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Sengend lag die Glut des Sommers
Über Rom, der alten Weltstadt;
Träge wälzt' der Tibris seine
Blonden Wellen; wälzt' sie mehr aus
Pflichterfüllung, weil es einmal
Sein Beruf als Strom so mitbringt,
Als aus innerm Triebe durch die
Zitternd heiße Luft dem Meer zu.
Unten tief im Wellengrunde
Saß der Alte, und er brummte:
»O wie langsam spinnt die Zeit sich!
Ich bin müd', wann kommt das Ende
Dieses monotonen Treibens?
Wannen wird die Meeressturmflut
Dieses Stücklein Erd' verschlingen
Und die Bäche und die Flüsse,
Und auch mich, den Stromesalten,
Insgesamt zum all und einz'gen
Weltenwasser in sich fassen?
Selbst die Mauern dieser Roma
Zu bespülen macht mir Langweil,
Und was frommt's, daß man den Boden
Und mich selber klassisch nennt?
Hingeschwunden, Staub und Asche
Sind die heitern Römersänger,
Die, den Lorbeer auf dem Haupte
Und den Rhythmus tief im Herzen,
Einstens meinen Ruhm gesungen;
Andre kamen, und sie gingen
Wie die ersten, und so wird's noch
Lang dasselbe Schattenspiel sein.
's gilt mir gleich; doch wer berechtigt
Die da droben, mich zu stören?
O was haben diese Menschen
Schon in meine stillen Tiefen
Rücksichtslos hinabgeschleudert!
Wo mir sonst mit heil'gem Schilfe
Einen Pfühl für die Siesta
Meine Nymphen hergerichtet,
Allda liegt nur Schutt und Trümmer:
Römerhelme, Gallierschwerter,
Alt-Etrurisch Prachtgeräte
Und die schönen Marmorbilder,
Die vom Grabmal Hadriani
Einst auf schwere Gotenschädel
Niederkrachten, – samt den Knochen
Der Verteid'ger und der Stürmer,
Gleich als wär' mein Strombett eine
Welthistor'sche Rumpelkammer.
O wie bin ich satt und müde;
Alte Welt, wann kommt das Ende?«
– Während so der biedre Tibris
Seinem Groll in mißzufriednem
Räsonieren ein'ge Luft macht',
Wogte oben buntes Leben,
Und im Feierkleide zog die
Menge nach dem Vatikan.
Kaum war auf der Engelsbrücke
Raum für alle; drängend kamen
Die Signori in dem span'schen
Mantel mit Perück' und Degen,
Schwarze Franziskaner-Mönche
Mit den braunen Kapuzinern,
Röm'sche Bürger, – da und dort ein
Sonnverbrannter wilder Hirte
Der Campagna, mit antikem
Stolz die Lumpen umgeschlagen, –
Und dazwischen, leichten Ganges,
Wandelten die Töchter Romas
Schwarzverschleiert, doch der Schleier
Hemmt nicht ihre kecken Blicke.
(O was ist die Glut der Sonne,
Wär' sie auch von kund'gem Meister
Im Brennspiegel aufgefangen,
Gegen diese röm'schen Blicke?
Schweig, du mein versengtes Herz!)
Von der Engelsburg hernieder
Flattern wallend die Standarten
Mit den päpstlichen Insignien:
Mitra und gekreuzten Schlüsseln,
Kündend, daß heut hoher Festtag
Des Apostelfürsten Petrus.
Vor Sankt Peters stolzem Dome
Sprangen schäumend die Fontänen,
Regenbogenfarben sprühten
Über den granitnen Schalen
Und, ein fremder Riese, schaut des
Königs Rhamses Obeliskus
Zu der Menschen Wimmeln nieder.
Und er klagte auf ägyptisch:
»Unklar Volk, das Volk der Römer!
Kaum verstand ich, was sie einst zu
Kaiser Neros Zeit getrieben,
Jetzt versteh' ich's noch viel wen'ger.
Aber soviel weiß ich, daß es
In Italien frierend kalt ist.
Amun-Rè, du Gott der Sonne,
Komm und trage mich von hinnen,
Trag mich heim zu deinem Tempel
In den heißen Sand von Theben!
