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Jetzo verstummt' er, und neigte zum pochenden Busen das Antlitz, Thränenumflossen, herab; doch sieh', er hob es, erschüttert, Wieder empor: im Blitz erhab'ner Gesichte der Zukunft Schwand ihm die Gegenwart! Er sah in beglückteren Tagen, |
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320 | Freiheit bringend und Ruhm, an den lieblichen Ufern der Pleisse18. Oktober 1813! Siegender Heere Verein: erstanden in ihrem Vermögen Deutschlands Völker, geschlossen den Bund hochsinniger Fürsten, Schlacht und Feindesflucht, im helleren Glanze des Rheinstroms Freihinwallende Fluth, und Sieg auf Siege gehäuft fort – |
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325 | Sah vorstrahlend im Fürstenbund den glücklichen Enkel: Glücklich im hohen Gefühl des ruhmgekröneten Lebens, Und in der Liebe des Volk's, das treu und redlich ihm anhing, Auch in dem nächtlichsten Sturme der Zeit.Leser! möchte dir der Zuruf nicht fremd seyn, welchen der gütigste Landesvater am 1. Hornung 1806 an seine Völker richtete, und der mit den Worten beginnt: »Ich habe meinen guten und treuen Völkern den Frieden gegeben.« – und mit den Worten endet: »Durch das wechselseitige Band des festesten Vertrauens und der innigsten Liebe mit meinen Unterthanen verbunden, werde ich nur dann erst glauben, meinem Herzen als Fürst und Vater genug gethan zu haben, wenn Ostreichs Flor fest gegründet, wenn vergessen ist, was seine Bürger litten, und nur das Andenken an meine Opfer, an ihre Treue, und an ihre hohe unerschütterliche Vaterlandsliebe noch lebt.« Da schwand ihm des Anblicks Zauber; er starrt' umher, und rief: »Ein täuschender Traum war's!« |
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330 | Und mit dem Blick voll inniger Trauer begann er von neuem: »Solcher Kummer belastet mein Herz: ich denke der Zukunft. Alles, was ihr dieß Herz mit Liebe zu weihen sich sehnte, Hemmte der Sectenwuth blindlingsvernichtender Unsinn, Der, mein Leben begeifernd mit Gift, mir Haß in der Nachwelt |
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335 | Fernsten Tagen erregt, und Schmähung bereitet die Fülle. D'rum lechzt meine verwundete Brust nach freieren Lüften, Ferne vom Thron, wo nie die Freude mir lächelte, rastlos Feindlicher Haß mich traf, und herzzermalmender Undank. Aber ich sehe das Morgenroth, das mir an dem Abend |
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340 | Noch die Sonne verheißt nach dauernden Stürmen des Tages. Jüngst, nach ermüdendem Weidwerk, both in Estremadura's Lieblichem Thal, Sankt-Just,St. Just. Nicht ferne von der Stadt Placenzia, in Estremadura, lag das einsame Kloster der Hieronymitaner, St. Just, das Carl V. viele Jahre vor seiner Abdankung zu seinem einstigen Asyl erkoren hatte. Es lag in einem lieblichen Thale mit einem hellen Bach, mit Hügeln und Wäldern umher, und war wegen seiner gesunden Luft berühmt. Einige Monate vor seiner Ankunft erschienen dort Werkleute, die seine aus fünf bis sechs Klosterzellen bestehende Wohnung, mit einem Ausgang in den Garten, den er selbst pflegen, und dem andern in die Capelle, wo er seine Andacht halten wollte, bereiteten. Er zog daselbst am 24. Februar des J. 1557 ein, und starb am 12. September 1558 in seinem 59. Lebensjahre. der Hieronymitaner Einsames Kloster uns Ruh'. In der hehren Stille des Abends Faßt' uns gar wunderbar vom erhelleten Dome der Psalmen |
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345 | Herrliche Festmelodie, der Orgel mitwallender Jubel, Und das wehmutsvolle Getön der Glocke vom Thurm her, Die zum Abendgebeth uns lud, und zu stiller Betrachtung. Schweigend durchirreten wir des vielfachgesonderten Gartens Dunkle Pfade, wo frei, nach Lust unschuldiger Willkühr, |
