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Der neue Glaube machte allmählich die erstaunlichsten Fortschritte. Die Glieder der Kirche von Jerusalem, die sich infolge des Todes von Stephanus zerstreut hatten, gelangten nach Syrien und Antiochien, indem sie erobernd der Küste von Phönizien entlang zogen. Anfangs galt ihnen als absolutes Prinzip, nur den Juden zu predigen (Apostelg. XI, 19).
Antiochien, »die Metropole des Orients«, die dritte Stadt der Welt,Jos. B. J. III, 2, 4 . Rom und Alexandrien waren die zwei ersten. Vgl. Strabon XVI, 2, 5 . war der Mittelpunkt dieser Christenheit von Nordsyrien. Es war eine Stadt mit mehr als 500 000 Einwohnern, beinahe so groß wie Paris vor seinen neuen Erweiterungen,C. Otfrid Müller, Antiquit. Antiochenae , Göttingen 1839. S. 68. Joh. Chrysostomus, In sanct Ignatium 4 ( 0p. II, 597, Ausgabe Montfaucon), In Matth ., Homilia 85, 4 (Bd. VII, S. 810) schätzt die Bevölkerung von Antiochien auf 200 000 Seelen, die Sklaven, die Kinder und die riesigen Vorstädte nicht mitgerechnet. Die heutige Stadt hat nicht mehr als 7000 Einwohner. die Residenz des kaiserlichen Legaten von Syrien. Schon vom Beginn an durch die Seleuciden auf eine hohe Stufe des Glanzes gebracht, hatte sie durch die römische Occupation nur gewonnen. Im allgemeinen hatten es die Seleuciden den Römern, was die theatralische Ausschmückung großer Städte betrifft, zuvorgethan. Tempel, Wasserleitungen, Bäder, Basiliken – nichts fehlte Antiochien zu einer großen syrischen Stadt jener Zeit. Die Straßen, von Säulengängen gesäumt und an den Kreuzungen mit Statuen verziert, waren regelmäßiger und symmetrischer als anderwärts (die ähnlichen Straßen von Palmyra, Gerase, Gadare und Sebaste waren wahrscheinlich Nachahmungen des großen Korso von Antiochien). Ein mit vier Säulenreihen geschmückter Korso, zwei bedeckte Seitengänge und eine breite Fahrstraße in der Mitte bildend, durchschnitt die Stadt von einem Ende zum andern in einer Länge von 36 Stadien, d. h. mehr als eine Meile lang. (Einige Spuren dessen findet man in der Richtung von Bab-Bolos. – Dio Chrysostomus, 0rat . XLVII, 2. Bd. S. 229, Ausg. Reiske; Libanius, Antiochious S. 337, 340,342,356, Ausg. Reiste; Malala S. 232 etc., 276, 280 etc. Ausg. Bonn. Der Erbauer dieser großen Werke war Antiochus Epiphanes.) Aber Antiochien besaß nicht nur großartige öffentliche Bauten, es hatte auch, was nur wenige syrische Städte aufweisen konnten: Meisterwerke der griechischen Kunst, bewundernswerte Statuen, klassische Werke von einer Feinheit, wie sie das Jahrhundert nicht mehr nachzuahmen vermochte.Libanius, Antioch. 342, 344. – Pausanias VI, 2, 7; Malala S. 210; Mus. Pio-Clem . Bd. III, S. 46. S. besonders die Medaillen von Antiochia. Antiochia war von seiner Gründung her eine rein hellenische Stadt gewesen. Die Macedonier von Antigone und Seleukos hatten in diesem Gebiet des unteren Orontes ihre lebhaftesten Erinnerungen, die Kulten und die Namen ihrer Heimat. (Pieria, Bottia, Penea, Tempe, Castalia, olympische Spiele, Jopolis, der Jo zu Ehren. Die Stadt behauptete, ihre Berühmtheit Inachus, Orestes, Daphne und Treptolemos zu verdanken.) Die griechische Mythologie hatte sich hier ein zweites Heim geschaffen; man wies im Lande auf eine Menge auf diese Mythologie sich beziehende »heilige Orte« hin. Die Stadt war voll von Heiligtümern des Apollo und der Nymphen. Daphne, ein bezaubernder Ort, kaum zwei Stunden von der Stadt entfernt, erinnerte die Eroberer an die heitersten Göttersagen. Es war eine Art Plagiat, eine Nachahmung der Mythen des Mutterlandes, ähnlich jenen kühnen Übertragungen, durch die die ursprünglichen Stämme ihre mythische Geographie mit sich ziehen ließen, ihren Berecynthos, ihre Arvanda, ihre Ida, ihren Olymp. Diese griechischen Fabeln bildeten eine sehr alte und kaum ernstere Religion als die Metamorphosen des Ovid. Die alten Religionen des Landes, besonders die des Berges Cassius, fügten etwas Würde hinzu. (S. Malala S. 199; Spartien, Vie d'Adrien 14; Julian, Misopogon S. 361, 362; Ammianus Marcellinus XXII, 14; Eckhel, Doct. num. vet. I, III, S. 326; Guigniaut, Religions de l'ant. , Kupfer Nr. 268.) Aber die syrische Leichtfertigkeit, der babylonische Charlatanismus, aller Trugwahn Asiens vermischte sich an dieser Grenze zweier Welten und hatten aus Antiochia die Hauptstadt der Lüge, die Kloacke jeder Niedertracht gemacht.
