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Der Blaue Bock und ein Tag Adams und Evas in der Schlehengasse
Ich nahm Emmy nicht weiter mit in den Blauen Bock; wir gingen denn doch endlich lieber zu Bett in der stillen Mühle, und das Kind mit seinem unschuldigen, besten Gewissen entschlummerte auch sofort und drehte sich nur einmal auf die andere Seite, wie es schien, von der seltsamen Wäsche ihres guten Freundes Doktor Adam Asche träumend.
Ich aber, wenngleich ebenfalls in »Nacht und Kissen gehüllt«, blieb in der Erinnerung noch ein wenig im Blauen Bock und saß mit dem verstorbenen Vater und dem Freunde und – Samse, dem treuen Knecht, in der wohlbekannten Wirtsstube der weitbekannten Ausspannwirtschaft und frischte alte Bilder auf.
Der alte Herr zahlte selbstverständlich uns hungrigem jungen Volk die Zeche, und Samse griff in die Schüssel wie in die Unterhaltung ein und gab nicht nur einen wackern Durst, sondern auch mehr als ein verständig Wort dran und dazu. Über seine eigenen übelduftenden Augiasstallstudien und seine sich möglicherweise daran knüpfenden Absichten und Aussichten, Pläne und Hoffnungen ließ sich der Doktor wenig aus, murmelte nur einiges von: Berliner Schwindel! und tat selbst mir gegenüber zurückhaltender, als sonst seine Gewohnheit war. Aber seinem alten Gönner lieh er ein williges Ohr und ließ, mit Messer und Gabel beschäftigt, Vater Pfister so ausführlich werden, als das demselben in seinen Nöten und Ängsten ein Bedürfnis sein mochte.
»Den Braten habe ich lange gerochen!« seufzte er, Asche, mit einem fetten Stück Kalbsniere auf der Gabel, und ließ es ungewiß, was für einen »Braten« er eigentlich meine. Das Wort wird ja wohl immer noch dann und wann in Verbindung mit der Nase des Menschen figürlich genommen.
»Sie hören mir doch auch zu, Adam?«
»Mit vollstem Verständnis, würdigster Gastfreund. Bis über die Ohren in diesem Salat!« lautete die Antwort. »Erzählen Sie ruhig weiter, Vater Pfister; es gehört mehr in der Welt dazu, mir in gegenwärtiger Stunde den Appetit zu verderben. Dich ersuche ich um den Pfeffer dort, Sohn und Erbe von Pfisters Mühle. Hoffentlich hat man es dir in der klassischen Geographie beigebracht, daß Grade durch das Land Arkadien der Fluß Styx floß und daß jeder, der im neunzehnten Jahrhundert einen Garten und eine Mühle an dem lieblichen Wasser liegen hat, auf mancherlei Überraschungen gefaßt sein muß. Schade, daß ich dich meinerzeit nicht schon darauf aufmerksam machen konnte in unserm Hinterstübchen! Sie waren dort sehr gastfrei, Vater Pfister – in Arkadien nämlich – und sie beteten den Gott Pan an, und in der Poesie und Phantasie wird es immer ein Paradies bleiben – grade wie Pfisters Mühle mir! – was auch in der schlechten Wirklichkeit daraus werden mag. Ob ich Ihnen zuhörte, Vater Pfister? In Ihrer Seele sitze ich! Als Sie in harmloser Heiterkeit in gewohnter, lieber Weise Ihre Nase noch hoch unter Ihren Gästen herumtrugen, habe ich Ihr und unserer alten guten Mühle Schicksal bereits vorausgerochen. Zu Weihnachten also das Weitere, und zwar so wissenschaftlich, als es Ihnen beliebt; vorläufig nur das Wort: Krickerode!«
Krickerode!
