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Vom Jahre 38 bis 44 scheint die Kirche von keiner Verfolgung bedrückt worden zu sein (Apostelg. IX, 31). Die Gläubigen legten sich sicherlich jene Vorsicht auf, die sie vor dem Mord von Stephanus vernachlässigt hatten, und vermieden es, öffentlich zu sprechen. Vielleicht auch, daß die Ungnade, in der die Juden standen, die sich während der zweiten Hälfte der Regierung Caligulas gegen diesen Fürsten erhoben hatten, dazu beigetragen hat, die werdende Sekte zu begünstigen. In der That waren die Juden um so mehr Verfolger, je besser sie zu den Römern standen. Um ihre Ruhe zu erkaufen oder zu belohnen, waren diese geneigt, deren Privilegien zu erweitern, besonders das, worauf sie am meisten hielten: das Recht, diejenigen Personen zu töten, die sie als Gesetzesabtrünnige betrachteten (s. das grausam naive Geständnis 3. Makk. VII, 12, 13). Nun zählen die Jahre, zu denen wir gelangt sind, zu den stürmischsten der stets so erregten Geschichte dieses eigenartigen Volkes. Die Antipathie, welche sich die Juden durch ihre moralische Überlegenheit, ihre bizarren Gebräuche und auch durch ihre Härte bei der Bevölkerung, in deren Mitte sie lebten, zugezogen, hatte ihren Höhepunkt erreicht, besonders in Alexandrien. (Man lese das 3., apokryphe, Buch der Makkabäer und vergleiche es mit dem Buch Esther.) Dieser angehäufte Haß benutzte zu seiner Befriedigung den Übergang der Cäsarenmacht auf einen der gefährlichsten Narren, die je regiert haben. Caligula zeigte, wenigstens seit der Krankheit, welche seine Geisteskräfte ganz zerrüttete (Oktober 37), das fürchterliche Schauspiel eines Verrückten, der die Welt mit einer größeren Macht beherrschte, als jemals in eines Menschen Hand ruhte. Das unheilvolle Gesetz des Cäsarismus machte solches Entsetzen möglich und ließ kein Mittel dagegen aufkommen. Dieses währte drei Jahre und drei Monate. Man fühlt sich beschämt, das Nachfolgende in einer ernsthaften Geschichtsschreibung darzustellen. Ehe wir mit der Erzählung dieser Saturnalien beginnen, müssen wir mit Sueton ausrufen: »Reliqua ut de monstro narranda sunt.«
Der unschädlichste Zeitvertreib dieses Tollen war die Sorge um seine eigene Göttlichkeit. (Sueton, Caius 22, 52, Dio Cassius LIX, 26-28; Philo, Legatio ad Caium § 25 etc.; Jos. Ant. XVIII, 8, XIX, 1, 1, 2; B. J. II, 10 ). Er legte eine Art bittere Ironie hinein, eine Mischung von Ernst und Komik – denn diesem Ungeheuer fehlte es nicht an Geist – eine Art tiefer Verachtung des Menschengeschlechts. Die Feinde der Juden spähten, welcher Nutzen sich aus diesem Wahne ziehen ließe. Die religiöse Erniedrigung der Welt war dermaßen, daß gegen dieses Sakrilegium des Cäsar kein Einwand laut wurde; jeder Kultus beeilte sich, ihm die Titel und Ehren zu erteilen, die sonst nur den Göttern gewidmet wurden. Es ist der ewige Ruhm der Juden, inmitten dieses unedlen Götzendienstes den Schrei des empörten Gewissens erhoben zu haben. Das Prinzip der Unduldsamkeit, das in ihnen war und das sie zu so vielen grausamen Handlungen veranlaßte, erscheint hier von seiner guten Seite. Allein nur behauptend, daß ihre Religion die absolute Religion sei, beugten sie sich nicht vor der hassenswerten Laune des Tyrannen. Das wurde für sie der Ursprung endloser Quälereien. Es genügte, daß sich in einer Stadt ein mit der Synagoge unzufriedener, böser oder einfach nur mutwilliger Mensch befand, um die schrecklichsten Folgen herbeizuführen. Hier war es ein Altar, den man für Caligula an einer Stelle errichtet fand, an der die Juden ihn am wenigsten dulden konnten (Philo, Leg. ad Caium § 30). Dort wieder erhob eine Schar Gassenjungen ein Skandalgeschrei, weil einzig nur die Juden sich weigerten, die Statue des Kaisers in ihren Gebetsorten aufzustellen. Man drang in die Synagogen und Bethäuser ein, stellte hier die Büste Caligulas auf (Philo, In Flaccum § 7; Leg. ad Caium §§ 18, 20, 26, 43); man stellte diese Unglücklichen vor die Wahl, entweder auf ihre Religion zu verzichten oder ein Majestätsverbrechen zu begehen. Hieraus entstanden die fürchterlichsten Quälereien.
