Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Bisher zeigte sich uns die Kirche von Jerusalem als eine kleine galiläische Kolonie. Die Freunde, die Jesus in Jerusalem und Umgebung sich verschafft hatte, wie Lazarus, Martha, Maria von Bethanien, Joseph von Arimathia, Nikodemus, waren vom Schauplatz verschwunden. Die galiläische Gruppe, um die Zwölf versammelt, blieb allein nur im Zusammenhang und thätig. Die Predigten dieser eifrigen Jünger währten ununterbrochen fort. Später, nach der Zerstörung von Jerusalem und fern von Judäa, stellte man sich die Predigten der Apostel als öffentliche Scenen vor, die auf den Marktplätzen in Gegenwart einer versammelten Menge stattgefunden hatten (Apostelg. in den ersten Kapiteln). Eine solche Auffassung scheint der Zahl jener beliebten Imaginationen zugereiht werden zu müssen, an denen die Legende so reich ist. Die Behörden, die Jesus zum Tode verurteilt hatten, können nicht erlaubt haben, daß solche Auftritte sich erneuerten. Der Proselytismus der Gläubigen erfolgte besonders durch eindringliche Gespräche, in denen sich die Wärme ihrer Seele vom Nächsten zum Nächsten mitteilte (Apostelg. V, 42). Ihre Predigten unter der Säulenhalle Salomos sollten sich an nicht sehr zahlreiche Kreise richten. Aber die Wirkung war nur um so tiefer. Ihre Reden bestanden hauptsächlich aus Citaten des Alten Testaments, womit sie zu beweisen versuchten, Jesus wäre der Messias gewesen (s. z. B. Apostelg. II, 34 etc., und im allgemeinen alle Reden der ersten Kapitel). Das Räsonnement war subtil und schwach, indes das ist die ganze Exegese der Juden jener Zeit; die Folgerungen, welche die Lehrer der Mischna aus dem Bibeltexte zogen, sind auch nicht befriedigender.
Noch schwächer war der zur Unterstützung ihrer Argumente herbeigezogene Beweis, der von den vorgeblichen Wundern abgeleitet wurde. Es ist kein Zweifel möglich, daß die Apostel wirklich wähnten Wunder verrichten zu können. Wunder galten als das Zeichen jeder göttlichen Sendung (1. Kor. I, 22, II, 4, 5; 2. Kor. XII, 12; 1. Thess. I, 5; 2. Thess. II, 9; Gal. III, 5; Röm. XV, 18, 19). Paulus, der reifste Geist der ersten christlichen Schule, glaubte solche vollführt zu haben (Röm. XV, 19; 2. Kor. XII, 12; 1. Thess. I, 5). Man nahm mit Gewißheit an, daß Jesus deren vollbracht hatte. Es war natürlich, daß die Reihe dieser göttlichen Offenbarungen sich fortsetzte. Thatsächlich erscheint bis zum Ende des ersten Jahrhunderts die Thaumaturgie als ein Vorrecht der Apostel.Apostelg. V, 11–16. Die Apostelgeschichte ist voll von Wundern. Die des Eutychius (XX, 7–12) werden sicherlich von einem Augenzeugen erzählt. So ist es auch XXVIII. Vgl. Papias in Euseb. H. E. III, 39. Die Wunder der Apostel sind von derselben Art wie die von Jesus und bestehen hauptsächlich, aber nicht ausschließlich in Heilungen von Krankheiten und Exorcismus bei BesessenenDie jüdischen und christlichen Exorcismen wurden selbst von den Heiden als die wirksamsten betrachtet. S. Damascius »Leben des Isidorus« S. 56.). Man behauptete, ihr Schatten schon genüge, um Wunderkuren zu vollbringen (Apostelg. V, 15). Diese Wunder wurden für regelmäßige Gaben des Geistes betrachtet und ebenso gewürdigt, wie die Gabe der Wissenschaft, des Predigens, des Prophezeiens (1. Kor. XII, 9 etc., 28 etc., Constit. apost. VIII, 1). Noch im dritten Jahrhundert glaubte die Kirche dieselben Vorrechte zu besitzen und die Macht Kranke zu heilen, Teufel auszutreiben, die Zukunft zu verkünden als ein dauerndes Recht auszuüben.Irenäus Adv. haer. II, 32, 4, V, 6, 1, Tertul. Apol. 23, 43; Ad Scapulam 2; De corona. 11; De spectaculis 24; De anima 57; Const. apost. das erwähnte Kapitel, das aus dem Werke des heil. Hippolyt über Charismata gezogen sein dürfte. In dieser Beziehung macht die Unwissenheit alles möglich. Sehen wir nicht in unseren Tagen ehrliche Leute, denen jedoch der wissenschaftliche Geist fehlt, durch die Chimären des Magnetismus und anderer Täuschungen dauernd betrogen werden? (Für die Mormonen ist das Wunder eine alltägliche Sache; jeder hat die seinigen. Jules Remy » Voy. au pays des Morm. « I, S. 140, 192, 259, 260, II, 53 etc.).
