Johann Ladislav Pyrker
Tunisias
Johann Ladislav Pyrker

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(Siebenter Gesang.)

              Ueber der lärmenden Stadt, in Barda'sBarda heißt die Sommerresidenz des Dey von Tunis, mit einem weitläufigen Schlosse, und den schon zu Carls V. Zeiten berühmten bardäischen Gärten an der Küste von Maritia. Sie liegt an der Westseite von Tunis, und hängt durch die Gärten mit der Stadt zusammen. Zaubergefilden,
330   Wo die herrliche Sommerburg die goldenen Zinnen
Aus dem dunkelen Grün umsäuselnder Hain' in die Wolken
Thürmt, verweilte Hairaddin jetzt, und ordnete kundig
Heeraufstellung und Kampf, im Kreise der horchenden Feldherrn.
Dort im luftigen Saal, auf schwellende Pfühle gesunken,
335   Sprach er mit Salek, und sprach mit Dragut und Muhamed Temtes,
Eifernd, als Pferdegetrab in die Ohren ihm scholl, und die Nachricht
Kam: ein Friedensboth' erscheine der christliche Herold.
Sieh', ein Wink fuhr ihm, wie ein Blitz, aus den finsteren Wimpern,
Und im Waffengeklirr aufkrachten die Thüren; des Vorhangs
340   Purpur flog zur Seite gerollt: denn plötzlich umringten
Hundert Janitscharn, geführt von Hassan, dem Aga,
Schirmend des Herrschers Thron, und sah'n, verschlingenden Blickes,
Hin nach dem Fremdlinge, der an Sinams Seite herankam,
Und dem Throne genaht, erhob die muthige Stimme:
345   »Dir, großmächtiger Herr, entbiethet der Kaiser der Deutschen,
Und Hispania's König, durch mich, den Herzog von Alba,
Freundlichen Gruß, und sendet, noch ehe der würgende Schlachtruf
Tunis Gefilde durchtobt, dir sanfte Worte des Friedens,
Daß unzähliger Völker Glück dem deinen vereint sey!
350   Nicht gedenket er, dir zu entreißen die Krone von Algier;
Aber er heischt, zum Ersatz, für Hassan jene von Tunis,
Die er, erst jüngst, mit heiligem Eid, ihm wieder zu schaffen
Schwur, aufbiethend unendliche Macht. Auch sollst du in Freiheit
Ziehen mit deinem Volk; entführen die Schätz' und die Waffen,
355   Wenn du zuvor den Christensclaven die Bande gelöset,
Und gelobet ihm hast, zu entsagen der schrecklichen Willkühr,
Die nur auf Menschenraub und Plünderung gründet die Herrschaft.
Frei ist das Meer: ein Bild der ewigen Vorsicht, umher, rings,
Hält es die Erd' umfaßt! Auf seinen unendlichen Bahnen
360   Fliege des emsigen Kaufmanns Schiff, mit schimmerndem Fittig,
Schnell von Port zum Port, im völkerverbindenden Handel
Freudig den Segen der einen Welt der andern zu spenden;
Willig trag' es, wenn Noth es erheischt, ein muthiges Kriegsvolk,
Das sich erhob, des Wüthrichs Macht zu begegnen – zu wehren
365   Unterdrückung und Schmach, im blitzebewaffneten Bollwerk
Hin zum sicheren Sieg; doch mög' es, empört, in den Abgrund
Schleudern das Schiff und den Räuber zugleich, der schnöden Gewinns froh,
Seine Fluthen entweiht, der Knechtschaft Opfer zu häufen!
Unsere Losung sey: des Meers allsegnende Freiheit!«
370   Dunkelröthliche Gluth flammt' auf in den Augen des Wüthrichs,
Als er die Worte vernahm; er schwang auf dem purpurnen Pfühl sich
Rasch herum, und ballte die Faust, und knirscht', und begann so:
»Ha, verwegener Christ, so trotzest du mir in das Antlitz?
Fluch sey dir, und auch ihm, der dich gesendet! Hinweg – stirb!«
375   Jetzo ereilt' ihn der Tod auf hundert blitzenden Säbeln,