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350 | Jeder im Bruderverein mit Sorgfalt baute sein Gärtchen. Einer mit silbernem Haupt und himmlischheiterem Antlitz, Wandelte dort: er band, dem festlichen Morgen zur Feier, Kränze, mit zartem Sinn vermengend mancherlei Farben; Knüpfte, hinwandelnd im Duft, gesunkene Blumen an Stäbchen |
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355 | Fest, und labte die schmachtende Flur, aus der Fülle des Springquells Schöpfend die Silberfluth mit hellerglänzender Kanne. Freundlich nickt' er den Gruß erst mir, dann meinen Gefährten Freundlicher noch; er ging, und waltete, meiner nicht achtend, Wieder so ruhig fort in überseligem Frieden. |
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360 | O, so dacht' ich, nicht fühlt er die herzzernagenden Sorgen, Die mein Antheil sind auf des Lebens verworrenen Pfaden! Ihm ist sein Blumenbeete die Welt, von sanften Bewohnern Blühend und duftend belebt; sie lohnen mit seligen Freuden Stets ihm jegliche Müh': er herrscht und waltet im Segen. |
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365 | Schnell wie ein Blitz aufflammt' in meinem Busen ein Vorsatz, Welchen das Herz ergriff, festhielt, und erwählte für immer. Staune nicht so, mein Held! Einst siehst du mich glücklicher. Reift nur Mein Erzeugter zum Manne heran, auf dem Pfade des Herrschers Würdig zu wandeln: dann, o sehnlich erwarteter Festtag, |
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370 | Eil' ich mit Adlers Flug in des Friedens himmlische Thäler: Denn, wie, kämpfend mit Sturm und Noth, der zagende Schiffer Fern auf dem Meer umtreibt, als berstend die Maste vom Bord ihm Stürzen, die schäumende Fluth fortwälzt die Tau' und die Segel, Und sein Fahrzeug, leck, schon tiefer sinket, er plötzlich |
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375 | »Land! Land!« hört, da füllt ihm die Brust unnennbare Sehnsucht, Und sein thränender Blick hängt starr an den fernen Gestaden: Also zieht mich das Herz hinüber nach Estremadura's Winkendem Friedensport, und Sankt-Justs heiligen Mauern. Dort, den Sorgen der Erd' entrückt, vom Menschengewühl fern, |
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380 | Und dem Himmel geweiht, entschwind' in seliger Stille Jede Erinnerung mir der leidenerfülleten Vorzeit! Sieh', schon glänzet der Abendstern, verwandelt, des Morgens Herold: die Nacht entweicht! Schon wecken die rasselnden Trommeln – Wecken Drometen das schlummernde Volk. Nun will ich des Sonntags |
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385 | Heilige Feier begeh'n im Kreise der tapferen Krieger, Dann, will's Gott, erringen das Ziel in dem Kampfe vor Tunis!« Waffengeräusch erscholl im dunkeln Gezelte des Kaisers, |
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390 | Aber umsonst: denn kalt und schweigend verschloß er die Brust ihm. Jetzt, aufhorchend im Zelt dem Klagenden, fühlet' er plötzlich Wieder erglühen den Muth im schmerzerstarreten Busen; Sprang vom Lager behend', umfaßte die glänzenden Waffen, Gürtete sich, und kam, und sprach zu dem Staunenden also: |
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395 | »Wie, so wohnet denn Gram auch im edelsten Herzen? So lohnt ihm Völkerbeglückende Müh' und Sorge nur schändlicher Undank? Schwinde, mein Leid! Verstumm't, ihr Klagen! Ich wähnet' euch endlos; Doch nun tret ich, beschämt, vor diesen erhabenen Dulder, Der dem größeren Schmerz obsiegt, und handelt, der Pflicht treu. |
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400 | Hör' ich drometenden Ruf – der weckenden Trommel Gewirbel? Fleugt das Schlachtroß wiehernd im Feld, und blitzen die Waffen Tod in den Feind? Ich komme! Mit Schrecken gewahrt er Toledo's Waffen, und netzt sie mit Blut, und, wenn auch Thränen sie netzten – Meine Thränen: ich trockne sie schnell, des Dulders gedenkend.« |