Nicht nach diesen kindlichen Irrtümern, nicht nach den unbedeutenden Reden, die wir in der Apostelgeschichte lesen, dürfen die Bekehrungsmittel beurteilt werden, über welche die Gründer des Christentums verfügten. Die wahren Predigten waren die vertraulichen Gespräche dieser guten und überzeugten Leute; es war die in ihren Reden noch fühlbare Abspiegelung der Worte Jesu; es war vor allem ihre Frömmigkeit, ihre Sanftmut. Das Anziehende des gemeinsamen Lebens hatte gleichfalls große Kraft. Ihr Haus war eine Herberge, wo alle Armen, alle Verlassenen Zuflucht und Hilfe fanden.
Einer der ersten, der sich der neuentstandenen Gesellschaft anschloß, war ein Cypriote, namens Joseph Hallevi, oder der Levit. Wie die andern verkaufte er sein Grundstück und legte den Ertrag zu Füßen der Zwölf. Er war ein vernünftiger Mann, von erprobter Hingebung und gewandter Ausdrucksweise. Die Apostel schlossen sich eng an ihn an und nannten ihn Barnabas, d. h. Sohn der Prophezeiung oder des Predigens (Apostelg. IV, 36, 37; vgl. XV, 32). Tatsächlich zählte er auch zu den Propheten (Apostelg. XIII, 1), d. h. zu den begeisterten Predigern. Wir werden ihn später eine Hauptrolle spielen sehen. Nächst Paulus war er der thätigste Missionär des ersten Jahrhunderts. Ein gewisser Mnason, sein Landsmann, bekehrte sich zu derselben Zeit (Apostelg. XXI, 16); Cypern besaß viele Judenverbindungen (Jos. Ant. XIII, 10, 4 , XVII, 12, 1, 2 ; Philo. Leg. ad Caium § 36 ). Barnabas und Mnason waren zweifellos Juden von reiner Rasse.Bezüglich Barnabas ergiebt sich dies aus seinem Namen Hallevi und aus Kol. IV, 10, 11. Mnason scheint die Übersetzung eines hebräischen Namens zu sein, in welchem die Wurzel zacar , wie in Zacharias, vorkam. Die intimen und dauernden Verbindungen des Barnabas mit der Kirche von Jerusalem lassen glauben, daß er mit dem Syrisch-Chaldäischen sehr vertraut war.