Derartige Späße hatten sich bereits mehrmals wiederholt, als man dem Kaiser eine noch teuflischere Idee einflüsterte: seine goldene Kolossalstatue im Allerheiligsten des Tempels von Jerusalem aufzustellen und den Tempel seiner Gottheit zu weihen.Philo, Leg. ad Caium § 29; Jos. Ant. XVIII, 8; B. J. II, 10; Tac. Ann. XII, 54; Hist. V, 9 , wobei die erste Stelle die zweite ergänzt. Diese abscheuliche Intrigue hätte beinahe die Revolution der Juden und deren Ruin um dreißig Jahre beschleunigt. Die Mäßigung des kaiserlichen Legaten Publius Petronius und das Einschreiten des Königs Herodes Agrippa, Günstlings des Caligula, verhinderte die Katastrophe. Aber bis zum Moment, wo das Schwert des Chärea die Erde von dem fluchwürdigsten Tyrannen befreite, den sie jemals getragen, lebten die Juden in steter Angst. Philo hat uns die Einzelheiten der unerhörten Scene aufbewahrt, die stattfand, als die Abordnung, deren Führer er war, vor den Kaiser treten durfte ( Leg. ad Caium §§ 27, 30, 44 etc.). Caligula empfing sie während seines Besuches der Landhäuser des Mäcenas und des Lamias, nahe dem Meere, in der Umgebung von Puzzuoli. Er war an diesem Tage in bester Laune. Helikon, sein Lieblingsspaßmacher, hatte ihm allerlei Schnurren über die Juden erzählt. »Ah, also ihr seid es,« sprach er mit einem bittern Lächeln, wobei er die Zähne wies, »die als die einzigen mich nicht als Gott anerkennen wollten und vorziehen, einen anzubeten, den ihr nicht einmal nennen könnt.« Diesen Worten folgte eine fürchterliche Lästerung. Die Juden zitterten; ihre alexandrinischen Gegner nahmen zuerst das Wort: »Du würdest, Herr, diese Leute und ihr ganzes Volk noch mehr verachten, wüßtest du, welche Abneigung sie gegen dich hegen; denn sie sind die einzigen gewesen, die für deine Genesung keine Opfer gebracht haben, während alle andern Völker es thaten.« Bei diesen Worten riefen die Juden, das sei eine Verleumdung, sie hätten für das Wohl des Kaisers dreimal die feierlichsten Opfer, die nur ihre Religion kenne, gebracht. »Mag sein,« antwortete Caligula mit höchst komischem Ernst; »gut, ihr habt geopfert, aber nicht mir habt ihr diese Opfer gebracht. Welchen Vorteil habe ich davon?« Dann wandte er ihnen den Rücken, durcheilte die Gemächer und gab, unaufhörlich auf- und niedersteigend, Befehl zu deren Restaurierung. Die unglücklichen Abgeordneten – darunter der achtzigjährige Philo, seit Jesus vielleicht der würdigste Mann jener Zeit – folgten ihm hinauf, hinunter, keuchend, zitternd, verspottet von den Umgebenden. Plötzlich wandte sich Caligula zu ihnen: »Richtig, warum eßt ihr kein Schweinefleisch?« Die Schmeichler brachen in ein Lachen aus; strengen Tones bemerkten ihnen die Offiziere, daß man sich durch unmäßiges Lachen an der Majestät des Kaisers vergehe. Die Juden stotterten; einer von ihnen bemerkte ziemlich ungeschickt: »Aber es giebt auch Leute, die kein Lammfleisch essen.« – »Ah, was dies betrifft,« sprach der Kaiser, »haben sie recht; es ist ein geschmackloses Fleisch.« Bisher gab er sich doch den Anschein, als kümmere er sich um ihre Angelegenheiten; doch kaum hatte die Audienz begonnen, als er sie schon stehen ließ und weiter ging, um Befehle für die Ausschmückung eines Saales mit Spiegelsteinen zu geben. Er kam zurück und, eine gelassene Miene annehmend, fragte er die Abgesandten, ob sie noch etwas zu bemerken hätten; und als diese die unterbrochene Rede wieder aufnahmen, wandte er ihnen wieder den Rücken, um sich nach einem andern Saale zu begeben, den er mit Gemälden ausschmücken ließ. Dieses Spiel des Tigers, der mit seiner Beute tändelt, währte stundenlang. Die Juden waren auf den Tod bereit. Aber im letzten Augenblick zog die Bestie die Krallen ein. »Wahrhaftig,« rief er im Vorübergehen aus, »diese Leute sind weniger strafwürdig als zu beklagen, daß sie an meine Gottheit nicht glauben.« So wurden die ernsthaftesten Fragen unter der entsetzlichen Herrschaft, welche die Gemeinheit der Welt erschaffen konnte, behandelt, eine Herrschaft, die nur eine Soldateska, ein ebenso gemeiner Pöbel und die Feigheit aller aufrecht erhalten mochten.
