Johann Ladislav Pyrker
Tunisias
Johann Ladislav Pyrker

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Fünfter Gesang.

            Schon entschwebten dem Meer des heißersehneten Welttheils
Küsten im Abendduft; schon thürmten im rosigen Westen
Berge sich auf, ringsher umlagernd den Gürtel des Atlas,
Dessen schneeiges Haupt anstaunt die glühende Sandwüst',
5   Als in die Reih'n des meerdurcheilenden Heers ein Geschwader
Vier schnellsegelnder Schiffe noch kam, von dem felsigen Eiland
Malta gesandt. Aurel, die erlesenste Zierde des Ordens,
Führte der Christenheit verherrlichte Kämpen am Schiffsbord:
Hundert Rittern gesellt, zweitausend tapfere Krieger.
10   Ihnen zu Eigen gab der erhabene Kaiser das Eiland,
Als sie von Rhodus Suleymann vertrieb, der, rings von den Leichen
Seines Volks umhügelt, den Greis, und Heldengebiether,
Villiers Lisle Adam,Villiers-L'isle-Adam (Philipp v.), zu Ende des fünfzehnten Jahrhunderts in Frankreich geboren, und zum Großmeister des Johanniter-Ordens von Jerusalem im J. 1521 erwählt. Im folgenden Jahre überzog Solyman die Insel mit einer großen Belagerungsmacht, die jener so tapfer gegen ihn vertheidigte, daß über 100,000 Türken dabei das Leben einbüßten. Amarat, des Ordens Kanzler, ward an ihm zum Verräther, und nur so gelang es endlich Solyman, die Insel gegen Capitulation, und unter der Bedingniß eines freien Abzugs der Ritter und der christlichen Einwohner, zu erringen. Vergeblich suchte er L'isle-Adam in seine Dienste zu ziehen, dessen Heldenmuth er vor seinem Heere, und mitten unter den Leichen der Gefallenen lautes Lob ertheilte. Villiers-L'isle-Adam starb im J. 1534 als Großmeister des Ordens zu Maltha, welche Insel Carl V. ihm zum neuen Ordenssitze geschenkt hatte. (Siehe: Bouhors Siège de Rhodes.) dort ehrte mit würdigem Lobspruch.
Grüßend mit Donnergetön' und wehender Flagge den Herrscher,
15   Schifften sie freudiger fort im Verein des mächtigen Heeres.
Jetzo, der Küste genaht, hinstarrten die Krieger, vor Sehnsucht
Glühend: den Palmhain in den fremdem Gefilden zu schauen,
Oder das seltene Thier im Gefild', und die Hütte des Menschen.
Doch bald hüllte das Land sich rings in des sinkenden Nachtgrau'ns
20   Düsteren Schleier, und barg dem staunenden Fremdling sein Antlitz.

Attila war im Gefolg des Geisterheeres im Eilflug
Afrika's Fluren genaht. Wie an trüberen Tagen des Winters
Endlos, Schwärme der Kräh'n und der schwarzbefiederten Raben,
Laut vereinten Geschrei's, vor dem Schneegestöber heranzieh'n:

