Leute von Sinnen?«
»Wenn des Königs Hoheit mit auf das Tor steigen wollte, so können wir's auf der Stelle erkunden.«
So schnell es seine steifen Glieder zuließen, schwang sich Albrecht aus dem Sattel und stieg die steile Treppe zur Torwarte empor. Drüben jenseits des Grabens in mehr als eines Pfeilschusses Entfernung hielt eine stattliche Schar gepanzerter Reiter, hinter ihnen weit über hundert berittene Knechte. An der Spitze stand der Landgraf, vollständig wie zum Streite bewehrt, kenntlich am Pfauenfederbusche seines Helmes und an dem thüringer Löwen in seinem Schilde. Dicht hinter ihm waren in den Schilden sichtbar die Schwäne und Löwen von Orlamünde, die Hirschhörner und Leuen von Schwarzburg und die Wappen fast aller der alten hochgeborenen Familien des Landes.
Friedrich erkannte den König. Er hob wie grüßend die Hand und neigte sich dreimal im Sattel, und alle andern taten's ihm nach, und dann tönte zu dem Habsburger hinüber ein lautes, brausendes Gelächter.
Der wandte jäh sein Haupt ab und stieß einen grimmigen Fluch aus. Kein Wort mehr sprach er zu den Männern von Eisenach, die vergebens auf seine Königsmacht getraut hatten und nun die Betrogenen waren. Noch in derselben Stunde verließ er mit seinem geringen Gefolge fluchtartig die Stadt, denn dem schnellen und verwegenen Landgrafen war nicht zu trauen.
Während Friedrich vor dem Nikolaiturme hielt und dann über die Wiesen vor der Stadt den Weg nach der Wartburg einschlug, stand droben sein Weib auf dem kleinen Turme der Schanze und spähte ins Tal hinab. Neben ihr lehnte an der Brüstung der treue Abt von Reinhardsbrunn und schaute ebenso angelegentlich wie sie in die Ferne.
Es war noch nichts zu sehen, und die Fürstin trat mit einem kleinen Seufzer zurück. Dann sagte sie auf einmal ganz unvermittelt: »Morgen jährt sich's, daß ich gen Weißenfels zog.«
Der Abt wandte sich zu ihr und sah ihr ernst in die Augen. »Ihr habt viel erlebt und viel gelernt seitdem, edle Frau,« versetzte er bedeutungsvoll.
»Ich habe vor allen Dingen gelernt, daß Gott nichts Unmögliches verlangt von seinen Kindern, und daß wir seiner Gnade vertrauen dürfen.«
Ein schmetternder Trompetenstoß vom Turm her unterbrach sie; er war das Zeichen, daß der Zug des Fürsten sich nahte.
Friedrich stieg ein Stück unterhalb der Burg vom Pferde und schritt zu Fuße bergan. Sein Gang war schnell und elastisch, seine Wangen gerötet, und seine Augen blitzten.
Im Tore stand Frau Else, seiner harrend. Ihr Antlitz war bleich vor innerer Erregung, aber mit leuchtenden Blicken schaute sie zu ihm empor.
Da erkannte der Fürst, daß die Zeit der Prüfung vorüber war. Wie er als Herr und Sieger heimkehrte nach seiner unbezwungenen Feste, so hatte er auch sein Weib wieder gewonnen. Verschwunden waren die Schatten, die ihr die Seele verdüstert hatten, freien Gemütes konnte sie ihm gehören, denn ihre Augen blickten hell und strahlten vor Glück.
Mit einer rührenden Gebärde der Freude streckte sie ihm beide Hände entgegen, und mit einem Jubelrufe stürmte er auf sie zu und zog sie mit mächtigen Armen an sein Herz. Lange hielten sich die Gatten so umschlungen, dann traten sie Hand in Hand in den Hof der Burg. Jubelnd umdrängten sie ihre getreuen Mannen, und von allen Türmen und Zinnen wehten im Winde über ihren Häuptern die vielumstrittenen Banner von Thüringen und Meißen, Pleißen und Osterland, die Zeichen der wieder erstandenen Macht und Herrlichkeit des Hauses Wettin.