Viktor von Scheffel
Der Trompeter von Säkkingen
Viktor von Scheffel

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Vierzehntes Stück.

Das Büchlein der Lieder.

        Werner ritt hinaus ins Weite,
Margareta blieb in Trauern,
Bis sich beide wiederfinden,
Wird's wohl ein paar Jahre dauern.

Doch, derweil ich keine schroffen
Sprüng' zu machen bin gewillt,
Sei mit buntem Liederstrauße
Diese Lücke ausgefüllt.

Lieder jung Werners.

I.

        Als ich zum erstenmal dich sah,
Verstummten meine Worte,
Es löste all mein Denken sich
In schwellende Akkorde.

Drum steh' ich arm Trompeterlein
Musizierend auf dem Rasen,
Kann dir nicht sagen, was ich will,
Kann meine Lieb' nur blasen.

II.

            Als ich zum erstenmal dich sah,
Es war am sechsten Märze,
Da fuhr ein Blitz aus blauer Luft
Versengend in mein Herze.

Hat all verbrannt, was drinnen stand,
Es ist mir nichts geblieben.
Doch efeugleich wächst aus dem Schutt
Der Name meiner Lieben.

III.

        O wende nicht den scheuen Blick
Und fleuch nicht zag und bange,
Kehr zum Balkone keck zurück
Und lausche meinem Sange.

Vergeblich Mühn, mir zu entfliehn,
Ich blase ruhig weiter,
Da werden meine Melodien
Zur wundersamen Leiter.

Auf der Akkorde Sprossen schwingt
Die Lieb' empor sich leise,
Durch Schloß und Riegel zu dir klingt
Dann wiederum die Weise:

O wende nicht den scheuen Blick
Und fleuch nicht zag und bange,
Kehr zum Balkone keck zurück
Und lausche meinem Sange.

IV.

        Am Ufer blies ich ein lustig Stück,
Wie klang die alte Trompete
Hell in den Sturm, der das Getön
Zum Herrenschloß verwehte.

Die Wasserfrau im tiefen Grund
Hört Sturm und Töne rauschen,
Sie steigt herauf, neugierig will
Die Klänge sie erlauschen.

Und als sie wieder hinabgetaucht,
Erzählt sie den Fischen mit Lachen:
»O Rheineskinder, man erlebt
Doch sonderbarliche Sachen.

Sitzt oben einer im Regensturm;
Was glaubt ihr, daß er triebe?
– Bläst immerzu dasselbe Lied,
Das Lied von seiner Liebe.«

V.

            Frau Musika, o habet Dank
Und seid mir hoch gepriesen,
Daß Ihr in Sang und Spielmannskunst
Mich löblich unterwiesen.

Die Sprache ist ein edel Ding,
Doch hat sie ihre Schranken;
Ich glaub', noch immer fehlt's am Wort
Für die feinsten und tiefsten Gedanken.

Schad't nichts, wenn auch ob Dem und Dem
Die Reden all verstummen,
Es hebt sich dann im Herzensgrund
Ein wunderbares Summen.

Es summt und brummt, es tönt und weht, –
Schier wird's dem Herz zu enge,
Bis daß vollendet draus entschwebt
Der Geisterschwarm der Klänge.

Und vor der Liebsten ständ' ich oft
Als wie der dümmste Geselle,
Hätt' ich nicht gleich ein frisches Lied
Und die Trompet' zur Stelle.

Drum habet Dank, Frau Musika,
Und seid mir hoch gepriesen,
Daß Ihr in Sang und Spielmannskunst
Mich löblich unterwiesen.

VI.

        Die Raben und die Lerchen
Sind gar verschiedner Art,
Ich kann mein' Freud' nicht bergen,
Daß ich kein Schreiber ward.

Die Welt ist nicht von Leder,
Im Tannwald wächst kein Stroh,
Als lustiger Trompeter
Blas ich halli, hallo!

Das jubelt, schallt und lärmet,
Das ist ein hell' Getön:
Wer sich des Klanges härmet,
Der mag ins Kloster gehn.

Und regnet's einmal Tinte,
Und schneit's mit Streusand drein,
Dann reut mich meine Sünde,
Dann laß ich's Blasen sein.

VII.

            Wo an der Brück' die Woge schäumt,
Da schwamm die Frau Forelle,
Sie schwamm zum Vetter Lachs hinab:
»Wie geht's Euch, Stromgeselle?«

»'s geht gut,« sprach er, »doch denk' ich g'rad:
Wen nur das Donnerwetter
Erschlüg' den Musikanten, den
Gelbschnäbligen Trompeter!

Den ganzen Tag am Ufer geht
Der junge Herr spazieren!
Rheinab, Rheinauf hört nimmer auf
Sein leidig Musizieren.«

Vergnügt die Frau Forelle sagt:
»Herr Vetter, Ihr seid grobe!
Erlaubt, daß ich im Gegenteil
Den Herrn Trompeter lobe:

Wär' Euch, wie dem, in Lieb' geneigt
Die schöne Margareta,
Ihr lerntet in alten Tagen noch
Höchstselber die Trompeta!«

VIII.

        O wolle nicht den Rosenstrauß
Huldvoll als Gruß mir reichen,
Ein immergrünes Stechpalmreis
Sei unsrer Liebe Zeichen.

