Peter Rosegger
Jakob der Letzte
Peter Rosegger

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Feierliche Wildnis

Das Jauchzen verboten

Seit diesen Tagen ging der Jakob nicht mehr hinaus in die Vorgegenden. Da er so sehr vor der Welt erniedrigt worden war, schüttelte der Ekel seinen Körper, wenn er an die Leute dachte. An Sonn- und Festtagen das Glockengeläute ging ihm ab. Manchmal stieg er hinan zur Sandlerhöhe, wo man es klingen hören konnte, wenn sie in Sandeben läuteten und der Südwind zog. Wenn er aber dachte, daß der Glockenstrick von einer ungetreuen Kreatur gezogen werde, war auch die Freude an dem Klingen dahin. Bald stieg er nicht mehr auf die Sandlerhöhe, sondern betreute seine Kapelle und das uralte Holzbildnis in ihr mit seiner Andacht und mit seinem Schmerze. Neben der Kapelle stand und gedieh der Weichselbaum; er blühte alljährlich und trug Früchte, als ob der Friedel, dem er geweiht, nicht schon längst in einem Massengrab des Schlachtfeldes moderte. Es ist kein Band, es ist kein Verstehen und kein Mitleben der Natur mit dem Menschen. Jedes Wesen ist für sich allein; danklos entsteht's, lieblos genießt's, treulos vergeht's...

Wenn die stillen Tage der Nebel waren, da Altenmoos zugedeckt schien mit einem grauen bleiernen Deckel und die Tropfen an den Bäumen spannen, ging der Jakob bisweilen der Sandach entlang aufwärts durch die Schluchten bis in den Grund, genannt im Gottesfrieden.

Er ging an den Felsen hin, am lautlosen See vorüber und bis zum brausenden Wasserfall. Wenn der sinkende Luftzug das Brausen niederdrückte, daß die Steine zu beben schienen in der lauten Gewalt – das tat dem Jakob wohl. Da stand er unbeweglich und blickte in das aus den nebeligen Höhen niedergehende ungeheure Wasserband, welches weiß und schwer und flockend wie eine unaufhörliche Schneelawine in den quirlenden Kessel stürzte. Wie in wildem Zorne sprangen die Gischten wieder hoch auf, schlugen mit hundert Fittichen an die Felsenblöcke, umkreisten diese in ihren Tümpeln, als wären sie auf der Flucht und könnten den Ausweg nicht finden. Neben dem Hauptfall gingen in Stricken und Schleiern kleinere Nebenfälle, von Vorsprung zu Vorsprung hüpfend, nieder – grell flüsternd wie zischelnde Bosheit neben der grausen, wütenden Leidenschaft.

Dieser Wasserfall der Sandach war sein Lied geworden. Und so wie das Wasser dann still und klar durch den Felsengrund floß, so geruhigt ward auch allemal sein Gemüt. – O Wildnis, Wildnis! Wiege verlassener Seelen! Wie ein Wandervogel auf dem Baumast sitzt, so nimmt die aus Ewigkeiten kommende Seele hier kurze Rast, ehe sie weiterfliegt in die Ewigkeiten. – Eine ähnliche Stimmung klang manchmal den Jakob an, er fühlte wieder das geheimnisvolle Band zwischen der äußeren Natur und dem Menschenherzen, und so trat er mit feierlichem, erhobenem Gemüte aus dem Felsengrund, genannt im Gottesfrieden. Nun wußte dieser durch sich und andere aus der menschlichen Gesellschaft gleichsam verbannte Mensch, wo seine Kirche stand. Im Gottesfrieden! Kein Tempel hat einen schöneren Namen. Wer weiß, warum die Altvordern diesen Ort so geheißen haben! Wer weiß, ob draußen zu Sandeben schon eine Pfarrkirche gewesen zur Zeit, als die ersten Steinreuter den Reuthofergrund gereutet hatten! Wer weiß, ob der erste Jakob nicht mit dem Wasser im Gottesfrieden getauft worden ist! Was war zu Altenmoos nicht vorgegangen in den Jahrhunderten! Die Ansiedler, arbeitsam und bedürfnislos, hatten sich feste Stätten gegründet, zur Gemeinde zusammengetan, hatten Ordnung und Zucht gehalten, hatten sich in Frieden vertragen und das entlegene Tal zwischen den hohen Bergen und Wildnissen war ein heiteres, gesegnetes Menschenheim geworden für lange Zeit. Draußen in der Welt oft Krieg und Empörung, im Waldlande Arbeit und Frieden. Die Bauern genossen keck ihr gesundes Leben, und wer einmal ein krankes zu tragen hatte, der trug es geduldig. Jeder freute sich des Daseins und viele erreichten ein hohes Alter. Da kam die Pest der neuen Zeit, die Gewinngier, der Streberwahn, da wurden die Menschen treulos gegen die Heimat und ihre Sitten, jagten hinaus in das Elend der grenzenlosen Welt. Die wenigen Zurückgebliebenen werden erdrückt von dem Eigennutz der Mächtigen. Ein großes Leben war aufgestanden in Altenmoos, ein großer Mord ist an ihm begangen worden... Im Felsengrund zum Gottesfrieden hat sich nichts geändert; wie es zu des ersten Jakobs Zeiten war, so ist es noch.