Es war nur ein Wort, aber es wirkte, wie ein einziges Wort dann und wann zu wirken pflegt. Es schlug ein; und mein Vater, nachdem er auf den Tisch geschlagen hatte, sprang auf, legte sich vorwärts über Gläser, Schüsseln und Teller, faßte mich, hielt mich an beiden Schultern, schüttelte mich und rief:
»Was habe ich mir gedacht?... In schlaflosen Nächten und am wachen Tage!... Was hab ich dir gesagt, Junge? Bezeuge es dem Doktor da, was ich dir schon längst gesagt habe!«
»Was verlangen Sie denn sonst noch von dem Zucker, als daß er uns das Leben versüße, Vater Pfister?« fragte Doktor Asche mit behaglich gesättigter Grabesstimme. »Allzuviel davon in der Welt Feuchtigkeiten kann einem freilich – hie und da zuviel werden. Ich gebe Ihnen da wie gewöhnlich vollkommen recht, alter Herr und Gönner. –
»Also doch – Krickerode!« murmelte mein Vater, jetzt schlaff und erschöpft auf seinem Stuhle sitzend und wie abwesend (an seinem Wasserlauf und in seiner Mühle) von einem zum andern blickend. »Wer mir das in meiner unschuldigen Jugend prophezeit hätte, wenn mich meine selige Mutter mit dem Sirupstopf ins Dorf schickte und sich jedesmal wunderte, daß der Kaufmann so wenig fürs Geld gab!... Also Krickerode!...«
»Zuviel Zucker – zuviel Zucker – viel zuviel Zucker in der Welt, in der wir leben sollen!« seufzte Asche.
»Rübenzucker«, sagte mein Vater, matt die brave, breite Hand auf den Tisch legend; und Adam Asche meinte jetzt mit wirklicher, aufrichtiger Teilnahme:
»Wozu ich Ihnen und der Mühle unter diesen Umständen werde nützlich sein können – wozu ich Ihnen verhelfen kann: ob zu Ihrem Recht oder nur zu größerem Verdruß, kann ich nicht sagen; aber daß ich zu Weihnachten nach Pfisters Mühle kommen werde, darauf können Sie Gift nehmen, Vater Pfister.«
»Letzteres ist gar nicht notwendig, Adam«, meinte der alte Herr melancholisch. »Bloß auch wissenschaftlich möchte ich es jetzt gern zum Heiligen Christ von Ihnen haben, Doktor. Anspannen, Samse!...«
Ehe Samse hinausging, um anzuspannen, setzte der gute Knecht mir unterm Tisch den nägelbeschlagenen Gamaschenschuhabsatz in einer Art auf die Fußzehen, die nur bedeuten konnte:
»Komm mal mit in den Stall.«
Und im Stall neben dem treuen, die letzten Haferkörner in der Krippe beschnaubenden Hans von der Mühle legte er, Samse aus der Mühle, mir die arbeitsharte, treue Hand schwer auf die Schulter und sagte:
»'s ist die höchste Zeit, daß Ihr was dazu tut, Ebert. Seht ihn Euch an! Er wird mir umfänglicher, aber auch weichlicher von Tag zu Tage. Da will er mir des Morgens nicht mehr aus dem Bette, und heben wir ihn heraus, so sitzt er uns hin im Stuhl am Fenster und schnüffelt und schnüffelt und schnüffelt. Und steht er und geht er um, so ist es noch schlimmer mit der Mühle – von uns gar nicht zu reden. Er schnüffelt drinnen, er schnüffelt draußen; an mir mag er riechen, was und so viel er will, aber an dem übrigen riecht er sich noch seinen Tod an den Hals, und die Christine ist da auch ganz meiner Meinung. Ja, die hat sich auch in Geduld zu fassen und das Ihrige zu leiden! Nichts riecht ihm an ihr mehr recht. In Küche und Kammer, auf dem Boden und im Keller schnüffelt er uns; aber das Schlimmste ist doch sein Stehen im Garten und sein Atemholen dorten, so viel ihm noch davon vergönnt ist, und das ist leider Gottes wenig genug. Daß ich ihm heute morgen unsern Herrn Doktor Adam aufs Tapet gebracht habe, das ist mein Verdienst; aber nun sorgen auch Sie, Ebert, nach Kräften dafür, daß der als Übergelehrter das Seinige an uns tut. Es ist ja diesmal wirklich, als ob uns die Doktoren zu unserm einzigsten Troste in die Welt gesetzt wären: ohne unsern andern von der Art, Sie wissen es, wen ich meine, stünde es an manchem gegenwärtigen Winterabend noch tausendmal elender um Pfisters Mühle, und einen schlimmen Zahler muß unser Meister ja mal zu jeder Zeit auf dem Konto haben. Das ist eben sein absonderlich Privatvergnügen, zu dem er unter Millionen allein auf die Welt gekommen scheint. Und dann Fräulein Albertine –«
Ich wußte es natürlich, von wem der Alte redete; aber ehe ich ihm meine vollständige Übereinstimmung mit seiner Meinung kundgeben konnte, rief mein Vater derartig ungeduldig von dem Hausflur des Blauen Bockes her nach seinem getreuen Knechte, daß dieser allen Grund hatte, sich und den braven Mühlen-Hans zu beeilen.