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405 | Rasch enteilt' er dem Zelt. Dem Nahenden jauchzten die Krieger Freudigen Gruß: denn liebend hing das Volk an dem Helden. Aber ihm folgte bewegt, mit den tapfersten Führern der Kaiser Jetzt in das Lager hinaus, Aufbruch zu gebiethen der Heersmacht. Schon versank am fernen Gebirg der blässere Vollmond; |
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410 | Leise verhüllten die Stern' ihr Strahlenhaupt, und im Frühroth Glomm die erwachende Welt, als jetzt das geordnete Kriegsheer Sich nach Goletta erhob. In tieferschütternder Stille Schritt es einher. Nun wurde die finstere Stirne des Kriegers Mild, nun sanft sein drohender Blick: denn heiliger Andacht |
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415 | Sollt' er am Tage des Herrn sich weih'n; des göttlichen Mahles Andenken würdig feiern, und dann die erschlagenen Krieger Senken in's dunkele Grab, und den Tapfern erhöhen den Denkstein, Daß er entflamme des Kriegers Brust in der kommenden Zeit noch. Sieh', am Strande des See's, auf dem weitumschauenden Hügel |
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420 | Hob sich über dem Zelt aus Zweigen des säuselnden Oehlwalds Eine Laube, dem Opferaltar zum wölbenden Dom auf. Krieger pflanzten die Laub' in Hast, und zur Linken und Rechten Neben dem Bild des Gekreuzigten, nährt' auf silbernen Leuchtern Emsiger Bienchen Fleiß die fächelnde Flamme der Kerzen. |
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425 | Als die erlesene Heeresmacht, dem schimmernden Halbmond Aehnlich, die Laub' umgab: da folgte der stattliche Priester Eilig, im Feiergewand, dem dienenden Jüngling zum Altar. Dort vor dem Allerheiligsten sprach er die offene Schuld erst; Dann lobsang er dem Herrn, und bethet' um Himmelserleuchtung, |
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430 | Daß das sehnende Herz erkenne die Wege der Wahrheit; Kündigte dann aus dem Brief des großen Jüngers die Tröstung An die fromme Gemein': »Einst soll, was dunkel im Leben, Wie in umflortem Spiegel erschien, auf immer enträthselt, Schimmerndhell uns werden im Anschaun ewiger Wahrheit.« |
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435 | Dann die Worte des Evangeliums, mild und erhebend: »Liebet auch euren Feind, als Kinder des Einen und Höchsten, Der mit Vaterhuld für den Frommen und Bösen die Sonne Aufgehn heißt mit erwärmendem Strahl, und gedeihlichen Regen Sendet der Saat des einen, und andern!« Auch sprach er des Glaubens |
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440 | Frohes Bekenntniß, und opferte Brot und Wein zur Versöhnung Unserer Schuld; doch bald nach dem Dreimal-Heilig erhob er Nun das Heiligste selbst, und, als er im frommen Gebeth auch Jener gedacht, die, schon entrückt, im Lande des Friedens Schlummerten, sprach er das hohe Gebeth des Herrn, und in Demuth |
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445 | Schlagend die Brust vor dem Lamm, das, uns Erlösung zu bringen Sich in den Tod hingab, genoß er die Speise der Seelen. Jetzt noch fleht' er um frohe Geduld in den Tagen der Trübsal, Und entließ mit segnender Rechte die Christenversammlung. Aber das Haupt entblößt, und die Augen zur Erde geheftet, |
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450 | Stand umkreisend das Heer, und ehrte die heilige Sühnung Durch erhabnen Gesang: die melodischen Laute des Herzens Flogen zum Himmel empor, und weckten die sanfteren Thränen, Die nur die Andacht weint in wonn'erhöhter Empfindung. Glänzender wölbte sich rings des Himmels blaues Gezelt auf, |
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455 | Und ein Sonnenmeer umwogte das hehre Geheimniß Unseres Heils. Der schimmernde See, von milderen Lüftchen Leise geküßt, erhob in schauernder Wonne die Wellen Nach dem Strand, wo in lispelndem Grün der Opferaltar stand. Freudig neigten sich ihm die Wipfel der Cedern Zafrano's; |