25   Also nahten im Grau'n der Nacht die empöreten Geister.
Attila stand, und forscht' in den Herzen der Landesgebornen,
Welchen die Küste umher zur Huth von dem Herrscher vertraut war.
Aber sie ruheten all' an dem Strand, vom Schlummer gefesselt.
Zürnend sprach er darum den leis' aufhorchenden Geistern:
30   »Weckt entsetzliche Träume sogleich, aus dem Schlafe zu rütteln
Dieß entnervte Geschlecht, und donnert: »Es nahet der Feind uns!«
Ihm in die Ohren, daß rings auf den luftigen Höhen und Warten
Lodre die Flamm' empor. und schrecke die feindliche Schiffsmacht.
Selber erreget die brausende Loh', und zeigt euch des Königs
35   Würdig, dem, als der Geißel Gottes, erbebte der Erdkreis.«
Also rief er: da fuhr sein Volk, wie der brausende Sturmwind,
Ueber die Schlafenden hin. Sie sah'n im Traume die Meerfluth
Wildempört; sie hörten aus ihr Scheusale des Abgrunds
Heulen: »Es nahet der Feind!« und taumelten auf von dem Boden.
40   Erst, mit seitwärtsgewendetem Ohr' im finsteren Nachtgrau'n
Horchend, standen sie all', und hörten Geräusche (die Wellen
Klatschten am schwärzlichen Kiel) dann, laufend umher an dem Meerstrand,
Sah ihr, geschärft vor Gier umspähendes Aug' in den Lüften
Näher und näher heran den Wald hochthürmender Masten
45   Schweben, und jetzt mit den flatternden Wimpeln unzählige Segel,
Von dem Winde gebläht, anstürmen im freudigen Eilflug.
Aber mit lautem Geheul erklomm die bebende Volksschar
Jäh' am Gestade, die Felsenhöh'n: der Drohung gedenkend,
Die jüngst Hairaddins Grimm aussprach, des schrecklichen Herrschers,
50   Und erweckte die Gluth im knisternden Reis, auf des Felsens
Hochaufragenden Warten umher. Den Feigen im Rücken,
Brauste die Geisterschar, und, als der schlummernde Nachtwind
Noch den geschüreten Brand nicht in Flammensäulen empörte,
Fachten die Geister, vereint, mit starrvorquellenden Augen
55   Und gebläheten Backen, erhellt vom Feuer, die Gluth an.
Siehe, und bald erhob sich die wirbelnde Loh' auf den Höhen,
Hellte die Nacht, und warf, urschnellfortrollenden Schimmer
Ueber die schwankenden Fluthen des Meers. Weit brannte der Abgrund
Unter dem Wogenpfad der völkertragenden Schiffe.
60   Endlos schien der Brand auf den Höh'n: denn, leuchtendem Blitz gleich,
Hüpften vor jedem umher die Flammengestalten der Geister.
Solches vermögen sie noch, und necken den Wand'rer die Nacht durch,
Mit Irrlichtern vereint am Moor', und feurigen Männern.
Leise geweckt entfuhr der Hängematte der Kaiser,
65   Stieg auf das hohe Verdeck, und sah nach dem leuchtenden Meerstrand,
Lächelnden Blick's, hinüber. Er hieß den sorglichen Guasto,