Neben der griechischen Bevölkerung, die in der That, außer in Alexandria, nirgends im Orient so zahlreich war wie hier, zählte Antiochia in seinen Mauern noch eine beträchtliche Zahl syrischer und syrisch sprechender Eingeborenen. (Joh. Chrysostomus, Ad pop. Antioch. , Hom. XIX, 1, Bd. II, S. 189; De sanctis martyr. 1, Bd. II, S. 651.) Diese Eingeborenen bildeten eine niedrige Klasse und wohnten in den Vorstädten, sowie in den bevölkerten Dörfern, die die Stadt mit einem weiten Weichbild umgaben (Libanius, Antioch. S. 348), Charandama, Ghisira, Gandigura, Ajate – meist syrische Namen ( Act. SS. Maii V, 383, 409, 414, 415, 416; Assemani, Bib. 0r. II, 323). Da Heiraten zwischen Syriern und Griechen allgemein waren, Seleukus ferner durch ein Gesetz bestimmt hatte, daß jeder Fremde, der sich in der Stadt ansässig mache, Bürger werden müsse, war Antiochia nach dreiundeinhalbhundertjährigem Bestehen zu einem jener Weltpunkte geworden, wo die Rassen am vermischtesten waren. Die moralische Verworfenheit war hier ganz entsetzlich. Das Eigentümliche solcher moralischer Fäulnisherde ist, daß sie alle Rassen auf dasselbe Niveau hinabziehen. Die Sittenlosigkeit gewisser levantinischer Städte, die von dem Geist der Intrigue beherrscht werden, und völlig der Niedrigkeit und Spitzfindigkeit ergeben sind, kann uns kaum einen Begriff von dem Grad der Fäulnis geben, die bei dem menschlichen Geschlecht zu Antiochia vorhanden war. Es war eine bis dahin unerhörte Anhäufung von Gauklern, Marktschreiern, Komödianten (Juvenal. Sat. III , 62 etc.; Stace, Si1ves I, 6, 72, Magiern, Thaumaturgen, Hexenmeistern (Tacit., Ann. II, 69 ), betrügerischen Priestern; eine Stadt der Wettläufe, Spiele, Tänze, der Umzüge, Feste, Bacchanalien; ein toller Luxus, alle Thorheiten des Orients, der schädlichste Aberglaube, der Fanatismus der Orgie.Malala, S. 284, 287 etc. Libanius, De angariis , S. 555 etc.; De curcere vinctis , S. 455 etc.; Ad Timocratem , S. 385; Antioch , S. 323; Philostr., Leben des Apoll. I, 16; Lucian, De saltatione . S. 76; Diod. Sic. Fragm. Buch 34, Nr. 34, S. 538, Ausgabe Dindorf; Joh. Crysostomus Homil. VII in Matth ., 5 (Bd. VII, S. 113), 73 in Matth . 8 ( ibid . S. 712); De consubst. contra. Anom . 