Ernest Renan
Die Apostel
Ernest Renan

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Sechzehntes Kapitel.

Allgemeiner Gang der christlichen Missionen.

Wir haben Barnabas von Antiochien abreisen gesehen, um den Gläubigen von Jerusalem den Sammelbetrag ihrer Brüder in Syrien zu überbringen. Wir haben auch gesehen, daß er Zeuge der Erregung war, welche die Verfolgung seitens Herodes Agrippa I. in der Gemeinde von Jerusalem hervorgerufen hatte (Apostelg. XII, 1, 25. Man beachte den ganzen Zusammenhang des Kapitels). Kehren wir mit ihm nach Antiochien zurück, wo sich nun die ganze schöpferische Thätigkeit der Sekte angesammelt zu haben scheint.

Barnabas brachte einen eifrigen Mitarbeiter mit sich, seinen Vetter Johannes Markus, den Lieblingsjünger des Petrus (1. Petri V, 13; Papias in Euseb. Hist. eccl. III, 39), den Sohn jener Maria, bei welcher der erste der Apostel zu wohnen liebte. Indem er diesen neuen Mitarbeiter aufnahm, gedachte er sicherlich schon der großen Unternehmen, zu denen er sich mit ihm verbinden wollte. Vielleicht auch, daß er die Spaltungen voraussah, welche diese Unternehmen hervorrufen würden, und es war ihm um so lieber, einen Mann damit in Verbindung bringen zu können, welcher die rechte Hand des Petrus war, das heißt desjenigen der Apostel, der in den allgemeinen Angelegenheiten die größte Autorität besaß.

Dieses Unternehmen war nichts Geringeres als eine Reihe großer Missionen, die von Antiochien ausgehen und die Bestimmung haben sollten, die ganze Welt zu bekehren. Wie alle wichtigen Entschlüsse, die in der Kirche gefaßt wurden, wurde auch dieser der Inspiration des heiligen Geistes zugesprochen. Man glaubte an eine besondere Berufung, an eine übernatürliche Wahl, welche der Gemeinde von Antiochien, während sie betete und fastete, zugewiesen worden sei. Vielleicht auch, daß einer der Propheten der Kirche, Menahem oder Lucius, in einem Anfall der Glossolalie Worte ausgesprochen hatte, aus welchen man schloß, daß Paulus und Barnabas für diese Mission bestimmt seien (Apostelg. XIII, 2). Was Paulus betrifft, so war er überzeugt, daß Gott ihn schon im Mutterleibe für das Werk bestimmt habe, dem er sich nun gänzlich widmen sollte (Gal. I, 15, 16; Apostelg. XXII, 15, 21, XXVI, 17, 18; 1. Kor. I, 1; Röm. I, 1, 5, XV, 15 etc.).

Die beiden Apostel wählten sich als Gehilfen und als Beistand für die materiellen Bedürfnisse ihres Unternehmens diesen Johannes Markus, den Barnabas von Jerusalem hierher gebracht hatte (Apostelg. XIII, 5). Als die Vorbereitungen beendet waren, wurde gefastet und gebetet; man legte, heißt es, die Hände auf die Häupter der zwei Apostel, als Zeichen, daß die Kirche selbst ihnen die Mission übertrage;Der Verfasser der Apostelgeschichte, Anhänger der Hierarchie und der Kirchenmacht, hat vielleicht diesen Umstand hinzugefügt. Paulus weiß nichts von einem solchen Auftrag oder Weihe. Er hielt seine Mission als von Jesus herrührend und dünkte sich ebensowenig ein Sendling der Kirche von Antiochien zu sein, wie der von Jerusalem. man empfahl sie der Gnade Gottes und sie zogen ab (Apostelg. XIII, 3, XIV, 25). Nach welcher Richtung werden sie sich wenden? Welcher Gegend werden sie das Evangelium verkünden? Das ist es, was nun zu untersuchen am wichtigsten ist.

Alle großen, ursprünglichen christlichen Missionen wandten sich gegen Westen, oder mit anderen Worten, machten das römische Reich zum Schauplatz und Rahmen ihrer Thätigkeit. Einige kleine Teile des Gebietes, Vasalländer der Arsaciden, zwischen Euphrat und Tigris, ausgenommen, empfing das Partherreich im ersten Jahrhundert keine christlichen Missionen (in 1. Petri V, 13 bezeichnet Babylon Rom). Der Tigris war nach Osten hin die Grenze, welche das Christentum erst unter den Sassaniden überschreiten sollte. Zwei wichtige Gründe, das Mittelmeer und das römische Reich, bestimmten diese Hauptsache.