Man begreift, daß eine so gespannte Situation den Juden zur Zeit des Marullus viel von jener Kühnheit nehmen mochte, die sie so stolz vor Pilatus reden ließ. Vom Tempel beinahe schon losgelöst, mußten die Christen viel weniger als die Juden von den gotteslästerlichen Projekten Caligulas erschreckt sein. Sie waren übrigens nicht zahlreich genug, als daß man in Rom von ihrer Existenz gewußt hätte. Der Sturm zur Zeit des Caligula, sowie der, welcher in der Eroberung Jerusalems durch Titus ein Ende fand, ging über ihrem Haupte fort und nützte ihnen in mancher Beziehung. Alles, was die jüdische Unabhängigkeit schwächte, war ihnen günstig, weil es um ebenso viel die Macht einer mißtrauischen Orthodoxie verminderte, die ihre Anmaßung durch strenge Strafen zu stützen versuchte.
Diese Periode des Friedens war an inneren Entwicklungen fruchtbar. Die werdende Kirche teilte sich in drei Provinzen: Judäa, Samarien und Galiläa (Apostelg. IX, 31), an die sich zweifellos Damaskus anschloß. Jerusalem hatte die absolut unbestrittene Obermacht. Die Gemeinde dieser Stadt, die nach dem Tod des Stephanus sich zerstreut hatte, bildete sich rasch wieder. Die Apostel hatten die Stadt nie verlassen. Die Brüder des Herrn blieben da wohnen und erfreuten sich einer großen Autorität (Gal. I, 18,19, II, 9). Es scheint, daß diese neue Gemeinde von Jerusalem nicht in so strenger Weise organisiert war wie die erste; die Gütergemeinschaft wurde nicht genau wieder hergestellt. Man gründete nur eine große Armenkasse, die die Spenden aufnehmen sollte, welche von den einzelnen Gemeinden der Muttergemeinde, als dem Ursprung und dauernden Quell ihres Glaubens, gesandt wurden (Apostelg. IX, 29, 30).
Petrus unternahm häufig apostolische Wanderungen in die Umgegend von Jerusalem (Apostelg. IX, 32). Er erfreute sich stets eines großen Rufes als Thaumaturg. Zu Lydda (heute Ludd) besonders galt es, er habe einen Gichtbrüchigen namens Äneas geheilt, ein Mirakel, das, wie man sagt, in der Ebene Sarona zahlreiche Bekehrungen herbeigeführt habe (Apostelg. IX, 32-35). Von Lydda begab er sich nach Joppe (Jaffa), einer Stadt, die ein Mittelpunkt des Christentums gewesen zu sein scheint. Die von Arbeitern, Seeleuten, von Armen bewohnten Städte, wo die Orthodoxen nicht dominierten, waren es, wo die Sekte die beste Aufnahme fand. Petrus hielt sich in Joppe lange auf, bei einem Lohgerber namens Simon, der nahe am Meere wohnte (Apostelg. IX, 43, X, 6, 17, 32). Das Ledergewerbe galt fast für unrein; man sollte diejenigen, die dabei thätig sind, nicht häufig besuchen, auch waren die Lederbereiter auf gewisse Stadtteile beschränkt (Mischna, Ketuboth VII, 10). Indem Petrus einen solchen Wirt sich wählte, gab er ein Zeichen seiner Indifferenz gegen die jüdischen Vorurteile und arbeitete an der Veredlung der kleinen Gewerbe, die zum guten Teil ein Werk des christlichen Geistes ist.
Die Organisation der Liebeswerke wurde vor allem thätig bewerkstelligt. Die Gemeinde von Joppe besaß eine bewundernswerte Frau, die aramäisch Tabitha (Gazelle), griechisch DorkasVgl. Gruter, S. 891. 4. Reinesius, Inscrip. XIV, 61. Mommsen, Inscrip. regni Neap. 622, 2034, 3092, 4985. Pape, Wörterbuch der griech. Eigennamen. S. Iosephus B. J. IV, 3, 6. hieß und ihre ganze Aufmerksamkeit der Armenpflege widmete (Apostelg. IX, 36 etc.). Sie war, wie es scheint, reich und verteilte ihr Vermögen an Arme. Diese ehrwürdige Frau hatte einen Verein frommer Witwen gebildet, die mit ihr die Tage damit verbrachten, Kleider für die Dürftigen zu weben (Apostelg. IX, 39. Der Grieche trägt: όσα έποίει μετ αύτών ούσα.