1 (Bd. I, S. 504); De Anna I (Bd. IV, S. 730); De Dav. et Saule III , 1 (Bd. I V, 768–770); Julian, Misopogon , S. 343, 350, Ausg. Spanheim; Geschichte der heiligen Thekla, Basil. von Seuleucien zugeschrieben, veröffentlicht von P. Pantenius (Antwerpen 1608), S. 70. Abwechselnd servil und undankbar, feig und frech, waren die Antiochier das vollkommene Modell jener dem Cäsarismus ergebenen Menge, ohne Heimat, ohne Nationalität, ohne Familienehre, ohne einen Namen bewahren zu müssen. Der große Korso, der die Stadt durchschnitt, glich einem Theater, wo alltäglich die Flut einer schlechten, leichtsinnigen, wankelmütigen, zur Empörung geneigten, manchmal geistreichen, mit Gesang, Spötteleien, Scherzen und Unverschämtheiten aller Art beschäftigten Bevölkerung auf- und niederwogte (Philostr., Apoll . III, 58; Ausonius, Clar. Urb. 2; J. Capitolin. Verus 7 ; Mark Aurel 25; Herodes II, 10; Joh. von Antiochien in Excerpta Valesiana S. 844; Suidas, unter dem Worte Ιοβιανός. – Julian, Misopogon , S. 344, 365 etc.; Eunap. Vies de Soph . S. 496, Ausg. Boissonade; Ammian Marcellin XXII, 14. – Joh. Chrys., De Lazaro II , 11, Bd. I, S. 722).
Die Stadt war sehr litterarisch, aber diese Litteratur war eine rhetorische. ( Cic., Pro Archia 3 , die gewöhnliche Übertreibung des Advokaten in Rechnung ziehend. – Philostr., Leben des Apoll. III, 58.) Die Schauspiele waren gar sonderbar; es gab da Spiele, wo man Chöre nackter junger Mädchen, nur mit einer einfachen Binde um den Leib, an allen Übungen teilnehmen sah (Malala, S. 287–289). Bei dem berühmten Feste Majuma schwammen öffentlich Scharen von Curtisanen in Bassins, die mit klarem Wasser gefüllt waren (Joh. Chrys. Homil. VII in Matth . 5, 6, Bd. VII, S. 113. S. O. Müller, Antiquit. Antioch ., S. 33 Note; Libanius, Ant. , S. 355, 356). Es war wie ein Rausch, wie ein Traum Sardanapals, wobei kunterbunt alle Wollüste, alle Ausschweifungen sich mischten, gewisse Zartheiten nicht ausschließend. Dieser von der Mündung des Orontes ausgehende Schlammfluß, der auch Rom überschwemmte, hatte hier seine Hauptquelle.Juvenal III, 62 etc. und Forcellini unter dem Worte Ambubaja, mit der Bemerkung, baß das Wort ambuba syrisch sei. Zweihundert Decurionen waren damit beschäftigt, die Liturgien und die Feste zu ordnen.Libanius, Antioch . S. 315; De carcere vinctis , S. 455; Julian, Misopogon , S. 367, Ausg. Spanheim. Die Stadt besaß große öffentliche Domänen, deren Nutzergebnis die Duumvirn unter arme Bürger verteilten (Lib., Pro rhetoribis , S. 211). Wie alle Vergnügungsstädte, hatte auch Antiochia einen gemeinen Pöbel, der von der Öffentlichkeit oder von schmutzigen Gewinsten lebte.
