Paul Scheerbart
Immer mutig!
Paul Scheerbart

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Nebelsterne

Sieben Nebelsterne empfanden den Dunst, in dem sie viele Billionen Jahre gelebt hatten, eines Tages als etwas Unerträgliches.

Aber der Dunst gehörte zu ihnen; er war ein Teil ihres Körpers. Der Dunst war die Haut ihres Körpers. Abstreifen konnten sie also ihre Dunsthaut nicht so ohne Weiteres. So was können wohl kriechende Schlangen – aber nicht die Nebelsterne.

Die anderen Sternwelten in der Umgegend hatten keine Dunsthaut. Und das ärgerte die Nebelsterne am allermeisten.

Und das Herz der Nebelsterne ward verbittert, so daß sie ganz gallig wurden und tückischen Gedanken Raum gaben.

Die Nebelsterne wollten den anderen Sternwelten auch so gern eine unbequeme Dunsthaut anhängen.

Und was beschlossen da die Bösen?

Sie beschlossen, sich so weit aufzublasen, daß ihr Dunst ihrer gesamten Nachbarschaft zur Empfindung gelangen mußte.

Und die Sieben bliesen sich auf.

Und der ganzen Nachbarschaft ward unwohl; die anderen Sternwelten, die so lange so klar die Welt durchleuchtet hatten, verloren ihren Glanz, denn der Dunst der Nebelsterne umzog Alles wie ein feiner Rauch.

Da war den sieben Bösen so recht vergnügt zu Mute; jetzt hatten sie nicht mehr allein unter ihrer Dunsthaut zu leiden.

Aber die anderen Sternwelten wurden ergrimmt und wollten den Dunst fortblasen. Und bei dem Fortblasen erregten sie sich alle dermaßen, daß allgemach eine kriegerische Stimmung in jener Weltecke die Oberhand gewann.

Und bald zogen die einstmals hellen Sterne gegen die Nebelsterne zu Felde; mächtige Weltblöcke flogen wie Kugeln von allen Seiten in die sieben bösen Nebelsterne hinein, daß denen die Eingeweide platzten und das Mark verbrannte.

Es war ein schauerlicher Krieg.

Was aber war die Folge dieses schauerlichen Sternkrieges?

Die Folge war, daß sich die Körper der sieben Nebelsterne bloß noch mächtiger aufbliesen, daß ihre ganze Galle überfloß und in die anderen Sternwelten überging.

Und die ganze Wut der sieben Nebelsterne erfüllte bald die ganze große Weltecke, so daß sich die einstmals hellen Sterne schließlich auch gegenseitig bekämpften wie tolle Hunde. Alle schlugen aufeinander los – ganz gleich, wohin es traf – so daß es brannte an allen Ecken.

Es war ein rasender Krieg Aller gegen Alle.

Wie sie nun so mitten in ihren kriegerischen Aktionen dahinlebten wie die Verrückten, kam doch einigen älteren Sternen die Besinnung wieder, und die sprachen mit gewaltiger kosmischer Stimme ungefähr so:

»Haltet ein, Brüder! So kann das doch nicht fortgehen. Wir gehen ja schließlich dabei sämtlich zu Grunde. Wir müssen Frieden schließen – wie's auch sei! Den Dunst der Nebelsterne werden wir wohl nicht wieder los. Aber wir wollen doch versuchen, auch trotz dieses Dunstes wieder froh zu werden. Jedenfalls sind wir um eine große Weisheit reicher geworden: Wenn uns böse Buben angreifen und belästigen, so sollen wir nicht gleich wütend werden. Mit der Wut richten wir doch nichts aus. Giftigen Dunst bläst man nicht so leicht fort. Man tut besser, sich an den giftigen Dunst zu gewöhnen. Hört auf mit dem Herumwerfen der großen Weltblöcke! Wenn Ihr nicht aufhört, gehen wir Alle zu Grunde.«

Da ging ein leises Murren durch die Weltecke. Aber man sah die Nutzlosigkeit des Kampfes ein und schloß wieder Frieden.

Alle Sterne suchten danach ihre Wunden, so gut es ging, wieder zu heilen.

Die Nebelsterne hatten am meisten gelitten. Doch auch sie waren mit der großen Friedenserklärung einverstanden; ihre Dunsthaut verblieb ja in der ganzen Weltecke – das ließ sich nicht mehr ändern.

Indessen – die einstmals hellen Sterne gewöhnten sich allmählich an den giftigen, lästigen Dunst und erklärten ihn schließlich für ein höchst interessantes kosmisches Schleiergebilde.

Und so beruhigte man sich nach und nach.

Und dann wards wieder still in der Weltecke.

Das Leben ist eben in jeder Form erträglich; man darf nur nicht ungeduldig werden.

Bloß nicht gleich Krieg führen, wenn böse Buben frech werden! Die böse Sieben! Ja! Ja!

Also – lieber ein bißchen Dunst ertragen!

Das Ertragenkönnen ist viel wertvoller als das Losschlagenkönnen. Die Wunden heilen nicht so schnell. Bilde sich bloß Keiner ein, daß es ein Vergnügen sein könnte, als interessanter Krüppel zu leben!

An giftigen Dunst aber gewöhnt man sich – das ist nicht so schlimm!

»Brüder!« riefen die Sterne, »wenn wir weiter nichts zu ertragen brauchen als das bißchen Dunst, so können wir immerhin noch ganz glücklich sein.«

Die sieben Nebelsterne ärgerten sich natürlich über die friedliche Gesinnung ihrer Nachbarschaft nicht wenig, jedoch dieses Mal half ihnen der Ärger nicht viel – sie hatten mit dem Zusammenflicken ihrer Glieder für die nächsten Jahre vollauf zu tun.

Bösewichter müssen Beschäftigung haben – das ist so furchtbar notwendig.

O ja!

Diese verfluchten Hallunken!

O trag, so viel Du tragen kannst,

Und sei nie ungemütlich!!


 << zurück weiter >>