Da das Schisma des Christentums vom Judentum noch nicht stattgefunden hatte, so ist es wahrscheinlich, daß auch die Juden die Vorteile dieser Barmherzigkeit genossen. »Die Heiligen und die Witwen« (Apostelg. IX, 32, 41) waren also fromme Leute, die gegen alle sich wohlthätig erwiesen, eine Art von Begharden und Beguinen, die nur von der Strenge einer pedantischen Orthodoxie verdächtigt wurden, vom Volke geliebte »Fraticelli«, andachtsvoll, barmherzig, vom Mitleid erfüllt.
Der Keim dieser weiblichen Verbindungen, die einen Ruhm des Christentums bilden, existierte dermaßen schon in den ersten Gemeinden von Judäa. In Jaffa begann die Generation jener verschleierten, in Linnen gehüllter Frauen, die durch Jahrhunderte die Tradition geheimer Barmherzigkeit tragen sollten. Tabitha war die Mutter einer Familie, die nie ein Ende finden wird, so lange es gilt, Elend zu erleichtern und den edlen Gefühlen des Weibes zu genügen. Man erzählte später, Petrus habe sie vom Tode erweckt. Ach, der Tod, so thöricht, so empörend er uns auch in einem solchen Falle scheinen mag, ist unbeugsam. Wenn die edelste Seele ausgeatmet ist, so bleibt der Beschluß unwiderruflich. Die trefflichste Frau antwortet ebensowenig wie die eitle und thörichte den Freundesstimmen, die sie wieder zum Leben rufen wollen. Aber die Idee ist nicht den Bedingungen der Materie unterworfen. Tugend und Güte entgehen den Angriffen des Todes. Tabitha brauchte nicht erst auferweckt zu werden. Um vier Tage länger in diesem traurigen Leben zu verweilen, hätte man sie aus ihrer süßen, unwandelbaren, ewigen Ruhe stören sollen? Laßt sie ruhen in Frieden, der Tag der Gerechten wird kommen!
In diesen sehr gemischten Städten stellte sich mit großer Dringlichkeit die Frage ein, ob die Heiden zur Taufe zugelassen werden dürfen. Petrus war stark im Zweifel. Als er eines Tages in Joppe auf der Terrasse des Gerberhauses betete, vor sich das Meer, das bald den neuen Glauben nach dem ganzen Reiche bringen sollte, hatte er eine prophetische Vision. Im Halbschlummer, in dem er nun sich befand, glaubte er Hunger zu verspüren und forderte Speise. Während diese nun bereitet wurde, sah er den Himmel offen und ein an den vier Enden zusammengeknotetes Tischtuch herabschweben. Als er das Innere des Tischtuches erblickte, sah er darin Tiere aller Art und wähnte eine Stimme zu vernehmen, die ihm zurief: »Töte und iß!« Auf die Einwendung hin, daß mehrere dieser Tiere unrein wären, ward ihm zur Antwort: »Nenne nicht unrein, was Gott gereinigt hat.« Dasselbe scheint sich dreimal wiederholt zu haben. Petrus war nun überzeugt, daß diese Tiere symbolisch die Menge der Heiden darstellen, die Gott selbst als würdig der heiligen Gemeinschaft am Reiche Gottes erachtet hat (Apostelg. X, 9–16, XI, 5–10).
Die Gelegenheit, diese Prinzipien anzuwenden, bot sich bald. Von Joppe begab sich Petrus nach Cäsarea. Hier trat er mit einem Centurio, namens Cornelius, in Verbindung (Apostelg. X, 1, XI, 18). Die Besatzung von Cäsarea bestand, zum Teile wenigstens, aus einer jener Cohorten, die aus italischen Freiwilligen zusammengesetzt war und die man Italicae nannte. (Es gab deren wenigstens zweiunddreißig. – Orelli und Henzen, Inscrip. lat. Nr. 90, 512, 6756.) Deren vollständiger Name war: Cohors prima Augusta Italica civium romanorum. « (Vgl. Apostelg. XXVII, 1 und Henzen Nr. 6709). Cornelius war Centurio dieser Cohorte, folglich Italier und römischer Bürger. Er war ein rechtschaffener Mann, der sich schon seit langem von dem monotheistischen Kultus der Juden angezogen fühlte. Er betete, gab Almosen, übte, kurz gesagt, die Vorschriften der natürlichen Religion, die das Judentum voraussetzt. Aber er war nicht beschnitten, er war kein auf irgend einer Vorbereitungsstufe stehender Proselyt; er war ein frommer Heide, ein Jude vom Herzen, nichts anderes.Vgl. Luk. VII, 2 etc. Lukas gefällt sich wohl in dem Gedanken tugendhafter Centurionen und Juden dem Herzen und nicht der Beschneidung nach (s. Einleitung). Aber das Beispiel von Izate (Jos. Ant. XX, 2, 5) beweist die Möglichkeit eines solchen Verhältnisses. Vgl. Jos. B.J. II, 28, 2; Orelli, Incr. Nr. 2523. Sein ganzes Haus und einige Krieger seiner Centurie waren, wie man sagt, von gleicher Gesinnung (Apostelg. X, 2, 7). Cornelius bat, in die neue Kirche aufgenommen zu werden. Petrus, von offener und wohlwollender Natur, gewährte es ihm und der Centurio wurde getauft.Dies erscheint wohl im Widerspruch mit Gal. II, 2–9. Aber Petrus' Gehaben hinsichtlich der Aufnahme von Heiden hatte stets sehr wenig Festigkeit. Gal. II, 12.