Der ihn gewarnt, annahend im Schiff, zur Ruhe sich legen:
Denn er kannte die List des täuschungsinnenden Feindes.
Aber nicht senkte der liebliche Schlaf mit fächelnden Schwingen
70   Auf sein Auge sich mehr: er sah nur Kampf und Errettung.

Als im rosigen Duft der heilige Morgen heraufstieg,
Himmel und Erd', und Meer der freundlicherwachenden Sonne,
Schauernd vor Lust, entgegen streckten die Arme: da flogen
Eilig die Krieger im Frühwind hin, umkreisten den Vorberg

75   Gomert:Gomert oder Zafrano rechts, und Bona links, heißen h. z. T. die zwei Vorgebirge, von welchen jenes einst dem Apoll, und dieses dem Hermes geweiht war, welchen vorüber die Einfahrt in den tiefer liegenden karthaginensischen Meerbusen geschah. Von dort dehnt er sich im halben Zirkel, bis an die Mündung des hinterhalb liegenden Landsees von Goletta hin, wobei die Landschaft der vormals wegen ihrer heilsamen Bäder berühmten Stadt Rada zur Linken bleibt, und jener gegenüber zeigt sich dann die Lage des zerstörten Karthago, des Oehlwalds, und der steilen Hügel, über welche man zu dem Flusse Makar gelangte. (Jov. Hist. Lib. 34.) Apollo's vordem genannt, und blickten nach Bona's
Halbeiland, das einst dem schirmenden Hermes geweiht war,
Und in die spiegelnde See sein Klippengestade hinausdehnt.
Nun Buschatter genaht, wo mächtig in Tagen der Vorwelt
Utika stand, aufseufzete laut der edelste Kaiser;
80   Sah, mit Trauer im Blick, nach dem kühnaufstrebenden Helden
Ludwig, und sagte zu ihm, noch tiefbeklommen im Busen:
»Weh'n nicht der Vorzeit heilige Schauer dich an aus den Mauern
Dort, wo Kato, der Knechtschaft zu groß, in das eigene Schwert sank?
Achtung gebeut sein hohes Gemüth, und die Liebe zur Freiheit,
85   Der er gelebt, unwandelbar stets. Doch, dünket sein Tod dir
Beifallswürdiger als ein Sieg, dem feindlichen Leben
Abgerungen durch Kraft ausdauernden, muthigen Strebens?
Frommt' es dem Vaterland, dem langentarteten, etwa,
Daß er, der Vorzeit Sitte getreu, verfolgte den Einen,
90   Der mit mächtiger Hand das, mitten im Brausen der Sturmfluth
Leckumtreibende Schiff vom Bruche zu retten vermochte –
Daß er den schrecklichen Dolch in die Hand des Sohnes gegeben?
Schwer, ach, büßte die Welt den Mord des Edeln: er bahnte
Furchtbarn Wüthrichen nur den Weg zu frecher Verachtung
95   Jeglichen Rechts. Und wurde nicht strenge Vergeltung den Mördern?
Brutus kannte die Ruhe nicht mehr; nicht erquickte der Schlummer
Mehr sein Aug'; auch wachend sah er Gespenster, und immer
Hört' er die Wort': »»Auch du, mein Sohn?«« in zermalmendem Tönen.«