Zehn Minuten später standen Adam und ich in dem Torbogen und sahen dem Vater Pfister nach, wie er heimwärts fuhr und wenig Trost aus der Stadt mit nach Hause nahm. Mit den Augen konnten wir ihm und dem Gefährt nur wenig über die nächste Laterne am Wege folgen; aber wir standen in der scharfen Zugluft und dem feuchten Niederschlag des Winterabends unter dem Tor und Schilde des Blauen Bockes, bis sich das letzte Rädergerassel des Müllerwagens von Pfisters Mühle in der Ferne verloren hatte.
Dann meinte Doktor A. A. Asche:
»Ein Mensch wie ich, der die feste Absicht hat, selber einen sprudelnden Quell, einen Kristallbach, einen majestätischen Fluß, kurz, irgendeinen Wasserlauf im idyllischen grünen Deutschen Reich so bald als möglich und so infam als möglich zu verunreinigen, kann nicht mehr sagen, als daß er sein Herzblut hingeben würde, um dem guten alten Mann dort seinen Mühlbach rein zu erhalten. Ich bin, wie du weißt und nicht weißt, seit ich dir im Hinterstübchen von Pfisters Mühle die Anfangsgründe nicht nur des Lateinischen, sondern auch der Menschenkenntnis beibrachte, unter den Menschen viel und an vielen Orten gewesen; aber einen zweiten seinesgleichen habe ich nicht unter unsersgleichen gefunden. Da ist kein Wunsch, den ich dem nicht zum Heiligen Christ erfüllen möchte, aber leider Gottes werde ich ihm nur in einem zu Willen sein können. Erfahren soll er, wer ihm seinen Bach trübt. Wissenschaftlich soll er's haben bis zur letzten Bakterie! Schriftlich soll er's haben – zu Gericht soll er damit gehen können! Ich werde ihm sein Wasser beschauen, und kein anderer Doktor wird ihm die Diagnose so sicher stellen, wie sein alter, verlungerter Schützling und Günstling Adam Asche.«
»Du bist doch ein guter Mensch, Asche!« rief ich.
»Das bin ich gar nicht«, schnarrte mir aber der chemische Vagabund und Abenteurer zu. »Komm nach Hause, junger Mensch! Wende du deine Windeln auf dem Zaune um, das heißt, setze dich an deine Bücher. Mich verlangt's anjetzt dringlich zu der Wäsche zurück, die mir, wie du vorhin bemerken konntest, auf der Leine hängt. Ich habe viel zu tun die nächsten Wochen hindurch und du auch einiges; also beschränke deine Erkundigungen nach meinem Ergehen auf das geringste Maß der Höflichkeit. Am liebsten ist's mir, du kommst am Tage Adam und Eva, am vierundzwanzigsten Dezember, so um vier Uhr nachmittags, und holst mich ab nach Pfisters Mühle. Das soll übrigens allem Erdenstank und -drang zum Trotz die gemütlichste Weihnacht werden, die ich seit manchem widerwärtigen Jahr gefeiert habe. Den Wind im Rücken auf der Landstraße, Abenddämmerung, Nacht und Nebel auf den Feldern rundum und in seiner Mühle der Vater Pfister: ›Christine, da kommen sie! Brenne die Lichter an der Tanne an!‹ – Das wäre wahrhaftig eine Sünde, ihm seinen Wunsch nicht zu erfüllen. Bis auf das letzte Atom soll er's wissen, wieviel Teile Ammoniak und Schwefelwasserstoff der Mensch dem lieben Nachbar zuliebe einatmen kann, ohne rein des Teufels zu werden ob der Blüte des nationalen Wohlstandes und lieber alle Viere von sich zu strecken, als noch länger in diese Blume zu riechen. Guten Abend, Ebert.«
Er nahm hiermit nach seiner Art einen kurzen Abschied, und ich sah ihn wirklich nicht eher wieder als bis am Tage Adam und Eva und ließ ihn bis dahin ungestört bei seinen mysteriösen Studien und Arbeiten. Der vierundzwanzigste Dezember dämmerte dann ganz wie ein Tag nach seinem Wunsche – dunkel und windig vom ersten grauen Schein – über den Dächern an; nur daß wir den Wind, einen recht wackern Nordost, nicht im Rücken, sondern gradeaus im Gesicht und nur hie und da an einer Wendung der Landstraße scharf in der Seite haben sollten.