Amun-Rè, du Gott der Sonne,
Trag mich heim zur alten Freundin,
Zu der Sphinx, und laß mich wieder
Durch die Wüstenglut des Memnon
Klingend Steingebet vernehmen!«
Auf des Vatikanes Stieg' und
Durch die hohen Kolonnaden
Schritten Schweizer Hellbardiere,
Wache haltend auf und nieder.
Klirrend dröhnt der Widerhall der
Schweren Schritte durch die Räume.
Zu dem grauen Korporal sprach
Traurig dort ein junger Landsknecht:
»Schön zwar sind und stolz wir Schweizer,
Und kein andrer Kriegsmann schreitet
Also schmuck durch Romas Straßen
In dem leichten Stahlkürasse,
In dem scharz-rot-gelben Leibwams;
Scheu verstohlen vom Balkone
Schaut nach uns manch feurig Auge,
Aber immer sehnt das Herz sich
Wie zu Straßburg auf der Schanze,
Bei des Alphorns leisem Blasen
Heimwärts, heimwärts in die Berge.
Gerne würd' ich alles missen:
Handgeld, Sold, die Silberskudi,
Selbst des heil'gen Vaters Segen,
Selbst den Wein von Orvieto,
Der so süß im Humpen perlt,
Könnt' ich wieder am Pilatus
Durch Lawinensturz und Felsen
Auf des Gamstiers flücht'ger Fährte
Als verwegner Weidmann ziehn,
Oder leis im Schein des Mondes
Über würz'ge Alpenmatten
Schleichen nach der Sennhütt' Lichtlein
Zu der Sennin, zu der blonden
Appenzeller Kunigundis,
Und hernach der Morgensonne
Freudig laut entgegenjodeln.
O Sankt Peter! auch die feine
Kirchenmusika vergäß' ich,
Hört' ich wieder den bekannten
Einsam schrillen Höhlenpfiff des
Heimatlichen Murmeltiers!«
Auf Sankt Peters hohen Stufen
Standen dicht gedrängt die jüngern
Eleganten Pflastertreter,
Must'rung haltend über all die
Wagen und die Staatskarossen,
Die jetzt angefahren kamen.
»Seht ihr dort die Eminenza
Mit dem Vollmondsangesichte,
Mit dem Doppelkinn, – sie stützt sich
Auf den gallonierten Diener?
's ist der Kardinal Borghese,
Der säß' heut wohl lieber in der
Stille der Sabinerberge
Auf der luft'gen Villa, bei der
Ländlich schönen Donna Baldi.
's ist ein feiner Herr, er liebt die
Klassiker, und insbesondre
Liebt er das Bukolische.«
»Wer ist doch,« so fragt ein andrer
»Dort der imposante Herre,
Seht ihr nicht? es hängt die güldne
Ehrenkette auf der Brust ihm,
Und er schüttelt die Perücke
Wie ein Zeus Olympikus?«
»Was? Ihr kennt ihn nicht?« erwidert
Drauf geschwätzig ihm ein Dritter,
»Ihn, den Kavalier Bernini?
Der das Pantheon verbessert,
Der der Peterskirche erst die
Rechte stolze Form gegeben
Und das güldne Tabernakel
Überm Grab des Heil'gen – 's kostet
Mehr als hunderttausend Skudi?
Zieht den Hut ab, seit die Welt steht
Sah sie keinen größern Meister,
Sah sie – –« doch dem Redner klopft ein
Mann mit grauem Knebelbarte
Auf die Schulter, höhnisch sprach er:
»Herr, Ihr irrt Euch, seit die Welt steht,
Sah sie keinen größern Pfuscher!
Das sag' ich, Salvator Rosa!«
Wagen rasseln, voraus reiten
Diener, Uniformen glänzen,
Und mit stattlichem Gefolge
Schreitet eine ält're Dame
Aufwärts zum Portal des Doms.
»Wie sie altert,« sprach drauf einer,
»Die Frau Königin von Schweden.
Denkt's Euch noch, wie wunderschön sie
War bei ihrem ersten Einzug?
Eine Blumenmauer stand das
Tor del Popolo geschmückt und
Bis zu Ponte molle zog ihr
Grüßend Romas Volk entgegen.