Jetzt an dem Halbeiland, Karthago's verödeter Stätte,

100   Wogten die Schiffe vorbei: beklemmende Schauer erfüllten
Jegliche Brust, und Stille herrschte am Bord und im Schiffsraum;
Eileten erst an dem Salzthurm hin: von der reichlichen Salzfluth
Also genannt, die im Schooß der thürmenden Mauer emporwallt,
Dann an dem Wasserthurm, deß' silbernfluthende Kühlung
105   Auch aus dem fernen Gefild' anlockt den dürstenden Wandrer.Der Wasserthurm steht nördlich von dem steilen Felsen – einst die hohe Byrsa, auf welcher der berühmte Tempel des Aeskulap stand, und nahe der schmalen Erdzunge, die das feste Land mit der Halbinsel verband, auf welcher Karthago erbaut war. Auf dieser befanden sich wahrscheinlich die Ställe der Elephanten. Obige Cisternen sind fast die einzigen noch erhaltenen Ueberreste der zerstörten Karthago.
Aber unzähliges Volk rann fort am Gestad', in der Rechten
Schwingend den Speer im Geschrei der wildauftobenden Kampflust,
Und schon sausten mit Donnergetös gewaltige Kugeln
Her von dem Strand; doch, so wie, im garbenbeladenen Wagen
110   Sitzend, die Schnitter fern' im Gebirg den strömenden Regen
Schauen, mit lächelndem Blick, da im heiteren Glanze der Sonne
Sie von dem Aehrenfeld heimführen den Segen des Sommers:
So, nur lächelnd, ersah'n die Schiffenden, wie die Geschosse
Harmlos sanken umher, von den schäumenden Wogen verschlungen.
115   Doch, im Schooße der Bucht, die aus felsumstarreter Mündung
Eint vor Tunis den See mit des Meeres Gewässern, erhob jetzt,
Schimmernd im Morgenroth, ihr Haupt die Veste Goletta,Goletta, die Veste, hatte zur Zeit Carls V. eine beinahe viereckige Form, und zwei Abtheilungen, von welchen die Wälle der oberen 40, und der unteren 50 Schritte breit waren. Sie enthielt eine vortreffliche Cisterne, in welcher sich das Regenwasser sammelte, und viele bombenfeste Gewölbe zur Aufbewahrung des Kriegsbedarfs. Mit ihr in Verbindung stand vorne an der Mündung des Sees von Tunis, ein mit Wälle, versehener Thurm, der vom Meere her jedem Schiffe den Eingang verwehrte. Der See, beiläufig 12,000 Schritte breit und eben so lang, erhält aus dem karthaginensischen Meerbusen sein Gewässer, und ist auf beiden Seiten so seicht, daß man nur in der Mitte desselben auf kleinen Fahrzeugen nach Tunis gelangen kann. (Eutropii Diar. Ep. Tunct. apud Schard. pag. 331. und Jov. Hist. Lib. 34.)
Und einhelliges Jauchzen erscholl von den Schiffen: die Krieger
Sehnten sich lange nach ihr, dem Ziel' unsterblicher Thaten.
120   Hoch in die bläuliche Luft aufragte die herrliche Festung,
Und in die Fluth, die, sanftergossen, im Schimmer des Morgens
Ruhete, sank ihr Bild, doch häuptlings hinunter zum Abgrund.
Jetzo schwankt' es umher, da, erregt von den nahenden Schiffen,
Kräuselnd, der Wellenzug nach dem Felsengestade sich wälzte,
125   Und es ertönte zugleich der Feinde Geschrei aus den Mauern;
Aber der Kaiser rief nach Doria selber hinüber:
»Tapferer, send' alsbald auf zwei leichtsegelnden Schiffen,
Wohlerfahrnen Führern gesellt, versuchtere Krieger,
Dort zu erspäh'n die Lag' und die Stärke der Veste – zu finden
130   Günstigen Landungsplatz für den Reiter zugleich und das Fußvolk;
D'rauf erschalle der Donnerruf zur stürmischen Landung!«
Also geschah's. Weit vorwärts bog sich der Mast, und die Wellen
Schäumten nach jeglichem Ruderschlag', in kräuselnden Ringen,
Hinter dem eilenden Kiel. Wie zwei langhalsige Schwän' oft,
135   Männchen und Weibchen, den silbernen Teich umrudern im Spätlicht:
Jetzt, annahend dem Strand, wohlduftende Kräuter zu pflücken,
Jetzo, kehrend zur Mitte des Teich's, die schimmernden Furchen
Ziehen die Fluth entlang, und mit stolzergewölbeten Hälsen
Ihr Gefieder, wie Schnee, den Lüftchen des Abends entfalten:
140   Also erforschten die zween, bald nah', bald ferne dem Meerstrand,
Jegliches so, wie zuvor der waltende Herrscher gebothen.