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460 | Auch das Olivengehölz ersäuselte sanft, und des Luftraums Liebliche Sänger horchten still in den flisternden Zweigen; Feierlich schwieg umher die tiefanbethende Schöpfung. Als gefeiert das Fest, und vollendet das göttliche Mahl war: |
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465 | »Eilt,« so rief er, »an's heilige Werk: der Erde zu geben Leichtverwesliche Saat zur Ernte des ewigen Lebens, Wenn der Posaune Klang uns all' aus den Gräbern hervorruft! Denket des tapferen Sarno zugleich, den ehrenden Denkstein Ihm erhöhend. Auch Giaffar sey an den Mauern Goletta's |
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470 | Ehrend die Säule geweiht: denn schön ist es, kommenden Zeiten Noch den Heldenmuth erschlagener Feinde zu künden.« Eilig gruben die Krieger das Grab; weit gähnte das Erdreich, Biethend die Ruh' im dunkeln Schooß den entschlummerten Todten. Thränenden Blick's hintrug so mancher den treuen Gefährten, |
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475 | Der auf des Lebens Dornenpfad' ihm redlich die Bürden Tragen half, und treu sich bewähret' in Noth und Gefahren. D'rauf, als alle das Grab umfing, und der ehrende Hügel Deckte: da hob, aufblickend, der Priester den Trauergesang an; Sprengte geweihetes Wasser umher, und schwenke des Fäßchens |
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480 | Weihrauchduftende Gluth der Ruhestätte zum Segen. Dann versenkten sie auch im gesonderten Grabe, die Leichen Ihrer Gegner, vereint; erhöhten mit Liebe den Denkstein Sarno's Ruhme geweiht – auch Giaffars. Freudig gewahrte Ludwig das Ehrenmaal des Tapferen, den er erlegte. |
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485 |
Hell, in des Mittags Gluth ergänzten die Zinnen der Festung, |
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490 | Deckten die Kriegsheerscharen das Land. Sonst tapfere Krieger, Lechzend vor Durst im qualmenden Staub, der unter des Rosses Huf und des Mann's vorstrebendem Fuß zu den Wolken emporstieg, Murreten jetzt in den Reih'n: da schwang der Kaiser voll Hast sich Aus dem Sattel; er zog in mutheinflößender Hoheit, |
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495 | Selbst mit den Scharen einher, und führte sie vor auf dem Heerweg. Plötzlich verstummte die Klag', und, wie durch kühlende Wasser, War die lechzende Zunge gelabt, der finstere Sandstaub Ohne Beschwerd', und die Gluth der schrecklichen Sonne verloschen. Doch als jetzt in des Meeres Fluth g'en Westen ihr Antlitz, |
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500 | Goldumflammt, sich spiegelte; dort und vom nahen Gehölz her Liebliche Kühlung kam: da ersah'n die staunenden Krieger Tunis, mit thürmenden Minarets und prangenden Häusern Glühen im rosigen Licht der ersehneten Stunde des Abends. Lautaufjauchzten sie all', und schlugen mit nervigen Rechten |
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505 | Dann an die blanken Gewehr': entscheidender Thaten sich freuend. Aber der Kaiser geboth, urschnell erforschend die Gegend, Seinen Tapferen »Halt!« denn links am Gestade des See's hin, Rechts am Olivengehölz, wo droben die Schanze der Felshöh'n Salis bewähretem Muthe vertraut, der lagernden Heersmacht |
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510 | Sichere Stellung verhieß, und die silbernrieselnde Quelle Labung ihm both, gedacht' er des Heers kampfrüstige Flügel Auszubreiten, und dort der Morgenröthe zu harren. Und, wie im wölbenden Dom die unzähligen Laute der Orgel, Von dem Künstler geweckt, sich all' in brausender Strömung |
