George Sand
Indiana
George Sand

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Schluß

An J. Neraud.

Im Monat Januar war ich an einem heißen und glänzenden Tage von Saint Paul abgereist, um in den Urwäldern der Insel Bourbon zu träumen. Ich träumte von Dir, mein Freund. Diese Urwälder erinnerten mich an Deine Wanderungen und Deine Studien. Ich fand überall die Wunder wieder, die Du mir in Deinen Erzählungen so bezaubernd geschildert hast, und um sie mit Dir zu genießen, hätte ich Dich gern dem kalten Europa entführt, wo Du zufrieden in bescheidenem Dunkel lebst. Glücklicher Mensch, dessen Talente und Verdienste noch kein allzu dienstfertiger Freund der Welt verraten hat!

Ich hatte meinen Spaziergang nach einem einsamen Orte in den höchsten Regionen der Insel gerichtet. Dort ist infolge eines vulkanischen Ausbruches ein Teil des Gebirges zusammengestürzt, wodurch sich ein von Felsentrümmern starrendes Tal gebildet hat. Während ich im Anblick dieser gigantischen, launenhaften Gebilde der Natur die fliehende Zeit vergaß, wurde ich von einem furchtbaren Unwetter überrascht. Ströme von Regen schwellten die Flüsse an, welche alle ihre Quellen auf dem Gipfel des Bergkegels haben. In einer Stunde war alles überschwemmt und die Abhänge des Gebirges bildeten einen ungeheuren Wasserfall, der sich wütend in die Ebene herabstürzte.

Nach einer zweitägigen, höchst beschwerlichen und gefährlichen Wanderung erreichte ich endlich eine menschliche Wohnung. Das einfache, aber hübsche Haus lag in einer wilden Umgebung und ward von einem Felsenwall überragt, der ihm gegen Sturm und Sonnenglut Schutz gewährte. Etwas weiter unten stürzte sich ein mächtiger Wasserfall in die Tiefe einer Schlucht und bildete darin einen See, über welchen Gruppen der schönsten Bäume ihre Gipfel erhoben.

Ich klopfte heftig an die Tür des Hauses. Ein Mann öffnete und trat mir auf der Schwelle entgegen. Ich prallte drei Schritte zurück. Ehe ich noch meine Bitte um Aufnahme aussprechen konnte, hatte sie mir der Herr des Hauses mit einem stummen ernsten Zeichen gewährt. Ich trat ein und befand mich Sir Ralph Brown gegenüber.

Seit fast einem Jahre, wo das Schiff »La Nahandove« Herrn Brown und seine Gefährtin in die Kolonie zurückgebracht, hatte man Sir Ralph kaum dreimal in der Stadt gesehen und Frau Delmare lebte in so tiefer Zurückgezogenheit, daß es vielen Bewohnern zweifelhaft schien, ob sie überhaupt noch am Leben sei. Um jene Zeit war ich zum erstenmal in Bourbon gelandet und zum zweitenmal in meinem Leben traf ich jetzt mit Herrn Brown zusammen.

Meine erste Begegnung mit ihm hatte in Saint Paul am Meeresufer stattgefunden und einen unauslöschlichen Eindruck auf mich gemacht. Züge und Haltung dieses Mannes waren mir anfangs nicht sehr aufgefallen; aber als ich mich aus müßiger Neugier genauer nach ihm erkundigte, erhielt ich von den Kolonisten so seltsame und so widersprechende Antworten, daß ich den Einsiedler von Bernica mit größerer Aufmerksamkeit betrachtete.

»Er ist ein Mensch ohne Erziehung,« sagte mir der eine, »vollkommen unbedeutend, der auf der Welt nur eine Eigenschaft besitzt, die des Schweigens.«

»Er ist ein außerordentlich unterrichteter und tiefsinniger Mann,« sagte ein anderer, »aber zu sehr von seiner geistigen Überlegenheit überzeugt und deshalb von so anmaßendem Benehmen, daß er mit gewöhnlichen Leuten gar nicht spricht.«

»Dieser Mensch liebt nur sich,« behauptete ein dritter; »er ist ein vollkommener Egoist.«

»Sie wissen also nicht,« sagte ein junger Mensch, der in der Kolonie aufgewachsen und ganz in dem beschränkten Provinzialgeist befangen war, »daß dieser Elende seinen Freund vergiftet hat, um dessen Frau heiraten zu können?«

Diese Auskunft erschien mir so unglaublich, daß ich mich an einen älteren Kolonisten wandte, den ich als einen verständigen Mann kannte.