Die Schönheit der Kunstwerke und der unendliche Reiz der Natur (Lib., Antioch ., S. 363) verhinderte, daß diese sittliche Erniedrigung gänzlich in Häßlichkeit und Gemeinheit entartete. Die Lage von Antiochia ist eine der malerischsten der Welt. Die Stadt nahm den Raum zwischen dem Orontes und den Abhängen des Berges Silpius, einer Abzweigung des Casius, ein. Nichts glich dem Überfluß und der Schönheit der Gewässer (Lib., Antioch ., S. 354 etc.). Die Umfassungsmauer, die zufolge eines Kraftstückes militärischer Architektonik die schroffen Felsen erklomm,Die heutige, aus der Zeit Justinians stammende Mauer bietet dieselben Eigentümlichkeiten. umfaßte die Berghöhen und bildete mit den Felsen in einer enormen Höhe eine zackige Mauerkrone von wundervoller Wirkung. Diese Anlage von Wällen, welche die Vorzüge der alten Akropolen mit denen der großen geschlossenen Städte vereinte, wurden gewöhnlich von den Statthaltern Alexanders vorgezogen, wie es in Seuleucien von Pierius, in Epheseus, Smyrna und Thessalonich zu sehen ist. Es ergaben sich dadurch überraschende Perspektiven. Antiochien hatte innerhalb seiner Mauern Berge von 700 Fuß Höhe, Felsspitzen, Wasserfälle, Abgründe, tiefe Schluchten, Kaskaden, unzugängliche Höhlen; und inmitten von alledem köstliche Gärten (Lib., Antioch . S. 337–39). Ein dichtes Myrtengebüsch, blühender Buchsbaum, Lorbeerbäume, immergrüne Pflanzen von zartester Färbung, mit Nelken, Hyacinthen und Cyklamen bedeckte Felsen geben diesen wilden Höhen das Aussehen von hängenden Gärten. Die Mannigfaltigkeit der Blumen, die Frische des aus unendlich zahlreichen kleinen Gräsern bestehenden Rasens, die Schönheit der Pflanzen, die den Orontes säumten, flößen Lust ein, etwas von jenem lieblichen Duft, an dem sich die schönen Geister eines Johannes Chrysostomus, eines Libanius, eines Julian berauschten. Auf dem rechten Ufer des Flusses erstreckte sich eine weite Ebene, auf der einen Seite begrenzt durch den Amanus und die seltsam geformten Berge von Pierien, auf der andern durch die Hochebenen von Cyrrhest,Der See Ak-Deniz, der auf dieser Seite die jetzige Grenze von Antakiah bildet, scheint im Altertum nicht vorhanden gewesen zu sein. S. Ritter, Erdkunde XVII, S. 1149, 1613 hinter denen man die gefährliche Nachbarschaft von Arabien und der Wüste verspürt. Das Thal des Orontes, das sich gegen Westen öffnet, bringt diesen Binnensee in Verbindung mit dem Meere, oder besser gesagt, mit der großen Ländermasse, in deren Schoß das Mittelmeer jederzeit eine Art neutrale Straße, ein vereinendes Band gebildet hat.
Unter den verschiedenen Kolonien, welche die liberale Herrschaft der Seleuciden in die Hauptstadt Syriens gezogen, war die der Juden die zahlreichste (Jos. Ant . XII, 3, 1 , XIV, 12, 6 ; B.J .II, 18, VII, 3, 2-4 ); sie bildete sich unter Seleucus Nikator und besaß dieselben Rechte wie die der Griechen (Jos., Contra Apion II, 4; B.J . VII, 3, 3, 4 , 5, 2 ). Obgleich die Juden ihren eigenen Ethnarchen hatten, waren ihre Beziehungen zu den Heiden doch sehr lebhaft. Hier, wie in Alexandrien, arteten diese Beziehungen oft in Streit und Tätlichkeiten aus (Malala, S. 244, 245; Jos. B.J . VII, 5, 2 ). Anderseits wieder ließen sie eine rege religiöse Propaganda zu. Da der herrschende Polytheismus ernsten Gemütern immer ungenügender wurde, zogen die griechische Philosophie und das Judentum alle diejenigen an, denen das leere Gepränge des Heidentums nicht zu genügen vermochte. Die Zahl der Proselyten war beträchtlich. Schon in den ersten Tagen des Christentums hatte Antiochien der Kirche von Jerusalem einen ihrer einflußreichsten Männer geliefert: Nikolas, einen der Diakonen (Apostelg. VI, 5). Es waren da vorzügliche Keime vorhanden, die nur einen Strahl der Gnade brauchten, um sich zu entfalten und die schönsten Früchte zu ergeben, die je erblickt wurden.
