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Die »Antis«.

Dies ist die landläufige Bezeichnung der Frauenstimmrechtsgegner, sie bilden die National League for Opposing Women's Suffrage. Vorsitzender Lord Curzon; gegründet 1908. Diese Bewegung geht von adligen Kreisen aus, hat ihre Anhänger auch in bürgerlichen, auch »liberalen«, jedoch nicht im Volk; es fehlt jede »great popular demand« in dieser Richtung. Die Generalversammlungen finden in einem Raum statt, der für eine Wochenversammlung der W. S. P. U. zu klein wäre. The Eye-Opener, 29. 6. 1912. Große Umzüge und öffentliche Versammlungen im Freien sind noch nicht erfolgt, »denn die Teilnehmer würden durch Abwesenheit glänzen«. Bei einer nicht öffentlichen Versammlung in Albert Hall (28. 2. 1912) saßen auf der Tribüne 5 Herzöge, 15 Earls, 5 Viscounts, 44 Barone, 7 Minister, 30 Abgeordnete und 1 Frau, zugelassen wurden nur Mitglieder, und auch diese mußten sich noch verpflichten, nicht zu unterbrechen. »Wenn sie eine Resolution fassen – ob es wohl heißen wird, sie sei der Ausdruck des freien Volkswillens?« Votes for Women, 2. 2. 1912.

Die Unterschriften für die Petitionen der Antis (5. und 22. 3. 1907, 20 000 und 16 500 Unterschriften) werden z. T. durch die Kammerjungfern der Mitglieder gesammelt. Votes for Women, 12. 11. 1909. Die gebildeten Mitglieder selbst (die Frauen) sind einer Diskussion oft gar nicht gewachsen, sie werden ärgerlich und ziehen den Kürzeren. Die Antis haben keine nennenswerte Zahl geschulter weiblicher Redner, die fähig wären, eine Menge, gleich den Suffragettes, zu behandeln und zu fesseln. Votes for Women, 12. 8. 1910. Das kann auch gar nicht anders sein, denn in den Reihen der Antis müssen sich ja vor allem die Frauen der Gesellschaft finden, die »ins Haus« gehören, die vor der Öffentlichkeit zurückschrecken, da sie ihre »Weiblichkeit« dabei riskieren und die Sache daher meist den Männern überlassen. »Die Führer der Antibewegung sind vorwiegend Männer und reiche Männer.« Votes for Women, 12. 8. 1910. Sie forderten daher auch zur Gründung eines Anti-Frauenstimmrechtsfonds von 100 000 £ (2 Millionen Mk.) auf, den sie mit Leichtigkeit zusammenbringen werden. Daselbst. Nun wirkt es nur recht wenig überzeugend, ja lächerlich, wenn Männer erklären, daß die Frauen das Stimmrecht nicht wollen. Die eine Frau, die die Antis vertreten kann, die Schriftstellerin Mrs. Humphrey Ward, aber hat erstens häufig den Kürzeren gezogen (so blieb sie Dr. Anna Shaw jeden Beweis schuldig, daß in Kolorado die Prostituierten bei den Wahlen den Ausschlag gäben; so unterlag sie bei ihrer öffentlichen Disputation mit Mrs. Fawcett, der Führerin der Suffragists). Zweitens erscheint es sehr unlogisch, daß eine Frau, die sich durch nichthäusliche Tätigkeit Namen und Stellung machte, ihr Geschlecht aufs Haus beschränken will, um dieses zu erreichen sich aber in eine öffentliche Tätigkeit begeben, ihrem Ideal untreu werden muß. Dieser Typus ist übrigens international, er beruht auf der Theorie: Wir Intellektuellen sind Ausnahmen und stehen über der misera plebs unsrer Mitschwestern. Das eigentliche Credo der Antis kommt hauptsächlich von den männlichen Gegnern. Sie hegen das alte Frauenideal, aus der Mitte des 19. Jahrhunderts (mid-Victorian era):

Women are weak, as you say, and love of all things, to be passive,
Passive, patient, receptive; yea, even of wrong and misdoing. Verse von Arthur Clough, des Bruders von Ann Clough, der Begründerin der Frauenuniversität Newnham.