»Sir Ralph war nie beliebt,« antwortete er mir, »weil er sehr verschlossen war, aber man achtete ihn. Das ist alles, was ich von ihm sagen kann; denn seit seiner unglücklichen Geschichte stehe ich in keinem Verkehr mehr mit ihm.«

»Welche Geschichte?« fragte ich.

Man erzählte mir nun den plötzlichen Tod des Obersten Delmare, die Flucht seiner Frau in derselben Nacht, die Abreise und Wiederkehr des Herrn Brown. Das Dunkel, welches über diesen Vorgängen lag, hatte durch die Nachforschungen der Gerichte nicht aufgehellt werden können; das Verbrechen der Flüchtigen konnte nicht bewiesen werden. Die Rückkehr der beiden Beschuldigten und ihre Zuflucht in die Einsamkeit von Bernica schienen jenen Verdacht jedoch zu bestätigen. Man vermutete, daß sie nach Europa gegangen wären, um die Sache hier vergessen zu machen; in Frankreich aber seien sie von der öffentlichen Meinung so entschieden verurteilt worden, daß sie sich genötigt sahen, zurückzukehren und in die Einöde zu fliehen, um ungestört ihrer verbrecherischen Neigung zu leben.

Doch alle diese Ansichten schienen mir durch eine andere Behauptung widerlegt, die offenbar von besser unterrichteter Seite kam: »Frau Delmare,« sagte man mir, »habe von jeher eher Kälte als Neigung für ihren Vetter Ralph gezeigt.«

Damals hatte ich aufmerksam den Helden so vieler seltsamen Gerüchte betrachtet. Er saß auf einem Warenballen, die Rückkehr eines Seemannes erwartend, mit dem er irgend einen Kauf abgeschlossen hatte; seine Augen, blau wie das Meer, waren mit dem Ausdruck ruhiger Träumerei auf den Horizont gerichtet, in seinen Zügen lag eine so edle Offenheit, daß ich hätte schwören mögen, man tue ihm völlig unrecht. Nein, dieser Mann hatte kein Verbrechen auf seinem Gewissen, sein Herz und seine Hände waren so rein wie seine Stirn.

Plötzlich fiel sein zerstreuter Blick auf mich, der ihn mit lebhafter und unbescheidener Neugier betrachtete. Verlegen, wie ein auf der Tat ertappter Dieb, senkte ich die Augen zu Boden. Seit diesem Augenblick hatte ich oft an ihn denken müssen. Mein Verlangen, ihn näher kennen zu lernen, sollte nun Befriedigung finden, als ich genötigt war, seine Gastfreundschaft anzunehmen. Er führte mich in sein Zimmer, lieh mir Kleidung und Wäsche und geleitete mich dann zu seiner Gefährtin.

Als ich sie so jung und schön vor mir sah, – denn sie schien kaum achtzehn Jahre zu zählen – als ich ihre Frische, ihre Anmut, den süßen Ton ihrer Stimme bewundern mußte, empfand ich ein schmerzliches Gefühl, daß diese Frau unter dem Drucke einer so abscheulichen Verleumdung zu leiden habe.

Acht Tage lang hielten mich die ausgetretenen Flüsse, die überschwemmten Ebenen, die Regen und Winde in Bernica zurück; und als endlich die Sonne wieder erschien, dachte ich noch immer nicht daran, meine Wirte zu verlassen.