Das Mittelländische Meer war seit einem Jahrtausend die Straße, wo sich alle Civilisationsabsichten und alle Ideen kreuzten. Nachdem die Römer es von den Piraten befreit hatten, war es zu einem unvergleichlichen Verkehrsmittel geworden. Eine zahlreiche Küstenschiffahrt machte das Reisen längs den Ufern dieses großen Sees sehr leicht. Die verhältnismäßige Sicherheit der Straßen im Reiche, die Bürgschaft, welche die Staatsgewalt bot, die Verbreitung der Juden über das ganze Küstengebiet des Mittelmeeres, die allgemeine Benutzung der griechischen Sprache in dem östlichen Teil des Seegebietes ( Cic., Pro Archia 10 ), die gleichmäßige Civilisation, die erst die Griechen, dann die Römer hier geschaffen hatten – dies alles machte aus der Landkarte des Reiches auch die Karte der Länder, die für die christlichen Missionen reserviert und für das Christentum bestimmt waren. Der römische »Orbis« wurde der christliche »Orbis«; und in diesem Sinne kann man sagen, daß die Gründer des Reiches auch die Gründer der christlichen Monarchie gewesen sind, oder wenigstens doch deren Umrisse vorgezeichnet haben. Jede vom römischen Reich eroberte Provinz war auch eine vom Christentum eroberte Provinz. Man stelle sich die Apostel vor, gegenüber einem Kleinasien, Griechenland, einem in hundert kleine Republiken geteilten Italien, einem Gallien, Spanien, Afrika, einem im Besitze alter nationaler Institutionen befindlichen Egypten – und man wird sich ihren Erfolg nicht vorstellen können, oder vielmehr man wird sich nicht vorstellen können, daß ihr Projekt je entstehen konnte. Die Einheit des Reiches war die nötige Vorbedingung des großen religiösen Proselytismus, der sich über die Nationalität fortsetzen wollte. Das Reich fühlte das im vierten Jahrhundert, es wurde christlich. Es sah, daß das Christentum die Religion sei, welche es unbewußt geschaffen hatte, die Religion, die durch seine Grenzen bestimmt wurde, die sich mit ihm identifizierte und ihm ein zweites Leben verschaffen konnte. Die Kirche dagegen wurde ganz römisch und blieb bis auf unsere Tage gleichsam ein Überrest des Reiches. Hätte man Paulus gesagt, Claudius sei sein erster Mitarbeiter; hätte man Claudius gesagt, daß dieser von Antiochien ausgehende Jude den Grund zu dem dauerhaftesten Teil des kaiserlichen Baues legen werde: der eine wie der andere wäre höchst erstaunt gewesen. Und doch wäre es die Wahrheit gewesen.

Von allen Ländern nächst Judäa war es natürlich Syrien, wo das Christentum zuerst sich festsetzte. Die Nachbarschaft von Palästina und die große Zahl der in diesem Lande ansässigen Juden (Jos. B. J. II, 20, 2, VII, 3, 3) machte ein solches Geschehnis unvermeidlich. Im Zeitraum von einigen Jahren wurden dann Cypern, Kleinasien, Macedonien, Griechenland und Italien von den apostolischen Männern besucht. Das südliche Gallien, Spanien, die Küste von Afrika, obgleich ziemlich früh evangelisiert, können gleichsam nur als ein Stockwerk betrachtet werden, das erst später auf den Unterbau des Christentums gesetzt wurde.

So verhielt es sich auch mit Egypten. Egypten spielt fast gar keine Rolle in der apostolischen Geschichte; die christlichen Missionäre scheinen ihm grundsätzlich den Rücken zu kehren. Dieses Land, das vom dritten Jahrhundert an der Schauplatz so wichtiger Ereignisse in der Geschichte der Religion geworden, blieb anfangs, was das Christentum betrifft, sehr zurück. Apollos ist der einzige christliche Gelehrte, der aus der Schule von Alexandrien hervorging; und auch er hatte das Christentum während seiner Reisen angenommen (Apostelg. XVIII, 24 etc.). Man muß die Ursache dieser merkwürdigen Erscheinung in den geringen Beziehungen suchen, die zwischen den Juden von Egypten und denen von Palästina vorhanden waren und mehr noch in dem Umstande, daß das jüdische Egypten gewissermaßen seine besondere religiöse Entwicklung durchgemacht hatte. Egypten hatte Philo und die Therapeuten, das war sein Christentum (s. Philo, De vita contemplativa , ganz), welches ihn davon abhielt, dem andern ein aufmerksames Ohr zu widmen. Was das heidnische Egypten betrifft, so besaß es religiöse Einrichtungen, die viel widerstandsfähiger waren als die des gräcoromanischen Heidentums.Pseudo-Hermes, Asclepius S. 158 r., 159 r. (Florenz, Juntes 1512). Die egyptische Religion war damals noch in ihrer ganzen Kraft. Es war noch fast die Zeit, in der sie ihre Riesentempel von Esneh, Ombos baute, wo die Hoffnung, in dem kleinen Cäsarion einen letzten Ptolomäerkönig, einen nationalen Messias zu besitzen, jene Heiligtümer von Denderah, Hermonthis erstehen ließ, die mit den schönsten pharaonischen Werken verglichen werden können. Das Christentum fand hier überall die Trümmer des Nationalgefühls und der lokalen Kulten vor. Die Herabwürdigung der Seelen in Egypten machte überdies jene Aspirationen selten, die dem Christentum überall so leichten Zutritt ermöglichten.

