Erwin Rosen
Allen Gewalten zum Trotz
Erwin Rosen

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Der Marsch an der Donau

Der Rausch des Wanderns. – Die Erlösung aus der Unklarheit. – Ich will Zeitungshumoresken schreiben. – Von Linz nach München. – Unterwegs nach Ulm. – Der Mann mit der Setzmaschine.

Mit schwingendem Schritt ging es dahin.

Die weiße, einsame, endlose Straße folgte der Donau; zwischen Wiesen, unter Linden, jetzt abbiegend in Wald. Das weite Wasser floß, rauschte, plapperte. Selten nur kam ein Mensch vorbei; seltener ein Wagen. Die Wiesen blühten blau und rot, und weiß und gelb. In junger Saat stolzierten Krähen. Ich verspürte das Wohligsein in allen Gliedern. Schärfer schritt ich aus, vergnügt mir die schwarzen Ziffern auf den Kilometersteinen merkend, weil das alte Wandergewohnheit war: locker, gelöst, alles auf einmal eintrinkend mit Augen, Ohren, Nase; die Farben, das Klingen, den Duft. Denn ich war durstig gewesen. Ich verspürte, so, wie ein Durstiger nach langem Trunk sich größer, lebendiger, gewachsener vermeint, die Wonne der weißen Straße. Sie führte irgendwo hin, die Straße, aber das Schöne war, daß ich nicht wußte, wann nun ein Abbiegen kam oder wo die nächste Ortschaft lag. Es stand in meinem Belieben, den Sprung nach rechts zu machen oder das Seitwärts-in-die-Büscheschlagen nach links, so mir die einsame, weiße, endlose Straße nicht mehr gefiel. Es tat mir unsäglich wohl, zu wissen, daß ich, mit Zahnbürste und Kamm, Herr des Geschehens war. Man klebt sonst immer so an seinen Besitztümern. Die Straße gehörte mir. Der rauschende Strom schwätzte für mich. Die freche Krähe war mein Freund und Bruder. Für mich leuchteten am Rain die Farben. Ich konnte dem weißen Weg, dem geraden, verächtlich den Rücken kehren, wenn so der Sinn mir stand. Wahrhaft frei ist der Mensch nur, wenn er auf einsamer Straße schreitet, von Wind umweht, von Krähen umflattert, von fröhlicher Sonne beschienen. Da fallen sie ab, die Sorgen, und die Gewitztheiten, und die flüglichen Erwägungen, wie gelbe Blätter im Herbstwind. Wer ehrfürchtig auf endloser Straße marschiert, sich wohl bewußt, daß irgendwo der Weg ein Ende haben muß, doch dankbar zugleich die Endlosigkeit des Augenblicks genießend, der ist für Stunden wenigstens der Herr der Welt. Denn ihm gehört die Sonne, und für ihn ist das Gras gewachsen, und ihm allein duften die Blumen, und nur für ihn weht der Wind.

Das ist das Herrengefühl, das der Weg beschert.

Der männliche Mensch berauscht sich gewohnheitsmäßig mit verschiedenen Giften, von der Zigarette bis zum Opium oder Kokain, vom dämpfenden Glase Bier über die Anregung edlen Weines hinweg bis zum konzentrierten Alkohol, von der Aufpeitschung raffiniertester Schnäpse bis zur Betäubung durch Morphium, und er berauscht sich immer und nur aus der Sehnsucht nach dem Herrengefühl heraus, das von der nüchternen Wirklichkeit behindert und verschleiert wird. Das künstliche Mittel soll die freundliche Hilfe in grau nüchterner Wirklichkeit sein. Es sind ganze Bücher geschrieben worden über diese eigentümliche Rauschsehnsucht und den noch viel merkwürdigeren Rausch. Aber in keinem dieser Bücher steht geschrieben, daß es kein Gift gibt, kein freundliches, kein bösartiges, das so dem Menschen den großen Glücksrausch zu geben vermag, wie die ungiftige weiße, einsame, endlose Straße. Der Mensch, der wandert, mag ein Niedriger sein, armselig in allem, was Menschen schätzen, ein Gequälter, ein Geschlagener; aber irgendwo auf weißem Weg neben grüner Wiese wird ihn der Rausch überkommen, daß er der König sei über rauschende Wälder und leuchtende Blumen und schwirrende Mücken. Dann wird das Herz sich ihm weiten, seine Augen werden glänzen, und seine Glieder werden sich straffen, im wunderbarsten aller Räusche, den nur Sonne, und Grün, und weißer Weg, und Alleinsein zu erzeugen vermögen. Solch ein Wanderer sieht keinen Zaun, denkt nicht an Eigentumsrecht, wenn schwellende Saat rechts oder links am Wege frohlockt, fragt nicht geschäftsklug, was der edle Baum wohl wert sein möge an Holz, unter dessen Schatten er rastet –