Beide besaßen keine glänzenden Geistesgaben, aber sie wußten anregend und anmutig zu sprechen und waren gefühlvoll. Indiana war unwissend, doch lag ihrer Unwissenheit nicht Beschränktheit oder Stumpfheit zu Grunde, sondern sie war begierig, das nachzuholen, was sie in der Eintönigkeit ihres bisherigen Lebens nicht kennen gelernt hatte. Vielleicht war dabei auch ein wenig Koketterie im Spiele, um durch Fragen, die sie in meiner Gegenwart an ihren Freund richtete, dessen umfassende Kenntnis in helles Licht zu stellen. Ich hatte mir fest vorgenommen, Sir Ralph nicht zu verlassen, ohne seine Geschichte zu erfahren; aber der entsetzliche Verdacht, der auf ihm lastete, machte mich befangen. Endlich, als der Tag meiner Abreise herangekommen war, überwand ich meine Schüchternheit.

»Hören Sie,« sagte ich zu ihm, »die Menschen sind sehr verdorben; sie haben mir viel Böses von Ihnen erzählt. Jetzt, wo ich Sie kenne, wundere ich mich darüber nicht. Ihr Leben muß sehr rein sein, da es so verleumdet worden ist . . .«

Ich hielt plötzlich inne, als ich in den Zügen der Frau Delmare den Ausdruck des größten Erstaunens gewahrte. Ich sah ein, daß sie von den abscheulichen Gerüchten, die im Umlauf waren, nichts wußte, und bemerkte auf dem Gesichte Sir Ralphs einen Ausdruck des Ärgers, der aber auch mit Stolz gemischt war. Beschämt von dem Blicke Sir Ralphs und voll Reue, ihn zum Dank für die glücklichen Tage, die ich bei ihm verlebt hatte, gekränkt zu haben, machte ich mir bittere Vorwürfe und brach in Tränen aus.

»Junger Mann,« sagte er, meine Hand fassend, »bleiben Sie noch einen Tag bei uns; ich möchte den einzigen Freund, den wir in diesem Lande haben, so von mir nicht scheiden sehen.«

Als Frau Delmare sich entfernt hatte, sagte er:

»Ich habe Sie verstanden, ich will Ihnen meine Geschichte erzählen, aber nicht in Indianas Gegenwart. Es gibt Wunden, an die man nicht rühren darf.«

Am Abend machten wir einen Spaziergang in den Wald. Die vor vierzehn Tagen noch so frischen und schönen Bäume waren gänzlich ihrer Blätter beraubt, aber schon bedeckten sie sich mit dicken, harzigen Knospen. Die Bäche stießen den Sand, mit dem ihr Bett erfüllt war, mit Beharrlichkeit aus. Alles gewann wieder Leben und Frische.

»Sehen Sie doch,« sagte Ralph zu mir, »mit welcher erstaunlichen Schnelligkeit diese reiche, gütige Natur ihren Schaden wieder verbessert!«

»Ich erinnere mich der Stürme des vergangenen Jahres,« bemerkte Indiana; »nach vier Wochen war keine Spur mehr von ihren Verwüstungen zu sehen.«

»Das ist das Bild eines vom Kummer gebrochenen Herzens,« erwiderte ich; »wenn das Glück ihm wieder nahet, blühet es von neuem und verjüngt sich schnell wieder.«

Indiana reichte mir die Hand und sah Herrn Brown mit einem unaussprechlichen Blick voll Zärtlichkeit an.

Als die Nacht kam, zog sie sich in ihr Zimmer zurück und Sir Ralph hieß mich neben sich auf eine Bank im Garten setzen und erzählte mir seine Geschichte bis zu dem Punkte, wo wir sie im letzten Kapitel gelassen haben.

Hier machte er eine lange Pause und schien meine Gegenwart gänzlich vergessen zu haben.

Von dem Interesse getrieben, das ich an seiner Erzählung nahm, wagte ich sein Nachdenken durch eine Frage zu unterbrechen.