Ein jäher, von Syrien ausgehender Blitz, der fast gleichzeitig die drei großen Halbinseln Kleinasien, Griechenland und Italien erhellte, und bald darauf ein Wiederschein, der fast über alle Küsten des Mittelländischen Meeres leuchtete, das war das erste Erscheinen des Christentums. Der Zug der apostolischen Schiffe ist beinahe immer derselbe. Die christliche Verkündung scheint einer früheren Furche zu folgen, die keine andere ist als die der jüdischen Auswanderung. Wie eine Seuche, die von der Mitte der Küsten des Mittelländischen Meeres ausgehend, plötzlich, wie durch geheimes Übereinkommen hervorgerufen, auf zahlreichen Punkten der Litorale erscheint, so hatte auch das Christentum seine gewissermaßen im voraus bezeichneten Ankunftshafen. Diese waren fast alle durch jüdische Kolonieen gekennzeichnet. Eine Synagoge ging gewöhnlich der Gründung der Kirche voraus. Man könnte es eine Pulverlinie, oder besser noch eine Art elektrische Kette nennen, an der fast mit Augenblicksschnelligkeit die neue Idee dahinlief.

In der That hatte seit hundertundfünfzig Jahren der bis dahin auf den Orient und Egypten beschränkte Judaismus seinen Flug gegen Westen genommen. Cyrene, Cypern, Kleinasien, gewisse Städte von Macedonien und Griechenland, Italien hatten bedeutende jüdische Ansiedlungen (Cicero, Pro Flacco 28; Philo, In Flaccum § 7; Leg. ad Caium § 36; Apostelg. II, 5-11, VI, 9; Corp. inscr. gr. Nr. 5361). Die Juden gaben das erste Beispiel dieser Art Patriotismus, den die Parsen, die Armenier und bis zu einem gewissen Grade auch die Neugriechen später zeigen sollten; eines Patriotismus, der äußerst energisch ist, obgleich er nicht auf einem bestimmten Boden haften bleibt; eines Patriotismus von überall verbreiteten Kaufleuten, die sich überall auch als Brüder erkennen; eines Patriotismus, der nicht dahin strebt, große, kompakte Staaten zu bilden, sondern im Schoße anderer Staaten kleine selbständige Gemeinden. Fest miteinander verbunden, bildeten diese Juden in der Zerstreuung in den Städten fast unabhängige Körperschaften, die ihren eigenen Magistrat, ihren eigenen Rat hatten. In gewissen Städten hatten sie einen Ethnarchen oder Alabarchen, der fast mit souveräner Macht ausgerüstet war. Sie bewohnten ihre besonderen Stadtviertel, die der gewöhnlichen Jurisdiktion nicht unterworfen waren, die von den andern Einwohnern sehr mißachtet wurden, wo jedoch das Glück herrschte. Sie waren eher arm als reich. Die Zeiten der großen Reichtümer der Juden waren noch nicht gekommen; sie begannen erst in Spanien unter der Herrschaft der Westgothen.Lex Wisigoth. Buch XII, Tit. II und III; Walter, Corpus jur germ. antiqu. , Bd. I, S. 630 etc. Das Ansichziehen des Geldes durch die Juden war eine Folge der administrativen Unfähigkeit der Barbaren, des Hasses der Kirche gegen die Finanzwissenschaft und ihrer abergläubischen Ansichten vom Geldverleihen auf Zinsen. Unter der Römerherrschaft gab es nichts dergleichen. Auch ist der Jude arm, wenn er nicht reich ist; der bürgerliche Wohlstand ist nicht seine Sache. Allenfalls kann er recht gut die Armut ertragen; was er aber noch besser versteht, ist, die exaltierteste Voreingenommenheit in religiösen Dingen mit der größten kaufmännischen Geschicklichkeit zu verbinden. Theologische Excentricitäten schließen keineswegs einen gesunden Geschäftsgeist aus. In England, in Amerika, in Rußland sind die Anhänger der seltsamsten Sekten (Irvingianer, die Heiligen vom Jüngsten Tag, die Raskolnikoff) sehr tüchtige Kaufleute.

Das Eigentümliche eines frommen jüdischen Lebens war stets Heiterkeit und Herzlichkeit. Man liebte sich in dieser kleinen Welt; man liebte eine Vergangenheit, dieselbe Vergangenheit. Die religiösen Ceremonien schlossen sanft das Leben ein. Es war etwas Ähnliches wie die verschiedenen Gemeinden, die heute in jeder großen türkischen Stadt vorhanden sind, z. B. die griechischen, armenischen, jüdischen Gemeinden zu Smyrna, engverbundene Genossenschaften, in der jeder jeden kennt, alle zusammen leben, zusammen intriguieren. In diesen kleinen Republiken beherrscht die religiöse Frage stets die politische, oder vielmehr sie ersetzt diese. Eine Ketzerei ist hier eine Staatsangelegenheit; ein Schisma hat hier immer eine Personenfrage zum Ursprung. Mit seltenen Ausnahmen drangen die Römer nie in diese abgesonderten Quartiere. Die Synagogen veröffentlichten Gesetze, verteilten Ehren (s. »Leben Jesu« S. 121), verrichteten eigentliche Verwaltungsgeschäfte. Der Einfluß dieser Körperschaften war sehr groß. In Alexandrien war er von höchster Bedeutung und beherrschte die ganze innere Geschichte der Stadt.Philo, In Flacc. § 5 und 6; Jos. Ant. XVIII, 8, 1, XIX, 5, 2; B. J. II, 18, 7, VII, 10, 1; Papyrus, veröffentlicht in »Notices et extraits« XVIII, II, 383 etc. In Rom waren die Juden zahlreichDio Cassius XXXVII, 17, LX, 6; Philo, Leg. ad Caium § 23; Jos. Ant. XIV, 10, 8. XVII, 11, 1, XVIII, 3, 5; Horaz. Sat. I, 4, 142, 143, V, 100, IX, 69 etc.; Pers. V, 179-184; Suet. Tib. 36; Claud. 25; Domit. 12; Juvenal III, 14, VI, 542 etc. und bildeten einen nicht zu verachtenden Faktor. Cicero stellt es als mutige That dar, ihnen zu widerstehen gewagt zu haben ( Pro Flacco 28). Cäsar begünstigte sie und hielt sie für treu (Jos. Ant. XIV, 10; Sueton, Julius 84). Tiberius fand sich, um sie zu zügeln, zu den strengsten Maßregeln veranlaßt (Sueton, Tib. 36; Tacit. Ann. II, 85; Jos. Ant. XVIII, 3, 4, 5). Caligula, dessen Herrschaft für sie im Orient unheilvoll war, gab ihnen in Rom Versammlungsfreiheit (Dio Cassius LX, 6). Claudius, der sie in Judäa begünstigte, sah sich genötigt, sie aus der Stadt zu jagen (Suet. Claud. 25; Apostelg. XVIII; Dio Cassius LX, 6). Man begegnet ihnen überall (Jos. B. J. VII, 3, 3) und wie von den Griechen konnte man auch von ihnen sagen, daß sie, besiegt, ihren Siegern Gesetze auferlegt haben. (Seneca, Frag. in August., De civ. Dei VI, 11; Rutilius Numatianus I, 395 etc.; Jos. Contra Apion II. 39; Juv. Sat. VI, 544, XIV, 96 etc.)