Die Gemeinde von Antiochien verdankte ihr Entstehen einigen ursprünglichen Gläubigen von Cypern und Cyrene, die hier schon viel gepredigt hatten (Apostelg. XI, 19 etc.). Bisher hatten sie sich nur an die Juden gewandt. Allein in einer Stadt, wo echte Juden, jüdische Proselyten, »gottesfürchtige Leute«, oder halbjüdische Heiden und echte Heiden zusammenlebten (vgl. Jos. B.J . II, 18, 2 ), wurden kleine, auf etliche Häuser sich beschränkende Predigten unmöglich. Das Gefühl religiöser Aristokratie, welches die Juden in Jerusalem mit Stolz erfüllte, existierte nicht in diesen großen Städten von einer ganz profanen Civilisation, wo der Horizont weiter war und wo die Vorurteile nicht so tief wurzelten. Die cypriotischen und cyrenischen Missionäre fühlten sich daher veranlaßt, von ihrer Regel abzuweichen. Sie predigten für Juden wie für Griechen. (Apostelg. XI, 20, 21. Die rechte Lesart ist Έλληνας, Έλληνίσταϛ ist eine falsche Annäherung an IX, 29).
Die gegenseitigen Beziehungen zwischen jüdischer und heidnischer Bevölkerung scheinen in diesem Moment sehr im Argen gewesen zu sein.Malala, S. 245. Übrigens kann die Darstellung von Malala nicht genau sein. Josephus spricht kein Wort von der Invasion, die der Chronist erzählt. Aber Umstände anderer Art mögen den neuen Ideen gedient haben. Das Erdbeben, das am 23. März 37 die Stadt ernstlich beschädigt hatte, beschäftigte noch die Gemüter. Die ganze Stadt sprach nur von einem Charlatan namens Debborius, der behauptete, die Wiederkehr solcher Ereignisse durch seine lächerlichen Talismane verhindern zu können.Ebd. S. 243, 265, 266. Vgl. Comptes rendus de L'Acad. des Inscript. et B.-L ., Sitzung vom 17. Aug. 1865. Dies hielt die dem Übernatürlichen zugeneigten Gemüter befangen. Wie immer es sei: die christlichen Predigten hatten einen großen Erfolg. Eine junge, feurige, erneuernde Kirche, von froher Zukunft, da sie aus den verschiedensten Elementen bestand, war in kurzer Zeit gegründet. Alle Gaben des heiligen Geistes verbreiteten sich über sie, und es war von nun an leicht vorauszusehen, daß diese neue Kirche, frei von dem beengendem Mosaismus, der einen undurchdringlichen Kreis um Jerusalem zog, des Christentums zweite Wiege werden solle. Gewiß, Jerusalem wird stets die religiöse Hauptstadt der Welt bleiben. Indessen der Ausgangspunkt der Kirche der Heiden, der ursprüngliche Herd christlicher Mission, war tatsächlich Antiochien. Hier war es, wo sich zuerst eine von den Banden des Judaismus befreite Kirche bildete; hier war es, wo die große Propaganda der apostolischen Zeit sich festsetzte; hier war es, wo sich Paulus endgültig ausbildete. Antiochien bezeichnet die zweite Etappe im Fortschritt des Christentums. Was christlichen Adel betrifft, kann weder Rom, noch Alexandrien, noch Konstantinopel mit Antiochien verglichen werden.