Die passive, duldende, hingebende und hinnehmende Frau ist ihnen die Frau schlechtweg und die Frau, wie sie sein soll. Kraft, Mut, Unabhängigkeit, Widerstand, Arbeit, Kampf sind Vorrechte des Mannes. Das ist der Sinn ihres Hauptarguments: »Men are men and women are women.« Das Wort ist von Mr. Austen Chamberlain, übernommen von Lord Curzon. Votes for Women, 11. 6. 1909. Deshalb trennt beide ein unüberbrückbarer Geschlechtsunterschied (sex barrier), der den Ausschluß der Frau von jeder Politik fordert (sex disqualification), denn Politik macht allein der Mann mit seinen männlichen Eigenschaften der Kraft, des Muts, der Unabhängigkeit, der Arbeit und des Kampfes. – Die W. S. P. U., die den modernen Frauentypus verkörpert, der diese »männlichen« Eigenschaften als durchaus »weiblich« auch für die Frau fordert, steht also im schärfsten Gegensatz der Weltanschauung zu den Antis. Einer der letzteren, Mr. G. R. Lane Fox, riet den Damen auf einer Versammlung der Hundezüchter, statt Zigaretten rauchen, im Herrensitz reiten und Abgeordnete werden zu wollen, sollten sie lieber Hunde züchten (»to walk puppies«). Das wäre allerdings eine gründliche Abhilfe aller Frauennöte.

Mrs. Partington (eine Gestalt des Schriftstellers Sidney Smith) versuchte, das Meer mit ihrem Schrobber zurückzudämmen – eine in England überall bekannte Geschichte. Votes for Women zeigte Lord Cromer (er war der I. Vorsitzende des Antivereins) als Mr. Partington, wie er mit seinem Antisuffragebesen gegen das brausende Frauenstimmrechtsmeer angeht. Votes for Women, 1. 7. 1910. Lord Cromer ist der frühere Gouverneur von Ägypten, Lord Curzon und Lord Milner, seine Hauptkollegen unter den Antis, waren Vizekönig von Indien und Gouverneur von Südafrika (zur Zeit des Burenkrieges). Auch sie wünschen die Frau: passive, patient, receptive. Das ist bei ihnen aber kein mid-victorian Ideal mehr, es hat eine weit tiefere Bedeutung: sie sind die früheren Satrapen des britischen Weltreichs, sie haben über dunkle, farbige Rassen geherrscht, sie sind außer Berührung mit westlicher Zivilisation gekommen, sie kennen die moderne Frau weißer Rasse nicht und bringen ihre orientalische Verachtung vom Weibe, ihre autokratischen Anschauungen in die englische Politik. Israël Zangwill in Votes for Women, 11. 6. 1909. Welch dunklen Hintergrund gibt dies den Bestrebungen der Antis, zu denen ja die liberalen Minister gehören. Lord Milners »concentration camps«, wo Frauen und Kinder gemartert und getötet wurden, sind den Strafzellen und der Zwangsernährung von Holloway innig verwandt. – Es ist der Typus der Herrenrechtler mit Herrenmoral, der sich bei den Antis zusammenfindet. Die Existenzbedingungen der Mehrzahl der Frauen sind ihnen unbekannt, die arbeitende Frau steht ihnen fern, ist ihnen auch nicht interessant. »Die Frau« ist das weibliche Wesen ihrer reichen, geschützten Kreise, das in Schwäche und Hilflosigkeit ein Blumendasein verbringt. Wobei die Herren vergessen, welch harte Arbeit sie von ihren Damen in der Primrose League, der Liberal Federation, der National Service League, den Wahlkampagnen fordern. Hierdurch entstehen dann Glaubensbekenntnisse wie Mr. Harcourts: das Stimmrecht würde die Frauen einem Wirkungskreise entfremden, wo sie glänzen, Pflichten, die nur sie erfüllen können ... Frauen besitzen Anmut und Gefühl, was nicht zu gesundem politischem Urteil führt, ... sie sind aus physischen und physiologischen Gründen oft für das öffentliche Auftreten, öffentliche Pflichten und politisches Urteil ungeeignet. Er sprach so zu einer Deputation von Frauen; da viele von ihnen, trotz der angedeuteten physischen und physiologischen Bedingungen, sich »wie ein Mann« durchs Leben »schlagen«, unterbrachen sie ihn mit dem Ruf: rot (Blech, Quatsch, wörtlich »Moder«).

Lord Cromer versucht die Flut zurückzuhalten.
Aus Votes for Women.