Hairaddin ging auf dem Söller der Burg, hoch über der Hauptstadt
Tunis, sinnend umher. Nicht die würzigen Düfte der Blumen
Ringsum schufen ihm Lust, nicht des Springborns holdes Gesäusel

145   Reizte sein Ohr: er starrte, die Hände zum Rücken gefaltet,
Stets mit trüberem Blick' auf den glänzenden Estrich vor sich hin.
Wuth erfüllt' ihm die Brust: denn Omrah, der Räuber Areny's
War ihm genaht an dem Abend. Ihm Siegesverheißung zu bringen,
Sendet' ihn Al-Mansor; doch sah er noch fern' auf des Meers Höh'n,
150   Wie er dem Feinde, besiegt, hinsank mit all dem Geschwader.
Schnell erwürgt' er im Zorn den jammerverkündenden Bothen.
Doch nun kam ein Sclav', und rief, zur Erde sich beugend:
»Herr Christen sind da. Nicht nährt des ragenden Oehlwalds
Grund der Bäume so viel', als feindliche Maste die See trägt.«
155   Hairaddin schnob vor Wuth: »Hinweg du feiger Geselle,
Eh' dich mein Fuß zermalmt! Die Furcht erschuf dir die Gegner.
Hat ihr Schiff die Schwingen des Aars und die Sehnen des Straußes,
Der auf dem Sand hinfleugt, und den Preis auch dem hurtigsten Rosse
Raubet im Lauf? Nicht sollst du hinfort mir lügen: hinweg – stirb!«
160   Jener entfloh, und stürzte sich angstbetäubt in die Fluthen.
Hairaddin ging nun hastiger hin auf dem Söller; er kehrte
Nun ergrimmter zurück', und sah lautknirschend zum Himmel.
Aber ein Zweiter begann: »Die Macht unzähliger Gegner
Wogt an dem Vorgebirg Buschatters in Eile vorüber.«
165   Und kaum war er entflohn, da kam ein Dritter, und sagte:
»Sinam kündet dir, Herr: fünfhundert feindliche Segel
Hab' er gezählt von den Zinnen der Vest', und nicht alle gezählt noch.
Nah' an Goletta dem Feind die günstige Landung zu wehren,
Stehe versammelt das tapferste Volk; doch mächtige Scharen
170   Harren nur deines Geboths; du winkst: sie gehorchen in Demuth.
Sende daher ihm noch die erlesensten Krieger, daß jenes,
Minder an Zahl, nicht im Kampf' erliege der feindlichen Mehrzahl.«
Hairaddin schrie: »Erliegen meinte der Feige? So meint er?
Eile, bescheide mir Giaffar her, den tapferen Aga.«
175   Jener gehorchte; doch Hairaddin sann, und rief in den Hofraum:
»Hört! Die Feldherrn all' entbiethet ihr schnell nach Goletta;
Aber daß keiner verzieh': denn traun, er würd' es bereuen!«
»Wie,« so murmelt' er jetzt, ergrimmt, die Worte für sich hin,
»Wie, sie kommen heran, mir zu rauben das edelste Kleinod,
180   Tunis, dieß jüngst' und theuerste Kind? Nicht Telmessan, nicht Algier
Acht' ich so hoch . . . Den Frevel büßen sie einst in Europa
Furchtbar, wo nicht der Greis, nicht das Kind in der Mutter verschont sey!«
Dann aufschrie er: »Mein Roß!« Die Mauern des hohen Pallastes
Drönten hinab zu dem untersten Grund', und die bebenden Sclaven
185   Taumelten durcheinander vor Angst. Der stattliche Läufer
Stand alsbald gesattelt im Raum des hallenden Thorwegs:
Glänzend schwarz, von Arabia's edelstem Schlage; der Schneeschaum
Flog von dem blanken Gebiß, wie er nagt' an dem Eisen, und rastlos
Scharrt' in dem Sand; wie er schnob, und bald auf den hinteren Füßen
190   Stand, erhebend die vordern, und bald aufwiehert', und ausschlug.
Aber den Feurigen hielt der Sclav' am goldenen Zaum fest;
Streichelt' ihm leise den Hals, und klopft' an die Decke von Purpur,
Die den Sattel umhüllte, mit Gold und Perlen verzieret.
Hairaddin hob sich im kreisenden Schwung' auf das Roß, und der Reiter
195   Hundert jagten ihm vor, so viele ihm nach, in dem Eilflug.
Fernhin tönte Geklirr' und Getrab', und es bebte der Boden
Unter dem stampfenden Huf' – aufflog der flimmernde Sandstaub.
Jetzt durchbraust' er voll Hast die eröffneten Thore Goletta's,
Und erstieg den gewaltigen Thurm, der nahe dem Meerstrand,
200   Auch die Mündung des See's von Tunis, erhöhet im Viereck,
Schirmt: denn landeinwärts, wohl vier gemessene Meilen
Dehnt sich der See, am Rand des Olivengehölzes zur Stadt hin.
Hairaddin rettete dort, besorgt, viel hundert der Schiffe
Noch; er hieß die Mündung des See's mit lastenden Ketten
205   Sperren, und pflanzte Geschütz, Abwehr ersinnend, am Strand' auf.
Jetzt erklomm er die Zinne des Thurms, und sah nach der Gegend,
Glühenden Blickes, hinab, wo unzählige Schiffe des Gegner
Deckten die schimmernde Fluth, und zwei vordringende Segler
Spähten: er sah's, und finsterer Groll zernagte die Brust ihm.

210  

Aber schon lang' umflog, dem christlichen Heere Verderben
Sinnend, Muhamed ihn, und hoffte der Wünsche Gewährung,
Als er das Herz erwog des thatengewaltigen Mannes.
So wie im düsteren Flug, den Ohren nicht hörbar, die Nachtschwalb'
Ueber uns flatternd schwebt: so flog um Hairaddin jener,

