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Am Strom der Themse
Der Bau des Tunnels unter der Londoner Themse wurde 1825 von Mark Isambard Brunel begonnen. stand der Mensch und maß
Des Bettes Breite, Tiefe, Uferhöhe,
Der Strömung Gang und wechselnde Gewalt,
Maß so mühselig ernst, als müsse er
Den Irrtum gegen eine Welt vertreten
Und büßen jeden fehlgemeßnen Zoll
Mit ew'gem Vorwurf.
Endlich ging er heim,
Die Rechnung anzulegen auf Unsterblichkeit.
Nacht ward's – und öde lag die Stadt der Meere,
Es stockte das metallne Herz des Handels,
Wohin aus allen Zonen, kalt und heiß,
Die großen Adern treiben. – London schlief.
Und wieder an dem Strome stand der Mensch.
Da hob des Stroms demantner Spiegel sich
Gedankenleis aus tiefsmaragdnem Grunde,
Und Millionen Perlen gossen strahlend
Sich aus der stolzen Wölbung dunklem Bogen,
Und seinem feuchten Bette, schilfbekränzt,
Entstieg der Themse alter Gott:
»Was willst
Du Mann da ohne Schlaf am müden Strom?
Was spannt dein Aug' die stille Brücke drüber?
Geh heim, es drückt dein Blick mein silbern Haupt,
Und finster ging dein Geist durch meinen Traum.
»Was wollt ihr
noch? – O schämet euch der Frage!
Hab' eurer Wünsche Last ich nicht getragen,
Jahrhunderte den Handel einer Welt?
Geh heim, du wehrst dem Stern mit deinem Schatten,
Er sucht die alte Ruh' an meinem Busen.
»Du säumst noch – schweigst? – Und tiefer bohrt dein Auge
In mein empfänglich Reich sich ein? – Verwegner!
Noch lebt in mir der alte Gott! – Ich weiß –
Du kannst mir schweigen, doch verschweigen nichts.
Nicht
über meine Wogen willst du bauen,
Das ist schon da. Was kann's dich noch erheben?
Willst, unterwühlend meines Bettes Grund,
Der Welt und dir ein neues Wunder bringen.
Doch nicht erreichst du deinen Plan, solange
Noch meine Brust die ew'gen Sterne trägt.
Von meinen Bergen ruf' ich alle Quellen,
Auch die verborgensten, aus tiefem Schacht.
Soll vor dem winz'gen Funken Menschenwitz
Der alten Götter Sonne untergehen?
Wähnt ihr, es sei getan, weil ihr's gewollt?
Nur eines Gottes Wille ist die Tat;
Und zwischen eurem Wollen, eurem Tun
Liegt euer Tod. – Geh heim, du Mann des Todes!
Frag' deine Weltgeschichte! Was dein Werk?
Zu Ende schon, noch eh' es da! – Dein Leben?
Unendlich Wollen und ein endlich Können!
Dein Ewiges nur die Vergänglichkeit.
»Lösch' aus die Rechnung, die du mir gemacht!
Mit deinen Zahlen baust du keine Wunder:
Zuletzt doch sind sie null in ihren Summen.
»Sieh her! Dein schönstes Schiff – es sinkt in Grund!
Und mehret nur den alten Nixenschatz,
Den aufgespeichert in der Tiefe Räumen
Die Menschengüter von Jahrtausenden,
Aufzehrend sich an eigner Nichtigkeit.
Warum – du Gründer ew'ger Wunder, sprich! –
Versank vor deinem Aug' der prächt'ge Bau,
Den eures Witzes ganze Kraft ersonnen
Und tausend eurer Hände ausgeführt?
»Der kleine Wurm, er bohrte ihn in Grund,
Der Bohrwurm! – Hörest du die Fluten lachen
Von meinen Quellen bis zum Ozean? –
Der Bohrwurm, unsrer Wasser letzte Schöpfung!
Ein
Wurmfraß du und deine Wunder, Mensch!
»Nimm hin den Kiel, das Herz von deinem Bau,
Und lerne vom verächtlich kleinen Wurm,
O Mensch, die Größe deiner Werke kennen!«
So sprach der Gott, und seine Wogen trugen
Heran den wurmdurchfreßnen Kiel und warfen
Die Trümmer grollend vor des Menschen Füße. –
Und auf die Trümmer seiner Werke, auf
Die Wege eines Wurmes schaut der Mensch
Und lernte, wie ein Gott es ihm geheißen,
Vom kleinen Wurm die Größe seiner Werke
Und von den Trümmern herrlicher erbaun.
Sein Werk vernichtend, gab der Gott ihm selber
Zum größern Werke das Geheimnis: was
Der Mensch gewollt, geschah – da steht das Wunder
Auf Wurmes Plan, zum Trotze allen Göttern.
Brunel soll, nachdem die früheren Arbeiten mehrmals durch das Eindringen des Themsewassers gestört worden waren, zu der jetzigen Konstruktion durch die Betrachtung der Gänge des Bohrwurms in einem Stück Schiffbauholz gekommen sein. –