Solche Gedanken zogen immer und immer wieder durch das Haupt des Mannes, der so geruhig nach innen und so erbittert nach außen war. Das gehobene Herz, das er aus dem Gottesfrieden allemal mitgebracht in den Reuthof, sank bald wieder in Sorge und Traurigkeit zurück. Es war auf dem Hof keine Freude mehr, es galt nur mehr zur Not das Leben zu fristen. Vieh und Hafer verkaufte der Reuthofer längst nicht mehr, es war alles kümmerlich geworden und reichte kaum für den häuslichen Bedarf. Indes bedurften sie nichts von draußen. Getrockneten Kümmel verwendeten sie als Salz. Ging eine Fensterscheibe in Scherben, so gab eine alte Hauspostille die Blätter her, um das Loch zu verkleben. Loden aus der Schafwolle, Leinwand aus dem spärlichen Flachs, Leder aus den Häuten ward schlecht und recht bereitet vermittelst der alten Vorrichtungen aus besseren Zeiten, die sich noch im Hause fanden.

Wie der Jakob im Gottesfrieden die Kirche entdeckt hatte, so hatte der Pechölnatz im Walde die Apotheke gefunden. Er sammelte Wurzeln und Kräuter, bei denen er sich auskannte, kochte Saft daraus oder rieb sie zu Pulver. Wenn dann die Krankheiten und Gebrechen kamen, wurden die Mittel mit gutem Vertrauen angewendet; manchmal halfen sie, manchmal nicht – ganz wie die Sachen aus der lateinischen Küche.

Kleine Geräte des Hauses schnitzte der Natz mit seinem Taschenmesser. Bei solchem Schnitzen geschah es manchmal, daß aus dem Stück Holz ein Pfeifchen ward, oder ein Pferdekopf, oder gar ein ganzes Roß und der Reiter darauf, und daß nachher der Alte mit derlei Sachen spielte wie ein Kind. Und doch war er, zum herben Tage aufgeschreckt, alsbald wieder wach und klug und half sich und dem Jakob tapfer das Leben tragen.

Manchmal seufzte der Jakob auf, ohne etwas zu sagen. Da wußte es der Natz, er dachte an seine Tochter Angerl. Mit der stands wohl kaum erfreulich. Ihr Mann, der Florian, war vom Feldzuge mit einem hölzernen Bein zurückgekommen. Bald darauf wurde der Steinhäuselpacht gelöst und sie zogen mit ihren Kindern von der Gemeinau fort. So viel wußte der Jakob, mehr wußte er nicht. Sie schrieben nicht, und daraus hätte ein anderer geschlossen, daß es ihnen nicht schlecht ergehen würde. Wie gerne hätte er ihnen seinen letzten Groschen geschickt! Die lieben Menschen, die ihm zunächst standen in diesem Leben, sie darbten in der Fremde. Der Jakob fühlte, es lag auch hier eine Schuld vor. Er seufzte, aber er sagte nichts.