Ein fast ebenso wichtiger Gewinn, wie der des Barnabas, war der eines gewissen Johannes, der den römischen Vornamen Markus führte. Er war ein Vetter des Barnabas und ein Beschnittener (Kol. IV, 10, 11). Seine Mutter Maria mochte sich eines gewissen Wohlstands erfreuen; gleich dem Sohne bekehrte auch sie sich und ihre Wohnung war mehr als einmal der Zusammenkunftsort der Apostel (Apostelg. XII, 12). Diese beiden Bekehrungen scheinen das Werk Petrus gewesen zu sein (1. Petr. V, 13; Apostelg. XII, 12; Papias in Euseb. H. E. III, 39). Immerhin war er mit Mutter und Sohn sehr befreundet; er fühlte sich in ihrem Hause wie daheim.Apostelg. XII, 12–14. Dieses ganze Kapitel, wo die Petrus betreffenden Dinge so genau dargestellt werden, scheint von Johannes Markus, oder nach seinen Angaben verfaßt zu sein. Selbst wenn man die Hypothese annimmt, wonach Johannes Markus mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Verfasser des zweiten Evangeliums nicht identisch sei,Der Name Markus war bei den Juden jener Zeit nicht sehr üblich; es scheint daher, daß man die Stellen, in denen von Personen dieses Namens die Rede ist, nicht auf verschiedene beziehen müsse. wäre seine Rolle noch immer sehr beträchtlich gewesen. Wir werden ihn später Paulus, Barnabas und wahrscheinlich auch Petrus auf ihren apostolischen Wanderungen begleiten sehen.
Das erste Feuer verbreitete sich dermaßen mit großer Schnelligkeit. Fast alle die berühmtesten Männer des apostolischen Jahrhunderts wurden in zwei oder drei Jahren durch eine Art Begeisterung gewonnen. Es war ein zweites christliches Geschlecht, parallel mit dem, das sich fünf oder sechs Jahre früher an den Ufern des Tiberias gebildet hatte. Dieses zweite Geschlecht hatte Jesus nicht gesehen und konnte dem ersten an Autorität nicht gleichgestellt werden. Aber es sollte das erste Geschlecht durch seine Rührigkeit und durch seine Neigung zu fernen Missionen übertreffen. Einer der bekanntesten der neuen Adepten war Stephanus, der vor seiner Bekehrung nur ein einfacher Proselyt gewesen zu sein scheint (vgl. Apostelg. VIII, 2 mit II, 5). Er war ein Mann voll Eifer und Leidenschaft. Sein Glaube war der lebhafteste und man wähnte ihn mit allen Gaben des heiligen Geistes begünstigt (Apostelg. VI, 5). Philippus, der gleich Stephanus Diakon und eifriger Evangelist war, schloß sich zur selben Zeit der Gemeinde an. Man verwechselt ihn oft mit dem Apostel gleichen Namens (vgl. Apostelg. XXI, 8, 9 mit Papias in Euseb. Hist. Eccl . III, 39). Schließlich bekehrten sich zu derselben Zeit auch Andronicus und Junia, wahrscheinlich ein Ehepaar, die, wie später Aquilla und Priscilla, als Muster eines apostolischen Ehepaars galten, das sich allen Sorgen der Missionäre widmete (Röm. XVI, 7. Es ist zweifelhaft, ob Ἰουνίαν von Ἰουνία oder von Ἰουνίας = Junianus abstammt). Sie waren vom Stamme Israels und standen mit den Aposteln in sehr engen Beziehungen. (Paulus nennt sie συγγενεῖς aber es ist schwer zu bestimmen, ob dieses bedeute, daß sie Juden waren, oder vom Stamme Benjamin, oder aus Tarsus oder wirkliche Verwandte Pauli. Der erstere Sinn dünkt der wahrscheinlichste. Vgl. Röm. IX, 3, XI, 14. Allenfalls ist mit diesem Worte gesagt, daß sie Juden waren).