Er erschrak, wie ein Mensch, der aus dem Schlafe aufgeweckt wird, dann sagte er mit einem gutmütigen Lächeln:

»Mein junger Freund, es gibt Erinnerungen, welchen man durch die Mitteilung ihre Blüte nimmt. Es genüge Ihnen, zu erfahren, daß ich fest entschlossen war, mit Indiana in den Tod zu gehen. Aber in dem Buche des Schicksals schien es anders bestimmt. Ein Arzt würde Ihnen vielleicht sagen, daß sich meiner plötzlich ein Schwindel bemächtigte und mich in der Richtung des Weges täuschte. Ich aber, der ich nichts weniger als ein Arzt in diesem Sinne bin, will lieber glauben, daß der Engel Abrahams und Tobias', jener schöne weiße Engel mit blauen Augen und goldenem Gürtel, auf einem Mondstrahl herabstieg und wogend in dem zitternden Nebel des Wasserfalles seine silbernen Flügel über meine sanfte Gefährtin ausbreitete. Das einzige, was ich Ihnen versichern kann, ist, daß der Mond hinter die hohen Spitzen des Gebirges hinabsank, ohne daß ein unheimliches Geräusch das friedliche Murmeln des Wasserfalles unterbrochen hätte. Als ein lichter Streifen sich am Horizonte des Meeres abzeichnete und der erste purpurne Strahl auf das Orangengebüsch fiel, lag ich auf meinen Knien und sandte ein heißes Dankgebet zu Gott empor.

»Glauben Sie aber nicht, daß ich das unverhoffte Glück plötzlich annahm. Allzu strahlend erschien mir die Zukunft, die sich vor mir erhob, und als Indiana lächelnd auf mich blickte, zeigte ich ihr den Wasserfall und sprach ihr vom Sterben.

»Wenn du es nicht bereuest, diesen Morgen erlebt zu haben, sagte ich, so dürfen wir beide uns gestehen, daß wir das Glück in seiner ganzen Fülle genossen haben, und das ist ein Grund mehr, das Leben zu verlassen, denn morgen würde vielleicht mein Gestirn erbleichen, wer weiß, ob ich, wenn wir diesen Ort verlassen, wenn die berauschende Stimmung, in die mich der Gedanke an den Tod und an meine Liebe versetzt hat, von mir weicht, nicht wieder das verachtete Wesen werde, das ich gestern noch für dich war. Würdest du nicht über dich selbst erröten, wenn du mich so wiederfändest, wie du mich gekannt hast? Ach, Indiana, erspare mir diesen entsetzlichen Schmerz.«

»›Zweifelst du an deinem Herzen, Ralph?‹ fragte Indiana mit dem liebenswürdigsten Ausdruck der Zärtlichkeit und des Vertrauens, ›oder gewährt dir das meinige nicht hinreichende Sicherheit?‹

»Soll ich es bekennen? Ich war nicht glücklich in den ersten Tagen. Ich zweifelte nicht an Indianas Aufrichtigkeit, aber die Zukunft erschreckte mich. Seit dreißig Jahren mißtrauisch gegen mich selbst, konnte ich in einem Tage das Glück nicht fassen, zu gefallen und geliebt zu werden. Ich hatte Augenblicke der Ungewißheit, der Bitterkeit; ich bedauerte zuweilen, mich nicht in den See gestürzt zu haben, als ein Wort Indianas mich so glücklich gemacht hatte.

»Auch sie schien zuweilen in ihre alte Schwermut zurückzufallen, denn das Herz gewöhnt sich an das Unglück, es faßt darin Wurzel und löst sich nur mühsam davon wieder los. Doch muß ich dem Herzen dieser Frau Gerechtigkeit widerfahren lassen und gestehen, daß sie nie Sehnsucht nach Raymon hatte; sie hat sich seiner nicht einmal mehr erinnert, um ihn zu hassen.

»Endlich, wie es bei tiefen und wahren Neigungen geschieht, befestigte die Zeit unsere Liebe, statt sie zu schwächen; jeder Tag gab ihr neue Innigkeit, denn jeder Tag gab uns neue Veranlassung, einander zu achten und zu segnen. Nach und nach verschwanden alle unsere Besorgnisse, und als wir sahen, wie leicht diese Gegenstände des Mißtrauens zu beseitigen wären, liebten wir uns mit voller Zuversicht.«

Ralph schwieg, aber nach einigen Augenblicken frommer Sammlung, in die wir uns beide versenkt hatten, fuhr er fort, indem er mir die Hand drückte:

»Ich spreche Ihnen nicht von meinem Glück; wenn es Schmerzen gibt, die sich nicht aussprechen lassen, so gibt es auch Freuden, die in dem menschlichen Herzen verborgen bleiben, weil Worte sie nicht schildern können. Man muß erst vom Sturm gebrochen, vom Blitz getroffen worden sein, um solche Freuden, solches Glück zu verstehen. Und was nun unsere Verbrechen betrifft,« fügte er lächelnd hinzu . . .