Rief nicht Sinam dem Volk: »Vergreife dich nicht am Gesandten!«
Alsbald bebt' es zurück. Da stand voll ruhiger Hoheit
Alba, und starrte mit festem Blick dem Wüthrich in's Antlitz,
Der, erblassend dem Blick, verstört zum Boden hinabsah.
380   Stille herrscht' in dem Saal, und lange noch starres Entsetzen.
Aber der Milde bedacht, sprach Sinam: »Erwählter des Himmels,
Seiner Gläubigen Hort, und Liebling des großen Propheten,
Schone des Herolds: denn wie die Laute mit tönenden Saiten
Lautlos schweigt, bis ihr, nun frohe, nun traurige Weisen,
385   Wechselnd, des Künstlers Hand entlockt: so hat er auch jetzo
Nur getreu verkündet das Wort, das Herrschergewalt ihn
Sprechen hieß. Nur den verfolg', ein furchtbarer Rächer,
Der ihn gesendet zu dir, so er stolz verschmähte den Frieden,
Welchen du noch aus dem Born reichströmender Huld ihm gewährest.«
390   Hairaddin rief: »Wohlan, vernehmet es, was ich beschlossen!
Erst schafft ihr in Banden herbei den schwarzen Verräter,
Muley Hassan, der, Ungläubigen selber zum Spott nur,
Feig der Rach' entrann. Auch hundert der größeren Schiffe
Möget ihr ohne Verzug uns geben als rettende Sühnung,
395   Daß ihr noch frei heimkehrt, und entflieht der grausen Vertilgung.
Säumtet ihr, dann Weh' euch: denn Hunderttausende harren,
Voll blutlechzender Gier, der schrecklichen Losung des Mordens
Nur, und ihr werdet vor ihnen wie Spreu vor dem Sturme zerstieben!«
Und er entließ ihn jetzt mit schnödem Winke der Rechten;
400   Blickte nach Dragut dann, und wieder nach Muhamed Temtes,
Lächelnd. Er that, als acht' er ihn kaum, und ihm bebte das Herz noch
Wegen des todverachtenden, mutherhelleten Blickes,
Der ihm die Tiefen der Brust, gleich flammenden Blitzen, durchbohrte.
Aber noch weilte der Held, und sprach zu dem Herrscher noch einmal:
405   »Gönnet mir gnädig Gehör! Die Gattinn des edelsten Feldherrn
Schmachtet, seiner beraubt, in Draguts harter Gewahrsam;
Doch er gebe sie frei; die Lösung heischend nach Willkühr,
Daß sie des Wiederseh'ns unnennbare Wonne vereine.«
Schnaubend vor Zorn erhob sich Dragut, und rief ihm entgegen:
410   »Ha, du biethest mir Gold für sie, die schön ist wie HourisHouris sind, nach Muhameds Lehre, die blendend schönen Jungfrauen, welche von zarter, ätherischer Gestalt, die Seligkeit der Männer in seinem Paradiese ausmachen. Die Schilderungen von ihnen sind ganz in dem orientalisch-üppigen Geschmack entworfen.
Gold, das mir zur Beut' Europa gespendet? Ich wähnte,
Kommen wird der Gemahl, das Weib zu ersiegen im Zweikampf.
Liegt ihm Tunis zu fern? Erzähl' uns, ist er so furchtsam?
Alba, des Spötters nicht achtend, ging. Der edlere Sinam
415   Folgt' ihm schweigend, und gab, an dem Thor, die maurischen Reiter
Ihm zum Geleit, fern über Goletta hinaus zu dem Wall hin.
Hairaddin hob sich ergrimmt von dem Pfühl, und sagte den Feldherrn:
»Eilt an das blutige Werk, und sucht im stürmischen Angriff,
Heimlich und offenbar, in der Kühle der Nacht und des Tages
420   Menschen- und thier'ermattender Gluth, dem Feinde zu schaden,
Bis die vereinte Macht unzähliger Bundesgenossen
Uns auf das Schlachtfeld ruft, zum schrecklichen Kampf der Entscheidung!«
Jeglicher eilte zum Heer; doch Dragut, empört in dem Busen
Flog zu Mathilden heim, zu Toledo's unglücklicher Gattinn.