Da war die weiße Straße, da erzählten fliehende Wasser fröhliche Geschichten und traurige, da schwätzelten die Elstern.

Das Ohr hörte das geheimnisvolle Klingen und Rauschen der Einsamkeit, und helles Vogelgezwitscher dazwischen, und einen polternden Wagen in der Ferne. Das Hirn aber ging eigenen Wanderweg. Die Lippen murmelten im Takt des Schreitens, irgend ein Wort, einen Begriff, immer wieder, ständig wiederholend:

Amerika – Amerika – Amerika –

Aus dem Straßenweiß heraus wuchs ein ragendes Zeitungsgebäude mit donnernden Rotationsmaschinen und vielen Zimmern wie Zellen eines Bienenstockes und wimmelnden Menschen und wundervollem Gehaste in Arbeit und einem Mann, der an einem Riesenschreibtisch mit fliegender Feder Papierbogen auf Papierbogen beschrieb –

Paula – Paula – Paula –

Das Mädchen stand da, den Kopf zurückgeneigt, die Augen leuchtend, die Goldhaare glänzend, die Lippen leise geöffnet ...

Krieg – Krieg – Krieg –

Geisterhaft leise rasselte Gewehrfeuer, in den Palmenhainen von Kuba, und winzige Menschenpunkte strömten auf weiter Fläche vorwärts, und zitterig fein klang Siegesjubel ...

Gold – Gold – Gold –

Ein goldener Strom floß, und mit glücklichen Händen warf man das Leuchten nach links und nach rechts und die Augen von Menschen waren froh ...

Erwin – Erwin – Erwin –

Die eigene Gestalt stand da. Jetzt war es ein Schulbub'. Nun ein Reiter auf galoppierendem Pferd in Texas. Jetzt wieder ein amerikanischer Wanderer, der sich in den Arizonasand hinwarf und das heiße Geriesel durch die Finger spielen ließ. Nun ein hastender Reporter in lärmtobender New Yorker Straße ...

Es war wie Losgelöstsein von Zeit und Raum.

Der Rausch war in mir.


Und der Rausch machte stark.

Da lag der weiße Weg, des Lebens Sinnbild; da schritt der Mensch, des Lebens Herr. Man mußte nur schreiten, mit kräftigen Beinen. Ich verspürte in allen Knochen, daß mir frei zumute war. Ich merkte in allen Fasern, daß ich lebte. So freute ich mich königlich über Spatz und Krähe, über Sonne und Grün, über Duft und Klang. Berauscht; Herr von Gnaden der geheimnisvollen, zauberischen Straße. Es war wirklich ein Rausch. Ich weiß noch, wie ich trunken mich hinwarf auf grünen Wiesenfleck, und wie ich den Kopf in das weiche Gras drückte und mich hirnleer freute an Mückengesause und an schwirrenden Käfern. Ich sehe es noch, wie die Sonne blutrot wurde, und grüne Flächen in das Himmelsblau kamen, golden schimmernde Striche, violette Streifen. Ich erinnere mich an die blauen Schatten, und ich sehe es vor mir, wie der weiße Weg dunkelgelb wurde und ernst. Ich verspürte die geheimnisvolle Wandlung, die der Übergang von Tag in Nacht bedeutet. Das war wie Bewegung in der Luft, wie Schreiten eines Ankömmlings, wie neues Werden. Überall war leises Summen, von Minute zu Minute stiller werdend, als erlösten sich diese Mücken, diese Käfer, alle diese kleinen Tiere, aus dem Wirrsal des Tages in kampflosen Frieden. Und am Himmel gespensterten die Farben; das Grün wurde zum Violett, das Blau zum Schwarz, so schien es, und der rote Glanz starb, wie ausglühendes Kohlenstückchen stirbt. Es wurde langsam dunkel.