So vergingen die Tage, so holperte es fort auf dem Reuthofe – und hinten drein schlich das Verhängnis.

Einmal in einer mondhellen Nacht war's, daß der Natz den Jakob aus dem Schlafe weckte. Es waren wieder die vierfüßigen Schelme draußen. Drei Rehe stiegen im Garten um und grasten die jungen Pflanzen weg. Der Natz war diesmal besonders erbittert, er hatte vor wenigen Tagen erst die Kohl- und Salatpflanzen bei dem alten Weibe in der Lunselkeusche erbetteln und dabei außer dem Erbettelten auch sonst noch manches einstecken müssen. Das alte Weib hatte gezetert, was das für eine saubere Bauernwirtschaft wäre, nicht einmal Setzpflanzen zu haben! – Das Wild hätte sie gefressen, berichtete der Natz. – »Warum hat denn mir das Wild die Pflanzen nicht gefressen?« rief das Weib. »Warum denn? Weil ich mein Bett draußen im Garten stehen hab' und weil ich die ganzen Nächte wach bleib' und Strümpf' strick' und Lärm schlag', wenn die Bestien anschleichen. Müßt ihr's halt auch so machen! Aber na, die Herren vom Reuthof wollen sich die Nacht gut sein lassen und schmeckt's ihnen besser, die Setzpflanzen nachher von den armen Häuslerinnen zu erbetteln. Da hast ihrer, ich hol' mir Milch dafür.« – Als hierauf nach langem Bücken und Graben, wobei dem Alten »schier das Kreuz absprang«, die Pflanzen glücklich im Garten standen, hübsch der Reihe nach gesetzt und mit Jauche gedüngt, wollte es erst nicht regnen und mußte der Natz alle Abende vom Brunnen viele Kübeln Wasser herbeischleppen und die Setzlinge jeden für sich begießen. Und jetzt, wie sie anhuben zu gedeihen, waren die Tiere da, um sie abzufressen.

Der Natz gab dem Jakob das Gewehr in die Hand. Paff! durch die Wandluke hinaus. Machte das Reh einen Sprung in die Luft und stürzte zu Boden. Die zwei anderen setzten in hohen Sprüngen über den Zaun und dem Walde zu.

»Wirf den Rock um, sagte der Jakob zum Natz, »wir gehen hinaus. Ich hab's angezeigt, da haben sie mich eingesperrt; jetzt zeige ich's nicht an, damit sie mich nicht einsperren. Man macht's, wie sie's haben wollen.«

»So werden wir halt alleweil gescheiter«, sprach der Natz.

Sie trugen das Tier zum Brunnen, weideten es aus, schleppten es in den Keller, taten Stroh darauf und dann legten sie sich wieder zu Bette.

Am nächsten Morgen war der Jakobitag. Die Bauern halten an ihrem Namenstage gerne auch das Gedächtnis ihrer Geburt. »Vierundsechzig Jahre!« sagte der Jakob zu sich selber. »Bei manchem Menschen braucht es lange, bis er ein Spitzbub' wird.« –

Von diesem Schusse an hatte der Garten eine Weile Ruhe. Die Rehe und Hirsche kamen bis zum Rain herbei, schauten zwischen den Eschen mit langen Hälsen herüber auf den grünen Kohl, aber die Luft roch so ein wenig unheimlich und sie hatten nicht den Mut, ihr Verlangen zu stillen.

So streckte einmal der Natz sein altes Gesicht mit den weißen Bartstoppeln vor und munkelte: »Bruder Jakob! 's ist doch das rechte Mittel gewesen!«

»Ei der Satan!« sagte der Jakob hierauf. »Hast du die Mär' von der Wildschützenkugel nie gehört? Daß der Teufel von sieben abgeschossenen Wildschützenkugeln allemal eine hinführt, wohin er will?«

»Glaubst du an solche Sachen?« fragte der Natz.