Die Neubekehrten waren alle jüdischer Religion, als die Gnade sie berührte; allein sie gehörten zwei grundverschiedenen Klassen von Juden an. Die einen waren »Hebräer« (Apostelg. VI, 1, 5; 2. Kor. XI, 22; Phil. III, 5), das heißt Juden aus Palästina, die hebräisch oder vielmehr aramäisch sprachen und die Bibel im Urtext lasen; die anderen waren »Hellenisten,« das heißt Juden, die griechisch sprachen und die Bibel im Griechischen lasen. Diese teilten sich wieder in zwei Klassen: die eine bestand aus solchen, die jüdischen Blutes waren, die anderen waren Proselyten, Leute von nichtisraelitischem Ursprung, mit dem Judaismus im verschiedenen Grade verbunden. Diese Hellenisten, die fast alle aus Syrien, Kleinasien, Egypten oder Cyrene kamen (Apostelg. II, 9–11, VI, 9), wohnten zu Jerusalem in verschiedenen Vierteln. Sie hatten ihre gesonderten Synagogen und bildeten dermaßen kleine Gemeinden für sich. Jerusalem zählte viele solcher besonderer Synagogen.Der Talmud von Jerusalem, Megilla 73 d , zählt deren 480. Vgl. Midrasch Eka 52 b, 70 d . Eine so große Zahl scheint dem nicht unglaublich, der die kleinen Familienmoscheen gesehen hat, welche in mohammedanischen Städten auf Schritt und Tritt zu finden sind. Indes sind die talmudischen Angaben über Jerusalem nur von mittelmäßiger Autorität. Hier war es, wo das Wort Jesu den Boden vorbereitet fand, aufgenommen zu werden und Frucht zu tragen.
Der ursprüngliche Kern der Kirche bestand ausschließlich aus »Hebräern«; der aramäische Dialekt, der die Sprache Jesu war, war hier allein bekannt und angewendet. Allein man sieht, daß zwei, drei Jahre nach Jesu Tod das Griechische in die kleine Gemeinde eindrang, wo es bald vorherrschend werden sollte. Zufolge ihrer täglichen Beziehungen zu den neuen Brüdern lernten Petrus, Johannes, Jakobus, Judas, und im allgemeinen die galiläischen Jünger das Griechische um so leichter, als sie vielleicht schon einige Kenntnisse dessen besaßen. Ein Zwischenfall, von dem bald die Rede sein soll, zeigt, daß diese Mannigfaltigkeit der Sprachen anfangs eine Teilung in der Gemeinde verursachte, und daß die beiden Teile in nicht sehr freundlicher Verbindung miteinander standen (Apostelg. VI, 1). Wir werden sehen, wie nach der Zerstörung von Jerusalem die jenseits des Jordans, auf die Höhe des Sees Tiberias zurückgezogenen »Hebräer« eine besondere Kirche bilden, die ihr besonderes Schicksal hatte. Aber es will nicht scheinen, daß in der Zwischenzeit diese Sprachverschiedenheit für die Kirche von Folgen begleitet war. Die Orientalen erlernen mit großer Leichtigkeit Sprachen; in den Städten spricht gewöhnlich jedermann zwei oder drei Idiome. Es ist daher wahrscheinlich, daß diejenigen galiläischen Apostel, welche eine aktive Rolle spielten, die Kenntnis des Griechischen sich erworben hatten (die Episteln des Jakobus sind in einem ziemlich reinen Griechisch verfaßt. Freilich ist deren Echtheit nicht gewiß) und selbst dahin gelangten, sich dessen mit Vorzug vor dem Syrisch-Chaldäischen zu bedienen, als die griechisch sprechenden Gläubigen die Mehrheit bildeten. Der palästinensische Dialekt mußte von dem Tage an aufgegeben werden, wo eine weit sich erstreckende Propaganda in Aussicht genommen wurde. Eine provinzielle Mundart, die man kaum schreiben konnte und die außerhalb Syriens niemand sprach, war für diesen Zweck so wenig wie nur möglich geeignet (die Gelehrten schrieben das Althebräische, mit geringer Veränderung. Stellen, wie sie im Talmud von Bab., Kidduschin 66 a zu lesen sind, mögen zu dieser Zeit geschrieben worden sein). Das Griechische dagegen war dem Christentum gewissermaßen geboten. Es war damals die allgemeine Sprache, wenigstens für das östliche Becken des Mittelländischen Meeres. Es war insbesondere die Sprache der im ganzen römischen Reich zerstreut lebenden Juden. Wie in unseren Tagen, so nahmen auch damals die Juden mit besonderer Leichtigkeit die Idiome der von ihnen bewohnten Länder an. Sie steifen sich nicht auf den Purismus, und das eben ist es, was das Griechische des ursprünglichen Christentums so verdorben hat. Selbst die gelehrtesten Juden sprachen die klassische Sprache fehlerhaft (Jos. Ant. letzter Paragraph). Ihr Satzbau war immer nach dem Syrischen gebildet; sie konnten sich niemals von der Schwerfälligkeit des groben Dialekts befreien, die ihnen die makedonische Eroberung gebracht hatte.Das ist es, was die Übersetzungen des Griechischen in das Syrische beweisen. Ich habe dies in meinen »Eclaircissements tirés des langues sémit. sur quelques points de la prononciation gresque« (Paris 1849) entwickelt. Die Sprache der griechischen Inschriften in Syrien ist sehr schlecht.