Ich holte ihn ab und hatte das Vergnügen, ihm beim Packen seines Reisebündels behülflich zu sein und auch sonst für die Tage seiner Abwesenheit sein städtisches Heimwesen zu einem Abschluß bringen zu helfen, was auch nicht ohne seine drolligen Schwierigkeiten war. Er, der behauptete, einer der freiesten der Menschen zu sein, war nach so vielen und verschiedenen Richtungen hin gebunden und so erfinderisch den kuriosen Einzelheiten seiner Existenz gegenüber, daß es nur einem Normalphilisterkopf ein wahres Übermaß der Schadenfreude gewähren konnte, ihn sich in seinen Verlegenheiten abzappeln zu sehen. Schadenfroh war ich nicht, aber daß ich bei seinen Versuchen, die Bande und Knoten, welche ihn an die Schlehengasse fesselten, möglichst ohne arges Gezeter und sonstige Ärgernisse zu lösen, in Mitleid und Wehmut verging, kann ich freilich auch nicht sagen.
Er hatte, als ich kam, seiner Mietsherrin bereits mitgeteilt, daß er für einige Zeit vom Hause abwesend sein werde, und ich traf mehrere bei ihm anwesend, die dringend genügende Garantie für sein Wiederkommen verlangten, ehe sie ihn losließen. Merkwürdigerweise hatten die Gewerbtreibenden im Hause sämtlich ihre Frauen oder Töchter geschickt und warteten selber lieber auf ihrem Schusterschemel oder Schneidertisch das Resultat ihrer Verhandlungen ab. Und Meister Börstling hatte Weib und Kind gesendet. Mit Madame lag Fräulein Olga dem unseligen, gelehrten chemischen Wäscher auf dem Halse, und Olga hatte ganz intime Stücke weiblicher Garderobe mitgebracht und hielt sie dem Hausgenossen unter die Nase:
»Wie Zunder, Herr Doktor! Zwischen den Fingern zu zerreiben! Und hinten und vorn versengt! Und frage ich Sie, wer steht mir nun für den Schaden, den wir in unserer Herzensgüte uns haben anrichten lassen?«
Fräulein Marie hatte nur »eine kleine Note vom Papa« gebracht, der aber doch grade auf das Fest Besseres zu tun hatte, als mit seinem Schneiderkonto faulen Kunden in die weite Welt nachzulaufen. Aber die Furchtbarste war doch die dem Doktor Nächste, seine Stubenwirtin, Witwe Pohle. »Vollständig unbezahlte Rechnung seit Anmeldung auf der Polizei«, sperrte sie uns die Tür und den Weg nach Pfisters Mühle.
Und es war ihnen allen nicht zu verdenken! Sie hatten meistens sämtlich Kinder, und zwar viele. Es war der Tag Adam und Eva, der Heilige Abend dämmerte bereits, und sie hatten sämtlich Geld nötig aufs Fest.
Mitleid mit dem Sünder konnte aber, wie schon bemerkt, dreist für dringendere Fälle aufgespart werden; guter Rat wäre gänzlich an ihn weggeworfen gewesen.
