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As ick äwer den Mark gah, steiht de Dokter Siemerling vör sin Dör: »Mein Gott«, seggt hei, »was haben Sie da unter dem Arm?« – Hei is Dokter un red't natürlich hochdütsch. –«Verkleisterte Hoffnungen«, segg ick un red ok hochdütsch, denn ick was falsch. –«Aber wo haben Sie denn Ihren Hut verloren?« – »Bin froh«, segg ick, »daß ich meinen Kopf nicht auch verloren habe«, un gah driwens nah Hus.
Siemerling hett nahsten seggt, ick wir em spansch vorkamen; äwer lat Siemerlingen man mal teigendusend Dahler un sinen Doktertitel verlieren, denn ward hei mi ok woll spansch vörkamen.
As ick tau Hus kam, sitt min leiw Fru in min Stuw' un rohrt. – Ick smit mine schriwwtlichen Hoffnungen up den Disch hen, dat de Klisterbüdels un –tüten in de Stuw' 'rüm stöwen, süfz en pormal un segg: »Dat kümmt dorvon!«
»Wo von?« fröggt sei un höllt mit Rohren an.
»Dor von!« segg ick.
De Inleitung was nu jo all makt, un nu künn't Scharmützel los gahn; äwer sei müggt jo woll taum Glücken in desen Fall ehr Unrecht inseihn, sei rohrte tau mine stille Freud' ruhig wider un süfzte endlich un frog: »Wo ward't nu?«
»As't ümmer west is«, segg ick. »Du kakst Eten, un ick schriw Bäuker.« Äwer dorbi stegen mi nu de teigendusend Dahler un all de Herrlichkeiten, de wi dorför hadden hewwen künnt, tau Kopp, un ick segg: »Ja«, segg ick, »dat nige siden Kled un de Fru Doktern, das slag di ut den Kopp. – Oh, ick heww mi dat so schön dacht – nich üm minentwillen, ne, üm dinentwillen -, wenn wi so middags äwer'n Wall gahn wiren; du haddst din niges siden Kled an un haddst din Kreolin en En'n lang' breider utschaten, un de Honeratschonen wiren kamen un hadden drei Toll deiper grüßt: 'Guten Morgen, Frau Doktorin! Guten Morgen, Herr Doktor!', un du haddst denn so en beten mihr von baben dal wedder grüßt un haddst seggt: 'Wie geht es Ihnen? Ich habe Ihren kleinen Philipp oder Robert oder Mathilde oder Georgine so lange nicht gesehn; schicken Sie mir die lieben Kleinen doch diesen Nachmittag ein bißchen zu.' Un wenn wi tau Hus kamen wiren, denn hadd en Gaus'braden up den Disch stahn, un ick hadd seggt: 'All wedder Gaus'braden?', un du haddst seggt: 'Wi hewwen't jo; känen't jo dauhn.' – Un nahmiddags hadd ick nah'n Hof 'rute raupen: 'Korl!', un de frühere Kutscher, Ridknecht, Gärtner, Bedeinter un Husknecht von Herrn von Meyen wir 'rute kamen: 'Herr?', un ick hadd tau em seggt: 'Korl', hadd ick seggt, 'Punkt vir bring' mi den Brunen vör de Dör, ick will mit den Herrn Avkaten Löper en beten de Landstrat up un dal riden.' Ick hadd mi in Baron von Maltzahn sinen höhern Dubenverein upnemen laten, un 's Abens wir ick in den Klubb gahn un hadd de Nacht dörch Lommer spelt, denn, min Döchting, wer wat hett, kann ok wat verlieren.«
Un as ick dat Wurt »verlieren« so utsprek, föllt mi min Verlust von de Urgeschicht wedder in, un ick dreih mi snubbs üm un fang an up un dal tau gahn; un sei hakt unner minen Arm, un so gahn wi denn 'ne Tidlang bet an de Enkel mang de lyrischen pladdütschen Poppierbüdels in Triolett- un Rondeau-Form spazieren.
Endlich seggt sei: »Also ok mit den Dokter, meinst du, is dat för ümmer vörbi?« – »Ja«, segg ick, »meinst du, dat sei mi up fiw Bän'n 'dramatische Versuche' un en halwen 'Knipperdolling' un up des' Kopmannstüten taum Dokter maken? – In dinen Lewen ward kein Deuwel tau di Fru Doktern seggen; dat ward heiten: Fru Reutern, di lew ick, un Fru Reutern, di starw ick.«
Dunn föllt sei mi mit en Mal üm den Hals un röppt: »Segg denn ok so tau mi, as alle Lüd' tau mi seggen, segg denn ok: Fru Reutern, di lew ick, Fru Reutern, di starw ick; denn mag de Fru Doktern gahn, wohen sei will.«
Na, dit kamm mi denn äwern Hals un ok an den Hals, un in beiden Fällen bün ick wat unslüssig; ick wull nu eigentlich falsch bliwen un wull en Wurd hochdütsch mit ehr reden; äwer as ick sei nu so anseih, dunn würd mi doch so jämmerlich tau Maud, un ne christliche Besinnung kamm äwer mi, un ick wull ehr all en Kuß gewen. Dunn kloppt dor wat: »Herein!«, un uns' Herr Paster kamm 'rin: »Ich wollte doch mal.... aber...«
Ob hei nu mit dit »aber« unsern angefungenen Kuß oder min Fru ehr dickweinten Ogen meinte, weit ick nich; denn taum Glücken kamm sin Brauder Irnst Boll achter em un säd: »Wi wull'n di doch tau dinen Geburtsdag gratulieren.« – Nu föll mi min Geburtsdag irst wedder in. »Min leiwen Frün'n«, segg ick, »wat is dat schön, dat Sei mi hüt besäuken kamen, denn hüt...« – »Aber...«, seggt de Herr Paster, denn as Paster red't hei hochdütsch, »wollen Sie hier denn einen Kramladen anlegen?« Un dormit stött hei mit den Faut mang de infamen Tüten, dat em richtig so'n ßackermentsche Poppierbüdel up de Stäwelsnut hacken blew, mit den hei den ganzen Abend in alle Unschuld herümtriumphieren ded.
