Paul Scheerbart
Immer mutig!
Paul Scheerbart

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Groß!

Sechstausend Ellen lang und fast ebenso breit ist die große Kröte, auf der mein Palast erbaut wurde.

Vor vielen langen Jahren zog ich ein – in den Palast.

Und die Kröte wandelt nun mit mir durch die große, große Welt.

Ob die Kröte was von mir weiß?

Ach! Die Kröte ist so groß.

Ich bin grausam klein dagegen.

Natürlich ist es eine Schildkröte – die Kröte, von der ich so viel spreche.

Wenn bloß diese Schildkröte ein wenig schneller gehen wollte.

Ich möchte so gerne noch heute ans Ende der Welt gelangen – ans Ende!

Geh schneller, liebe Kröte!

Ich möchte ja endlich mal die Größe der ganzen Welt begreifen – oder verstehen – fassen!

Aber wie soll ich das?

Ich kann ja doch nicht ans Ende kommen, denn es gibt ja kein Ende!

Geh schneller, liebe Kröte!

Sie will natürlich wieder nicht.

Was hilft mir da ihre Größe?

Alles wird immer größer – und es hilft uns Alles nichts.

Es nützt auch nichts, daß unser Durst immer größer wird!

Den Weltrand werden wir niemals an unsere Lippen setzen können.

Ich würde auch den Weltrand zerbeißen.

Geh schneller, liebe Kröte!

Nützen zwar tut es nichts – aber mir kommt dann – wenn Du Dich beeilst – wenigstens die Zeit nicht so maßlos groß vor.

Ach, du »liebe« Zeit!

Kaum hatte das Nilpferd die Lektüre dieser drei Geschichten beendigt, als sich eine Türe knarrend öffnete und ein zweites Nilpferd aufrecht hereinspazierte. Dasjenige, welches mich gerettet hatte, verließ eilfertig seinen Schaukelstuhl und sagte, während es zögernd auf mich zukam: »Die Herren gestatten wohl, daß ich sie einander vorstelle: Herr König Ramses aus Ägypten – Herr Dichter Scheerbart aus Europa.«

Ich verließ meine Ofenbank, verbeugte mich höflich gegen den neuen Ankömmling und stotterte verlegen: »Majestät – entschuldigen!«

Doch das kleine Nilpferd lachte und sagte:

»Laß nur das Ceremoniell! So wie wir jetzt aussehen, paßt es nicht mehr recht für uns. Nenn mich ruhig Du und alter Ramses. Das genügt. Gerne würde ich Dir die Hand schütteln, aber ich habe ja keine. Übrigens nennen sich die ägyptischen Könige, die hier wohnen, King – da es uns so vielen Spaß macht, daß die Engländer noch immer unser Vaterland regieren. Behalte nur Platz – und lege Dir gar keinen Zwang auf.«

Da fühlte ich mich aber etwas peinlich berührt, denn ich hielt nun meinen Retter auch für einen ägyptischen King und sprach dem entsprechend.

Mein Retter lachte jedoch und sprach:

»Ich bin kein King. Ich bin der Pyramideninspektor Riboddi.« Nun machte ich denn doch ein sehr erstauntes Gesicht – und da lachten die Nilpferdchen mit ihren breiten Mäulern so laut, daß es oben in den Gewölben wie Donnergrollen erschallte.

»Er wundert sich doch noch!« rief der Pyramideninspektor dazwischen.

Und ich mußte dazu ebenfalls lachen – so wie die beiden alten Ägypter; das Lachen erschien mir immer die beste Art zu sein – um schnell über eine peinliche Situation hinwegzukommen.

Wir setzten uns jetzt alle drei in Schaukelstühle, und der König Ramses sagte gleich ganz offen:

»Lieber Scheerbart, Ihren Namen habe ich öfters gehört – aber gelesen habe ich noch nicht eine einzige Zeile von Ihnen. Würden Sie nicht so freundlich sein, mir etwas zum Lesen zu geben, damit ich weiß, wie Sie sind? Entschuldige, daß ich Dich aus Versehen Sie nannte – aber mir ging plötzlich die Lebensgeschichte eines ägyptischen Priesters durch den Kopf.«

Die acht Geschichten, die ich dem ersten Nilpferdchen gegeben hatte, waren von diesem bei Seite gelegt, und es sagte jetzt lächelnd – wobei seine faustgroßen Vorderzähne leuchteten:

»Onkelchen, knausere nicht! Greif in Deine Taschen und hole aus jeder ein neues Manuskript hervor; ich will auch was Neues haben. Aber wähle nicht erst lange – gib, was Dir zuerst in die Hand kommt.«

Und da bekamen die Herren das Folgende.


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