Die Stimmung der eingeborenen Bevölkerung gegen diese Fremdlinge war geteilt. Einerseits äußerte sich mit Macht die Antipathie und der Widerwille, den die Juden durch ihre eifersüchtige Absonderung, ihren rachsüchtigen Charakter, ihre ungeselligen Gewohnheiten überall, wo sie zahlreich und organisiert vorhanden waren, hervorgebracht haben.Philo, In Flacco § 5; Tacit. Hist. V, 4, 5, 8; Dio Cassius XLIX, 22; Juv. XIV, 103; Diod. Sic. Fragm. des 1. Buches XXXIV und III des Buches XL; Philostr., Leben des Apoll. V, 33; 1. Thess. II, 15. Wenn sie frei waren, so waren sie wirklich bevorrechtigt, denn sie genossen die Vorteile der Gesellschaft, ohne an deren Lasten teilzunehmen (Jos. Ant. XIV, 10, XVI, 6, XX, 7; Philo, In Flaccum und Leg. ad Caium ). Charlatane haben die Neugierde ausgebeutet, die ihr Kultus erregte, und unter dem Vorwand, dessen Geheimnisse darzulegen, verübten sie allerhand Spitzbübereien (Jos. Ant. XVIII, 3, 4, 5; Juv. VI, 543 etc.). Heftige und halb komische Schmähschriften wie die des Apion, Schmähschriften, aus denen die profanen Schriftsteller nur zu oft ihre Belege sich holten,Jos., Contra Apion ganz; früher angeführte Stellen von Tacitus und Diodor von Sicilien; Trog. Pomp. (Justin) XXXVI, 2; Ptolom., Hephästion oder Chennus in Script. poet. hist. graeci von Westermann, S. 194. Vgl. Quintilian III, 7, 2. waren im Verkehr und nährten noch den Zorn des heidnischen Publikums. Die Juden scheinen im allgemeinen zänkisch und zur Klage leicht geneigt gewesen zu sein. Man sah in ihnen eine geheime Gesellschaft, die den andern nicht wohlwollend war und deren Mitglieder sich um jeden Preis auf Kosten anderer emporbringen wollten.Cic., Pro Flacco 28; Tacit. Hist. V, 5; Juv. XIV, 103, 104; Diodor von Sicilien und Philostr. angef. Stellen; Rutilius Numatianus, I, 383 etc. Ihre seltsamen Bräuche, ihre Abneigung vor gewissen Nahrungsmitteln, ihr Schmutz, ihr Mangel an Äußerlichkeiten, ihr übelriechender Atem (Mart. IV, 4; Anm. Marcellin. XXII , 5), ihre religiösen Skrupel, ihr strenges Beobachten des Sabbaths: dies alles wurde lächerlich befunden. (Suet. Aug . 76; Horaz, Sat. I , 9, 69 etc.; Juv. III , 13-16, 296, IV , 156-160, 542–547, XIV , 96-107; Mart. Epigr. IV , 4, VII , 29, 34, 54, XI , 95, XII , 57; Rut. Numat. loc. cit. und besonders Jos. Contra Apion II , 13; Philo, Leg. ad Caium § 26-28.) Von der Gesellschaft in Bann gelegt, gaben sich die Juden in natürlicher Folge nicht die geringste Mühe, äußerlich zierlich zu erscheinen. Man sah sie auf Reisen überall in ihrer vor Schmutz starrenden Kleidung, mit ihrem linkischen Gehaben, ihren abgespannten Mienen, blassen Gesichtern, großen, entzündeten Augen (Mart. Epigr. XII , 57), frömmelndem Ausdruck, mit ihren Frauen, ihren Kindern, ihren verpackten Decken und dem Korb, der ihr ganzes Habe bildete, eine Welt für sich darstellen (Juv. Sat. III , 14. VI , 542). In den Städten übten sie die niedrigsten Gewerbe aus: Bettler, Lumpensammler, Trödler, Zündhölzchenhändler (Juv. Sat. III , 296, VI , 543 etc.; Mart. Epigr. I , 42, XII , 57. – Stat., Silvae I , 6, 73, 74. S. Forcellini unter dem Worte sulphuratum ). Man würdigte ungerechterweise ihr Gesetz und ihre Geschichte herab. Bald fand man sie abergläubisch, grausam, bald atheistisch, Verächter der Götter.Horaz, Sat. I , 5, 100; Juv., Sat. VI , 544 etc., XIV , 96 etc.; Apul., Florida. I , 6. – Dio Cassius LXVIII , 32. – Tacit. Hist. V , 5, 9; Dio Cassius LXVII , 14. Ihre Abneigung gegen Bildwerke schien eine völlige Gottlosigkeit zu sein. Und besonders die Beschneidung lieferte den Stoff zu unendlichen Spötteleien.Horaz, Sat. I, IX , 70; Judaeus Apella scheint einen Witz dieser Art zu enthalten (s. die Scholastiker Acron und Porphyrion über Hor. Sat. I , 5, 100; vgl. die Stelle von H. Avitus, Poemata V , 364, citiert von Forcellini bei dem Worte Apella , die ich jedoch weder in den Ausgaben dieses Kirchenvaters, noch in den alten lat. Manuskripten, Pariser Bibliothek Nr. 11,320 vorfinde, wie es der gelehrte Lexikograph angiebt). Juv., Sat. XIV , 99 etc.; Mart. Epigr. VII , 29, 34, 54, XI , 95.

