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(8. November.) Diesmal ist der Zuschauerraum nicht so voll wie am ersten Tag.
Landru wird bald hereingeführt. Der Beginn der Verhandlung verzögert sich jedoch, da die Verteidiger noch nicht anwesend sind. Sie wurden durch einen Autounfall zurückgehalten und treffen um 13 Uhr 10 ein.
Der Gerichtshof erscheint, in Vertretung des Mr. Lacasse nimmt Mr. Fauconnet Platz.
Das Verhör Landrus beginnt. Zunächst die Aufzählung seiner Betrügereien und seiner Verurteilungen. Ganz ruhig hört Landru der Vorlesung zu.
Präsident: »Ihre Eltern waren sehr anständige Arbeitsleute. Ihr Vater, der Mechaniker war, hat sich stets die Achtung seiner Arbeitgeber zu erwerben gewußt. Im Jahre 1909 ziehen sich Ihre Eltern nach Agen zurück, Frau Landru stirbt im Jahre 1912, während der Sohn eine Verurteilung im Gefängnis von Loos abbüßt. Am 26. August selben Jahres tötet sich Landrus Vater im Boulogner Wäldchen. – Die Kindheit Landrus? Er war ein guter Schüler und ein ausgezeichneter Chorknabe, er wurde Unterdiakonus –«.
Landru: »Nur auf kurze Zeit!«
Präsident: »Nun, Sie gehörten aber doch der Kirche an, und vielleicht ist es dieser untergeordneten Kirchenstellung zuzuschreiben, daß Sie sich diese Sanftmut angeeignet haben, die man an Ihnen bemerkt. Aber Ihre Jugend wurde bald durch profanere Wirklichkeiten beunruhigt.«
Nun folgt die Geschichte der Liebesabenteuer und der Ehe Landrus. Dann rückt Landru ein und kehrt vom Regiment mit dem Rang eines Quartiermeisters zurück. Nach dieser Rückkehr vom Militärdienst wechselt Landru sehr oft seine Beschäftigung.
Auf die verschiedenen Fragen des Präsidenten antwortet Landru: »Es stimmt schon«, und mit noch behutsamerer Stimme, noch weicher, sagt er bei der Besprechung des Verschwindens einer Kaution: »Dies beweist die Unzulänglichkeit der Nachforschungen der Polizei, selbst in dem, was mich betrifft. Ich war es, der gegen meinen Arbeitgeber, Herrn Rimbaut, Klage geführt hatte.« Darauf bemerkt der Präsident, warum Landru der Untersuchung nicht alle Grundlagen für eine genaue Forschung gegeben habe.
Landru: »Es kommt nicht mir zu, die Polizei und das Gericht zu informieren. Man klagt mich sogar verschiedener Taten an, die mir die sogenannten Opfer niemals vorgeworfen haben.«
Wir sehen Landru als Angestellten der Immobiliar-Garantie, bei einem M. Henry, der nicht aufzufinden gewesen. Er übt verschiedene zweifelhafte Beschäftigungen aus. Das gibt Grund zu einem Streit zwischen dem Präsidenten und Landru, »der es nie begreifen konnte, daß man einem Angeklagten eine Vergangenheit vorwerfe, für die er bereits seine Strafe abgebüßt habe«.
Landru: »Man sagt mir: Sie haben bezahlt, Sie sind mir aber etwas schuldig geblieben.«
Der Präsident bemüht sich nun, nachzuweisen, daß der Geist des Landru von heute auch schon Herrschaft über den Landru von 1900 hatte. Schon damals betrügt er die Leute, macht von Inseraten Gebrauch, wird bereits verurteilt und »übt sich ein«.
Landru: »Wenn die Geschichte gelingt, ist man ein Genie, wenn sie schief geht, ist man ein Schuft, ein Elender, wie Viktor Hugo sagt.«
Und auf eine Feststellung des Präsidenten bezüglich des Vorlebens erwidert Landru: »Ich bin glücklich, Herr Präsident, daß Sie anerkennen, daß es niemals die Polizei war, die mich festgenommen hat. Ich selbst bin mit den ›Opfern‹ zum Kommissär gegangen.«
Nach einem bisweilen stürmischen Vorleben gelangt man zu seiner ersten Heiratsschwindelei am 15. April 1909 in Lille.
Die hievon Betroffene, eine Mme. Isoré, lebt und soll als Zeugin einvernommen werden.
Der Präsident bezweifelt eine Aussage des Landru bezüglich dieser Affäre. Der Mann von Gambais, mit ausgestrecktem Arm, mit offener Hand, seine sonderbaren mageren Finger bewegend, ruft aus: »Wenn ich sagen würde, ich habe 12 Frauen ermordet, dann würden Sie mir aufs Wort glauben«.
Für einen Augenblick unterbrochen, wird die Verhandlung um 15 Uhr 20 wieder aufgenommen, um zu den Bräuten Landrus und zu der Verhaftung Guillet-Dupont-Frémyets, das heißt Landrus, zu gelangen.
Wieder wird das unheilvolle Notizbuch durchblättert. Stehend, rasch, aber kühl, macht sich Landru auf einem Block Notizen.