»Ich glaube nicht daran«, antwortete der Jakob, »aber ich meine, daß so Sagen und Aussprüche, die aus alten Zeiten kommen und von Geschlecht zu Geschlecht fortleben, doch auch ihre Bedeutung haben müssen. Ich habe nur das schon erfahren: Wenn man den Finger an den Hahn legt, da denkt man an kein Gebot und kein Gesetz, da denkt man nichts mehr als: treffen will ich. Und ist's doch so, als ob in unsereinem ein böser Geist aufstände, sobald man die Mordwaffe in die Hand nimmt.«

»Wird wohl eh' nicht anders sein«, entgegnete der Natz, »wenn aber andere schießen, warum nicht wir auch? Geschossen ist geschossen.«

»Daß auch der Pechölnatz so mordgierig sein kann!« bemerkte der Jakob.

»Wundert mich selber«, entgegnete jener, »bin auch sonst nicht so gewesen. Jedes Tierl hat mir derbarmt, aber weißt, Bruder, du und ich, die zwei derbarmen mir halt noch mehr. Die Hauptsache ist, nur gut treffen, daß das arme Geschöpf nicht noch eine Weil' leiden muß.«

»Wenn der Mensch auf weitem Feld zu treffen ist, so wird der Hirsch im Wald auch zu treffen sein«, sagte der Jakob.

Es geschah nun – anfangs zwar selten, allmählich aber öfter und öfter, – daß in der Umgebung des Reuthofes ein Büchslein knallte. Manchmal sah man den Oberförster Ladislaus durch die Gegend hasten und um den Hof schleichen. Er war schon sehr gebückt und sein jetzt kurzgeschnittener Bart war grau wie Eis, aber seine Augen sprangen noch scharf und stechend ins Grüne aus und die Beine hatten schon spitze Knie, waren aber flink. In den früheren Jahren hatte man den Waldmeister stets behäbig des Weges kommen sehen; jetzt, da er alterte, lief er gebückt, hastig und geräuschlos, wie auf Socken, so daß es immer zu sehen war, als schleiche er jemanden an. So geht's, wenn List die Kraft ersetzen muß. Der Ladislaus schien Verdacht zu haben auf den Reuthof, es war da etwas nicht richtig! Aber es war nicht dahinter zu kommen und das wurmte ihn. Sein Leben hätte er mögen dransetzen, eine Spur zu finden. Die Hirschen und die Wildschützen waren ihm die wichtigsten Dinge auf der Welt.

Eines Tages begegnete er im Walde einem kleinen barfüßigen Knaben, der Erdbeeren sammelte. Der Waldmeister fragte, wer ihm erlaubt hätte, hier Beeren zu pflücken?

Das Kind schaute ihn erst mit großen Augen an und antwortete hernach schüchtern: »Meine Mutter.«

»Wer ist deine Mutter?«

Der Knabe schaute noch erstaunter drein. Jetzt weiß der nicht, wer meine Mutter ist. Und das Kind wußte es zuletzt selber nicht. »Die Mutter ist halt die Mutter«, wimmerte es endlich, lief davon und verstreute im Laufen die ins Körbchen gesammelten Beeren. Der Oberjäger blickte ihm fluchend nach. Das Beerenpflücken wie das Schwämme- und Ameiseneiersammeln ist verboten! Was soll man sich von dem Schmarotzergesindel das Wild verscheuchen lassen aus seinen Standplätzen!

Es gibt aber Ausnahmen. Sah der Waldmeister einmal das frische Töchterlein der böhmischen Kohlenbrennerin im Guldeisnerschlag. Die Alte war brummig, die Junge war es nicht, und diese fragte er schmunzelnd, ob sie nicht manchmal in die Beeren gehe?

»Möcht' schon«, antwortete sie schämig.

Es seien die Himbeeren reif, sagte er und er wolle ihr verraten, wo die schönsten und reifsten stünden!

