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Viertes Kapitel.
Junkerliche Brautwerbung.

Indem sich Otfried nach dem Garten entfernte und rechts in eine Allee einbiegen wollte, sah er Kilian Lotfahr in Begleitung des Baron von Reding und seines Sohnes, eines junkerlichen Exemplars reinster Gattung, dieselbe Allee herunter kommen.

Es war ihm die beste Gelegenheit geboten, die Leidensgeschichte Lotfahrs von einer neuen Seite kennen zu lernen – er zog es aber vor, sich unbemerkt und so rasch als möglich aus dem Garten zu entfernen, um ungestört über seine nächsten Schritte einen bestimmten Entschluss zu fassen.

Mit Otfried entfernte sich der einzige Zeuge und mögliche Störer einer Unterredung, welche von Seite Redings mit großer Würde und Feinheit eingeleitet, keinen gringeren Gegenstand behandelte als – die Bewerbung des jungen Reding um die Hand der Tochter des Hauses …

»Also, wie gesagt, Herr Lotfahr«, bemerkte Herr von Reding eben: »Ruhe haben wir im Grabe – im Leben aber soll es keinen Stillstand geben!«

»Keinen Stillstand, Herr Baron …« sagte Lotfahr, im feineren Benehmen noch unsicher und sehr ehrerbietig gegen den Baron – »Keinen Stillstand, wenn ich recht verstanden habe.«

»Ihre Verhältnisse sind glänzend«, fuhr von Reding fort: »Man schätzt sich's zur Ehre, in Ihrem Hause aus- und einzugehen … Es gibt einen Ehrgeiz, der mit dieser Stufe von Auszeichnung zufrieden wäre. Aber im Leben soll es keinen Stillstand geben – und an Ihnen liegt es jetzt, einen Schritt zu neuer, höherer Ehre zu tun.«

»An mir, Herr Baron – wenn ich recht verstanden habe«, sagte Lotfahr.

»Rund heraus – Ihre Kinder müssen einen Stand höher heiraten, Eure Enkel müssen unter den Edelleuten des Landes genannt werden!«

»Unter den Edelleuten des Landes …« sagte Lotfahr geschmeichelt und verlegen, »wenn ich recht verstanden habe.«

»Ja. Und Ihr schönes Töchterlein muss den Anfang machen!«

»Meine Burgei …« sagte Lotfahr: »Dazu gehörte freilich, dass ein junger Edelmann sich entschließen könnte – nun nebenbei bemerkt, dass auch meine Tochter ihren freien Willen …«

»Wir sind unter uns«, fiel ihm der Baron ins Wort. »Wir können überflüssige Rücksicht fallen lassen. Ich habe mich entschlossen, Ihnen den Weg zu einer höheren Verbindung zu ebnen und stelle – meinen eigenen Sohn – ein Kavalier vom Scheitel bis zur Sohle – zur Verfügung.«

»Den Herren Sohn?« fragte Lotfahr, keineswegs im Tone angenehmer Überraschung.

»Ja!« ließ sich der junge Reding im märkischen Junkertone vernehmen. Er hielt es nicht der Mühe wert, bei diesem Worte sich umzuwenden, sondern blieb, seinem Vater und Lotfahr den Rücken zuwendend, seitwärts stehen und betrachtete, in der rechten Hand eine Reitpeitsche, die Linke tif in der Hosentasche, wie früher die Gegenstände an der Wand.

»Die Ehre ist wirklich groß, Herr Baron – wenn ich recht verstanden habe …«, sagte Lotfahr erschrocken und verlegen.

»Ich hoffe wenigstens«, sagte Reding stolz: »Das Opfer meines Hauses und meiner alten Familie werde ernsthaft gewürdigt werden!«

»Herr Baron …« sagte Lotfahr und suchte vergebens eine höfliche Erwiderung; endlich, um nur etwas zu sagen, fragte er: »Wie heißt, wenn ich eine ungeschickte Frage dazwischen werfen darf – Ihr Herr Sohn?«

Der junge Reding drahte sich bei dieser Frage langsam um, belorgnettierte Lotfahr vom Kopf zu den Füßen, ohne seine Hand aus der Hosentasche zu ziehen und sagte:

»Edward!«

»O, sehr verbunden«, sagte Lotfahr mit einer respektvollen Verbeugung: »Die Ehre ist unsererseits, wenn Sie Wohlgefallen an meinem – etwas lebhaften Kinde finden … Ja, die Burgei ist etwas lebhaft – so zu sagen wild – und dass ich's nur gestehe – sie hat ihren eigenen Geschmack und hat manchen Freier schon abgewiesen. Aber – wenn ich's hin und her bedenke – es wird wohl auf eine Art möglich sein, ihr beizubringen …«