Anfangs mag Petrus hierbei keine Schwierigkeit ersehen haben. Aber nach seiner Rückkehr nach Jerusalem wurden ihm schwere Vorwürfe gemacht. Er habe offen das Gesetz verletzt, er wäre bei Unbeschnittenen eingekehrt und habe mit ihnen gegessen. Die Frage war in der That eine Hauptsache; es handelte sich darum, ob das Gesetz aufgehoben worden sei; ob es erlaubt sei, es des Proselytismus wegen zu verletzen; ob die Heiden ohne weiteres in die Kirche aufgenommen werden können. Zu seiner Verteidigung erzählte Petrus seine Vision zu Joppe. Später diente der Umstand mit dem Centurio als Argument bei der großen Frage der Taufe Unbeschnittener. Um der Sache mehr Kraft zu geben, nahm man an, daß jede Phase dieser wichtigen Angelegenheit durch einen Befehl vom Himmel bezeichnet wurde. Man erzählte, Cornelius sei infolge langen Betens ein Engel erschienen, der ihm befahl, Petrus in Joppe aufzusuchen; daß die symbolisierende Vision des Petrus in derselben Stunde stattgefunden habe, als die Boten des Cornelius zu ihm gekommen seien; daß übrigens Gott selbst alles, was geschehen sei, für gerechtfertigt hält, da der heilige Geist auf Cornelius und die Leute seines Hauses herabgestiegen sei, so daß sie in Zungen gesprochen hätten und nach der Art der andern Gläubigen psalmodiert. Wäre es natürlich gewesen, Personen, welche den heiligen Geist empfangen hatten, die Taufe zu verweigern?
Die Gemeinde von Jerusalem war damals ausschließlich noch aus Juden und Proselyten zusammengesetzt. Daß sich der heilige Geist auf Unbeschnittene vor ihrer Taufe niedergelassen habe, erschien als eine höchst außergewöhnliche Thatsache. Es ist wahrscheinlich, daß von nun an eine Partei existierte, die der Zulassung der Heiden grundsätzlich entgegen war, und daß nicht alle die Erklärung des Petrus gelten ließen. Der Verfasser der Apostelgeschichte (XI, 18) behauptet, die Genehmigung sei einstimmig erfolgt. Aber wir sehen einige Jahre später diese Frage noch viel lebhafter auftauchen (Apostelg. XV, 1 etc.). Man nahm vielleicht die Thatsache des frommen Centurio als Ausnahme willig hin, wie die des äthiopischen Eunuchen, gerechtfertigt durch eine Offenbarung und einen ausdrücklichen Befehl Gottes. Doch war die Angelegenheit weit davon entfernt, entschieden zu sein. Es war dies der erste Streitfall im Schoße der Kirche; das Paradies des inneren Friedens hatte sechs oder sieben Jahre gewährt.
Ungefähr vom Jahre 40 an scheint also die große, über die Zukunft des Christentums entscheidende Frage gestellt worden zu sein. Mit vieler Richtigkeit sahen Petrus und Philippus die wahre Lösung voraus und tauften Heiden. Zweifellos, in den beiden Vorstellungen, die uns die Apostelgeschichte von diesem Gegenstande giebt, und wobei teilweise die eine der andern nachgeschrieben, ist es schwer, ein System zu verkennen. Der Verfasser der Apostelgeschichte gehörte einer Mittelpartei an, die der Zulassung der Heiden günstig ist, und er will die Heftigkeit des Zwiespalts der Meinungen in dieser Angelegenheit nicht eingestehen. Man merkt zuweilen, daß der Verfasser, indem er die Episoden vom Eunuchen, dem Centurio und selbst die von der Bekehrung der Samaritaner niederschreibt, nicht nur erzählen will, daß er vor allem für eine Ansicht Präcedenzfälle sucht. Die Bekehrung des Eunuchen der Candace und des Centurio Cornelius sind wahrscheinlich Thatsachen, die jedoch nach den Bedürfnissen der These dargestellt und gebildet wurden, hinsichtlich derer das Buch der Apostelgeschichte verfaßt wurde.
