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Die Dreschmaschine zieht ein.

(1899)

Eines Sommerabends rief Papa den Schaffner Eßlinger zu sich in die Kanzlei und las ihm einen Brief vor, den er soeben von Clayton & Shuttleworth aus Wien erhalten hatte. In dem Brief stand geschrieben: die durch Vermittlung von General Geyer angekaufte Dreschgarnitur wäre auf einem Donauschlepper verladen worden; Ende Juni treffe sie in Gutta ein.

»Schaffner, ich muß sofort wieder verreisen,« sagte Papa, »und verlasse mich ganz auf Sie. Lassen Sie um den 25. Juni herum die schadhaften Brücken von Gutta an bis hierher richten. Wenn General Geyer Ihnen sagen läßt, daß die Garnitur angekommen ist, satteln Sie die Amazone – nehmen zwölf Paar Pferde mit Zugwagen, Ketten und Stricken – dann zwei Wagen mit zehn Leuten darauf – Krampen, Schaufeln und Bohlen. Ein Wagen läuft leer für das kleinere Zubehör. Und Sie gehen augenblicklich an die Drau und holen die Maschinen ab. – Haben Sie verstanden?«

»Jawohl, gnädiger Herr.«

Papa fuhr weg und ließ die Pußta in heller Bewegung zurück. Die langerwartete Dreschmaschine wird kommen.

Die alte Theres, Witwe von weiland Joso, dem ewig betrunkenen Futtermeister, weinte blutige Tränen: Franzel, ihr Sohn, hatte sich als Heizer zur Maschine gemeldet. In drei Wochen spätestens, meinte sie, wird er eine kalte Leiche sein.

Anfangs lachten die andern Weiber die alte Theres aus; dann fing eine nach der andern an, mitzuweinen und die Maschine zu verfluchen.

Der alten Theres Nichte Milka, Gattin des verschollenen Gabriel, jetzt mit dem wackern Kutscher Gjuro so gut wie verheiratet, begann dem Oberknecht Avancen zu machen. Denn Gjuro sollte auch um die Maschine herum sein, und sie wollte nach Gjuros Tod nicht einsam dastehen.

Die Maschine hatte wirklich bald einen Unglücksfall auf dem Gewissen – wenn Maschinen ein Gewissen haben:

Am 16. Juni, Franziskus Regis, war Markt in Gradina, und Franzel rühmte sich dort öffentlich seiner Heizerstelle. Zwei Gradiner Burschen wurden eifersüchtig auf die Erfolge, die Franzel mit seiner neuen Würde beim Reigen hatte. Sie schlugen ihm zwei Vorderzähne aus, der dritte wackelte.

Just an Franzels Namenstag. So was ärgert einen. Nicht der Zähne wegen – an ihnen lag dem Franzel nicht viel, er hatte ihrer noch dreißig. Aber die Gradiner zeigten die zwei Zähne überall herum und sagten, sie hätten dem Franzel die Angeln aus dem Heiztürl geschraubt.

Am 25. Juni also rüstete der Schaffner einen großen Heerhaufen aus von allerlei Holzarbeitern, Zimmerleuten, Wagnern, Tischlern und Schmieden; von dreizehn Pußten und elf Dörfern holte er alle Verfügbaren zusammen. Zwölf Wagen mit Bohlen, Kanthölzern, Pfosten und ganzen Stämmen gingen mit.

Zuerst stellten sie die Brücke über die Karaschitza her – geschlagene acht Tage. Sie steht noch heute – so gründlich haben sie sie damals gerichtet. – Dann folgten um den 30. Juni alle andern Brücken. Den ganzen Winterschnitt des gräflichen Sägewerks verbauten sie an die Brücken.

Sie wurden eben rechtzeitig fertig: am 7. Juli ankerte der Schlepper in Gutta.

Papa hatte von zwölf Paar Pferden gesprochen, die die Maschine abholen sollten. Dem Schaffner schiens zu wenig. Er mobilisierte die ganze Bespannung.

So groß sie sich auf der Pußta die Maschine vorgestellt hatten – sie waren doch überrascht, als sie sie wirklich sahen. Zunächst, weil eigentlich drei Maschinen da waren: eine mächtige giftgrüne Lokomobile von zwölf Pferdekräften, ein knallroter Dreschkasten und eine noch rötere Feuerspritze. Die Lokomobile mit dem umgelegten Rauchfang war ihnen ein lebendes Rätsel. Wie wird sie dreschen, wie wird man sie heizen? Was soll der und jener Bestandteil an ihr?

Der Schaffner wollte zwanzig Joch Ochsen vorlegen lassen, um die Maschine fortzufahren. Der Schiffskapitän meinte, vier Büffel würden genügen.

»Wir haben nur zwei Büffel mit,« sagte Eßlinger.