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515 | Herzerschütternder Harmonie'n vereinen zum Wohlklang; Oder so wie die Räder all' im vollendeten Uhrwerk Willig sich dreh'n nach des Penduls Schlag, und die Zeiger der Stunden Kreisenden Lauf und die Bahn der Stern', und der Sonn' und des Mondes Weisen zugleich auf dem Zifferblatt: so folgten die Krieger |
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520 | Jetzo des Herrschers Wink. Und schnell, wie im künstlichen Webstuhl, Kreisenden Spuhlen entflohn, im Zug sich entwirren die Fäden, Und verschlingen zum schönen Gebild: so entwirrten sich alsbald Hier die verschlungenen Reih'n, und lagerten dann in dem Blachfeld Trefflich geordnet umher. Die Reiter, auf jedem der Flügel |
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525 | Deckten schirmend des Fußvolks Macht und des eh'rnen Geschützes Ordnungen, die von dem Vorderzug das mittlere Treffen Sonderten. So gestellt, nachtlagerten jetzo die Krieger. Sieh', da nahten die Feind' unzählig herüber von Tunis, |
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530 | Wie auf dem Stillen-Meer des Sturms erbrausender Odem Weit die Fluthen empört, und endlosstarrende Wogen Fort zum entferneten Welttheil wälzt – sie stürzen gedrängt hin: Wahllos so, herübergejagt von dem furchtbaren Herrscher, Nahten die Moslemim: denn im Gemüth nicht Tausender Leben |
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535 | Achtend, däucht' es ihn leicht, die schmählichverlorene Festung, Jetzt im nächtlichen Ueberfall dem Feind' zu entreißen. Grimmig verlacht' er darum die Worte der Späher: ihm stehe Dräuend entgegen der Feind, und ordne die Scharen zum Kampf schon; Dennoch drängt' er den Sporn in die Seite des ächzenden Rosses, |
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540 | Das ihn im Staubgewölk und im sausenden Donnergalopp hin Bis an die Vorhuth trug. Dort hielt er, und sah, vor Erstaunen Starr, die Gerüsteten: Wuth und Verzweiflung engte die Brust ihm. Wie die Wetterfahn' im Hauch des wechselnden Windstroms, Bald nach Osten, und bald nach Westen gewendet, umherfleugt: |
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545 | Also schwankte sein Geist, im Sturm und Drange des Herzens, Unentschlossen, umher: denn schnell, mit dem Blicke des Adlers, Heeraufstellender Kunst und Angriffs kundig, gewahrte Sein umspähendes Auge das Heer des mächtigen Gegners Trefflich beschirmt, und ihm entfloh'n die Stunde des Angriffs. |
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550 | Schweigend kehrt' er zurück, und rief den Scharengebiethern, Frohsinn heuchelnd, und Muth, weil Angst ihm füllte den Busen: »Preist den Herrn der Welt und seinen erhabnen Propheten, Der uns herrlichen Sieg verheißt, und dem Feinde Verderben Sendet! Die Nacht entsinkt dem Sternengefilde; nicht kämpfen |
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555 | Heut' wir mehr: denn hör't! Nur tobenden Muthes Getümmel, Sang und Klang ertöne vom Lager; unzählige Feuer Mögen die dunkle Nacht umwandeln zur Helle des Tages, Und enthüllen das Heer, das schon an dem kommenden Morgen, Gleich dem Sturm vorbrausend im Feld, hintilge die Christen. |
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560 | Abu-Sa-id, dich ruft vor jeglichem Führer dein König Heute zur That! Zeuch hin mit zwanzigtausend Erwählten, Sonder Geräusch, entlang die felsigen Ufer Medscherda's, Nach Buschatter, um dort zu umgehen das feindliche Lager; D'rauf, den flammenden Blitz des Donnerrohrs und der Büchsen, |
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565 | Schauend in dämmernder Früh', und des Kampf's erwachtes Getümmel Hörend, erklimme die Höh'n, und stürze dich, ähnlich dem Gießbach, Der im zerstörenden Lauf fortbraust nach unendlichem Regen, Rasch in das Lager hinab, daß uns die flüchtigen Scharen, Seiner Wälle beraubt, dann all' erliegen im Schlachtfeld. |