Dort leuchtete ein Lichtlein. Ein kleines Wirtshaus lag freundlich da an der abendlichen Straße. Die Fensterchen glitzerten in roter Glut. Im niedrigen Zimmer stand ein blankgescheuerter Tisch. Ich setzte mich hin. Ein Mütterchen mit verrunzeltem Gesicht brachte das Viertele Wein und das derbe Butterbrot mit Speck, und nickte freundlich, als der Fremdling fragte, ob er nicht billig übernachten könne. Das zweite Viertele wurde getrunken. Ein winzig kleines Zimmerchen kam dann, in dem ein ungeheuerlich großes Bett mit den weißglänzendsten aller Bettücher und dem saubersten aller Kissenbezüge wartete. Ich kletterte ins Bett.

Als ich da so lag, wohlig müde, dachte ich gar nicht an Dinge, die getan werden sollten, sondern ich dachte an die Straße: die einsame, endlose, herrliche Straße, und an die Dinge links vom Weg und rechts vom Weg. Im Einschlafen verspannen sich die Bilder. Ich war auf vielen Straßen geschritten. Ich war dann glücklich gewesen. Es bestand doch kaum ein Unterschied zwischen den Krähen des Mississippi und den Krähen der Donau. Es war eigentlich nicht wesentlich, ob die weiße Straße der Donau entlang lief oder ob sie, als Fährtenweg kaum erkennbar, durch Arizonawüste führte, oder ob sie ein Eisenbahnstrang war, auf dem man mit mühsamem Schritt von Schwelle zu Schwelle sprang, oder ob sie von Pfirsichhainen umgeben war im sonnigen Kalifornien. Immer war er schön gewesen, der Weg, immer hatte er irgendwo hingeführt. Herr bin ich meines Schicksals! Mein ist der Weg! So dachte ich schläfrig und ruhig in dem schönen Bett in dem kleinen Wirtshaus an der Donau. Es war töricht, sich so mühevoll an eingebildeten Wänden den Schädel einzurennen! Nun kamen Bilder der Erinnerung.

Und ich schlief ein.


In meinem Gedächtnis ist von meinem Marsch an der Donau sein einziger Name haften geblieben. Ich erinnere mich nicht mehr, wie die Dörfchen hießen und die Marktflecken. Ich weiß weder Ortsbezeichnungen, noch Entfernungen in Kilometern. Ich will auch beileibe nicht eine Karte hervorholen und ordentlich den Weg verfolgen; denn das Bild soll so bleiben wie es ist. Ich will nur die weiße Straße sehen, die bunten Wiesen, den fließenden Strom. Himmel. Wälder. Blumen. Ein kleines Wirtshaus im abendlichen Schatten.

Ich weiß nicht einmal mehr recht, wie lange er dauerte, der Marsch an der Donau. Es können drei Tage gewesen sein oder fünf, vier oder sechs. Ich weiß es nicht mehr.

Ich weiß nur, daß die weiße Straße herrlich war und der Wanderrausch von großer Trunkenheit. Und irgendwo auf dem Weg kam ganz von selbst die Erlösung aus der Unklarheit. Ich überlegte gelassen, was ich so alles getan und geschafft hatte in Amerika; aus welchem Grunde, mit welchem Erfolge. Als Grund stellte sich fast immer ein äußerer Zufall heraus, verbunden mit drängendem Muß. Als Erfolg war nur meine Zeitungsarbeit zu bezeichnen; und für diesen Erfolg sprach noch besonders, daß die Zeitungsarbeit mir wirkliches Glück gebracht hatte und daß diese Zeitungsarbeit heute noch meine Sehnsucht war. Es wäre närrisch gewesen, einen anderen Beruf zu erwählen.

