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Ohne Unterleib

Foto: Emil Mayer

Vor einigen Buden wird sie ohne Entgelt gezeigt, um das Publikum zu animieren: »Hier, meine Herrschaften, die Dame ohne Unterleib. Für so was verlangen wir kein Entrée, das können Sie bei uns gratis sehen«. Auf einem dünnen Stock sitzt ihr Rumpf, die Arme fehlen, und so hält sie still und blinzelt die Leute an. Voll Mitleid bin ich oft stehen geblieben. Schon recht, ich weiß ja, daß sie Arme und Beine hat, wie alle anderen, aber welch' eine Qual, da aushalten zu müssen. Gewiß, sie leidet keine Schmerzen, ist nicht eingepreßt. Möglicherweise steht sie sogar sehr bequem, aber sie muß ruhig stehen, ganz ruhig – und dieses müssen, das ruhig sein müssen, denke ich mir ganz unerträglich. Dann tröstet man sich zwar – sie wird's halt gewöhnt sein – nun gut, das ist ja denkbar.

Foto: Emil Mayer

Aber ohne Arme! Wenn sie nun so dasteht, und es setzt sich ihr eine Fliege ins Gesicht, oder eine Gelse sticht sie; sie kann sie nicht einmal mit der Hand fortscheuchen, da sie doch keine Arme haben darf. Ich habe, wenn ich die Dame ohne Unterleib ansah, immer auf die Fliegen gewartet. Da summt eine, da noch eine. Jetzt setzen sie sich auf den roten Samt, mit dem der Stock umspannt ist, jetzt fliegen sie wieder fort, jetzt kommen sie wieder, immer näher, immer näher, jetzt ... jetzt müssen sie sich auf ihre Nase setzen ... es ist kaum zum aushalten. Würde man einmal hören, daß sie in Rußland die Nihilistinnen zu solchen Strafen verurteilen, ganz Europa wäre empört.

Eine besonders habe ich immer bedauert. Sie war stets lustig, machte Witze, sah blühend aus und lachte in einem fort. Als ich gelegentlich wieder zu der Bude kam, war eine andere da. Auch die war heiter, lächelte und schien sich sehr wohl zu befinden, nur war sie noch ein wenig befangen.

Also hat es die Erste doch nicht länger ausgehalten, war es ihr mit der Zeit zu viel ... oder ist sie krank geworden. Ich wende mich an den Ausrufer. »Wo ist denn die andere Dame ohne Unterleib?« »Die is mit ihr'n Geliebten beim Heurigen ... sie hat heut ihr'n Ausgang.«


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