425  

Ach, sie duldete dort jetzt unaussprechlichen Jammer!
Wie die Rose, dem wonnigen Lenz entfaltend die Knospen,
Rings Entzücken weckt, und freudiges Staunen: so war sie;
Aber, der Lilie gleich, da auf ihre, noch sprossenden Blüthen
Sengender Mehlthau fiel, hinschwand die zarte Gestalt nun,

430   Nahe dem Leidensziel', in des Lebens herber Vollendung:
Denn nicht ahnte sie noch in der Stund' entsetzlicher Trennung
Von Toledo, die größere Qual: dem Kranken nicht ungleich,
Der in des Fiebers Gluth, von Schreckgebilden umgeben,
Noch die Schmerzen nicht ahnt, die bald, nach der Wiederbesinnung,
435   Seinen, vom Fieber entfesselten Leib empfindlicher stacheln.
Erst in Draguts Gewalt, des Wüthrichs, gewahrte sie, bebend,
Fülle der Schmach, wo seine, nach ihr verlangenden Augen
Sprachen, sein Mund ihr rief: sie werde, des Kindes genesend,
Lagersgenossinn ihm seyn. Da schwand ihr plötzlich der Hoffnung
440   Letzter, leitender Stern vom graunumnachteten Himmel;
Furchtbar gähnte vor ihr der Abgrund; schauderergriffen,
Bebte sie matt und matter zurück, und Ströme von Thränen
Kühlten das brennende Weh' in ihrer zerrissenen Brust nicht.

Hugo, der Treue, gewahrt', und hörte den Jammer Mathildens.

445   Völlig war ihm gebrochen das Herz vor lastender Wehmuth;
Dennoch log sein Greisengesicht stets heiteren Trost noch:
Daß nicht dem wankenden Stamm die einzige Stütze geraubt sey;
Doch als nun der Kaiser mit Heeresmacht vor Goletta
Stand, den Regulus ihm als Retter verheißen: da schien ihm
450   Blauer die Luft, die Sonne viel glänzender, grüner das Erdrund;
Da durchzuckt' ihm das Herz der Freude verjüngendes Feuer,
Und er stürzte herein, und rief der Dulderinn also:
»Segen mit dir! Erheitere schnell dein trauerndes Antlitz:
Draußen am Strand erschien der Christen unendliche Heersmacht,
455   Hairaddins Frevelgewalt zu vernichten im Kampf der Entscheidung,
Und wo Siegsruhm winkt, auf dem Felde der Ehre, da sollten
Wälschlands Helden nicht seyn? Nicht mit ihnen der edle Toledo?
Hört' ich es – hört' ich es nicht: er sey zugegen? Er ist es.
Himmlische Wort', o möchten sie Muth und freudige Hoffnung
460   Recken in deiner Brust! Dem Jammer mußte sein Ziel steh'n;
Kränze des Sieg's reicht euch, erbarmend, die ewige Vorsicht
Nun am Ziel, in der Wonne der seligen Wiedervereinung.«
Staunend erst, dann zürnend vernahm Mathilde des Greises
Jubelnde Worte. Sie wähnte betrübt: unwürdigen Scherz nur
465   Sinne der Greis; doch jetzt entzückenstrahlende Wahrheit
Schauend in seinem Gesicht, ergriff sie vernichtender Schrecken.
Bleich entfuhr sie dem Stuhl, ihr bebten geöffnet die Lippen,
Wankte näher, und stand, und hielt den pochenden Busen,
Aechzend; wankte zurück, und starrte durch quellende Zähren.
470   »Wie, und du weinst?« sprach Hugo erstaunt, »das gönnt' ich dir endlich:
Denn oft stillet die Thrän' unendliches Weh' in dem Herzen;
Aber nicht Thränen der Freud' ersieht mein Aug' in den deinen,
Die es zu sehen gehofft, und ach, vergeblich gehofft hat!«
Und sie begann: »Nicht Thränen der Freud' erblickst du für jetzt noch,
475   Redlicher; doch versiegen wird nun jene des Kummers!
Nein, ich weine nicht mehr: denn soll ich den Ewiggeliebten
Wiederseh'n, o, dann, dann werden die heißesten Wünsch' all'
Mir in dem einen gewährt: daß ich sterb' an dem Herzen Toledo's!«
»Ach,« so schluchzte der Greis, »den Tod ersehntest du jetzo?
480   Heimwärts schiffet ihr bald, und spät im grauenden Alter
Schlummert ihr beide beglückt zum schöneren Leben hinüber!«
Aber sie schüttelt' ihr Haupt, und begann in sinnender Schwermuth:
»Wie die unschuldige Taube, verscheucht, und im Fluge gemordet
Von dem schmetternden Blei, ihr Nestchen verödet zurückließ:
485   So aus der öden Brust entfloh mir die Hoffnung für immer;
Nie kehrt sie mehr zurück. Des Ewigen Wille geschehe!«
Und noch hellere Fluth entstürzte den Augen Mathildens.