Nur Zeitungsarbeit!

Es war nun zu erwägen, aus welchem Grunde es mir bis jetzt noch nicht gelungen war, Fuß zu fassen. Und da erkannte ich auf der weißen Straße recht gut, wo der Fehler lag. Es war Unsinn, Schreibebriefe an Verleger zu schreiben und Besuche auf Redaktionen zu machen. Ein Arbeitsfeld kann man sich nur erobern durch den Beweis der Eignung. Diesen Beweis hatte ich der deutschen Zeitung zu liefern. Wie machte man das? Und da kam auf einmal auf dem Wanderwege der Gedanke angeflogen. Feuerschilderungen brauchte die deutsche Zeitung nicht. Zu großen Sensationsgeschichten fehlte ihr der Raum und die Lust. Aber eins war ihr gemeinsam mit der amerikanischen Zeitung: Sie brauchte kleine, kurze, flotte Geschichten voller Handlung und Spannung, die nicht länger sein durften als hundertfünfzig Zeilen. Steckte in der kleinen Geschichte auch noch Humor, dann war sie einfach unbezahlbar. Es fiel mir ein, wie die amerikanischen Zeitungen immer gejammert hatten über die kummervolle Tatsache, daß es in den ganzen Vereinigten Staaten keine fünfzig Schriftsteller gäbe, nein, keine zwanzig, die eine ganz kurze Geschichte schreiben könnten. »Die Zeitungsromane kriegen wir waggonweise,« hatten sie geklagt beim San Franzisko Examiner, »aber nach kurzen Geschichten müssen wir mit der Lupe suchen – und Humor gibt's überhaupt keinen mehr!« Und diese kurzen Geschichten brauchte die deutsche Zeitung auch, und den Humor erst recht! Da konnte man einhaken, wenn es einem gelang, den Haken zu schmieden. War das schwer? Aber nein: man brauchte nur herunterzuerzählen, was man erlebt hatte. Jetzt schon fielen mir die Geschichten ein, zu Dutzenden; beim Wandern, auf der Straße. Das war die Idee –

Nur kurze Geschichten!

Des weiteren mußte überlegt werden, wo diese kurzen Geschichten geschrieben werden sollten. Es lag mir auf einmal im Gefühl, daß das sorgfältige Behütetsein im Mutterhaus nicht die richtige Umgebung war für die zum Kämpfen nötige Geistesverfassung. Es war ein Schlaraffenland, dieses München. Allein mußte ich sein. Selber mußte ich dafür sorgen, daß die Suppe auf den Tisch kam. Den Antrieb mußte ich verspüren. Tag und Nacht mußte ich ganz allein mit mir sein. Arbeiten mußte ich. An nichts durfte ich denken als an Arbeit.

Nur allein sein!

Und als ich so von ungefähr auf das rauschende Wasser sah, da kam mir die Erinnerung an ein Städtchen, das ich noch nie gesehen hatte und in dem ich noch niemals gewesen war. In diesem Städtchen aber war meine Mutter geboren, und von diesem Städtchen, seinen Gassen, seinen Winkeln, seinen heimlichen Sonnenwegen hatte meine Mutter uns Kindern so viel erzählt, daß es mir wohl vertraut erschien. Es mag auch die Donau gewesen sein, der Strom, der neben der weißen Straße floß, der Erinnerung in mir erweckte. Denn das Städtchen hieß Ulm und lag an der Donau.

Nur in Ulm!

Erledigt, abgemacht, fertig! Und ich schritt schärfer aus. Ich hatte jetzt Eile!


Die Straße endete da, wo die ersten Häuser des alten Städtchens Linz anfingen. Von der Linzer Landungsbrücke aus stieg ich auf einen kleinen Dampfer, der nach Passau fuhr. Ich suchte mir ein einsames Plätzchen und rauchte viele Zigaretten! Ja, Ulm war das Richtige!