Na, min Hart is kein Mürdergruw, un ick vertell denn all dat Elend, wat mi den Dag äwer bedrapen; un so reden wi denn 'ne Wil doräwer, dunn bringt min Fru de ßackermentsche Spickgaus von hüt middag un en Drüpping Win von Josep Nissen herinner un sett allens vör uns up den Disch, äwer sihr trurig.
Un as de leiwe Gottesgaw' so vör uns steiht, kickt de Herr Paster mit en Mal tau Höcht un kickt min Fru – baff – in dat Gesicht un seggt: »Aber... liebe Frau Reuter, der Schaden ließe sich am Ende wohl noch kurieren.« – »Herr Pastor«, seggt sei, »sagen Sie's!«, denn wenn sei mit den Herrn Paster red't, red't sei ok hochdütsch, wil dat sei 'ne Preisterdochter is un em dorin nicks nahgewen will. – »Ich meine«, seggt hei sihr langsam, denn hei is en äwerleggend Mann un dorüm ok en tauverlaten Fründ, »ich meine, Reuter hat ein gut Gedächtnis, er hat das Manuskript gehörig studiert; sollte es ihm schwer werden, dasselbe aus der Erinnerung niederzuschreiben?«
't geiht doch nicks äwer en gauden Fründ! »Dat kann ick«, segg ick, »ick kann't! – Kein twintig Mal schaffen, dat ick't dörchlesen heww. – Wenn sei ruhig slapen ded, denn termaudbarst't ick mi den Kopp dormit.« – »Und Ernst hier«, seggt hei, »hat das Original gesehen, er kann Ihnen Echtheit bezeugen.« – »Ja«, segg ick, »hei hett dat Waterteiken seihn, hei hett de Tint beseihn, un hei hett dor ok an raken; un Knitschky hett den Titel un dat En'n seihn; un Dokter Reinhold hett den Deckel seihn.« – »Was wollen Sie mehr?« seggt de Herr Paster. »Sie haben drei Zeugen.«
Dat was wohr; an twei Tügen hadd ick naug, de Dokter Reinhold was tautaugewen. »Irnst Boll«, segg ick un holl de Hand hen, »ick will di nich äwersetten, willst du mi din letzt Gebott hollen, willst du mi for dese 'getreuen nächtlichen Erinnerungen aus der – aus der eigenen Hand des Stolpeschen Gerippes empfangenen – Urgeschichte von Mecklenburg' fiwdusend Dahler gewen?«
»Lieber Reuter«, seggt hei, »die Sachlage...« – Haha, denk ick, nu fängt de ok all hochdütsch an! Denn ick kenn dat: wenn hei hochdütsch red't, denn is hei in Verlegenheit. »Lat sin!« segg ick ärgerlich, »lat sin!« – Nu sitten wi wedder 'ne Tidlang un eten Spickgaus.
Mit einmal fängt de Herr Paster wedder an: »Aber Hinstorff?«
»Ja, Herr Pastor«, röppt min Fru, »Sie haben recht, Hinstorff!«
»Lieber Reuter«, seggt Irnst Boll, »ich glaube auch, Hinstorff...«
»Würklich!« föll ick em in't Wurd, »ick glöw ok, dat Hinstörp mi am En'n so'n Bauk afköfft; äwer de giwwt kein fiwdusend Dahler, de giwwt kein fiwhunnert.«
Nu eten wi denn wedder stillswigends en Strämel Spickgaus.
»Herr Reuter«, säd de Herr Paster, »opfern Sie sich für die Wissenschaft, und nehmen Sie die fünfhundert Taler.«
Un ick ded't, un as min beiden Frün'n gahn wiren, set't ick mi stantepeh dal un makte den vullstännigen Titel, den ick hir her sett; möt äwer ingestahn, dat mi min Fru en beten dorbi hulpen hett, üm mi irst in den Swung tau bringen. Also:
Wiß un wohrhaftige
Urgeschicht
von Meckelnborg-Swerin un –Strelitz
mit sine angrenzenden Provinzen,
von Erschaffung der Welt im Johre 0
bet up Hertog Niklotten, Dörchläuchten, im Jahre 1200
nah Christi Burt
so as sei mi dat selige Eddelmannsgeriww in Stolp handschriftlich hinnerlaten un tau eigen vermakt hett, de äwer, leider Gotts, in den letzten Harwst mark tau Bramborg von den Unverstand der Minschheit taum Kes'inwickeln verbrukt is, sick äwer doch taum großen Glücken för dat Land Meckelnborg un de äwrige Welt in minen behöllern Kopp erhollen hett.
Kort un bündig an dat Licht gewen, ok för de Herrn Ungelihrten mit allerhand verstännige Betrachtungen un för de Herrn Gelihrten mit paßliche Noten verseihn von
Fritz Reutern,
Doctorandussen
(is ok för Frugenslüd' un Schaulkinner tau bruken)
Hinstörpsche Hofbaukhandlung
1860