Derjenige, der zehn oder elf Jahre später dieser Debatte eine entscheidende Tragweite geben sollte, Paulus, mischte sich noch nicht hinein. Er befand sich in Hauran oder in Damaskus, predigend, die Juden widerlegend, im Dienste des neuen Glaubens ebenso viel Eifer bekundend, wie früher zu dessen Bekämpfung. Der Fanatismus, dessen Werkzeug er gewesen war, zögerte nicht, ihn nun seinerseits zu verfolgen. Die Juden beschlossen, ihn zu verderben. Sie verschafften sich vom Ethnarchen, der Damaskus im Namen Hareths regierte, einen Verhaftbefehl. Paulus verbarg sich. Man wußte, daß er die Stadt zu verlassen beabsichtige; der Ethnarch, der den Juden gefällig sein wollte, stellte Wachen an die Thore, die sich seiner Person bemächtigen sollten; aber die Brüder verhalfen ihm zur nächtlichen Flucht, indem sie ihn in einem Korb durch das Fenster eines über den Wall geneigten Hauses herabließen (2. Kor. II, 32,33; Apostelg. IX, 23–25).
Dieser Gefahr entronnen, richtete Paulus seinen Blick nach Jerusalem. Es waren nun drei Jahre vergangen (Gal. I, 18), seitdem er Christ geworden war, und er hatte noch nicht die Apostel gesehen. Sein schroffer, wenig geselliger, zur Vereinzelung geneigter Charakter hatte ihn anfangs veranlaßt, der großen Familie, der er unwillkürlich beigetreten war, gewissermaßen den Rücken zuzuwenden und vorzuziehen, für sein erstes Apostolat ein neues Land zu wählen, wo er keinen Genossen finden mochte. Der Wunsch, Petrus zu sehen, erwachte jedoch in ihm (Gal. I, 18). Er anerkannte dessen Autorität und benannte ihn wie jedermann »Kephas«, der Stein. Er begab sich also nach Jerusalem, mit ganz entgegengesetzten Ansichten den Weg zurücklegend, den er drei Jahre früher mit ganz andern Absichten durchzogen hatte.
Seine Stellung in Jerusalem war äußerst schwierig und unangenehm. Man hatte dort wohl erzählen gehört, daß aus dem Verfolger der eifrigste Evangelist und der erste Verteidiger des Glaubens, den er früher vernichten wollte, geworden sei (Gal. I, 23). Aber es blieben gegen ihn große Vorurteile übrig. Einige befürchteten von seiner Seite entsetzliche Ränke. Man hatte ihn so zornvoll, so grausam, so eifrig in die Häuser dringen sehen, im Suchen nach Opfern die Familiengeheimnisse zerreißend, daß man ihn fähig hielt, eine häßliche Komödie zu spielen, nur um die zu verderben, die er haßte (Apostelg. IX, 26). Er wohnte, wie es scheint, im Hause des Petrus (Gal. I, 18). Mehrere der Jünger blieben bei seinem Entgegenkommen wortlos und zogen sich von ihm zurück (Apostelg. IX, 26). Ein Mann von Herz und Willen, Barnabas, spielte in diesem Momente eine entscheidende Rolle. Als Cypriote und Neubekehrter verstand er besser als die galiläischen Jünger die Stellung des Paulus. Er kam ihm entgegen, nahm ihn gewissermaßen bei der Hand, stellte ihn den Argwöhnischsten vor und verbürgte sich für ihn.Apostelg. IX, 27. Dieser ganze Teil der Apostelgeschichte hat zu wenig historischen Wert, als daß sich mit Gewißheit annehmen ließe, diese schöne Handlungsweise des Barnabas habe während des vierzehntägigen Aufenthalts des Paulus zu Jerusalem stattgefunden. Doch zweifellos ist in der Art und Weise, wie die Apostelgeschichte die Sache darstellt, eine wahre Empfindung der Beziehungen zwischen Paulus und Barnabas. Durch diesen Akt der Klugheit und des Scharfblicks hat sich Barnabas im höchsten Grade um das Christentum verdient gemacht. Er war es, der Paulus würdigte; er war es, dem die Kirche den hervorragendsten ihrer Gründer verdankt. Die fruchtbare Freundschaft dieser beiden apostolischen Männer, eine Freundschaft, die trotz Meinungsverschiedenheiten keine Wolke zuließ, führte später zu ihrer Verbindung hinsichtlich der Missionen unter den Heiden. Diese wichtige Verbindung rührte im gewissem Sinne vom ersten Aufenthalt des Paulus zu Jerusalem her. Unter die Ursachen des Glaubens der Welt muß der Edelsinn gerechnet werden, der Barnabas veranlaßte, dem verdächtigten und verlassenen Paulus die Hand zu reichen; die tiefe Empfindung, die ihn unter dieser demütigen Hülle eine Apostelseele entdecken ließ; der Freimut, mit dem er das Eis brach und die Hindernisse beseitigte, welche das böse Vorleben des Bekehrten und vielleicht auch gewisse Züge seines Charakters zwischen Paulus und seinen neuen Brüdern aufgerichtet hatte.