Jetzt ertönte Geräusch, und Dragut, der Schreckliche, stürmte
Hastig herein: sie erbebte vor ihm, und wandte sich seitwärts.

490   Häßlicher noch von der Wund' im Gesicht', die gestern Toledo
Ihm versetzte, begann er vor ihr mit grimmigem Lächeln:
»Thränen umhüllen dein Aug', nun dir der zärtliche Gatte
Nah' ist? Die Schulter durchrannt' ich ihm, kämpfend, erst; von dem Nacken
Hätt' ich gehauen sein Haupt, und dir vor die Füße geworfen;
495   Wär' er nicht feig entfloh'n vor dieser gefürchteten Rechten.«
Flammende Röth' umzog die Lilienwangen der Edlen,
Und sie erhob die, sonst zur Erde gehefteten Augen
Ob des schmähenden Wort's nun stolz, und voll kühner Verachtung
Gegen den Wüthrich, und schwieg. Da sprach er von neuem ergrimmter:
500   »Wähn't ihr thöricht im Geist: wir sollen erliegen im Schlachtfeld
Euerem Volk? Welch eiteler Wahn! Und sollt' es geschehen,
Dann, ich schwör' es zu Gott und dem großen Propheten, erwürg' ich
Dich mit eigener Hand, eh' dich dein Gatte mir raube!«
Also droht' er, und ging. Mathilde erforschte den Treuen,
505   Aengstlichen Blicks; sie rang die Händ', und sagte vergehend:
»Seine Schulter durchrannt von Draguts tödlichem Eisen?
Weh', er starb: nicht an seiner Brust verhauch' ich das Leben!«
Hugo spähet' umher, und sagte mit leiserer Stimme:
»Traue dem Lügner doch nicht. Toledo's blitzendem Degen
510   Wär' er genaht, und lebete noch? Bald leuchtet der Vollmond
Dir auf dem nächtlichen Pfad zur Felsenhöhle des Waldes.
Staune nicht so: das Schiffchen harrt, und trägt dich, errettend,
Ueber den See, Toledo's geöffneten Armen entgegen.«
»Hugo, und du,« sprach jene bewegt, »willst du mich verlassen?«
515   Unstät irrte sein Blick umher, dann sprach er im Abgeh'n:
»Lauern des Wüthrichs Späher nicht auf? Nur diese zu täuschen,
Harr' ich des Morgens noch, und werde dir, Gütige, folgen.«
Sagt' es, und ging voll Hast, als drängten ihn wichtige Sorgen;
Aber sie stand, und bebte: sie hatte den Treuen errathen.

520  

Drüben im Lager vernahm der Kaiser von Alba mit Staunen
Hairaddins Trotz: wie er ihm auf Tod und Leben den Kampf both.
Ernst umwölkte sein Aug', und jetzt, erhebend den Degen,
Hieß er beginnen den Sturm, von den Wällen umher, auf Goletta.
Sieh', als wären der Hölle zugleich entronnen die Schrecken

525   All', so wüthete Lärm und Getös' um die Veste! Der Wurfschütz'
Rührte des Brändchens Rohr mit der Lunt': im bläulichen Rauch flog
Flamm' empor; zurück, dann eilender wieder zur Stelle
Rollte der eherne Schlund, und warf durch Feuer und Flammen,
Donnernd, im Bogenwurf die Kugel zur Veste hinüber.
530   So von den Schanzen, und so von dem Meer hinsausten die Kugeln;
Aber nicht minder zurück von dem Wall der trotzenden Festung
Sausten sie hin und daher, voll Grau'ns: denn hoch in des Himmels
Bläulichem Zelt durchkreuzten sich oft die feindlichen; bebend
Drönte die Erd' umher, und laut aufheulte der Luftraum.