Bei diesen Worten trat der junge Reding spornklirrend und sich den Schenkel mit der Reitpeitsche klopfend, frech einige Schritte vor:

»Was, eine Art, ihr beizubringen?« rief er. »Nicht lange fragen! Väterliche Gewalt gebrauchen! Keine Räson annehmen! Kurzer Hand zum Staatsstreich greifen!«

Diese Gesinnungsweise und Manier schien selbst dem Baron zu kräftig aufgetragen – mit vermittelndem Lächeln trat er deshalb vor und sagte:

»Nur zur Erinnerung, Herr Lotfahr – dass mein Sohn zu den geraden, frischen Kavalieren zählt, die nicht gewohnt sind, was sie angefangen, auf halbem Wege wieder aufzugeben!«

»Nicht auf halbem Wege – wenn ich recht verstanden habe …«, sagte Lotfahr in größter Verlegenheit und Bedrängnis.

In diesem Augenblick erhob sich ein fürchterliches Geschrei von Weiberstimmen in der Ferne, und Lotfahr, der mit den Begleitern eben in den Gartensalon trat und im Grunde froh war, die Aufmerksamkeit von der peinlichen Unterredung ablenken zu können, sagte:

»Was war denn das?«

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Denn Tobias stürzte in größter Aufregung herein und sagte:

»Rennet! Rettet! Flüchtet! Alles ist aus und Amen!«

»Ums Himmels willen, was ist geschehen?« fragte Lotfahr, selbst besorgt.

»Sie ist da«, sagte Tobias zitternd – »sie ist zurück!« Und es erhob sich zu gleicher Zeit das frühere Geschrei der Weiber.

»Wer ist da?« fragte Lotfahr betroffen mit einer Ahnung.

»Die Burgei – Ihre Tochter!« erwiderte Tobias.

»Meine Tochter?« sagte Lotfahr erschrocken: »Meine Burgei?« fügt er hinzu, von väterlichen Gefühlen übermannt.

Der junge Reding, welcher einige Schritte zurückgewichen war, trat wieder vor und sagte, Position nehmend:

»Da können wir ja gleich die Attacke beginnen!«

»Die Attacke beginnen – ja, Herr Baron – wenn ich recht verstanden habe«, sagte Lotfahr zerstreut und sorgenvoll; und zu Tobias gewendet, setzte er mit Bewegung hinzu:

»Und wie, um alle Welt, kann sie auf einmal wieder da sein? Warum hat das Weibervolk so geschrien?«

»Gnädiger Herr, ich habe mitgeschrien«, sagte Tobias. »Ein Schrei des Entsetzens ist ja alles gewesen, was wir im ersten Augenblick im Stande waren. Dann haben wir nur so im Starrkrampf zugesehen.«

»Wieso? Was hat denn mein Kind in aller Eile Großes verbrochen?« fragte Lotfahr besorgt und traurig.

»Der Philipp ist mit knapper Not einem Besenstiel entgangen; der Anton hätte bald aus freier Hand die Bekanntschaft mit fünf Fingern gemacht; der Köchin goss die Burgei Wasser ins Feuer und jagte sie mit der Bratengabel davon; dem Küchenmädchen nahm sie einen Truthahn aus der Hand und schlug damit alles in die Flucht, was ihr in den Weg kam – Ja, es ist aus! Sag ich. Aus und Amen! Das Jüngste Gericht ist angebrochen!«

Lotfahr stand einen Augenblick mit bebenden Knien da, dann sagte er schmerzlich zu den Begleitern:

»Wenn die Herren es für geraten halten, das – was wir besprochen – etwa noch weiter zu bedenken – heißt, wenn Sie bis auf Weiteres – etwa mein Gast sein wollen – bei dem frugalen Gabelfrühstücke, das hier aufgetragen …«

»Nicht doch, nicht doch«, sagte Reding, der auf vorläufigen Rückzug dachte: »Unser Gegenstand will einmal wieder in Ruhe besprochen werden – Lassen Sie uns für heute Abschied nehmen … Bringen Sie Ihr schönes Töchterlein erst ein wenig zu sich – das anders wird sich finden. Komm, mein Sohn!«

»A revoir! Zur Bändigung dieser Widerspenstigen müssen wir einmal auf Extratour kommen!« sagte der junge Reding, sich tapfer entfernend …

Lotfahr gab ihnen einige Schritte das Geleit und ging dann schmerzlich bewegt nach seinem Zimmer, indem er dachte:

Ich kann mein Kind in dieser Verfassung nicht sehen … Ach Burgei! … Heut' gerade zurückzukommen! Heut' gerade! O Unglückskind! …


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