Übrigens vermied es Paulus absichtlich, die Apostel zu sehen. Er selbst bekennt es und nimmt sich sogar die Mühe, es feierlichst zu bekräftigen. Er sah nur Petrus und Jakobus, den Bruder des Herrn (Gal. I, 19, 20). Sein Aufenthalt währte nur zwei Wochen.Gal. I, 18. Es ist daher unmöglich, die Verse 28, 29 des IX Kapitels der Apostelg. als genau gelten zu lassen. Der Verfasser der Apostelg. mißbraucht jene Nachstellungen und Mordanschläge. Die Apostelg. differiert mit der Epistel an die Galater, indem sie den ersten Aufenthalt des Paulus zu Jerusalem länger währen läßt und näher zu seiner Bekehrung. Natürlich verdient die Epistel den Vorzug, wenigstens in Bezug auf die Chronologie und die materiellen Umstände. Gewiß, es ist möglich, daß zur Zeit, als Paulus seine Epistel an die Galater schrieb (Jahr 56), er sich von den augenblicklichen Bedürfnissen veranlassen ließ, die Färbung seiner Beziehungen zu den Aposteln ein wenig zu fälschen, sie als trocken, herrschsüchtig hinzustellen, wie sie es in Wirklichkeit nicht waren. Gegen das Jahr 56 galt es, ihm als wesentlich zu beweisen, daß er nichts von Jerusalem erhalten habe, daß er keineswegs der Mandatar des in dieser Stadt befindlichen Rats der Zwölf sei. Seine Haltung zu Jerusalem wäre das selbstbewußte, stolze Gehaben eines Herrn gewesen, der den Verkehr mit anderen Herren vermeidet, damit es nicht den Anschein habe, er unterordne sich, nicht die demütige, reuige Haltung eines Schuldigen, der sich seiner Vergangenheit schämt, wie es der Verfasser der Apostelgeschichte hinstellt. Wir können nicht glauben, daß Paulus schon vom Jahre 41 an von dieser Art eifersüchtiger Sorge um seine eigene Originalität beseelt gewesen sei, die er später zeigte. Die Seltenheit seiner Zusammenkünfte mit den Aposteln und die Kürze seines Aufenthaltes in Jerusalem mögen eher von der Verlegenheit herrühren, die er vor Leuten empfand, die anders geartet als er und voller Vorurteile betreffs seiner waren, als von einer raffinierten Politik, die ihn fünfzehn Jahre früher hätte erkennen lassen, welche Unannehmlichkeiten ihm aus diesem Verkehr kommen könnten.
Wahrlich, was zwischen Paulus und den Aposteln eine Art Mauer errichtete, das war hauptsächlich der Unterschied des Charakters und der Erziehung. Die Apostel waren alle Galiläer; sie hatten nicht die jüdischen Hochschulen besucht; sie hatten Jesus gesehen; sie erinnerten sich seiner Worte; sie waren gute, fromme Naturen, manchmal ein wenig feierlich und naiv. Paulus war ein Mann der That, voll Feuer, ziemlich mystisch, wie durch eine höhere Macht in eine Sekte eingereiht, die keineswegs die seiner ersten Wahl war. Auflehnung, Widerspruch waren seine Gewohnheit (s. besonders die Epistel an die Galater). Sein jüdisches Wissen war bedeutender als das aller seiner neuen Mitbrüder. Aber da er Jesus nicht vernommen hatte, da er von ihm nicht eingesetzt wurde, stand er nach christlichen Begriffen weit unter diesen. Nun war aber Paulus keineswegs darnach angethan, eine zweite Stelle einzunehmen. Seine selbstbewußte Individualität forderte eine Rolle für sich. Wahrscheinlich mag um diese Zeit die sonderbare Idee in ihm entstanden sein, daß er schließlich diejenigen, die Jesus gekannt haben und von ihm erwählt wurden, um nichts zu beneiden habe, da auch er Jesus gesehen habe, von Jesus eine direkte Offenbarung und ein Mandat für sein Apostolat erhalten habe. Selbst diejenigen, welchen die Ehre der persönlichen Erscheinung des auferstandenen Christus zu teil geworden, hätten nichts vor ihm voraus. Weil er der letzte war, deswegen sei seine Vision nicht minder merkwürdig gewesen. Sie wäre unter Umständen hervorgebracht worden, die ihr sogar das Gepräge besonderer Wichtigkeit und Auszeichnung geben (Epist. an die Gal. I, 11, 12 und fast ganz; 1. Kor. IX, 1 etc., XV, 1 etc.; 2. Kor. XI, 21 etc.). Welcher Hauptirrtum! Das Echo der Stimme Jesu ertönt selbst aus den Worten des geringsten seiner Jünger. Mit allem seinem jüdischen Wissen konnte Paulus nicht den gewaltigen Nachteil wettmachen, der ihm durch die verspätete Weihe entstand. Der Christus, den er auf dem Wege nach Damaskus gesehen, war nicht, was er auch sagen mochte, der Christus von Galiläa; es war der Christus seiner Imagination, seines eigenen Geistes. Obgleich er aufmerksam die Worte des Meisters sammelte (man findet dies mehr oder minder direkt: Röm. XII, 14; 1. Kor. XIII, 2; 2. Kor. III, 6; 1. Thess. IV, 8, V, 2, 6), so ist es doch klar, daß er hierbei nur ein Jünger zweiten Grades war. Es läßt sich bezweifeln, ob Paulus, wenn Jesus ihm lebend begegnet wäre, sich von ihm angezogen gefühlt hätte. Seine Lehre wird die seinige sein und nicht die von Jesus. Die Offenbarungen, auf die er so stolz ist, sind die Frucht seines Gehirns.