Die Bekehrungen zum Christentum wurden bald bei den »Hellenisten« viel zahlreicher als bei den »Hebräern.« Die alten Juden von Jerusalem fühlten sich wenig von einer Sekte von Provinzlern angezogen, die nur mäßig bewandert waren in der einzigen Wissenschaft, die ein Pharisäer würdigen mochte: in der Kenntnis des Gesetzes (Jos. Ant. loc. cit. ). Die Stellung der kleinen Gemeinde dem Judaismus gegenüber war, wie die von Jesus selbst, etwas zweideutig. Indes trägt jede religiöse oder politische Partei eine Kraft in sich, von der sie beherrscht wird und die sie nötigt, selbst widerwillig ihren Kreislauf zu vollführen. Die ersten Christen, wie groß auch ihre scheinbare Ehrfurcht vor dem Judaismus sein mochte, waren in Wirklichkeit nur Juden ihrer Geburt oder ihrem äußeren Gehaben nach. Der eigentliche Geist der Sekte kam von anderwärts her. Was in dem offiziellen Judaismus keimte, das war der Talmud; nun aber hat das Christentum gar keine Verwandtschaft mit der talmudischen Schule. Und daher kommt es, daß das Christentum hauptsächlich bei denjenigen Parteien Gunst fand, die am wenigsten jüdisch im Judaismus waren. Die strengen Orthodoxen kehrten sich wenig danach. Die Neuangekommenen, Leute, die kaum unterrichtet waren, da sie nicht die hohen Schulen besucht hatten, frei von jeder Routine und mit der heiligen Sprache nicht vertraut: diese waren es, die ihr Ohr den Aposteln und ihren Jüngern liehen. Von der Aristokratie zu Jerusalem nur wenig beachtet, nahmen diese Emporkömmlinge des Judaismus dort gewissermaßen Rache. Stets sind es die jungen und neuangeworbenen Teile einer Gemeinschaft, die sich am wenigsten um die Tradition kümmern und am meisten dem Neuen sich zuneigen.
In diesen, den Gesetzeslehrern nur wenig unterworfenen Klassen war dem Anscheine nach auch die Leichtgläubigkeit naiver und vollkommener. Was bei den Talmudjuden auffällt, ist nicht die Leichtgläubigkeit. Der leichtgläubige Jude, Freund des Wunderhaften, wie ihn die lateinischen Satiriker kannten, ist nicht der Jude von Jerusalem, es ist der hellenische Jude, der gleichzeitig sehr religiös und wenig unterrichtet ist, folglich sehr abergläubisch. Weder der halb ungläubige Sadducäer, noch der strenge Pharisäer mögen durch die Theurgie besonders gerührt worden sein, die in den apostolischen Kreisen so sehr in Schwang war. Aber der Judäus Apella, über den der epikureische Horaz lächelt (Sat. I, 5, 105 ), war da, um zu glauben. Die sozialen Fragen interessierten übrigens besonders diejenigen, die nicht mit Gütern gesegnet waren, die der Tempel und die Centralisationseinrichtung des Volkes nach Jerusalem strömen ließen. Indem die neue Sekte sich mit Bedürfnissen umgab, sehr ähnlich denen, die jetzt unter dem Namen »Socialismus« zusammengefaßt werden, legte sie die feste Grundlage, auf der sich der Bau ihrer Zukunft erheben sollte.