»Herr!« flüsterte das Mädchen, »Himbeeren brocken ist verboten.«

Er streichelte sie an der Wange und munkelte: »Verbotene Früchte schmecken um so besser. Auf der Sandlerhöhe wachsen sie, wenn du hinauf willst...«

Am nächsten Tage hatte sein »Rosenkranz« um einen Knoten mehr. –

Die neueste Zeit hatte dem Waldmeister eine neue Landplage gebracht, und dem Ärger darüber schrieb er es zu, daß sich in seinen Knochen die Gicht anmeldete. Die Touristen! Das sind fürs erste weder Hirschen noch Wildschützen, also sehr verächtliche Kreaturen. Fürs zweite steigen sie auf allen Bergen und Wänden umher, jodeln und lärmen und verscheuchen das Wild. Trotten mit ihren verfluchten Bergstöcken höllisch blöde und gleichgültig dahin und verscheuchen es doch. Können den Schildhahn nicht vom Rebhuhn unterscheiden und verscheuchen sie doch. Auf dem Weg, heißt's, wollten sie bleiben, diese gottvermaledeiten Luftbummler. Auf welchem Weg? Es gibt keinen Weg, keinen öffentlichen, in unseren Gebirgen. Privatgrund! Da wird nicht aufgetreten!

Die Touristen wußten nur von einer schönen Gotteswelt und nichts von einer, die dem Kampelherrn gehört; sie stiegen also auch hier wie überall auf die Berge und freuten sich. Da nahm der Oberförster eines Tages einen gefangen. Der hatte nach keinem Wilde geschossen, ja nicht einmal eins gesehen, denn er war sehr kurzsichtig und trug über seine gewöhnlichen Augengläser Numero sechs noch ein paar blaue Brillen gegen das grelle Sonnenlicht. Diesen Menschen hatte der Oberförster festgenommen, weil das halbblinde Individuum oben auf der Nockhöhe einen Jauchzer gemacht hatte. »Wen der Teufel schon umhertreibt im Revier, der soll wenigstens 's Maul halten!«

»Aber liebster Herr Jäger!« rief der Tourist, »wenn die Welt halt allzu schön ist! Wenn's halt gar zu lustig ist auf der Alm, wer soll da nicht jauchzen! Juch! Juch! Juch!«

Klingend jauchzten es die Wälder nach in der Runde.

Der Waldmeister war außer sich. Die Hände kann man so einem Kerl fesseln, aber um die Goschen läßt sich kein Schloß anlegen.«

»Juch! Juch!« schmetterte der Tourist in alle Winde und machte einen Freudensprung um den anderen.

Der Waldmeister legte ganz unwillkürlich die Finger an den Hahn. »Hol' der Teufel das ganze Jagdgesetz, wenn man so einen Maulaffen nicht über den Haufen schießen darf!« knirschte er und stieß den Gewehrkolben auf den Boden.

Der Tourist mußte mit ihm. Er ging voran und pfiff allerlei Liedeln, der zornwütige Weidmann ging hinten drein und knurrte allerlei Namen. Erst unten an der Sandach, wo das Wasser alles Pfeifen und Jauchzen und Knurren übertäubte, wurde der Tourist freigelassen. Er lief aber nicht alsbald davon, sondern stellte sich hart vor den Jäger hin und sagte: »Hochansehnliche Herrschaften und Jägersleut'! Ihr habt es weit gebracht mit der Welt, daß man jetzt nimmer jauchzen soll dürfen im grünen Wald! Das Fluchen ist nicht verboten, wie ich Euch angemerkt habe. Schön! So verdamm' euch Gott, ihr edeln Herren und unedeln Jäger, daß ihr euerer Leidenschaft die Existenz braver Leute, ganzer Stände opfern könnet! Verdamm' euch Gott, die ihr den Mordknall habt aufgebracht im Wald und das frohe Jauchzen verdrängt! Zu Pulver soll euer Blut werden und zu Blei euer Herz und zu Rauch eure Seele. Guten Morgen.«

Und war davon.

Der Fluch schien echter zu sein als der gute Morgen. Es war ganz verdammt heute! Noch grub im Waldmeister der eine Ärger, da kam auch schon der zweite. Der Almhalter Wegerer begegnete ihm. Der schlich mäuschenstill daher auf dem steinigen Hohlweg, und zwar barfuß, »daß ich die Hirschen nicht verjage«, sagte er zum Ladislaus. Die Wahrheit war, daß er keinen Schuh besaß.