215   Forschend, und sah ergrimmt, wie jetzt ihm der feindlichen Heersmacht
Furchtbare Schau das Herz erfüllte mit nagendem Kummer.
Leise dem Ohre genaht des Sinnenden, sprach er ihm Muth ein:
»Solltest du beben, Hairaddin, du, ruhmwürdiger Krieger,
Deß' zermalmender Kraft die Völker erzittern? Nicht denkst du:
220   Wer das Eine nur will, fest will, der wird es erringen?
Heiß den Wurfschütz dort vernichten den feindlichen Späher,
Der tollkühn vordrang, und erreg' in der hohen Versammlung
Deine Feldherrn. Horch, dieß kündet der große Prophet dir!«
Alsbald stieg, der muthempörenden Worte gedenkend,
225   Jener die Stufen herab, und eilte hinaus nach dem Walle,
Wo der Wurfschütz saß, und gehäuft die Donnergeschosse
Lagen, unferne dem ehernen Schlund. Mit Zorn in den Blicken
Und in dem Laut, rief er den bombenwerfenden Söldnern:
»Memmen ihr! Auf trüglicher Fluth, die Freunden und Feinden
230   Willig den Rücken beut, erblickt ihr die feindlichen Späher:
Wie sie erkunden die Furt, die Macht und die Schwäche der Mauern,
Euch, ihr Feigen, zur Schmach. Zertrümmert mir eines der Schiffe –
Jenes gleich, das dort vordringt, mit euren Geschossen.«
Alle zugleich, gehorchend dem zürnenden Herrscher, erhoben
235   Brennende Lunten, und senkten sie schnell an des furchtbaren Mörsers
Zündrohr. Rauch quoll auf, und, durch Rauch und Flammen sich hebend,
Flogen mit Donnergetös' empor die entsetzlichen Bomben,
Fünfzig Mörsern entsandt, und Geheul des reißenden Luftraums
Scholl weit hin: die sinkenden wühlten vom Grunde das Meer auf,
240   Das, aufbrausend, schäumt', und wirbelnde Wogen umherwarf.
Eine gewaltige Todeslast zerschmetterte Benno's
Fahrzeug. Wie in der Jahr' umkreisendem Lauf sich ein Felsblock
Still losreißt von dem Gipfel des Berg's – alsbald in den Abgrund,
Laut, mit Gekrach, herrollt, und unten die dürftige Hütte,
245   Schmetternd, begräbt, daß weder die Spur der armen Bewohner,
Noch der Hütte sich weist': denn Alles versinkt in dem Steinwust:
Also vernichtete hier die entsetzliche Bombe den Helden
Benno mit allem Volk'. Ach, vier unmündige Kinder
Ließ er in Genua's Mauern daheim mit der weinenden Mutter!
250   Dort, in dem Heldenverein die schwankenden Bretter besteigend,
Drückt' er noch einmal die Hand der zärtlichbekümmerten Gattinn,
Abgewandten Gesichts, daß selbe die Thränen nicht sähe;
Aber den Kindern, die ihm umfaßten die Kniee, verhieß er
Baldiges Wiederseh'n und köstliche Gaben des Ostlands;
255   Doch nicht sollt' er den Tag erblicken der fröhlichen Heimkehr,
Nicht die Kinderchen mehr, nicht die liebenswürdige Gattinn:
Denn ihn deckte die Fluth mit dreißig tapfern Gefährten.
Aber im Nebenschiff', umhagelt von Todesgeschossen,
Floh Ulloa zurück, der Spanier, ähnlich dem Schwan dort,
260   Der, als, schmetternd, ein Ball ihm das Weibchen entriß auf dem Schilfteich,
Einsam flieht: sich fern' im dunkeln Geröhre zu bergen.
Hairaddin jubelte; warf handvoll des schimmernden Goldes
Unter die Schützen, und ging, in der räumigen Halle die Feldherrn
Anzufeuern zum Todeskampf. Sie spornten die Rosse
265   Blutig im sausenden Ritt: wohl kennend den schrecklichen Herrscher,
Und betraten die Hall' in drängender Hast und Verwirrung.

Erst kam Sinam, der Jud'. Entschlummert am Strande des Meeres,
Lag er in Smyrna, als Jüngling noch: da raubt' ihn, gelandet,
Sahir, der wilde Korsar, und zwang ihn, ein Räuber zu werden.