535  

Herrschend mit Allmacht saß die goldenstrahlende Sonne
Nun auf ihrem mittäglichen Thron, und schleuderte rastlos
Glühende Pfeil' auf Afrika's Sandgefilde herunter.
Nicht die befiederten Sänger der Luft, nicht das zahmere Hausthier,
Noch das Gewild, belebten die Welt; sie suchten des Hofraums

540   Schatten, die Nacht der Höhl', und des säuselnden Waldes Umlaubung.
Auch der Städter zugleich, und der niedrigen Hütte Bewohner
Schlummerte sorglos jetzt in der Kühle der dunkelen Kammer.
Aber nicht weht' in des Lagers Raum erfreuende Kühlung,
Wo das luftige Zelt nicht schirmte den lechzenden Krieger
545   Gegen den glühenden Hauch des Tag's, und nirgend ein Bäumchen,
Nirgend ein Strauch ihm both die Zweige zum schattenden Obdach.
Schweraufathmend und träg', umwandelten dort auf dem Walle,
Und den Graben entlang, die Wachen; des blanken Gewehrs Last,
Sonst dem Krieger ein Spiel, lähmt' ihm den Arm und die Schulter.
550   Düster blickte sein Aug' aus den halbgeschlossenen Liedern
Hinter dem glühenden Helm hervor; in gewichtigen Tropfen
Rann ihm der Schweiß von der schmerzgefalteten Stirne herunter,
Und die schmachtende Zung' erstarrt' an dem trockenen Gaumen.
Deutschlands Söhne, vor allen zuerst, entnervte der Sonne
555   Sengender Strahl: sie wähnten sich all' in der Fremde verloren.
D'rum rief Sigmar jetzt, der Hesse, zu Walther dem Bayer:
»Welch ein Geschick ereilt uns hier in dem Lande des Fluches:
Wären wir nie ihm genaht! O Deutschland, edele Heimath,
Schön vor jeglichem Land, das rings im kreisenden Umschwung
560   Irgend die Sonne bescheint! Den Deutschen, der dich nicht ehrte –
Liebte vor jeglichem, ha, den treffe nur Schmach und Verachtung!
Siehe, wie lästig dahier der ewigheitere Himmel
Lächelt, und o wie entzückt mich dort des stürmischen Winters
Ernste Stirn', umhüllt von schneebelasteten Wolken:
565   Denn sie entschütteln die Last, und ringsum schimmert die Gegend
Hell bei Tag und bei Nacht, im Sterngefunkel und Mondglanz.
Eisern faßt mich am Morgen sein Hauch, und unter den Sohlen
Knarrt der Schnee; mein Odem wallt, gleich Nebeln, um mich her.
Bald ergreift mich die Lust, mit höherer Gluth auf den Wangen,
570   Hinzugleiten auf spiegelndem Eis, das unter den Schlittschuh'n
Ehern tönt; bald spann' ich mit Freuden das schellenbekränzte,
Dampfende Roß an den Schlitten, und flieg' in dem windenden Thal hin
So, daß das frohe Geklingel umher von den Bergen zurückhallt;
Doch heimkehrend, erseh' ich, bewegt, wie im rosigen Abend
575   Glühen die Berg', und fern' im Gefild vom lastenden Schneedach
Wirbelt die Säule des Rauchs, der dort mich zu Freuden des Lebens
Ladet im Kreise der Lieben, beim herzerheiternden Festmahl.
Deutschland, edeles Land, stets sollst du vor jedem mir werth seyn!«
Unmuthvoll ihm sagte darauf der mürrische Walther:
580   »Froh gedenkst du des Schnee's, und der Freuden des eisigen Winters
Nun; doch kühlest du mir die Gluth der schmachtenden Brust nicht.«
So besprachen sich dort die tapferen Kriegesgefährten.
Auch die muthigen Ross' erschlafften des heißeren Mittags
Glühendem Hauch: sie beugten, und hoben ihr Haupt in die Luft auf,
585   Rastlos; suchten, gedrängt im Kreis', des eigenen Schattens
Kühl', und stampften, und scheuchten, gequält, die lästigen Fliegen
Sich mit dem tönenden Schweif, von der Seit' und dem zuckenden Bauch fort;
Aber nur gieriger summten sie auf, und kehrten erboßter.

