Viktor von Scheffel
Der Trompeter von Säkkingen
Viktor von Scheffel

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Fünf Jahre später.

Werners Lieder aus Welschland.

I.

    Mir ist's zu wohl ergangen,
Drum ging's auch bald zu End',
Jetzt bleichen meine Wangen,
Das Blatt hat sich gewend't.

Die Blumen sind erfroren,
Erfroren Veil und Klee,
Ich hab' mein Lieb' verloren,
Muß wandern tief im Schnee.

Das Glück läßt sich nicht jagen
Von jedem Jägerlein,
Mit Wagen und Entsagen
Muß drum gestritten sein.

II.

        An wildem Klippenstrande
Ein Felsblock einsam ragt,
Ihn haben von dem Ufer
Die Wellen losgenagt.

Jetzt liegt er halb versunken
Landfern im grünen Meer.
Die weißen Möwen flattern
Schrill kreischend um ihn her.

Auf dunkeln Wasserpfaden
Tanzt spielend leicht ein Schiff,
Es klingt ein fremdes Singen
Heran zum Felsenriff.

»O wenn ich doch am Rheine
Bei meiner Liebsten wär',
O Heimat, alte Heimat,
Wie machst das Herz du schwer!«

III.

                Die Sommernacht hat mir's angetan,
Das ist ein schweigsames Reiten,
    Leuchtkäfer durchschwirren den dunkeln Grund
    Wie Träume, die einst zu guter Stund'
    Das sehnende Herz mir erfreuten.

Die Sommernacht hat mir's angetan,
Das ist ein schweigsames Reiten,
    Die Sterne funkeln so fern und groß,
    Sie spiegeln so hell sich im Meeresschoß,
    Wie die Lieb' in der Tiefe der Zeiten.

Die Sommernacht hat mir's angetan,
Das ist ein schweigsames Reiten,
    Die Nachtigall schlägt aus dem Myrtengesträuch,
    Sie schlägt so schmelzend, sie schlägt so weich,
    Als säng' sie verklungene Leiden.

Die Sommernacht hat mir's angetan,
Das ist ein schweigsames Reiten,
    Das Meer geht wild, das Meer geht hoch;
    Was braucht's der verlorenen Tränen noch,
    Die dem stillen Reiter entgleiten?

IV.

        Sonne taucht in Meeresfluten,
Himmel blitzt in letzten Gluten,
Langsam will der Tag verscheiden,
Ferne Abendglocken läuten –
    Dein gedenk' ich, Margareta.

Haupt gelehnt auf Felsens Kante,
Fremder Mann in fremdem Lande,
Um den Fuß die Wellen schäumen,
Durch die Seele zieht ein Träumen –
    Dein gedenk' ich, Margareta.

V.

            O Römerin, was schaust du
Zu mir mit sengenden Blicken?
Dein Aug' ist schön, doch nimmer wird's
Den fremden Mann berücken.

Jenseits der Alpen steht ein Grab,
Gegraben am grünen Rheine,
Drei wilde Rosen blühen darauf,
Seine Liebe liegt dareine.

O Römerin, was schauest du
Zu mir mit sengenden Blicken?
Dein Aug' ist schön, doch nimmer wird's
Den fremden Mann berücken.

VI.

      Nun schreit' ich aus dem Tore
Ins weite, öde Feld,
Dort ist der große Kirchhof
Der alten Römerwelt.

Die ruht von Lieb' und Hasse,
Von Lust und Kampf und Strauß
Dort an der appischen Straße
Im Marmorgrabe aus.

Mich grüßt der Turm, vergüldet
Vom Abendsonnenstrahl,
Cäcilia Metella,
Dein trutzig Totenmal.

In seinen Trümmern steh' ich,
Den Blick gen Nord gewandt,
Da fliegen die Gedanken
Weit übers welsche Land

Zu einem andern Turme,
Der hat viel klein're Stein,
Am rebumrankten Fenster
Sitzt die Herzliebste mein.

VII.

        Nun liegt die Welt umfangen
Von starrer Winternacht,
Was frommt's, daß am Kamin ich
Entschwundner Lieb gedacht?

Das Feuer will erlöschen,
Das letzte Scheit verglüht,
Die Flammen werden Asche,
Das ist das End vom Lied,

Das End vom alten Liede,
Mir fällt kein neues ein,
Als Schweigen und Vergessen –
Und wann vergäß' ich dein?

VIII.

        Das drängt und jubelt, singt und klingt
Durch Roms verwitterte Straßen,
Die Narrheit hoch die Fahne schwingt,
Die Maskenschwärme rasen.

Den Korso auf und nieder jagt
Die leichte Schar der Wagen,
Da wird die große Blumenschlacht
Des Karnevals geschlagen.

Mit Ros' und Veilchen wird scharmützt,
Hei! wie die Sträuße fliegen!
Der traf – Glück zu! ihr Auge blitzt –
Wirf weiter, – du wirst siegen!

Auch du, mein Herz, sei freudig heut,
Vergiß, was du gelitten,
Laß alte Zeit und altes Leid
Von Blumen überschütten!

IX.

        Am grünen See von Nemi
Ein alter Ahorn steht,
Durch die laubschweren Wipfel
Ein traurig Flüstern geht.

Am grünen See von Nemi
Ein junger Spielmann sitzt,
Er summt ein Lied, derweil ihm
Die Trän' im Auge blitzt.