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570 | Denke des herrlichen Zugs, und der Beut' unsäglichen Werthes!« Sagt' es, und Abu-Sa-id ging stolzumschauenden Blickes, Seinem harrenden Volk und dem nahen Verderben entgegen. Doch, auf Hairaddins Wink, des furchtbar'n Mannes, erwachte Jetzt Aufruhr, und Lärm, und Getös' in dem wimmelnden Lager: |
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575 | Denn des Kessels schmetternden Klang hier mengten die Einen – Dort des Horns Gebrüll die Andern (mit schwellenden Backen Und vorquellendem Aug' erzwingend des Erzes Gewaltton) Furchtbarer stets, in das laute Geschrei der rasenden Krieger So, daß die schlummernde Welt vor Angst aufschauderte ringsum! |
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580 | Und in den hellsten Tag verwandelte, prasselnd, des Reisigs Mächtige Lohe die Nacht. An den Zelten der Völker hinunter Trugen ragende Pfähl' unzählbarflammende Kessel, Leuchtend, empor: ihr fächelnder Schein durchblitzte die Gegend Endlos, immer geweckt von des Harzes aufwallenden Fluthen. |
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585 | Raschelnd wogte vor Hairaddins Zelt die Heilige Schlachtfahn' – Also dem Volke genannt, in die Lüfte. Die türkische Tonkunst Feierte dort ihr Fest: die Trommel polterte; Teller Zischten mit ehernem Laut; hell klingelten Schellen und Glocken; Pfeifchen gellten mit Zink- und Hörnerklängen vereinet. |
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590 | Doch vor des Bascha Zelt, vor jeglichem rings in dem Lager, Stand das düstre Panier, von des Rosses buschigem Schweifhaar Zwei- auch dreifach erhöht: die Würde des Orta-Gebiethers Kündend. Also durchwachten die Nacht die empöreten Völker. Abu-Sa-id entschlich, dem wildaufspürenden Weidmann |
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595 | Aehnlich, dem Heer', und eilte Medscherda's Fluthen hinunter, Mit erlesenem Volk, ihm Stille gebiethend, zum Ziel hin. Lange noch hört' er des Lagers Getös', und freute der List sich. Aber da lag auf des Felsens Höh'n, im Kreise der Schützen, Salis, der tapfere Hort, und sah nach den Sternengefilden |
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600 | Schweigend empor. Er bebte, daß dort, millionen von Meilen Ueber dem glänzenden Sirius noch, das Aug', mit des Fernrohrs Zaubermacht bewehrt, aufdrang, und dennoch kein Ziel fand; Zahllos über ihm noch die Sonnen wandeln, und zahllos Erden und Monde sich dreh'n im Raum des unendlichen Weltalls: |
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605 | Das erfüllt' ihm die Brust mit Schauern der nahen Vernichtung! Weinend senkt' er den Blick zum niedrigen Staube hinunter – Dachte sich selber nur Staub im wehenden Hauche der Allmacht. Sieh', da flog, auf des Lüftchens Fittigen säuselnd im Nachtgrau'n, Eilender Schritte Getös' und klirrender Waffen Getümmel |
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610 | Ihm an das horchend' Ohr. Mit dem spähenden Auge des Falken, Der aus Wolkenhöh'n im dunkelen Grase den Raub sieht, Forscht' er rings in den Thälern umher, und sah an Medscherda's Ufer annahendes Volk. Schnell ahnt' er, besorgt in dem Herzen, Feindlichen Ueberfall, und, gedenkend entscheidender Abwehr, |
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615 | Flog alsbald, gesendet von ihm, Ruinard in das Lager, Von dem Kaiser verstärkende Macht zu erfleh'n: und sie ward ihm. Bald erklommen die Höh'n noch tausend erlesene Schützen, Löwenbeherzt, und froh der feindabwehrenden Arbeit. Aber am Strande des See's, wo im Lager die Scharen der Christen |