Muhamed sah vom Gewölk, wie Salek, der listige Feldherr,

590   Ordnend den Hinterhalt, von Goletta herüber im Hohlweg
Mächtige Scharen barg, und mit tausend numidischen Reitern,
Spähend den Wald entlang, herzog dem Feinde zum Unheil.
Jetzt auf dem Wall erblickend die Wache besorgenden Christen,
Hemmt' er, vor Angst erbebend, den Zug, und wäre geflohen.
595   Doch, wie die lauernde Spinne hervor aus dem Winkel am Fenster
Dorthin fleugt, wo im schwebenden Netze die Fliege, gefangen,
Nun vergeblich sich müht zu entkommen den klebrigen Fäden:
Denn sie ergeußt der Bande noch mehr, sie ganz zu umspinnen:
Muhamed stürzete so zu Salek herunter, und nimmer
600   Konnt' er entflieh'n, bethört von des Geistes verderbenden Worten.
»Salek,« so rief er ihm zu, »die Söhne der Fremde besiegte
Frühe schon Hitz' und Durst; erkämpfe den leichteren Sieg dir
Heut' in dem furchtbar'n Hinterhalt! Du lockest des Feindes
Tapferen Hort, der dort umwandelt in sinnender Schwermuth,
605   Durch verstellete Flucht in des Hohlwegs tödliche Falle.«
Also der Geist. Da flog, gehorchend, der Zögernde vorwärts.
Sarno war's, der hoch auf dem Wall', in sinnender Schwermuth
Wandelte. Jetzt, aufqualmenden Staub in der Ferne gewahrend –
Hörend der Pferde Getrab, entriß er der Scheide den Degen
610   Halb, und stand, und harrte der Kommenden; aber voll Unmuths
Drängt' er den Stahl in die Scheide zurück: denn viel zu gering' ihm
Dünkte des Feindes Macht, und rief zu Belindo, dem Hauptmann:
»Eile den Frechen dort mit hundert erlesenen Kriegern
Muthig entgegen; sie flieh'n vor eurem zermalmenden Blick schon.«
615   Jetzt, wie im dunkeln Forst der leis'auftretende Weidmann,
Schauend die weidende Schar der Hirsch' auf den blumigen Matten,
Die, an der Schnur gekoppelten Hund', entledigend, vortreibt:
Diese entfahren mit lautem Gebell dem felsigen Abhang,
Jene erheben ihr ästiges Haupt, und fliehen geschreckt fort:
620   So, von Belindo geführt, entfuhren die tapferen Krieger,
Brausend, dem Wall', und streckten mit mordenden Feuergewehren
Aus der fliehenden Schar wohl dreißig, getödtet, zu Boden.
Bald entschwanden sie all', und jauchzend kehrten die Sieger.
Aber nicht lange, da kam, von mächtigen Scharen umgeben,
625   Salek zurück, und rief die höhnenden Worte herüber:
»Traun, nicht unhold ist's, dort hinter den schirmenden Wällen
Ruhig im Mittagsschlaf die faulen Glieder zu dehnen;
Hinter gethürmetem Bollwerk sucht der feigere Krieger
Gerne sein Heil – der tapfere Mann in dem eigenen Muth nur!
630   Kommt, wir sandten die Reiter zurück, vor welchen ihr bebtet;
Laßt uns in gleicher Zahl versuchen des Kampfes Entscheidung!«
Sarno schrie ergrimmt: »Fünfhundert mögen mir folgen!«
Sagt' es, und stürzte vom Wall' – ihm folgten die tapferen Krieger.
Kaum entbrannte der Kampf; nur sparsam benetzte den Sand erst
635   Maurisches Blut: da floh'n, ablenkend, die listigen Scharen
Vom Olivengehölz zu dem trugverbergenden Hohlweg.
Rastlos wüthete Sarno's Schwert dem Feind in dem Rücken,
Und er häuft' ergrimmt die Leichen: dem Schnitter nicht ungleich,
Der mit dem blinkenden Stahl die Garben häuft auf dem Saatfeld;
640   Doch, da stürmte vom Walde heran, von Goletta herüber,
Und aus den Tiefen herauf des schlauverborgenen Feindes
Wimmelnde Meng' auf Sarno: er stand, und es bebt' ihm das Herz nicht,
Das nur Schlachten ersehnt, und Gefahren des Todes gewollt hat.