»O,« rief ich, die Augen mit Tränen erfüllt.

»Hören Sie, mein Herr,« unterbrach er mich sogleich, »Sie haben nur wenige Stunden mit den beiden Verbrechern von Bernica gelebt, aber eine einzige reichte für Sie hin, ihr ganzes Leben zu lernen. Unsere Tage gleichen sich alle, sie gehen schnell und rein an uns vorüber, wie die Tage unserer Kindheit. Jeden Abend segnen wir den Himmel, jeden Morgen flehen wir um seinen Schutz. Der größere Teil unserer Einkünfte ist dem Loskaufen armer, kranker Neger gewidmet. Das ist der Hauptgrund, weshalb die Kolonisten uns Böses nachsagen, wären wir doch reich genug, um alle die Armen zu befreien, welche in der Sklaverei leben! – Unsere Diener sind unsere Freunde, sie teilen unsere Freude, wir pflegen sie in ihrer Krankheit. So geht unser Leben ohne Kummer, ohne Vorwurf hin. Sehen wir zuweilen Tränen in unseren Augenwimpern, so gelten sie nur unserem Glücke.«

»Lieber Freund,« sagte ich zu ihm, nach einem langen Stillschweigen, »könnten die Beschuldigungen der Welt bis zu Ihnen dringen, Ihr Glück würde laut darauf antworten.«

»Sie sind jung,« antwortete er, »für Sie, dessen reine Seele die Welt noch nicht beschmutzt hat, bezeugt das Glück unsere Tugend, für die Welt bestätigt es unser Verbrechen. O, die Einsamkeit ist schön und die Menschen sind nicht wert, daß man bedauert, ohne sie zu leben. Man hält den menschlichen Umgang notwendig für das Glück, wer es glaubt, mag sie achten. Ich aber beklage aufrichtig jedes Glück, das sich nach ihren Launen richten muß.«

»Einige tadeln Ihre Zurückgezogenheit,« wagte ich einzuwenden, »sie behaupten, jeder Mensch gehöre der Gesellschaft, die Anspruch auf ihn habe. Es wäre ein gefährliches Beispiel, welches Sie der Gesellschaft gäben.«

»Die Gesellschaft darf nichts von dem verlangen, der nichts von ihr erwartet,« antwortete Sir Ralph. »Die üble Wirkung meines Beispiels aber bezweifle ich, mein Herr, es ist zu viel Energie nötig, um dauernd mit der Welt zu brechen. Also lasse man uns unser Glück, das niemandem etwas kostet und das sich verbirgt, aus Furcht, Neid zu erregen. Gehen Sie, junger Mann, erwerben Sie sich Freunde, einen Stand, einen Ruf, ein Vaterland. Ich besitze Indiana. Brechen Sie nicht die Fesseln, die sie an die Gesellschaft binden, achten Sie ihre Gesetze, wenn sie Ihnen Schutz gewähren, halten Sie ihr Urteil in Ehren, wenn es billig gegen Sie ist; aber wenn die Gesellschaft Sie eines Tages verleumdet und verstößt, dann seien Sie stolz genug, um sie entbehren zu können.«

»Ja,« sagte ich, »ein reines Herz kann uns die Verbannung erträglich machen, aber um sie zu lieben, muß man eine Gefährtin haben, wie die Ihrige.«

»Ach,« sagte er mit einem unbeschreiblichen Lächeln, »wenn Sie wüßten, wie ich diese Welt beklage, die verächtlich auf mich herabsieht.«

Am folgenden Tage schied ich von Ralph und Indiana; Ralph umarmte mich, Indiana entließ mich unter Tränen.

»Leben Sie wohl,« riefen sie mir zu, »und wenn die Welt, in die Sie jetzt zurückkehren, Sie eines Tages verstößt, dann erinnern Sie sich unserer indischen Hütte.«

 

Ende.

 


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