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620 | Ruheten, war nicht Getös' auftobenden Volkes zu hören. Nicht erleuchtete Flammenschein (so wollt' es der Herrscher) Dort die dunkele Nacht, daß in ihrem Schleier geborgen, Fest vertrauend dem Muth in der Brust und der leitenden Weisheit, Lächle der Tapfre getrost des schreckenvollen Getümmels, |
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625 | Das die Verzweiflung gebar, nur feigeren Seelen zur Täuschung. Darauf erquickte nur Brot die Lagernden, heute zum Spätmahl Kärglich gespendet; sie löschten den Durst nur am Born, und gedachten, Scherzend, des reichlichen Mahls zu Tunis, am kommenden Abend. Aber der Kaiser ging im Kreise der schmausenden Krieger, |
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630 | Zögernden Schrittes umher, und sagte mit Lächeln dem Einen, Und dem Ander'n ein freundliches Wort, beim Nahmen ihn nennend: Da in dem zahllosen Heer' kein Tapferer fremd ihm geblieben. Doch nun rief ihm der Reisige, Horst, der früher des Kaisers Dienender Mundschenk war, da er ging, im heiteren Scherz nach: |
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635 | »Carolus, unser gebiethender Herr,« so spöttelt' er, winkend Noch mit den Augen, ihm nach, »vermisset mit trauerndem Herzen, Heute wohl auch die erlesene Menge der Speisen im Prunksaal, Wo er dem Tisch sonst naht in traulicher, lieber Gesellschaft: Denn nicht dampfen aus China's buntem Geschirr ihm die Brühen |
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640 | Würzig entgegen, und nicht das Fleisch gemästeten Rindes, Mancherlei Brühen gesellt, nicht das zarte Gemüse, des Rehes Saftiger Rücken, des Wildschweins Kopf, mit grünenden Sträußchen Zierlich umhüllt, nicht der Braten von zahm- und wildem Geflügel. Auch das feine Gebäck, so vielfachgestaltet aus Rohrmehl, |
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645 | Das uns die Neue Welt hersendet in schimmernden Kegeln, Reitzt nicht heut' ihm den Gaum, nicht das Obst, erzwungen im Treibhaus, Oder weit schöner gereift von Gottes gewaltiger Sonne. Weder des Rheinweins Gold, noch Malaga's dunkler Gewürzsaft, Und des Tokayers Gluth weckt ihm aus silbernen Bechern |
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650 | Heute mehr Lust. Erwünscht nun wäre mir selber der Speisen Abhub, der uns Dienenden ward nach vollendetem Gastmahl; Aber getrost: uns winkt aus Tunis der freundliche Wirth schon!« Also sprach er im Scherz, und laut auflachten die Krieger. Abgewandten Gesichts horcht' ihm der edelste Kaiser; |
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655 | Doch nun wandt' er sich schnell, und lächelt' ihm, als er den Finger Gegen ihn drohend erhob. Dem Scheidenden folgte der Krieger Jubelgeschrei, noch weit zu seinem erhellten Gezelt hin. Sieh' jetzt kam ein christlicher Sclav' im nächtlichen Dunkel |
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660 | Dankend, die Händ' empor; dann rief er: »Erkennet ihr Hugo? Ich bin's! O, wer führt mich schnell zu dem waltenden Herrscher?« »Hugo?« so rief Toledo im Schlaf, und riß sich vom Boden, Lautaufstöhnend. Er lag, der äußersten Scharen Gebiether, Dort entschlummert im Feld. Nun küßte die bebende Hand ihm, |
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665 | Auf die Kniee gesunken, der Greis, und schluchzete sprachlos; Aber Toledo hing mit schrecklicherblassendem Antlitz Ueber dem weinenden Greis', und tief aus den Tiefen des Herzens Seufzend, sah er ein strahlendes Bild hinschwinden im Nachtgrau'n: Dann noch dunkler das Leben umher; er stürzte zum Meer fort. |
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670 | Hugo, bebend vor Angst, vernahm von den Kriegern Mathildens Trauergeschick und Toledo's herzzermalmenden Jammer, Und im wechselnden Kampf erblutete jetzo die Brust ihm: Denn bald sah er die Flucht des unglückseligen Gatten, Bald vernahm er im Ohr Wehklag' und Geschrei nach Errettung |