Salek kam, wie ein Hagelgewölk im brausenden Sturmflug,

645   Näher mit seinem Volk. Nie hatt' ihn das feurige Streitroß
Also getragen: so schnell, so wild empört, und vor Ingrimm
Schnaubend. Muhamed war's, der jetzt mit seinen Erwählten
Jeglichen Reiters Pferd durch schreckende Gaukelgestalten
Vorwärts trieb: denn solches vermögen die luftigen Geister.
650   Salek ersah das Weiß' im dräuenden Auge des Gegners
Schon, und riß sein wüthendes Roß zurück mit dem Zügel:
Aechzend bäumt' es sich auf, und bog, umlenkend im Sandstaub,
Gegen Sarno die Brust, der, eh' es den vorderen Huf noch
Senkte, den blinkenden Stahl ihm tief in die Weiche des Bauches
655   Stieß, daß es laut hinkracht' im Fall, und den Reiter herabwarf.
Salek raffte sich auf, und schwang den blitzenden Säbel
Ueber des Gegners Haupt; doch, ehe der tödliche Streich fiel,
Bohrt' er auch ihm den rauchenden Stahl mit der nervigen Rechten
Fest in die Brust. Sein Auge brach; die geöffneten Lippen
660   Bebten ihm; bleich im Tod hinsank er, und regte sich nimmer.

Muhamed floh, und ihm heulte, bestürzt, sein luftiges Volk nach.
Auch erstarrten die Mauren vor Angst: den sterbenden Feldherrn
Schauend in seinem Blut; doch bald erwachte des Mordens
Wüthende Gier in allen zugleich; sie schrie'n zu dem Himmel

665   Fluch und Verwünschungen aus, und umbrausten den Sieger. Nicht anders,
Wenn der Jäger im Hain, todsinnend dem kleinen Gevögel,
Einen stattlichen Uhu mit List an den ragenden Lockbaum
Ausstellt, wüthen die Vögel um ihn, und kreischen, und schreien,
Rach'erfüllt: denn oft raubt' er im nächtlichen Dunkel,
670   Von dem belaubten Zweig die Entschlummerten, oft aus der Felskluft;
Aber er schaut, aus großen, der Sonn' erblindeten Augen,
Ruhig umher, und scheuchet die furchtsamen hin und herüber.
Also umdrängten auch hier den edeln Sarno die Gegner,
Rache schnaubend, und links, und rechts sank Reiter und Fußvolk,
675   Das ihm genaht Auch kämpften um ihn die treuen Gefährten,
Heldenmüthigen Sinns, und tilgten die feindlichen Haufen.
Jetzt an des Todes grimmigem Fest, umhügelt von Leichen,
Triefend von Schweiß und Blut, erwachte die Liebe des Lebens
Mächtig in seiner Brust. Er wollte sich fechtend zurückzieh'n,
680   Da er im rühmlichen Kampf, hier weichend der schrecklichen Mehrzahl
Nur, so dacht' er, bewies: ihn schmäht' einst Guasto mit Unrecht.
Sieh', und als er das Volk in dem Rückzug ordnend, sich wandte,
Und verrätherisch sich vom Helm' der glänzende Harnisch
Sonderte, da durchfuhr mit schmetterndem Schlage die Kugel
685   Ihm das Genick; er sank, und röchelte sterbend am Boden.
Feindliches Jauchzen erscholl, und es droht' ihm entsetzlicher Frevel;
Aber Belindo sprang vor ihn hin, und rief den Gefährten:
»Ewige Schande für euch, laßt ihr die Leiche des Helden,
Feiggesinnet, dem Feind' zum Gespött' und frevelnden Unfug.«
690   Schon umstürmt' ihn der Feind; doch so wie die säugende Bärinn
Sich vor der Höhl' aufstellt, wenn rings die grimmigen Rüden
Von dem Jäger gehetzt, ihr nah'n, und immer zurückschaut,
Immer den nächsten erhascht, und mit furchtbarrüstigen Klauen
Ihn umklammernd zerreißt, daß heulend die andern entfliehen:
695   Also hielt er die tobende Schar von der Leiche des Feldherrn,
fechtend, zurück, bis zween, an Kraft gepriesene Krieger,
Ihn, zur Erde gebückt, auf die Schultern erhoben, und heimwärts
trugen voll Eil' und Hast, nach den trefflich geschirmeten Wällen.
Ihnen folgten am Fuß die schnellverwaisten Gefährten –
700   Auch von Belindo verwaist: denn ach, unzählige Lanzen
Wühlten in seiner gewaltigen Brust, und, vom Rumpfe gehauen,
Sollte sein edeles Haupt zur Schau dem gaffenden Volk seyn!
Aber die Christen floh'n nicht feig' und in wilder Verwirrung:
Denn sie wendeten oft die trotzige Stirne dem Gegner,
705   Feuernd aus schmetterndem Rohr, entgegen. Da brausten die Scharen
Wieder zurücke mit lautem Geschrei: wie die Hunde des Schäfers,
Die den muthigen Stier mit Gebell verfolgen im Blachfeld,
Heulend entflieh'n, so oft er, gesenkt, die furchtbaren Hörner
Gegen sie wendet, und brüllt, und Sand ausschleudert zum Himmel.