Weit hinab den Korso, bis zum
Venetianischen Palaste,
War des Jubelrufs kein Ende.
Seht ihr auch den kleinen Herrn dort
Mit dem Buckel? Eben nießt er.
Diesem ist sie sehr gewogen,
Die Frau Königin Christina.
's ist ein grundgelahrtes Männlein.
's ist der Philolog Naudäus.
Der weiß, wie's vor Zeiten zuging,
Und er selbst hat neulich einen
Echt antiken Saltarello
Drüben bei dem Fürst Corsini
Zur Belehrung vorgetanzt.
Die Gesellschaft lachte, daß man's
Bis am Tiberufer hörte.«
Unbeachtet im Gedränge
Kam jetzt ein schwerfäll'ger Wagen,
Saßen drin zwei schwarze Damen,
Doch der Pferde Zügel lenkt' der
Treue Anton, sorgsam rief er:
»Platz, ihr Herren, für die gnäd'ge
Frau Abtissin und das Fräulein!«
Rief's auf deutsch, die Römer lachten.
Mit erstaunten Augen sah er
In die fremde Welt, er sah auch
Das Gefolg der Schwedenfürstin,
Sah dort einen greisen Kutscher,
Mürrisch sprach er von dem Bocke:
»Kenn' ich dich, du alter Schwede?
Standst du nicht dereinst beim blauen
Regiment von Südermannland?
Soll ich mich vielleicht noch für den
Hieb in Arm bei dir bedanken,
Den du in der Schlacht bei Nürnberg
Freundlichst mir verabreicht hast?
's ist doch ein merkwürd'ger Landstrich,
Dieses Rom, – viel längstvergessne
Freund' und Feinde sieht man wieder!«
– Auf italischem Boden grüßet
Jetzt der Sang schön Margareta;
Gerne möcht der blassen Jungfrau
Er des Südens schönste Blüten
Auf den Pfad streun, daß ein Lächeln
Übers ernste Antlitz flöge,
Doch seit Werner aus dem Schloß ritt,
War der Scherz ein seltner Gast ihr.
Einmal noch sah man sie lachen,
Als der schwäb'sche Junker ankam,
Aber 's war ein herbes Lachen,
Herb, wie von der Mandolin der
Klagton der gesprungnen Saite.
Und der Junker ritt nach Hause
Ledig, wie er ausgeritten.
Schweigend härmte sich die Holde,
Härmte Monde sich und Jahre,
Und teilnehmend sprach zum Freiherrn
Drauf die alte Fürstabtissin:
»Euer Kind gedeiht nicht mehr auf
Unserm Boden, langsam welkt das
Arme Herz in seinem Kummer.
Heilsam ist 'ne Luftveränd'rung,
Laßt mit mir drum Margareta
Nach Italien; muß ich doch in
Alten Tagen noch nach Rom gehn.
Denn in Chur der böse Bischof
Droht des Stiftes schönste Güter
In der Schweiz an sich zu ziehn,
Und ich werd' ihn jetzt verklagen,
Werd' dem heil'gen Vater sagen:
Seid mir gnädig und bestraft den
Groben Bischof von Graubünden.«
Sprach der Freiherr: »Nehmt sie denn, und
Geb' der Himmel seinen Segen,
Daß Ihr mir mit roten Wangen
Und vergnügt mein Kind nach Haus bringt.«
Also fuhren sie nach Welschland,
Es kutschiert' der treue Anton.
Jetzo öffnet er des Wagens
Schlag und nach der Peterskirche
Schritt die alte Fürstabtissin,
Ihr zur Seite Margareta.
Staunend schaute sie die Pracht der
Ungeheuren Räume, drin die
Menschen klein wie Punkte aussehn,
Schaut die ries'gen Marmorpfeiler
Und die goldgeschmückte Kuppel.
In des Mittelschiffes Nische
Steht Sankt Petrus ehrne Bildsäul'.
Diese trug heut einen ganzen
Papstornat, es schmiegte schwer der
Schwere Goldstoff um das Erz sich,
Auf dem Haupte saß die Mitra.
Und sie sahen, wie ein mancher
Dort den Fuß des Standbilds küßte.
Zur Estrade am Altar, zum
Ehrensitz der fremden Gäste
Führte drauf ein Kammerherr des
Papsts die beiden deutschen Damen.