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675 | Tausender, die ihn gesandt aus den scheußlichen Höhlen des Todes; Doch, was höher ihm schien, und galt im redlichen Herzen, War ihm Gesetz. In Hast eintretend zum Herrscher, begann er: »Herr, kein Fremdling vor dir, erscheine ich heut' ein Gesandter Zwanzigtausend in Noth und Jammer verschmachtender Christen! |
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680 | O, ich habe den Jammer gesehen. und wäre gestorben, Hätte nicht himmlische Huld mich bewahrt bei dem gräßlichen Anblick! Allerbarmend ist Gott, er lenkte die Seele Medelins Wieder zurück auf die Wege des Heil's, die er treulosen Sinnes Abschwur, und erboßt, den Christensclaven ein Henker, |
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685 | Wüthete. Sieh', er kam, und löste den armen die Fesseln – Löste sie mir, dem Draguts Rache den schrecklichsten Tod sann, Daß ich dir künde zuvor: verschließen wird er der Hochburg Eiserne Thore des Wüthrichs Macht, die entfesselten Sklaven Waffnen, und harren des Wink's zum Verein mit dir, und den Deinen! |
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690 | Als ich der Höhl' entfloh, da tönte herauf aus dem Abgrund Freudengeschrei und Gerassel der sinkenden Ketten, daß alsbald Mir erstarrte das Blut in den Adern vor Angst und Entzücken. Wahrlich, mich leitete jetzt der Himmlischen einer in's Lager Her, in der dunkeln Nacht, Medelins Worte zu künden: |
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695 | Herr, der Rettung gedenk': denn furchtbar wäre das Säumen!« Hastig enteilt' er jetzt, die Spur zu erforschen Toledo's. Aber mit pochender Brust, mit thränenumflossenen Wimpern Blickte der Kaiser ihm nach, und rief den tapferen Radburg, Dann auch Römhild auf, die Führer der Bayern und Schwaben: |
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700 | »Eil't, ihr beide, vereint, mit tausend erlesenen Kriegern Jeglicher, nach der Felsenburg; im nächtlichen Dunkel Führt euch Hugo, der Greis, und dort eröffnet Medelin Euch die Thor', aus welchen noch heut', o Wonne, der Christen Eiserngefesselte Schar auszieht in seliger Freiheit! |
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705 | Haltet die Veste besetzt, bis wir im schallenden Sieg'sruf Nah'n, und die armen all', entfloh'n dem Kerker, uns danken.« Also geschah's: denn schnell entbothen die muthigen Führer Ihr erlesenes Volk, die Burg zu erreichen im Nachtgrau'n. Draußen am Meeresgestad', am schwindligen Rande des Felsens, |
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710 | Stand Toledo gebeugt, und sah mit erblassendem Ansitz Starr in die schimmernde Fluth. Ihm schwand dort die Erd' und der Himmel: Denn jetzt horcht' er, verwirrt, dem flutenden Geistergelispel – Stöhnete dann, und horchte wieder: die wechselnden Wellen Sanken, stiegen, und schienen allein in dem frostigen Meergrund |
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715 | Für sein brennend Weh' ihm labende Kühlung zu biethen. Also fand ihn der Greis! er hob die Händ' und die Augen Weinend zum Himmel empor, und bethete leise für sich hin: »Der du, ein guter Hirt in der Wüste das irrende Schäflein Suchtest, und so das Gefundene, liebendumfaßt, auf den Schultern |
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720 | Heimtrugst: laß auch ihn nicht verloren seyn, du Erbarmer!« Dann umfaßt' er ihn schnell; bedeckte mit brennenden Küssen Ihm den Nacken, und rief mit leisem Gewimmer: »Mathilde!« Lautaufstöhnt' er dem Wort', und wandte sich, starrend in Hugo's Thränendes Aug'; doch jetzt ergriff er die Hand des Getreuen, |
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725 | Preßte sie heftig, und floh nach dem Lager zurücke. Der Wogen Dumpfes Rauschen erfüllte noch fern ihm die Seele mit Schauder. |