Aber diese Voreingenommenheit wurde nicht von allen geteilt. Die Juden hatten ebenso Freunde wie Verleumder. Ihr Ernst, ihre Sittlichkeit, die Einfachheit ihres Kultus fesselten eine Menge Leute. Man fühlte, daß sie eine gewisse Überlegenheit besaßen. Eine ausgedehnte monotheistische und mosaische Propaganda bildete sich; wie ein Wirbelsturm brauste es um dieses sonderbare kleine Volk (Jos. Contra Apion II, 39; Tac. Ann. II, 85; Hist. V, 5; Sat. I, 4, 142, 143; Juv. XIV, 96 etc.; Dio Cass. XXXVII, 17, LXVII, 14). Der arme jüdische Hausierer von Trastevere (Mart. Epigr. I, 42, XII, 57), der morgens mit einem Tragkorb voll Kleinigkeiten auszog, kehrte oft abends reich mit Almosen bedacht heim, das ihm von frommer Hand gespendet wurde (Juv. Sat . VI, 546 etc.). Besonders die Frauen fühlten sich von diesen in Lumpen gekleideten Missionären angezogen (Jos. Ant . XVIII, 3, 5 , XX, 2, 4 ; B.J. XX, 2; Apostelg. XIII, 50, XVI, 14). Juvenal ( loc. cit. ) zählt die Neigung zur jüdischen Religion mit unter die Untugenden der Frauen seiner Zeit. Die bekehrt worden waren, priesen den Schatz, den sie gefunden, und das Glück, dessen sie sich erfreuten (Jos. Ant . XX, 2, 5 , 4, 1 ). Der alte hellenische und römische Geist leistete energischen Widerstand; Haß und Verachtung gegen die Juden sind das Zeichen aller gebildeten Geister: Cicero, Horaz, Seneca, Juvenal, Tacitus, Quinctilian, Sueton.S. bereits angeführte Stellen. Strabo zeigt mehr Gerechtigkeit und Scharfsinn (XVI, 2, 34 etc.). Vgl. Dio Cass. XXXVII, 17 etc. Das Gegenteil dessen zeigte sich bei jener gemischten Riesenbevölkerung, die dem Reiche unterworfen war, eine Bevölkerung, welcher der alte römische Geist sowie die hellenische Weisheit fremd oder gleichgültig war. Sie strömte in Massen einer Gesellschaft zu, wo sie rührende Beispiele von Eintracht, Barmherzigkeit, gegenseitigem Beistand, Anhänglichkeit an seinen Beruf, Arbeitslust und Stolz der Armut fanden (Tac. Hist . V, 5. – Jos. Contra Apion II , 39). Der Bettel, der später eine ganz christliche Sache wurde, war bisher noch eine jüdische. Der Bettler von Profession, »von seiner Mutter dazu herangebildet«, war in den Gedanken der Dichter dieser Zeit stets ein Jude (Mart. XII, 57).