Nur Zeitungsarbeit!

Von Passau fuhr ich nach München. In München packte ich den Koffer. Die Mammy half mir beim Packen. Man hat mich nie gehindert in dem Haus in München, zu dem ich gehöre, sondern mir immer nur geholfen.


Im Abteil dritter Klasse war außer mir nur noch ein Mitfahrender. Es war ein dicker Herr, mit gerötetem Gesicht, beweglich wie eine Kegelkugel. Keine Minute lang konnte er es ruhig auf seinem Platz aushalten. Fortwährend rutschte er hin und her. Er stöhnte über die Hitze, knöpfte sich die Weste auf, holte Zigarren aus seiner Reisetasche, sah in eine Zeitung hinein und warf sie zerknüllt weg.

Aus goldberänderter Brille funkelten listige Äuglein.

»Det is' überhaupt jar keen Betrieb,« schimpfte er. »Natürlich hat mir der olle Quatschkopp nich' rechtzeitig jeweckt – und der Schnellzug is' weg – futsch! Haste nich' jesehen! Eine Bummelei in diesem München – Skandal! Det können Sie mir wohl ansehen, dat ick sonst nich' im Bummelzug fahren würde. Und det Essen! Ich will Ihnen wat sagen: Setzt mich da so 'n Kerl 'n großen Knochen vor mit 'n bißchen quabbeliger Haut dran und 'n paar Sehnen; zadderig, sage ich Ihnen, zadderig. Nischt dran! Und sagt, det sei die berühmte Münchner Kalbshaxe. Ich kann Ihnen flüstern, dat ick dem Mann einige Tönchen erzählt habe. Nee – nee – Berlin bleibt Berlin. Die janze Jesellschaft sollte uff'n Jahr nach Berlin kommandiert werden, damit sie 'n bißchen Murr in die Knochen kriegen. Skandal – Schweinerei ...«

Unverständliches Gemurmel.

»Det Bier – allabonnör – det will ick jern zujeben. Aber der Kümmel – nich' mal 'n ordentlichen Kümmel kennt die Jesellschaft. Det Bier – ja, det is' jut.«

Er sprang auf und öffnete das Fenster.

»Nanu – nu könnte ja woll bald mal 'ne Station kommen!«

Die Station kam und der Dicke sauste zum Fenster.

»Kellner – Kellner!« brüllte er.

Und dann steckte er mit tiefer Befriedigung den Schnauzbart in den schönen weißen Schaum. Ich folgte gern seinem Beispiel. Heiß war es auch.

»Prost!« sagte er.

»Prost!« sagte ich.

So war die Bekanntschaft angebahnt.

»Na, denn man los!« sagte der Dicke befriedigt. »Hoffentlich kommt bald wieder 'ne Station – Dja, und hoffentlich jibt et in Ulm einen anjenehmeren Betrieb. Da montiere ick nämlich eine neue Setzmaschine auf; pikfein, det kann ick Ihnen sagen.«

Setzmaschine? Ich horchte auf.

»Was für ein System?« fragte ich. »Die Linotype kenne ich genau.«

»Ach nee – Setzer?«

»Nee – 'mal Reporter gewesen, drüben in Amerika.«

»Ach nee –«

Auf der langen Fahrt nach Ulm sprachen wir über nichts anderes als über Setzmaschinen. Maschinensatz, Setzersaalbetrieb. Der dicke Mann wurde ein ganz anderer, wenn er über seine Maschine sprach, die er abgöttisch liebte. Er war Angestellter einer großen Firma, die den damals neuen Typographen in Deutschland einführte, und reiste herum, um neubestellte Maschinen zu montieren und Maschinensetzer anzulernen. Ja, die Maschine war für das Ulmer Tagblatt bestimmt. Die sollten sich wundern, wenn er erst einmal loslege –

»Det janze Blättchen setz' ick allein in eenem Tag!« erklärte er stolz. »Wissen Se, die Linotype is' ja auch jut, aber an den Typograph kann se nich' tippen.«

Und dann kam wieder eine Station.


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