Die Antis werden gestützt durch den »Chor der Hörigen«, solche Frauen, die von den Existenzbedingungen der Mehrzahl ihrer Schwestern auch keine Ahnung haben, das Schicksal der arbeitenden Frau nicht kennen oder alles Frauenleid und Unglück, alle Frauennot für unabänderlich halten. Sie wollen auch keinen direkten, offenen, politischen Einfluß, sondern bekräftigen, was ihre Männer ihnen vorsagen: daß die Frau durch ihren indirekten, häuslich-weiblichen Einfluß weit mehr erreicht. Die Suffragettes nennen den gepriesenen »indirect influence« ruhig beim rechten Namen »backstairs influence« Votes for Women, November 1907. (Hintertreppeneinfluß) und wir brauchen uns bei diesem »Damenargument« wohl nicht aufzuhalten. Die W. S. P. U. hat ganz allgemein die Frauen-Antis bezeichnet als »Frauen, die sich zusammentun, um andere Frauen am Wählen zu verhindern«. Denn, selbst wenn alle Frauen das Wahlrecht hätten, wären die Antis ja nicht gezwungen, es zu brauchen. Die weiblichen Antis sind Sklaven, die ihre Ketten herzen. (They hug their chains.) Das ist eine alte Erscheinung. Diese passiven Frauen, die die Männerherrschaft als Naturgesetz anerkennen, haben jedoch das stete Streben, den Mann (hintenherum) zu beherrschen: »the iron hand in the velvet glove« (die eiserne Hand im Sammethandschuh), »to extract from the existing sex relation the last ounce of influence that by hook or by crook she can possibly secure.« Und das ist doch der richtige Krieg der Geschlechter, geführt auf der einen Seite mit Frauen, auf der anderen mit Männerverachtung, beide drapiert in schöne Phrasen, durch die man sich gegenseitig zu betrügen sucht. Lawrence Housman, Votes for Women, 19. 8. 1910. Die Kameradschaft und gegenseitige Hochachtung der Geschlechter ist bei den Suffragettes, nicht bei den Antis. Letzterer Trumpf ist, daß das Frauenstimmrecht England schwächen, wenn nicht zugrunde richten muß. (Weaken if not ruin England.) Votes for Women, 12. 8. 1910. Warum? England ist eine Streitmacht, ein Weltreich, es muß »imperial problems« lösen, Reichs-, Weltmachtsprobleme der Verteidigung; das können nur Männer. Ein wehrhaftes Weltreich darf sein Schicksal nicht in die Hände einer Überzahl weiblicher Wähler legen. England hat mehr Frauen als Männer; nun machen sich die Antis ein große geschlossene Frauenpartei zurecht, die das Land und die eigne nationale Existenz untergräbt! Die Conciliation Bill hätte neben 7 Millionen Männer 1 Million Frauen gestellt. Warum griff Mr. Asquith nicht zu? Das meint Mr. Asquith mit »a national danger of a very serious kind«. Aber in ganz Australien, einem Teil dieses Weltreichs, stimmen die Frauen schon, sie haben sich in Fragen der Landesverteidigung sehr einsichtig erwiesen, und Australien hat, als erste aller Kolonien, England einen Dreadnought gestiftet. Nach dieser ersten Furcht kommt die zweite: Gesetze, von Frauen gewollt und angenommen, können von ihnen nicht durchgeführt werden, denn es fehlt den Frauen dazu die physische Kraft. Und nun folgt ein Lob der Faust und rohen Gewalt, als ob die Welt heute noch von der Faust regiert werde, als ob die männlichen Gesetzgeber auch die Polizisten und Gendarmen wären, die ihre Gesetze eigenhändig durchführten, als ob Polizei und Gendarmen mit dem Frauenstimmrecht verschwinden würden. Und hat ein moderner Staat nicht mindestens so viele Kultur- wie Zerstörungsaufgaben? Sind die Frauen nicht vor allen berufen, Kulturpolitik zu treiben? Die Welt bleibt sicher nicht, wie sie ist, wenn die Frau politische Rechte erwirbt. »The physical force fallacy« wird meisterhaft dargelegt von Lawrence Housman in Votes for Women, 11., 26. 2. 1909, 29. 4. 1910 und von I. Zangwill: The sword and the Spirit., Votes for Women, 18. 11. 1910. Der Herrenrechtler fürchtet diesen Umschwung, und der Chor der Hörigen stimmt in das Klagelied ein. Die Frauen- und Menschenrechtler hingegen erwarten mit Ungeduld die Zeit, in der durch Kultur die Barbareien der Ausbeutung in Ehe und Beruf, in Haus und Markt, die Zeit, in der die reglementierte Prostitution und der weiße Sklavenhandel unmöglich werden.

Einstweilen aber nennen nach Lord Curzon's Beispiel die Antis die Suffragettes: female howling derviches (weibliche Heulderwische), und die Stimmrechtlerinnen senden ihnen dafür folgendes Lied zurück: The only Way, Zeitschrift der Edinburgh University Women's Suffrage Society, Nr. 1.
Votes for Women.
Hausherr, eine Antidame hinausgeleitend: Es tut mir sehr leid, daß wir Ihre Petition nicht unterzeichnen können, wir sind hier aber alle überzeugte Stimmrechtler.
Antidame: O, es regnet, und ich habe keinen Schirm.
Hausherr: Aber ich denke, Ihr Mann hat einen.
Dame: Oh, ja.
Herr: Nun, dann sind Sie ja versorgt.

The Song of the Antisuffragist.

Oh, let me be your doormat, do!
I only ask
To lie and bask;
I have no brain, or spine, like you.

Yes, always wipe your angel boot,
My lordly dear!
A tiny smear;
I should feel lost without that foot.


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