Die Befreiung von gewissen bürgerlichen Lasten, besonders vom Kriegsdienst, mochte gleichfalls das Schicksal der Juden beneidenswert erscheinen lassen (Jos. Ant . XIV, 10, 6 , 11, 12). Der Staat forderte damals viele Opfer und bot dagegen nur wenige moralische Freuden. Es herrschte da eine eisige Kälte wie auf einer einförmigen, ungeschützten Ebene. Das Leben, im Schoße des Heidentums so traurig, gewann Reiz und Wert in der erwärmenden Atmosphäre der Synagoge und Kirche. Es war nicht die Freiheit, die man hier fand. Die Genossen spionierten nicht wenig herum und hetzten gegeneinander auf. Allein wie sehr erregt auch das innere Leben dieser kleinen Gemeinden war, man gefiel sich darin doch ganz besonders; man verließ sie nicht; es gab da keine Apostaten. Der Arme war zufrieden, sah auf den Reichen ohne Neid, mit der Ruhe eines guten Gewissens ( Ecles. X, 25, 26, 27). Eine wahrhaft demokratische Ansicht von der Thorheit der Welt, der Eitelkeit profaner Güter und Ehren drückte sich darin trefflich aus. Man hatte für die heidnische Welt kein rechtes Verständnis und beurteilte sie mit übertriebener Strenge; die römische Civilisation schien ihnen eine Anhäufung von sittlichem Schmutz und häßlichen Lastern (Röm. I, 24 etc.), in derselben Weise etwa wie ein rechtschaffener Arbeiter von heute, der jedoch von socialistischen Phrasen vollgesogen ist, die »Aristokraten« in den schwärzesten Farben sich ausmalt. Aber es war Leben hier, Frohsinn und Mitgefühl, wie es heute noch selbst in den ärmsten Synagogen der Juden von Polen und Galizien zu finden ist. Der Mangel an Eleganz und Zierlichkeit im Gehaben wurde durch einen köstlichen Familiensinn und durch patriarchalische Gemütlichkeit ausgeglichen. In der großen Gesellschaft dagegen hatten Egoismus und Seeleneinsamkeit die schlechtesten Früchte gezeitigt.

Das Wort des Zacharias (VIII, 23) bewahrheitete sich: die Welt hing sich an die Kleiderzipfel der Juden und rief aus: »Führt uns nach Jerusalem!« Es gab keine große Stadt, in der nicht der Sabbath, die Fasten und andere jüdische Bräuche gehalten wurden.Hor. Sat . I, 9, 69 ; Pers. V, 179 etc.; Juv. Sat . VI, 159, XIV, 96 etc. Josephus ( Contra Apion II, 39) konnte es wagen, allen, die daran zweifelten, zuzurufen, sie möchten ihre Heimat, ja selbst ihr eigenes Haus betrachten, um zu erkennen, ob sich seine Worte nicht bewahrheiteten. Die Anwesenheit mehrerer Mitglieder der Familie Herodes in Rom und in der Umgebung des Kaisers, wo sie ihren Kultus mit einer gewissen Absichtlichkeit vor den Augen aller ausübten,Pers. V, 179-184; Juv. VI, 157-161. Die merkwürdige Voreingenommenheit gegen die Juden, die bei den römischen Schriftstellern des ersten Jahrhunderts, besonders bei den Satyrikern, zu finden ist, kommt von diesem Umstand her. trug sehr viel zu diesem öffentlichen Hervortreten bei. Die Sabbathfeier ergab sich übrigens in den Vierteln, wo die Juden wohnten, von selbst, denn ihre entschiedene Weigerung, an diesem Tage die Verkaufsladen zu öffnen, nötigte die Nachbarn, ihre Lebensweise danach einzurichten. So wird auch heute zu Salonichi der Sabbath fast allgemein beobachtet; die jüdische Bevölkerung ist hier reich und zahlreich genug, um durch Schließung ihrer Geschäftslokalitäten den Ruhetag zu regeln und als Gesetz zu bestimmen.