Die Topographie des alten Antiochien ist so verwischt, daß man auf diesem, fast jeder antiken Spur ledigen Boden vergeblich den Punkt suchen würde, an den sich so große Erinnerungen knüpfen. Hier wie überall mußte sich das Christentum in den Quartieren der Armut, zwischen Kleingewerbtreibenden ansiedeln. Die Basilika, die im vierten Jahrhundert »alte« und »apostolische« genannt wurde,S. Athanasius Tomus ad Antioch. ( Opp. I, 771, Ausg. Montfaucon); S. Johannes Chrysost., Ad pop. Ant. Homil. I und II etc. (Bd. II, S. 1, 20); In Inscr. Act. II etc. (Bd. III, 60); Chron. Pasch. S. 296 (Paris); Theodoret, Hist. eccl. II, 27, III, 2, 8, 9. Die Vergleichung dieser Stellen gestattet nicht ἐν τῆ καλουμένη παλαιᾶ zu übersetzen mit »in dem, was man die alte Stadt nannte«, wie dies die Herausgeber manchmal gethan haben. befand sich in der Singon benannten Straße, in der Nähe des Pantheon (Malala, S. 242). Allein man weiß nicht, wo dieses Pantheon gestanden. Die Tradition und gewisse vage Analogien würden dazu auffordern, den ursprünglichen christlichen Stadtteil in der Nähe des Thores zu suchen, das heute noch den Namen Paulus führt: Bab Bolos,Pococke, Descript. of the East , Bd. II, T. I, S. 192 (London 1745). Chesney, Expedition for the survey of the river Euphr. and Tigris , I, 425 etc. und am Fuße des von Procopius Stavrin benannten Berges, der die südöstliche Umwallung von Antiochien trägt (d. h. gegenüber dem noch bewohnten Teil der alten Stadt). Es war dies ein Teil der Stadt, welcher die wenigsten heidnischen Monumente aufzuweisen hatte. Man sieht hier noch die Reste der alten, Petrus, Paulus und Johannes geweihten Heiligtümer. Hier scheint der Stadtteil sich befunden zu haben, wo das Christentum nach der mohammedanischen Eroberung sich am längsten erhalten hat. Hier war auch, wie es scheint, die Wohnstätte der »Heiligen« im Gegensatze zu dem profanen Antiochien. Der Felsen ist hier wie ein Bienenkorb mit Höhlen versehen, die von den Anachoreten benutzt worden sein mögen. Wenn man diese steilen Anhöhen dahinschreitet, wo im vierten Jahrhundert die frommen Styliten, gleichzeitig Schüler Indiens und Galiläas, Jesu und Cakya-Munis, von der Höhe ihrer Säulen oder ihrer mit Blumen bedeckten Höhlen (s. Seite 207, Anm.) verachtungsvoll auf die üppige Stadt hinabschauten, so ist es wahrscheinlich, daß man der Stelle nicht fern ist, wo Petrus und Paulus wohnten. Die Kirche von Antiochien ist diejenige, deren Geschichte sich am besten verfolgen läßt und die wenigsten Fabeln enthält. Die christliche Tradition kann Wert haben in einer Stadt, wo das Christentum sich so kräftig zu entfalten begann.
Die vorherrschende Sprache der Kirche von Antiochien war die griechische. Es ist indessen wahrscheinlich, daß die syrisch sprechenden Vororte der Sekte zahlreiche Adapten gaben. Infolgedessen enthielt schon damals Antiochien den Keim zweier rivalisierenden und später feindlichen Gemeinden, von denen die eine griechisch sprach – jetzt durch die Griechen Syriens, gleichviel ob orthodox oder katholisch, vertreten – die andere, deren jetzige Vertreter die Maroniten sind, sprach früher syrisch, das sie noch als geheiligte Sprache bewahrt hat. Die Maroniten, die unter ihrem ganz modernen Katholizismus ein hohes Alter verbergen, sind wahrscheinlich die letzten Abkömmlinge der Syrier vor Seleucus, dieser Vorstädter oder »Pagani« von Ghisira, Charandama ec.,Der Typus der Maroniten findet sich in einer frappanten Weise in der ganzen Gegend von Antakieh, Sueidieh und Beylan. die schon in den ersten Jahrhunderten eine besondere Kirche bildeten, von den orthodoxen Kaisern als Häretiker verfolgt wurden und sich in den Libanon flüchteten,F. Naironi, Evoplia fidei cathol. (Rom 1694) S. 58 etc. und das Werk von Paul Peter Masard, dem jetzigen Patriarchen der Maroniten, betitelt: » Kitab el durr el manzum « (arabisch, gedruckt im Kloster von Tamisch 1863). wo sie aus Haß gegen die griechische Kirche, und auch einer tiefen Verwandtschaft zufolge, mit den Lateinern sich verbanden.
Was die bekehrten Juden von Antiochien betrifft, so waren sie sehr zahlreich (Apostelg. XI, 19, 20, XIII, 1). Doch es läßt sich annehmen, daß sie sogleich mit den Heiden sich verbrüderten (Gal. II, 11 etc. läßt es vermuten). An den Ufern des Orontes war es also, wo die von Jesus, oder besser gesagt, von den Propheten durch sechs Jahrhunderte geträumte religiöse Verschmelzung der Rassen sich verwirklichen sollte.