»Nur sachte, immer sachte, Kinder«, sprach mit höchstem Gleichmut Doktor Adam Asche, nur von Zeit zu Zeit beide Hände auf beide Ohren drückend. »Bin ich Orpheus, daß ihr mich zu zerreißen wünscht, ihr kikonischen Weiber? So schlimm ist's doch nicht mit dem Peplos, wie Sie's mir einbilden wollen, Olga! Einmal tut er doch noch seine Schuldigkeit mit Weinlaub und Eppich im Orpheon, liebes Kind!... So halten Sie mir doch die Krabben vom Leibe, Madam Börstling! Zahlung hoffen Sie und werden in Ihrer Hoffnung nicht getäuscht werden; fragen Sie den jungen Mann hier, ob er nicht noch einmal bluten wird – sein Erzeuger nämlich! Wir haben beide die besten Absichten, nicht umsonst Weihnachten in Pfisters Mühle zu begehen – Silvester feiern wir hier, und ich gebe dem ganzen Hause eine Bowle!... O Fräulein Marie, von Ihnen und Papa hätte ich doch etwas anderes erwartet als dieses! Haben wir – der eine wie der andere – Papa, ich und Sie, nicht höhere Bildung, nicht andere Interessen, nicht größere Ziele? Darf ich Sie nicht noch ein einziges Mal auf unsere Ideale verweisen, Maria? Ich darf es, ich sehe es Ihnen an, daß Papa auch diesmal noch sich bis nach Neujahr gedulden wird!... Mit Ihnen, Mutter Pohle, sollte ich eigentlich gar nicht zu reden brauchen. Sie wissen es, daß ich es weiß, wie sicher ich Ihnen bin, und daß es Ihnen gar keinen Spaß machen kann, Ihren angenehmsten Stubenherrn, seit Sie auf dergleichen als Witwe angewiesen sind, in anderthalb Stunden an den Christbaum zu hängen. Ich setze Ihnen hier diesen Jüngling zum Pfande, daß ich zu Neujahr wieder zurück bin von Pfisters Mühle. Daß bis Ostern vielleicht sich alles – alles gewendet haben wird, Knabe Ebert, ist etwas, was ich gegenwärtig so wenig diesen Herzen hier wie dir plausibel machen könnte. Ein Poet mit der gültigsten Anweisung auf die Unsterblichkeit ist da dem vorhandenen Moment gegenüber nicht übler dran als ich, und nun, Kinder, tut mir den Gefallen und verderbt euch und mir nicht länger die Gemütlichkeit des Abends vor dem Heiligen Christ! Hier – auf den Tisch – mein letztes Zehnmarkstück! Das ist vom Onkel Asche für die Kinder Schlehengasse Numero eins. Da, Toni ist die Vernünftigste, die und Hermann nehmen den größten Handkorb, aber alle übrigen gehen mit in die Stadt zum Zuckerbäcker, und – euch älteres und ältestes Gesindel mache ich darauf aufmerksam, daß ich zu Neujahr wieder hier am Platze bin und fürchterliche Rechenschaft fordern werde, wenn der geringste Krakeel wegen ungerechter Verteilung im Hause entstanden sein sollte.«
Damals stand ich ob dieses Erfolges dieser Wendung der Rede A. A. Asches nur stupifiziert. Wie ich heute, bei reiferen Jahren, die Sache ansehe, kann ich mir nur sagen: Hier war der Charakter, den Durchlaucht Otto Fürst Bismarck, Kanzler des Deutschen Reiches, wenigstens so ungefähr im Sinne haben konnte, wenn er den Reichstag ersuchte, sich gütigst für einen andern Mann auf dem harten Stuhl zu sammeln.
Sie entfernten sich, und wir blieben noch einige Augenblicke. Sie liefen, und wir hörten ihren jauchzenden Tumult auf allen Treppen – Kinderjubel und Kindergekreisch treppauf, treppab: »Onkel Asche!« von oben bis unten durch das Haus Schlehengasse eins im Ödfelde. Aus der Atemlosigkeit eines Lachkrampfes, dessen ich mich heute noch schäme, riß mich das gelassene Wort Doktor Adam Asches:
»Wie ich glaube, können wir allmählich auch gehen.«