Fast in derselben Weise wie der Jude und oft auch in Verbindung mit ihm, war der Syrier ein thätiges Werkzeug für die Eroberung des Occidents durch den Orient (Juv. Sat . III, 62 etc.). Man verwechselte sie manchmal miteinander, und Cicero glaubte, den ihnen gemeinsamen, verbindenden Zug gefunden zu haben, indem er sie zur Knechtschaft geborene Völker nannte ( De prov. consul. 5). Das aber war es auch, was ihnen die Zukunft sicherte, denn die Zukunft gehörte damals den Sklaven. Ein nicht minder wesentlicher Zug des Syriers war seine Gewandtheit, seine Geschmeidigkeit, sein klarer, wenn auch nicht tiefer Verstand. Die syrische Natur gleicht einem flüchtigen Wolkengebilde am Himmel. Man sieht für eine Weile gewisse Linien anmutig sich abheben, aber diese Linien werden nie zu einem vollständigen Bilde. Im Schatten, beim unsicheren Schein der Lampe, bringt die syrische Frau unter ihrem Schleier, mit ihrem schwärmerischen Blick und ihrer unbeschreiblichen Weichheit, einige Augenblicke der Illusion hervor. Will man aber diese Schönheit näher in Betracht ziehen, so ist sie entschwunden; sie verträgt keine Prüfung. Übrigens währt dies alles nur kaum drei oder vier Jahre. Was bei der syrischen Rasse reizend ist, das ist das Kind von fünf bis sechs Jahren, im Gegensatz zu Griechenland, wo das Kind unbedeutend aussah, der Jüngling dem Manne und dieser wieder dem Greise nachstand.Kinder, die mir bei meiner ersten Reise gefallen hatten, fand ich vier Jahre später häßlich, gewöhnlich, abgestumpft. Die Intelligenz der Syrier macht sich durch eine leichte und rasche Auffassung angenehm bemerkbar; aber es fehlt ihr an Festigkeit und Ausdauer; er gleicht fast dem »goldenen Wein« vom Libanon, der angenehm zu trinken ist, den man aber bald überdrüssig wird. Die echten Gottesgaben sind gleichzeitig zart und kräftig, berauschend und dauerhaft. Griechenland wird heute mehr gewürdigt als je, und wird es künftig immer mehr werden. Viele der syrischen Auswanderer, die, um ihr Glück zu machen, nach dem Occident gezogen waren, gehörten mehr oder minder dem Judentum an. Die ihm nicht zugehörten, blieben ihrem Heimatskultus treu,Πατρωοις δεοίς, eine bei Inschriften aus Syrien oft gebrauchte Formel. ( Corpus inscr. graec. Nr. 4449, 4450, 4451, 4463, 4479, 4480, 6015). d. h. der Erinnerung an den Tempel eines lokalen »Jupiters«,Corpus inscr. graec. Nr. 4474, 4475, 5936. Mission de Phénicie I, 2, Inschrift von Abedat. Vgl. Corpus Nr. 2271, 5853. der gewöhnlich aber nur den höchsten Gott unter irgend einem besonderen Titel bedeutete.Ζεύς ούράνιος , έπουράνιος, ϋψιοτος, μέγιστος, δεός σατράπης Corp. inscr. gr. Nr. 4500-4503, 6012; Lepsius, Denkmäler, Bd. XII, Blatt 100, Nr. 590; Mission de Phénicie , S. 103, 104 etc. Es war im Grunde also eine Art Monotheismus, den die Syrier unter der Hülle ihrer fremden Götter brachten. Im Vergleich wenigstens mit den vollkommen unterschiedlichen göttlichen Persönlichkeiten des griechischen und römischen Polytheismus waren die Götter, von denen hier die Rede ist, größtenteils gleichbedeutend mit der Sonne, fast Brüder des einzigen Gottes.Ich habe dies im »Journal Asiatique«, Februar-März 1859, S. 259 etc. und in der » Mission de Phénicie « II, 2 entwickelt. Langen entnervenden Molopöien ähnlich, mußten diese Kulten der Syrier weniger trocken erscheinen als der lateinische, weniger unbefriedigend als der griechische Kultus. Die syrischen Frauen gaben dem etwas gleichzeitig Wollüstiges und Exaltiertes. Diese Frauen waren stets seltsame Wesen, zwischen Gott und Dämon streitend, zwischen Heiligem und Besessenem schwankend. Die Heilige mit ernsten Tugenden, heldenmütiger Entsagung und Beharrlichkeit gehört anderen Rassen und anderen Klimaten an; die Heilige mit starker Einbildungskraft, mit absoluter Begeisterung, mit hellauflodernder Liebe: das ist die Heilige aus Syrien. Die Besessene unseres Mittelalters war wegen Gemeinheit oder Sünde zur Sklavin des Satans geworden; die Besessene aus Syrien ist die Tolle aus Einbildung, das Weib, dessen Gefühle verletzt wurden, die sich durch Raserei rächt, die sich in Wortlosigkeit hüllt,Syrischer Kodex in Land, Anecdota Syriaca I, 152; verschiedene Thatsachen, deren Zeuge ich war. aber durch ein sanftes Wort, einen sanften Blick geheilt werden kann. In die occidentale Welt übertragen, erwarben sich diese Syrierinnen einen Einfluß, manchmal durch arge Weiberkünste, häufiger jedoch durch eine gewisse moralische Überlegenheit und durch wirkliche Fähigkeit. Dies zeigte sich besonders hundertfünfzig Jahre später, als die wichtigsten Persönlichkeiten Roms Syrierinnen heirateten, die sogleich auf die öffentlichen Angelegenheiten einen sehr großen Einfluß ausübten. Die mohammedanische Frau von heute, eine kreischende Megäre, thöricht fanatisch, nur für das Böse existierend und zur Tugend fast unfähig, darf uns nicht eine Julia Domna, eine Julia Mäsa, eine Julia Mamäa, eine Julia Soemia vergessen lassen, die nach Rom Grundsätze des Glaubens, der Toleranz und Instinkte des Mysticismus gebracht haben, welche bis dahin dort noch unbekannt waren. Ebenfalls sehr merkwürdig ist: die derart eingeführte syrische Dynastie zeigte sich dem Christentum gegenüber günstig, und Mamäus, sowie später Kaiser Philippus der Araber (geboren in Hauran) galten für Christen. Das Christentum im dritten und vierten Jahrhundert war vorzugsweise die Religion Syriens. Nächst Palästina trug Syrien am meisten zu dessen Gründung bei.