Der Waldmeister wollte seinen Unmut zerstreuen und hub mit dem alten Wegerer ein Gespräch an.

»Na, Wegerer«, sagte er, »was kann so einem Kerl aufgesetzt sein, der im Wald wie toll umherschreit und das Wild aufscheucht?«

»Fürs erste«, antwortete der Wegerer, »kann er heiser werden. Nachher kann's ihm aufgesetzt sein, daß er taubstumm wird! Ganz taubstumm. Und blind und lahm, und nach und nach tot – mausetot!«

»Schön«, sagte der Waldmeister, »und weil du dich schon so gut auskennst, und du vor lauter Blindheit ein Seher bist worden, sage mir einmal, was kann dem Bauer dort drüben aufgesetzt sein!«

»Dem Reuthofer? Der muß verhungern, wenn er nicht gescheit ist und sich als Wildschütz einsperren laßt. Ist ihm aufgesetzt, ich sag's! – Seinem Haussitzer, dem Pechölnatz, ist auch was aufgesetzt. Ja, der wird mit achtzig Jahren noch ein schönes Weib heiraten, weil er Kinder haben will.«

»Da wird ihm wohl noch etwas anderes aufgesetzt werden«, bemerkte der Waldmeister witzig. »Schau her da, Alter, hast du schon einmal einen solchen Rosenkranz gesehen?« Er zog aus der Tasche einen Lederbeutel und aus diesem seine Seidenschnur mit den Knoten hervor.

»Weiß nicht«, schmunzelte der alte Almhalter. »Ich bin halt ganz unschuldig und kenn' mich da nicht aus.«

»So reden wir von anderem. Sage mir, lieber Alter, was steht unserem gnädigen Herrn bevor?«

»Dem gnädigen Herrn!« entgegnete der Wegerer, »dem Kampelherrn! Ja, das ist so eine Sach'!«

»Nun?«

»Der gnädige Herr Kampelherr«, sagte der Alte mit Bedenken, »wenn sich der nicht bald ändert – an dem erleben wir noch was!«

»Wohl doch nichts Schlimmes!«

»Weiß nicht. Wenn sich der nicht bald ändert, so –«

»Heraus mit der Farbe!«

»– So wird er Baron.«

Der Waldmeister lachte auf. Er dachte daran, daß es nicht sein Schaden sein würde, wenn die Weissagung des Alten in Erfüllung ginge.

»Und was meinst du, Wegerer, was mir aufgesetzt ist?« fragte der Waldmeister und tat die Schnur wieder in den Lederbeutel.

»Dem Herrn Waldmeister?« sagte der alte Halter und zog dabei seine Stimme in die Länge.

»Aufrichtig sein!«

»Darf ich?«

»Ich zahl' einen Schnaps.«

»Ist ein gutes Fürnehmen, Herr Waldmeister, ein sehr gutes Fürnehmen. Dem Herrn Waldmeister wird's noch recht gut gehen.«

»Das hoffe ich. Will wissen, was mir für ein besonderes Glück aufgesetzt ist.«

»Nach meiner Meinung«, sagte der Wegerer schmunzelnd, »aber nicht für übel halten! Kein Mensch kann dafür, was ihm aufgesetzt ist. Nach meiner Meinung müßte sich der liebe Herr Waldmeister zum seligen End' an seiner Seidenschnur aufhenken.«

»Und dafür willst du Schnaps haben!« fuhr der Waldmeister auf.

»Es kann auch Wein sein«, sagte der Alte bescheiden.

»Schau, daß du weiter kommst!« herrschte ihm jener zu.

Der Wegerer schlich kopfschüttelnd davon. »Ich glaube gar«, murmelte er bei sich, »der Mann ist beleidigt. Ei Teuxel, ist es mir akkurat aufgesetzt, daß ich den muß beleidigen, der mir einen Schnaps zahlen will.«

Und huschte mißmutig davon.


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