710  

Jetzt ersah'n vom Wall die wachebesorgenden Krieger
Unheilkündenden Staub; dann näher die flüchtigen Scharen
Ihres Volks, von dem Feinde gedrängt; sie hörten vernehmbar
Kampfesgetös' – o Jammer, sie sah'n und erkannten den Todten!
All' entfuhren zugleich dem Wall, den theuren Gefährten

715   Rettend zu nah'n, und es bebte der Feind den Dräuenden. Alsbald
Wandt' er den Rücken, und floh nach Goletta's Mauern hinüber.
Schweigend nahten die Krieger dem Wall. Zur Erde geheftet
Starrete jegliches Aug': es blickte zuweilen mit Angst nur
Nach dem Entseeleten hin, und goß dann hellere Tropfen
720   Ueber die bebende Wang', auf die bärtige Lippe herunter.

Doch vor seinem Gezelt, auf zwölf, untadligen Schilden
Lag er jetzt mit der Fahne des Ruhms, die er einst vor Pavia's
Mauern errang, wo Frankreichs Stolz dem siegenden Kaiser
Huldigte. Dort sollt' ihm ein Ehrenmaal sich erheben:

725   Denn sie erhöhten den Schaft hochragender Speere: zum Haupt hin
Zween, und zween zu den Füßen, gebohrt in den Rasen, im Viereck;
Hingen zum Wappenschild gewehrdurchkreuzende Degen,
Schimmernde Panzer und Helm', in der Mitte des ragenden Speers auf;
Kehreten dann g'en Mitternacht, und kehrten zum Mittag,
730   Auch zum Auf- und zum Niedergang des ehrnen Geschützes
Dräuende Mündung hinaus. Er lag, das Antlitz zum Himmel
Wendend; die Linke bedeckte die Brust, und den tapferen Degen
Hielt die Rechte umfaßt, noch wie zu dem Kampfe gerüstet.
Rings umstand ihn das Volk. Ein Tapferer rühmte mit Thränen
735   Allen umher den Heldenmuth des edelsten Führers,
Als Amino gesprungen kam, der treffliche Spürer
Hochgewilds: sein Liebling, ihm treu, und ergeben, und wachsam.
Winselnd roch er das bleiche Gesicht und die schneeige Hand ihm;
Sah zu den staunenden Kriegern empor, und heulte dann laut auf,
740   Und von neuem begann Wehklag' um den edelsten Feldherrn.

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