Besonders Rom war es, wo im ersten Jahrhundert der Syrier seine durchgreifende Thätigkeit ausübte. Fast alle kleinen Gewerbe verrichtend, Lohndiener, Kommissionär, Sänftenträger, hatte der » Syrus «S. Forcellini, Wort Syrus . Dieses Wort bezeichnet gewöhnlich »die Orientalen«. Leblant, Inscr. chrét. de la Gaule I, 207, 328, 329. überall Zutritt und führte überall Sprache und Bräuche seines Landes mit sich ein (Juv. III, 62, 63). Er hatte weder die Kühnheit noch die philosophische Höhe des Europäers, minder noch dessen Kraft. Schwachen Körpers, bleich, an Fieber leidend, nicht an regelmäßiges Essen und Schlafen gewöhnt, wie unsere schwerfälligeren und solideren Rassen, wenig Fleisch genießend, nur von Zwiebeln und Kürbissen sich nährend, mit kurzem und leichtem Schlummer, war der Syrier gewöhnlich krank und starb frühzeitig.So ist heute noch das Temperament des christlichen Syriers. Was ihm eigentümlich war, das war die Demut, die Sanftmut, die Freundlichkeit und eine gewisse Güte; keine Geistesstärke, aber viel Anmut; wenig Verstand, wo es sich nicht um seine Geschäfte handelte, aber ein erstaunlicher Eifer und eine ganz weibliche Überredungsgabe.

Der Syrier, der nie ein politisches Leben kannte, hat eine ganz besondere Geschicklichkeit für religiöse Bewegungen. Dieser arme, halb weibische, demütige, gebeugte Maronit hat die größte der Umwälzungen zustande gebracht. Sein Ahne, der » Syrus « zu Rom, war der eifrigste Überbringer der »frohen Botschaft« an alle Betrübten. Jedes Jahr kamen nach Griechenland, Gallien, Italien Kolonien dieser Syrier, veranlaßt von ihrer angeborenen Neigung für das Kleingewerbe.Inschriften in Mém. de la Soc. des Antiquaire de Fr. Bd. XXVIII, 4 ec.; Leblant, Inscr. chrét. de la Gaule I, S. 144, 207, 324 ec., 353 ec., 375 ec., II, 259, 459 ec. Auf den Schiffen erkannte man ihn an seiner zahlreichen Familie, an der Schar fast gleichaltriger Kinder, die ihm folgten, während die Mutter, mit dem kindlichen Aussehen eines vierzehnjährigen Mädchens, sich dem Gatten zur Seite hielt, unterwürfig, sanft lächelnd, kaum größer als ihr ältester Sohn.Die Maroniten kolonisieren noch fast die ganze Levante, nach Art der Juden, Armenen und Griechen, wenn auch im geringeren Maße. Die Köpfe in diesen friedlichen Gruppen sind wenig ausdrucksvoll; sicherlich befindet sich darunter kein Archimedes, kein Plato, kein Phidias. Aber dieser syrische Händler wird, in Rom angelangt, ein guter, barmherziger Mensch, mildthätig gegen seine Landsleute, die Armen liebend. Er wird mit den Sklaven plaudern, ihnen ein Asyl entdecken, wo diese Unglücklichen, von der römischen Härte zur öden Einsamkeit verdammt, etwas Trost zu finden vermögen. Die griechische und die lateinische Rasse, Herrenrassen, geschaffen für das Große, verstanden es nicht, die untergeordnete Stellung anderer vorteilhaft zu benutzen (s. Cic., De offic. I, 42; Denys d' Halicarnasse II, 28, IX, 25). Die Sklaven dieser Rassen brachten ihr Leben im Aufruhr und im Übelwollen zu. Der Sklave des Altertums, wie ihn der Dichter schilderte, hat alle Fehler: gefräßig, verlogen, bösartig, ein natürlicher Feind seines Herrn (s. die Sklaventypen bei Plautus und Terenz). Dadurch jedoch bewies er einigermaßen seinen Adel: er protestierte gegen einen unnatürlichen Zustand. Der gute Syrier aber protestierte nicht; er nahm seine Schmach hin und versuchte das möglichst Beste daraus zu gewinnen. Er erwarb sich das Wohlwollen seines Herrn, wagte es, mit ihm zu sprechen; er wußte seiner Herrin zu gefallen. Dieser große Agent der Demokratie löste also Masche um Masche vom Netz der antiken Civilisation auf. Die alten Gesellschaften, begründet auf die Verachtung anderer, auf die Ungleichheit der Rassen, auf kriegerischen Wert, waren verloren. Die Schwäche, die Niedrigkeit soll jetzt ein Vorteil werden, eine Vollkommenheit der Tugend (2. Kor. XII, 9). Der römische Adel, die griechische Weisheit werden noch drei Jahrhunderte dagegen kämpfen. Tacitus wird es für gut finden, daß Tausende dieser Unglücklichen deportiert werden: si interissent, vile damnum! (Ann. II, 85). Die römische Aristokratie wird sich ärgern, es für übel finden, daß diese Kanaille ihre Götter, ihre Institutionen hat. Aber der Sieg ist von vornherein festgesetzt. Der Syrier, der arme Mann, der seine Mitmenschen liebt, der mit ihnen teilt, sich zu ihnen gesellt, wird ihn davontragen. Die römische Aristokratie wird aus Mangel an Güte verderben.

Um uns die bevorstehende Revolution zu erklären, müssen wir uns Rechenschaft geben über die politischen, socialen, moralischen, intellektuellen und religiösen Verhältnisse der Länder, wo der jüdische Proselytismus also die Furche gezogen, die von der christlichen Verkündung befruchtet werden soll. Diese Studie wird, wie ich hoffe, beweiskräftig darlegen, daß die Bekehrung der Welt zu den jüdischen und christlichen Ideen unabwendlich war; sie wird uns nur über einen Punkt erstaunen lassen: daß diese Bekehrung so langsam und so spät stattgefunden hat.


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