»Dann tuns auch zwei.«

Man spannte sie vor. Und siehe, es ging. Schwerfällig und langsam wie eine Ente watschelte die Lokomobile fort auf dem holprigen Weg. Mit drei Paar Ochsen fuhr der Dreschkasten nach. Hinten in endloser Prozession folgte ledig die Kolonne der Ochsen; an ihren Jochen klirrten die vielen langen Ketten, die man unnötigerweise mitgenommen hatte.

Die Kutscher waren mit der Feuerspritze schon vorausgetrabt. In den Dörfern standen die Leute an der Straße und erwarteten die Maschine. Als die Feuerspritze in flottem Tempo durchkam, von elf Paar Pferden gefolgt und elf reitenden Kutschern, da verlief sich das Volk enttäuscht und murrend. Man hatte mehr erwartet.

Indessen rumpelte die Dreschgarnitur ihres Weges weiter. Die Büffel schritten mit der Grandezza dicker Rentner daher, und hätte Ilia, der Büffelknecht, nicht hie und da mit der Heugabel nach ihnen gestochen – sie wären wohl ganz stehen geblieben. Hinter der Dreschgarnitur bewegte sich ein Wald von Ochsenhörnern und wackelte melancholisch.

Es wurde heiß und heißer. Die Knechte zogen die Röcke aus und banden sie den Ochsen an die Hörner.

Vorn ritt in tiefem Sinnen Schaffner Eßlinger. Er dachte an den großen, großen Krawall, den Papa ihm machen wird, weil Eßlinger soviel Vieh und Pferde für nichts und wieder nichts nach Gutta getrieben hat, gegen den ausdrücklichen Befehl.

Als sie an die Karaschitza kamen, sagte Meister Michel:

»Jetzend, was dö lange Brucken is, dö werd sicher halten, indem mir s' grepriert ham.«

Dem Schaffner wieder schien sie doch zu schwach. Die rote Maschine sei leichter, die sollte zuerst hinüber.

Er ließ also die Büffel stoppen. Als der Dreschkasten an der Lokomobile vorbeiwollte: – bum, da lag er im Graben.

Allgemeine Verwirrung. Was jetzt?

Die Büffel müssen mit der eisernen Maschine vorgehen und Platz machen. – Es geschah.

Unterdessen mühte man sich um den gestürzten Dreschkasten. Jeder wollte ihn anders heben.

Als alle hübsch ermattet vom Schreien und vom Heben waren, trat erst Michel auf den Plan.

Man solle ihn nur machen lassen. Er zog zwei starke Ketten unter der Maschine durch und band sie in die Räder. Die freien Enden warf er über die verunglückte Maschine und ließ an jedes Ende zehn Joch Ochsen spannen. Die Ochsen waren über den Weg, den andern Graben und querfeldein gerichtet.

Dann kommandierte er:

»Hooo – ruck!«

Franzel war eifrig am Werk und trieb die Ochsen an.

Stöhnend und wankend hob sich die Maschine.

Alles freute sich und schrie:

»Jetzend gehts.«

Da riß die eine Kette – die Ochsen fielen in die Knie – und einer davon, der Bakonja, schlug mit seinem langen Horn dem Franzel jenen Zahn aus, der seit dem Gradiner Markt gewackelt hatte. – Ja, Heizer sein ist ein gefährlicher Beruf.

Gleich fanden sich fünf, sechs und wollten die Kette flicken. Ilia, der Büffelknecht, stieß sie weg – er tue es ganz allein.

Nun fing das Manöver von neuem an.

»Hoo – ruck!« schrie Meister Michel.

Die Ochsen zogen an. Die Knechte schrien und peitschten. Alles hatte nur Augen für die gestürzte Maschine.

Ilia jauchzte:

»Sie bewegt sich schon.«

Man stützte sie von der Grabenseite – ein Stück Grabenrand ward abgeschürft – und alles schien in Ordnung.

Die Büffel aber fanden es sehr heiß. Sie hörten Peitschenknallen hinter sich und die Leute schreien. Die Angst – der Durst – die Hitze – das nahe Wasser der Karaschitza so lockend – kein Büffelknecht da, der sie hielt – – war es da nicht rein büfflisch, einen Schritt zu machen und noch einen – hin zum Wasser – in aller Stille?

Die Leute standen um den Dreschkasten und dankten Gott, daß sie ihn aufgerichtet hatten.

Da hörte mans hinten poltern und rumpeln – und als sie sich alle erschrocken umwandten, fuhr die Lokomobile just neben der Brücke hinunter in die Karaschitza – grade wie ein Torpedoboot, das vom Stapel läuft.

Nun lag sie im Schlamm, die schöne, giftgrüne Maschine. Die Büffel aber plätscherten in den kühlen Fluten, soffen wie die Bürstenbinder und legten sich behaglich hin.

Die Ilintzer warteten diesen Abend vergebens auf die Dreschmaschine. Sie kam erst acht Tage später – als Papa endlich heimkam und den ganzen Schlamm unter ihr weggraben ließ.


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