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(Montag, 28. November.) Die dritte Woche des Prozesses beginnt – der Schlußakt.
Dort, wo in den Vorwochen die Möbel der Vermißten aufgestapelt waren, stehen nun ebenfalls Bänke für die Zuhörer, bis auf das letzte Plätzchen besetzt.
Sofort nach Eröffnung der Verhandlung erhebt sich der Staatsanwalt Godefroy und beginnt seine Rede, unbedingte Verdammnis für Landru fordernd:
»War denn solch eine Reihe von Verbrechen in unserer Zeit möglich? Die wiederholten Missetaten von Landru schienen so unglaubwürdig, daß man sie nicht immer für wahr hielt, und der Spott dem Gerichte nicht erspart blieb. Ja, man meinte sogar, ob dieser Prozeß nicht ein politisches Manöver sei zu dem Zwecke »die Aufmerksamkeit der Bürger von Verhandlungen eines Friedensvertrages abzulenken, welcher vielleicht nicht den Erwartungen der Mitwirkenden an einem glänzenden Sieg entsprach.«
Wieso hat Landru während so langer Zeit seine Verbrechen ausführen können? Das ist eine Folge des großen Dramas, welches unser Vaterland durchgemacht hat, eine Folge dieser Plage, die der Krieg gewesen ist. Der Dienstbetrieb war desorganisiert und unsere Polizeiagenten hatten genug damit zu tun, innere und äußere Feinde zu verfolgen. Ein so gescheiter, so hinterlistiger Verbrecher wie es Landru war, wußte furchtbare Konsequenzen zu ziehen aus dieser außergewöhnlichen Lage.«
Landru macht keine Notizen mehr. Staatsanwalt Godefroy erreicht eine ungewöhnliche Heftigkeit, bittet das Volksgericht ihn als dreizehnten Geschworenen zu betrachten und entwirft ein Bild Landrus: »Er stürzt von Fall zu Fall und 1914 wird er ausgewiesen, nachdem er mehr als siebzehn Jahre Kerker auf sich hatte.«
Zuletzt war Landru im Gefängnis von Loos. Der Staatsanwalt entwirft eine düstere Schilderung dieser Gefangenenhäuser.
»Somit mußte der ausgewiesene Landru, wollte er nicht nochmals die in Loos durchgemachten Leiden erleben, zu Verbrechen gelangen, welche, wie die Mörder denken, keine Beweise hinterlassen.«
Der Staatsanwalt kommt nochmals auf den Roman der Bräute. »Er wußte sie zu faszinieren.« Godefroy rekapituliert. Dann wendet er sich zu Landru:
»Es gab einmal einen berühmten Mörder Pranzini, welcher beschuldigt war, eine galante Frau getötet zu haben. Man hatte gesehen, daß er von ihrer Wohnung herausging. Um Aufklärung gefragt, antwortete er: ›Die Ehre einer Dame der Gesellschaft ist im Spiel‹. Nun, Sie, Landru, Sie sagen, daß Sie nicht einmal der Geliebte dieser Unglücklichen waren, nur Käufer ihrer Möbel. Was veranlaßt Sie also, zu schweigen? – Ah! Landru wußte arme Geschöpfe zu finden, vielleicht amoralische, aber nicht antipathische; arme Geschöpfe, welche durch Schicksalsprüfungen leichtgläubig geworden waren. Wer hat denn von ihnen mit Verachtung gesprochen? Sicher nicht die Polizeiberichte, sondern Landru selbst, wie es ihm die Anklage schon während der Verhandlungen vorgeworfen hat.«
Dann entwirft der Ankläger ein Bild von Landru, wie er vor dem Leichnam seines Opfers kniet, um es zu berauben, und er ruft aus: »Die Legende von dem gutmütigen Landru ist nun, hoffe ich, zerstört! Vor Ihnen steht ein Ungeheuer, dem Mitleid und menschliche Gefühle unzugänglich sind. Es bleibt mir nur übrig, von Ihnen die Abschaffung dieses verdorbenen Gliedes der menschlichen Gesellschaft zu verlangen.«
Die Sitzung wird unterbrochen.
Nach Wiederaufnahme fährt der Staatsanwalt mit seiner Auseinandersetzung fort: »Wie soll man zugeben, daß so viele Frauen, wenn sie nicht tot sind, ein so vollkommenes Schweigen bewahren, und wie zugeben, daß der junge Cuchet seiner Vergangenheit und Heimat untreu werden kann. Landru hat gesagt, dies seien keine Beweise. – – Kann man danach noch zweifeln? – – Frau Cuchet, die wohlhabend lebte, soll sie mit ihrem früheren Leben gebrochen haben, einfach, um Landru ihre Möbel zu geben? Nein. Sie wurde durch Landru fasziniert und hat den Kopf verloren.
Dann bespricht der Ankläger die Eintragungen des Notizbuches, welche den so oft wiederholten Kauf einer Tour-Retour-Fahrkarte und einer einfachen Fahrkarte betreffen. Eine der bedrückendsten Tatsachen. Die Anklage hat noch andere Rätsel zu entziffern, zum Beispiel die Zahl 4 am Kopfe einer Seite.
Vier Uhr nachmittags! Es ist die Stunde, da eine Unglückliche ihre Leichtgläubigkeit mit dem Leben bezahlt hat. Man wird nie mehr von ihr etwas hören. Die Stundenangabe kann verschieden sein, aber immer folgt das Verschwinden der schicksalsschweren Notiz, dann die Eintragung der Einnahmen. Mein verehrter Gegner de Moro-Giafferi hat mich gefragt, ob ich diese Notierungen benützen wolle. Eine einzige Zahl würde nichtssagend sein. Aber ihre Wiederholung, ist das nicht ein direkter Beweis? Ich habe gesucht. Fahrpläne studiert. Diese Zahlen entsprechen keinem Zug, keinem Stellwagen. Also ist die Stunde diejenige des Verbrechens. Warum führte Landru seine Opfer, die einen nach Vernouillet, die anderen nach Gambais? Sie machen eine erste Reise. Nach der zweiten sieht man sie nicht mehr. Das ist das Unbekannte, das ist das Rätsel! –
Der Staatsanwalt wird morgen fortsetzen.