Der Blätter Kranz im stillen Glanz
Die reifende Frucht beschützet,
Und fremde Hand, die ohn' Verstand
Dran tastet, wird geritzet.

Die Rose prangt, doch kommt der Herbst,
Steht sie verwelkt und trauert,
Des Stechpalmblatts bescheiden Grün
Den Winter überdauert.

IX.

        Lind duftig hält die Maiennacht
Jetzt Berg und Tal umfangen!
Da komm' ich durch die Büsche sacht
Zum Herrenschloß gegangen.
Im Garten rauscht der Lindenbaum,
Ich steig in seine Äste
Und singe aus dem grünen Raum
Hinauf zur hohen Feste:

    »Jung Werner ist der glückseligste Mann
    Im römischen Reich geworden,
    Doch wer sein Glück ihm angetan,
    Das sagt er nicht mit Worten.
    Das sagt er nur mit Hei Juhei! –
    Wie wunderschön ist doch der Mai,
    Feinslieb, ich tu' dich grüßen!«

Im Wipfel hoch die Nachtigall
Stimmt ein mit süßem Schlagen,
Durch Berg und Tal wird weit der Schall,
Der Schall des Lieds getragen.
Drob schauen rings die Vögel auf,
Der Sang tät sie erwecken;
Bald schmettert laut der helle Hauf
Aus Busch und Zweig und Hecken:

    »Jung Werner ist der glückseligste Mann
    Im römischen Reich geworden,
    Doch wer sein Glück ihm angetan,
    Das sagt er nicht mit Worten.
    Das sagt er nur mit Hei Juhei! –
    Wie wunderschön ist doch der Mai,
    Feinslieb, ich tu' dich grüßen!«

Die Welle hört's, die Welle bringt's
Stromabwärts an die Häuser,
Aus nebelgrauer Ferne klingt's
Zurück mir leis und leiser.
Und oben hoch im Maienduft
Seh' ich zwei Engel fliegen,
Wie Harfenton kommt durch die Luft
Ihr Sang herabgestiegen:

    »Jung Werner ist der glückseligste Mann
    Im römischen Reich geworden,
    Doch wer sein Glück ihm angetan,
    Das sagt er nicht mit Worten.
    Das sagt er nur mit Hei Juhei! –
    Wie wunderschön ist doch der Mai,
    Feinslieb, ich tu' dich grüßen!«

X.

        Wer klappert von dem Turme
Seltsamen Gruß mir? horch!
Das ist in seinem Neste
Mein alter Freund, der Storch.

Er rüstet sich zur Reise
Weit über Land und See,
Der Herbst kommt angezogen,
Drum sagt er uns Ade!

Hast recht, daß du verreisest,
Bei uns wird's kahl und still,
Grüß mir das Land Italien
Und auch den Vater Nil.

Es werde dir im Süden
Ein besser Mahl zuteil,
Als deutsche Frösch' und Kröten,
Maikäfer und Langweil'!

Behüt' dich Gott, du Alter,
Mein Segen mit dir zieht,
Du hast in stillen Nächten
Oftmals gehört mein Lied.

Und wenn du nicht zufällig
Im Nest verschlafen bist,
So hast du auch gesehen,
Wie sie mich einst geküßt.

Doch schwatz nicht aus der Schule,
Schweig still, alter Kumpan!
Was geht die Afrikaner
Die Lieb' am Rheine an?

XI.

    Ein' festen Sitz hab' ich veracht't,
Fuhr unstet durchs Revier,
Da fand ich sonder Vorbedacht
Ein lobesam Quartier.

Doch wie ich in der Ruhe Schoß
Sänftlich zu sitzen wähn',
Da bricht ein Donnerwetter los,
Muß wieder wandern gehn.

Alljahr wächst eine andre Pflanz'
Im Garten, als vorher;
Das Leben wär' ein Narrentanz,
Wenn's nicht so ernsthaft wär'.

XII.

        Das ist im Leben häßlich eingerichtet,
Daß bei den Rosen gleich die Dornen stehn,
Und was das arme Herz auch sehnt und dichtet,
Zum Schlusse kommt das Voneinandergehn.
In deinen Augen hab' ich einst gelesen,
Es blitzte drin von Lieb' und Glück ein Schein:
    Behüt' dich Gott! es wär' zu schön gewesen,
    Behüt' dich Gott, es hat nicht sollen sein! –

Leid, Neid und Haß, auch ich hab' sie empfunden,
Ein sturmgeprüfter müder Wandersmann.
Ich träumt' von Frieden dann und stillen Stunden,
Da führte mich der Weg zu dir hinan.
In deinen Armen wollt' ich ganz genesen,
Zum Danke dir mein junges Leben weihn:
    Behüt' dich Gott! es wär' zu schön gewesen,
    Behüt' dich Gott, es hat nicht sollen sein! –

Die Wolken fliehn, der Wind saust durch die Blätter,
Ein Regenschauer zieht durch Wald und Feld,
Zum Abschiednehmen just das rechte Wetter,
Grau wie der Himmel steht vor mir die Welt.
Doch wend' es sich zum Guten oder Bösen,
Du schlanke Maid, in Treuen denk' ich dein!
    Behüt' dich Gott! es wär' zu schön gewesen,
    Behüt' dich Gott, es hat nicht sollen sein! –


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