Diese Ideen, die er noch nicht mitzuteilen wagte, machten ihm den Aufenthalt zu Jerusalem unangenehm. Nach vierzehn Tagen nahm er von Petrus Abschied und zog fort. Er hatte so wenig Leute gesehen, daß er es wagen konnte, zu behaupten, niemand von der Kirche Judäas kenne sein Antlitz und wisse etwas anderes von ihm als vom Hörensagen (Gal. I, 22, 23). Später maß er diesen jähen Abgang einer Offenbarung zu. Er erzählte, daß er eines Tages, als er im Tempel betete, eine Verzückung gehabt habe, daß er Jesus in Person gesehen und von ihm den Auftrag erhalten habe, schnellstens Jerusalem zu verlassen, »weil man hier nicht geneigt ist, sein Zeugnis zu empfangen«. Als Ersatz für diese Hartnäckigen habe ihm Jesus das Apostolat bei fernwohnenden Völkern versprochen und eine Zuhörerschaft, die für sein Wort empfänglicher wäre (Apostelg. XXII, 17–21). Was diejenigen betrifft, die die Spuren der zahlreichen Zerwürfnisse verwischen wollen, welche der Eintritt dieses unbotmäßigen Jüngers in der Kirche verursacht hatte, so behaupten sie, Paulus sei ziemlich lange in Jerusalem geblieben, habe mit den Brüdern ganz vertraut verkehrt, sei aber, als er den hellenistischen Juden predigen wollte, in Gefahr geraten, von ihnen getötet zu werden, so daß die Brüder über seine Sicherheit wachen und ihn nach Cäsarea geleiten mußten (Apostelg. IX, 29, 30).
Es ist in der That wahrscheinlich, daß er sich von Jerusalem nach Cäsarea begab. Doch blieb er hier nicht lange und begann Syrien und später Cilicien zu durchziehen (Gal. I, 21). Zweifellos predigte er bereits, doch nach seinem Belieben und ohne Verabredung mit jemandem. Während dieser Periode seines apostolischen Lebens, die auf zwei Jahre geschätzt werden kann,Apostelg. IX, 30, XI, 25. Die für diese Epoche des Lebens des Paulus wichtige chronologische Angabe steht Gal. I, 18, II, 1. war seine Vaterstadt Tarsus sein gewöhnlicher Aufenthaltsort. Möglich auch, daß die Gemeinden von Cilicien ihm ihre Entstehung verdanken.Cilicien hatte im Jahre 51 eine Gemeinde. Apostelg. XV, 23, 41. Indessen war in dieser Epoche das Leben des Paulus nicht so, wie wir es später kennen lernen werden. Er führte nicht den Titel Apostel, der damals einzig nur den Zwölf vorbehalten war.In der Epistel an die Galater (Vers 56) erteilt sich auffallenderweise Paulus zum ersten male den Rang eines Apostels (I, 1 etc.). Nach Gal. II, 7–10 hätte er diesen Titel im Jahre 51 erhalten. Indessen führte er ihn in der Unterschrift der beiden Episteln an die Thessalonicher noch nicht, die vom Jahre 53 herrühren. Der Verfasser der Apostelg. giebt Paulus nie den Titel eines Apostels. Für ihn sind die Apostel nur »die Zwölf«. Apostelg. XIV, 4, 14 bildet eine Ausnahme. Erst von seiner Verbindung mit Barnabas an (Jahr 45) betritt er die Laufbahn heiliger Wanderungen und Predigten, die ihn zum Typus des Wandermissionärs machte.