Die bekannten Tatsachen werden verlesen. Der Richter fragt: »Haben Sie über diese allgemeinen Tatsachen besondere Erläuterungen zu geben?«
Landru: »Nein.«
Frage: »Wollen Sie angeben, was diese Liste bedeutet?«
Landru: »Herr Präsident, ich habe zu wiederholten Malen Gelegenheit gehabt, die allereinfachsten Erklärungen für dieselbe zu geben.«
Frage: »Ich glaubte, daß Sie dies gerade verweigert hätten.«
»Das ist«, so erklärt Landru, »die Liste eines Geschäftsmannes, der sich die Namen von Kunden notiert, mit denen er Geschäfte gemacht hat oder noch machen könnte. Sie sehen zum Beispiel hier Worte, die keine Namen sind, Brasilien, Crozatier.«
Präsident: »Und Havre?«
Landru: »Das hatte ich vergessen. Nun, dies sind Anmerkungen betreffs möglicher Geschäfte, der Auswahl von Möbeln etc. Eine ganz belanglose Liste, der man viel zu viel Wichtigkeit beigelegt hat. Die Inspektoren auf der Jagd nach einer Lärm machenden Affäre haben darin einen Kapitalbeweis sehen wollen. Die Idee der Mordtaten ist von der Polizei lanziert worden. Die Polizei ist von dem Gedanken an die 11 Namen der Liste nicht los gekommen. Was darin nicht vorkommt, hört auf, ein Wort des Evangeliums zu sein.«
Und er bemüht sich, es zu beweisen, wobei er die Schwäche gewisser Zeugenaussagen der Untersuchung unterstreicht. Was hieran schwach erscheint, bildet den Angriffspunkt der Verteidigung Landrus.
Man beschuldigte ihn der Ermordung einer Frau Benoit.
Landru: Es ist doch so wie so bereits ein anderer gekommen, der die Verantwortung übernommen hat. Man kannte in Gambais seinerzeit eine Dame und zwei kleine Mädchen, die man nicht wiedergesehen hat. Warum klagt man mich nicht auch dieser neuen Verbrechen an? Das sind Namen, die nicht auf dem Notizblatt waren.«
Staatsanwalt: »Ihre Erklärungen haben Sie außerhalb des Falles gestellt. Aber für die 11 in dem Notizbuch verzeichneten Opfer fehlen sie.«
Landru will nun eine Erklärung liefern: »Es war seine Idee, seit 1914 Möbel zu kaufen, um die Heime des Nordens, die der vordringende Feind gewiß zerstören würde, zu ersetzen. Um billig Möbel zu erstehen, will er diese von älteren, alleinstehenden Frauen erwerben und vermengt dabei die Geschicklichkeit des guten Geschäftsmannes mit der Kenntnis der Frauenpsyche. Kurz, der Kaufmann Landru ist bereit, die Rolle des Bräutigams zu spielen, um dadurch die Empfindlichkeit der »Kundinnen zu schonen, die sich genierten«.
Präsident: »Bestätigt Ihre Korrespondenz mit diesen Frauen Ihre Erklärung? Das wird man eben sehen.«
Man spricht von den Inseraten. Landru stellt gutmütig, wohlwollend einiges in Abrede und hält einen Vortrag über »dieses System elastischer Reklame, welches die guten Sitten nicht verletzt.«
Bezüglich seiner Heiratsangebote meint er: »Ich schreibe für die Öffentlichkeit«, und ein wenig später, bei der Erwähnung eines Briefentwurfes, der durch seine Zärtlichkeit kompromittierend ist, sagt er: »Viele Autoren schreiben, aber nur wenige Werke erscheinen«.
Die erste Zeugin, Mme. Isoré, wird vernommen. Ihre seinerzeitige Verbindung mit Landru (alias Paul Morel) ergab eine finanzielle Idylle, welche Landru schließlich die in Loos verbüßten drei Jahre eintrug.
Präsident: »War das eine Geschäftssache?«
Landru: »Die Sache geht auf 10 Jahre zurück und ist durch Urteilsspruch erledigt.«
Nun kommt die Reihe an den Polizeikommissär Dautel und den Inspektor Belin, welche über die Umstände aussagen sollen, unter welchen sie zur Festnahme Landrus gelangten.
Die Einvernahme des Inspektors Belin verursacht einen ziemlich heftigen Zwischenfall. Infolge mangelnder Präzision der von dem Inspektor gewählten Ausdrücke, bestreitet Landru einzelne Details: »Wie denn hätten Sie mich während der Durchsuchung der Wohnung im Wagen gelassen? Dann wäre ich Ihnen ja durchgegangen.«
Hierauf stellt auch M. Moro-Giafferi die Widersprüche in der Aussage des Zeugen fest, was eine Debatte zwischen der Verteidigung und dem Ankläger hervorruft. Auch Landru mischt sich hinein: »Und ich beschuldige diesen Mann, mich unberechtigter Weise festgenommen zu haben, ohne Auftrag und unter einem Vorwand.«
Staatsanwalt: »Wir werden sehen, wie weit Ihre Frechheit geht!«
Moro-Giafferi: »Gehen Sie nicht zu weit, Herr General-Advokat, es würde sehr schwierig sein, sich so zu verständigen!«
Und der peinliche Konflikt zwischen der hitzigen Verteidigung und der donnernden Anklage geht aufs Neue an.
Moro-Giafferi: »Ich werde dem Herrn General-Advokaten nicht gestatten, eine Zeugenaussage zu gewinnen.«
Staatsanwalt: »Und ich werde Ihnen nicht erlauben, zu sagen, daß ich versuche, eine Zeugenaussage zu gewinnen.«
Moro-Giafferi droht, sich zurückzuziehen; Das Ganze spielt sich mit unbeschreiblichem Lärm ab.
Der Präsident unterbricht: »Wir werden morgen die Fehler untersuchen, die Sie der Anklage zur Last legen« und hebt die Sitzung auf.