Jetzo klang Musik und durch die
Seitentür vom Vatikan her
Hielt der heil'ge Vater seinen
Einzug in die Peterskirche.
Stämm'ge Schweizer Hellbardiere
Schritten an des Zuges Spitze,
Ihnen folgten der berühmten
Päpstlichen Kapelle Sänger.
Schwere Notenbücher trugen
Die Chorknaben, mancher schleppte
Mühsam nur den Foliantband.
Drauf in bunter Reihe kamen
Violette Monsignori,
Kamen Äbte und Prälaten
Und die Domherrn von Sankt Peter
Schweren Gangs – der fetten Pfründe
War das Äußre auch entsprechend.
Zitternd an dem Stabe ging der
General der Kapuziner,
Eine Last von mehr als neunzig
Jahren ruhte auf den Schultern,
Doch im Haupte trug er noch manch
Jugendkühnen Plan verborgen,
Mit den Franzikanern aus dem
Kloster Arca coeli kam der
Prior auch von Pallazzuola.
Am Albaner See, am schatt'gen
Waldabhang des Monte Cavo
Steht sein Klösterlein, es mag das
Herz dort stille Träume träumen;
In Gedanken schritt er selber,
Und, wer weiß warum, sein Murmeln
Klang nicht wie Gebet, es klang wie:
»Fahre wohl Amalia!«
Drauf, ein auserlesen Häuflein,
Kam die Schar der Kardinäle,
Weithin auf dem Marmorboden
Wallt' des Purpurkleides Schleppe.
Herz, gedulde dich, so dacht' der
Kardinal von Ottoboni,
Jetzt der zweiten einer, doch in
Weniger als sieben Jahren
Sitz' ich selbst auf Petri Stuhl.
Dann ein Zug von Kavalieren,
Blank der Degen, militärisch
Rückten sie in Reih' und Glied an,
's war des Papstes Nobelgarde;
Und der heil'ge Vater selber
Nahte jetzt, – auf einem Throne
Trugen ihn der Diener acht,
Überm Haupte hielten Pagen
Ihm den Pfauenfederfächer.
Schneeweiß war sein linnen Festkleid,
Segnend hob er seine Rechte,
Dran Sankt Peters Fischerring blitzt,
Und die Menge beugte stumm sich.
Angelangt am Hauptaltare
War der Zug jetzt und es hielt der
Papst das feierliche Hochamt
Über des Apostels Grab.
Feierlich und ernst erklang des
Chorgesangs ehrwürd'ge Weise,
Die der Meister Palestrina
Strengen Sinnes einst gesetzt,
Und die alte Fürstabtissin
Betete in frommer Andacht.
Aber Margareta hob den
Blick, es klang ihr der Gesang als
Wie ein Ton von oben, und sie
Wollt' empor zum Himmel schauen,
Doch das Auge haftet' auf der
Sänger Loge, und sie bebte:
In der Sänger Mitte stand ein
Hoher Mann mit blonden Locken,
Halbverdeckt vom Marmorpfeiler.
Und sie schaute wieder aufwärts,
Schaute nicht mehr nach dem Papste,
Nicht mehr nach den Kardinälen,
Nicht mehr nach den neunundachtzig
Lampen über Petri Grab. –
»Alter Traum, was kehrst du wieder?
Alter Traum, und was verfolgst du
Mich bis zu geweihter Stätte?«
Leis verhallt der letzte Ton, es
War die Funktion beendet.
»Fräulein, und was seht Ihr blaß aus?«
Sprach die alte Fürstabtissin,
»Nehmt mein Fläschlein, 's wird Euch gut tun,
's ist wohlriechende Essenz drin
Aus der Klosterapotheke
Von San Marco zu Florenz.«
Jetzo schritt der Zug der Sänger
An der Damen Sitz vorüber.
»Gott im Himmel, sei mir gnädig,
Ja, er ist's! ich kenn' die Narbe
Auf der Stirn, – es ist mein Werner!«
Trübe ward's vor Margaretas
Augen, – Herz, was schlägst du wilde?
Nimmer wollt' der Fuß sie tragen,
Und ohnmächtig sank die Jungfrau
Auf den kalten Marmorboden. |