Am grünen See von Nemi
Die Flut zieht leis und still:
Der Ahorn und der Spielmann,
Weiß keiner, was er will.

Am grünen See von Nemi
Ist die allerfeinste Schenk',
– Preiswürd'ge Makkaroni,
Preiswürdigstes Getränk.

Der Ahorn und der Spielmann
Sind zwei verrückte Leut',
Sonst gingen beid' hinüber
Und tränken sich gescheit.

X.

        Im Herz tobt altes Grollen,
Der Sturm pfeift durch die Luft –
»Du kommst mir eben rechte
Des Weges, welscher Schuft!

Dein Dolchstoß ist parieret,
Nun, werter Freund, hab acht,
Wie auf den welschen Schädel
Die deutsche Klinge kracht!«

– Die Sonn' war untergegangen
Fern, fern beim Vatikan;
Sie schien des andern Morgens
Auf einen toten Mann.

XI.

                O Ponte molle, du treffliche Bruck,
Bei der ich geschlürft schon manch tapfern Schluck
    Aus strohumflochtener Flaschen,
O Ponte molle, was ist mit dir?
Als einsamer Trinker sitz' ich allhier,
    Kaum mag ich des Weines naschen.

O Ponte molle, 's war seltsam heut,
Die süße verklungene Jugendzeit
    Und die alte Liebe kam wieder,
Es zieht ein heißer Scirocco durchs Land,
Im Herzen lodert der alte Brand,
    Es regt sich wie Sänge und Lieder.

O Tibrisstrom, o Sankt Peters Dom!
O du ganzes gewaltig allmächtiges Rom!
    – Mögt allsamt gestohlen mir werden.
Wohin auch die unstete Fahrt mich trieb,
Die stille, holdselige Schwarzwaldlieb
    Bleibt doch das Schönste auf Erden.

O Ponte molle, – wie war sie schön!
Und müßt' ich viel tausend Fräulein noch sehn,
    Ich priese doch steht nur die Eine.
Und käme sie jetzo des Wegs vorbei,
Dir selbst, du solides Quadergebäu,
    Durchzuckte es Mark und Gebeine.

Doch vergeblich die Sehnsucht, vergeblich das Leid.
Die Sonn' ist zu glühend, der Weg zu weit
    Und das Fliegen noch nicht erfunden.
Padrone, noch eine Flasche herein!
Der perlenreiche Orvietowein
    Mag auch dem Traurigen munden.

O Ponte molle, du treffliche Bruck,
Ich glaube, du lohnest mit bösem, Spuk,
    Daß ich mich in Träumen verloren!
Es wirbelt ein Staub an der Heerstraß' auf;
Jetzt sperrt mir ein Ochsen- und Büffelhauf'
    Den Heimweg zu Romas Toren!

XII.

(Monte Testaccio.)

        I weiß nicht, was da noch werden soll?
Schon dämmert's im feuchten Grunde,
Die Fledermaus mach ahnungsvoll
Um den alten Stadtwall die Runde,
    Am Scherbenberg wird's öd und still,
    Ich glaub', die alte Wirtin will
        Bereits die Schenke verschließen.

Ein Käuzlein hör' ich drüben schrei'n,
Wo die Grabzypressen trauern,
Campagnanebel ziehen herein,
Verhüllt stehen Tor und Mauern;
    Es wogt und wallt wie ein Geisterheer
    Um Cestius' Pyramide her
        Was mögen die Toten wollen?

Jetzt zuckt und flammt um den Berg ein Licht,
Die grauen Wolken verfliegen;
Es kommt mit neidisch gelbem Gesicht
Der Vollmond aufgestiegen,
    Er scheint so grell, er scheint so fahl,
    Er scheint mir mitten in Weinpokal,
        Das kann nichts Gutes bedeuten.

Und wer von der Liebsten scheiden gemüßt,
Dem wird sie nur um so lieber,
Und wer zu lang in der Nachtluft sitzt,
Bekommt in Rom das Fieber.
    Schon löscht die Wirtin die Lampe aus –
    Felice notte! ich geh' nach Haus,
        Die Zeche bezahl' ich morgen.

XIII.

        Hell schmetternd ruft die Lerche
Mich aus dem Traume wach,
Es grüßt im Morgenschimmer
Der junge Frühlingstag.

Im Garten rauscht die Palme
Geheimnisvoll bewegt,
Ans ferne Meeresufer
Die Brandung schäumend schlägt.

Und ehern blau der Himmel,
Gülden der Sonnenschein,
Mein Herz, was willst du weiter?
Stimm in den Jubel ein!

Und sing ein Lied zum Preise
Deinem alten Gott und Herrn,
Er hat dich nie verlassen,
Du nur, du bist ihm fern.

XIV.

        Im Dienst – im Dienst! o schlimmes Wort,
Das klingt so starr und frostig;
Die Lieb' ist hin, der Lenz ist fort,
Mein Herz, werd' mir nicht rostig.

Trompete sieht mich traurig an,
Mit Flor ist sie umhangen;
Sie haben den lustigen Fiedelmann
In Käfig eingefangen.

Die schwere Zeit, die schwere Not
Sank lastend auf ihn nieder,
Muß spielen um sein täglich Brot –
Verstummt sind seine Lieder.

Der einst, die Zither leicht im Arm,
Sang an des Rheines Welle,
Schlägt jetzt den Takt – daß Gott erbarm!
In der Sistinschen Kapelle.


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