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Der Hahnenschrei

Die langen Schatten warf das Zwielicht schon,
Noch hinter seinem Pflug her zog ein Bauer:
»Ein Tag für mich«, seufzt er, »und zwei zur Fron –
Hart ist das Leben und die Arbeit sauer,
Und schwer, mit Weib und Kind sich durchzuschlagen.« –
»Daran, mein guter Freund, seid selbst Ihr schuld!«
Spricht's hinter ihm aus einem Schwarzdornhagen,
»Von Eurer Arbeit hofft Ihr Euren Segen:
An Arbeit ist dem Himmel nichts gelegen,
Je mehr Ihr Not, je mehr hat er Geduld.«
Er sieht sich um – und wie ihm zugeweht,
Als stünd' sein Schatten aufrecht um, ein Herr da steht:
»Was schwitzt Ihr Blut und düngt damit die Not?
Ein Tropfen mir – und jeder Stein ist Brot.« –
»Mein Blut?« – Der Bauer kraut sich hinters Ohr,
Ihm kommt der gute Freund nicht ganz geheuer vor.
»Ich dacht' es gleich: Ein Bauer bleibt ein Bauer!«
Spricht jener. »Kann er's haben, wird's ihm sauer.« –
Es pfiff der Wind, fort übern Hag war er.
Der Bauer gafft ihm nach – »Ein schneller Herr!« –
War er vom Haus verdrossen ausgegangen,
Jetzt kehrt' er ohne Ruhe wieder ein,
Und noch im Schlafe miteinander rangen
Um ihn Begierde und Gewissenspein.
Da schrillt's ans Ohr ihm, schlägt ins Auge: »Feuer!«
Aus seinem Bett fährt er mit Weib und Kind.
In Asche nieder sinket seine Scheuer,
Und seine Saaten wehen in den Wind.
»Herzvater!« weint sein Bub, »wie blute ich!«
Und rot von seiner Stirne tropft es nieder.
Die Mutter nimmt ihr Tuch: »Du ritztest dich,
Mein Kind!« und trocknet seine Stirne wieder.
Der Vater aber stieret in die Glut,
Und wie die Mutter ihres Kindes Blut,
Wie Mutterträne Kindesträne stillt,
Denkt er in seinen Grimm: »Mann, wie du willt!« –
Und stiehlt das blut'ge Tuch – und sich zum Hag,
Und harrt – doch scheut der gute Freund den Tag.
Doch als der ungewisse Abend graute,
Das Zwielicht seine langen Schatten wob,
Da war's, als ob das Gras zusammenkraute,
Das bleiche Herbstlaub auseinander stob,
Und übers Stoppelfeld so kalt es strich,
Daß selbst der rauhe Dornstrauch abwärts wich. –
Und vor dem Bauer, höhnend sich verneigend,
Der unbekannte Herr von gestern stand.
Der Bauer reichte ihm den Finger schweigend
Und der, verbindlich, nahm die ganze Hand,
Und als er sann noch, ob er's geben sollte,
Sah er, daß er schon hatte, was er wollte.
»Ich hab's, mein Freund! Was bist du mir an Sinnen?« – Was willst du mir ansinnen? (Was soll ich für dich tun?)
»Baut meine Scheuer auf vor Hahnenschrei!«
Der Bauer sagt's, und jener spricht: »Es sei!«
Und unterm Worte schon war er von hinnen. –
»Ich hab's getan! Was hab' ich gemacht?
O ich Verlorner Mann!« Nach Haus ihn jagt's.
Der Boden glüht's, der Himmel drüber klagt's.
Und hinter ihm hellauf der Teufel lacht.
»Was bringst du, Mann – war dir ein Freund gewogen?«
Wahr will er sprechen, und er hat – gelogen.
Er wirft aufs Lager sich: »Laßt mich in Fried' –
Ich tat es, Weib, das ist das End' vom Lied.« –
»Du hast's getan? Sieh, seine Sterne schauen
Auch nieder noch auf unsere Aschensaat!
O Mann, auf Gott und nicht auf unsern Rat
Woll'n allezeit wir unser Glücke bauen.« –
      Da sieht sie die Asche sich regen,
      Karren ziehen aus und ziehn heran;
      Mit Schaufeln, Kellen, Beilen und Sägen
      Kommen viel' stille Werkleute an;
      Sie schleppen die Hölzer, den Mörtel, die Steine,
      Sie mauern, zimmern und richten ins Lot –
      Sie siehet alle und hört doch keine,
      Es lebt die Nacht und ist doch tot.
»Steh auf, was haust auf unserm Hofe, Mann?« –
»Laß hausen, Weib, was haust! Was geht's dich an?« –
»Mann, stehe auf, steh auf und laß uns beten!
Es geht hier nicht mit rechten Dingen zu.« –
»Was beten, Weib, leg' dich zur Ruh'!
Ein guter Freund ist es in unsern Nöten.«
Sein Händchen faltet im Schlafe das Kind:
»Will beten, lieb Vater, will beten geschwind!«
Das schüttelt den Vater, das packt ihn an –
Ausschreit er den Handel, den er getan.
Da faßt die Mutter ihr Kind in die Arme:
» Mein Kind? Daß Gott im Himmel sich erbarme!«
Und stürzt hinaus sich in das stille Grauen:
»Hinweg, hinweg! Hört auf zu bauen!«
      Sie bauen, sie bauen, die Knechte der Hölle,
      Der kalte Meister, der heiße Geselle,
      Sie fügen und richten und langen sich zu
      Auf Leitern und Rüstung, und gönnen sich nicht Ruh',
      Auf daß der heilige Hahn dazwischen nicht kräht;
Und unter dem Dache die Scheuer steht.
Einfährt die Saat zur Tenne durch Giebel,
Durch Erden und Lüfte das Fuhrwerk geht.
Der Vater umklammert, zerblättert die Bibel
Und findet kein einzig – kein einzig Gebet!
      Zuschließt sich die Luke, es knarrt das Tor,
      Die Angel pfeifen durch Mark und Bein,
Die Mutter hebt ihr Kind zum Himmel empor.
Als wollt' sie's werfen zum Himmel hinein. –
Da steht der Bau, des letzten Nagels gewärtig –
»Schlagt zu in's Teufels Namen, daß es fertig!«
Flucht's durch die Nacht –
            Und »Herrgott, steh uns bei!«
Betet die Mutter und schlägt mit Schreckensgewalt
Zusammen die Hände, daß hell es erschallt –
Aufwacht der Hahn – er schlägt die Flügel – und hei,
Hell tönet der heilige Hahnenschrei,
Noch ehe der Hölle Schlag getan! –
Hahnenschrei! Vorbei! Spurlos fort und teufelsschnell
In Kluft und Luft, wie sie kamen, stieben Meister und Gesell –
Hoch am Giebel wehet das verlorne Tuch –
Zu Gottes Segen ward des Teufels Fluch.


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