270   D'rauf vertauscht' er, als Mann, des Moses für Muhameds Lehren,
Nur für baaren Gewinn. Stets blieb er ein Jud' in dem Herzen,
Schlauen Verkehrs. Doch füllt' ein seltener Muth ihm den Busen
So, daß er bald durch Kunde des Kriegs, aus der blutigen Laufbahn
Schätze errang, und ihn Hairaddins Blick erkor zum Gebiether
275   Seiner erlesensten Schar. In staunenerregender Hoheit
Trat er heran; ihm floß der Bart, gleich silbernen Wellen,
Tief in den Busen herab, und Ernst umhüllt' ihm die Augen.
Dragut kam, der Kilikier, der, ein Schrecken der Gegner,
Nur der »Satanbändiger« hieß im Munde des Volkes.
280   Stets in dem schwarzen Gesicht, dem häßlichen, dreht' er die Augen,
Spähend, umher, und nagt' an seinen gedunsenen Lippen,
Heimlichen Grimms, der auch an der zuckenden Wange sich kund that.
Doch nun füllt' ihm die Brust noch heißere Wuth: für Mathilden
Kam er entbrannt daher, Toledo's herrlicher Gattinn.
285   Die dem edeln Gemahl, mit der himmlischreinen Gesinnung,
Treu bis zum Tod, des Wüthrichs Gier gewahrte mit Abscheu.
Ihm nachschritt der Bascha von Laodikea, Tobukes,
Der das Fußvolk lenkt' in dem Heer'. Er haßte den Herrscher,
Hairaddin, da er ihn minder geehrt als Sinam, und er war's,
290   Der ihm ersiegte den Thron von Algier in blutiger Feldschlacht.
Rache kochte sein Herz; doch treu dem falschen Propheten,
Nahet' er jetzt, entschlossen die christlichen Völker zu tilgen.
Salek brauste herein, der Ionier, der in der Heer'smacht
Hairaddins reisigem Volk' obherrscht'. In Syriens Wüsten
295   Lenket' er einst, als Scheik, raubsüchtige Horden, und häufte
Fülle des Golds, Karavanen plündernd unseliger Pilger.
Wohl, in dem heimlichen Ueberfall die Feinde zu morden,
So wie im Grauen der Nacht Verwirrung zu schaffen, und Jammer,
Hatt' er gelernt, und Hairaddin rief den Kühnen zum Kampf' auf.
300   Aber auch Giaffar kam, der Aga der Janitscharen,
Stattlichen Gangs. Die flammenden Augen erhellten sein Antlitz,
Das ihm die Herzen gewann, voll blühender, männlicher Schönheit.
Spielend, ein Ries' an Kraft, vermocht' er des brüllenden Stieres
Haupt, mit dem sausenden Stahl', auf einmal vom Rumpfe zu hauen;
305   Oder er faßt' ihn am Horn, erhob ihn, und warf ihn zu Boden:
Tobt' er auch noch so ergrimmt. Er griff in die Speichen des Rades,
Rollte der Wagen dahin, von feurigen Rossen gezogen –
Stand, und hemmte das rollende Rad, und hemmte die Rosse:
Dennoch war er so mild, als tapfer und edelgesinnet.
310   Jetzo mit Abu-Sa-id, dem Scheik arabischer Reiter,
Trat in den Saal der landesgebornen Numiden und Mauren
Feldherr, Muhamed Temtes: voll List die freundlichen Mienen
Heuchelnd: denn glühenden Haß, dem Türkenvolke geschworen,
Nährten die beiden mit ihrem Volk' im verschlossenen Busen.

315  

Rechts, in der Ecke des Saals, dem Ehrensitz für die Moslems,
Setzte sich Hairaddin nun, mit untergeschlagenen Beinen,
Auf den schwellenden Pfühl, und um ihn, auf gebreitetem Teppich,
Saßen die Feldherrn all', ihm dort aufhorchend in Demuth.
Eh' er begann, durchfuhr sein Flammenauge den Halbkreis,

320   Forschend in jeglichem Blick', und der Kühnst' erbebte dem Furchtbar'n.
Jetzt durchwühlt' er den röthlichen Bart, tiefsinnend, und jetzo
Faßt' er des Tulbands Bund, des Kaftans glänzenden Zobel;
Doch nun ruhte die Link' an des Säbels goldenem Griffblatt –
Ruhte die Recht', auf den Schenkel gestützt, und also begann er:
325   »Ehre dem einigen Gott, Ruhm sey dem großen Propheten!
Gott, der Gläubige schirmt, Ungläubige schnell in den Staub wirft,
Wie, herbrausend im Donnersturm, der prasselnde Hagel
D'raußen im Saatenfeld die wogenden Halme zerschmettert,
Hat nun eurem entsetzlichen Schwert den mächtigsten Fürsten
330   Unserer Gegner, am Bord viel hundert gerüsteter Schiffe
Nahe gebracht, und ihn der Rache zum Opfer erlesen:
Denn so will der Prophet sein Volk, nach seiner Verheißung,
Jetzt verherrlichen, so schlug er den Gegner mit Blindheit:
Daß er den Angriff wag' in diesen gefürchteten Monden,
335   Wo in des Himmels Gluth auch die Landesgebornen verschmachten?
Und ihm erläge der Fremdling nicht in der lastenden Rüstung?
Sprech't, wie soll dieß feige Geschlecht, im Sande versinkend,
Halten im blutigen Kampf die hochgepriesenen Reihen?
Wie begegnen zugleich den Säbeln der Janitscharen
340   Und dem mordenden Stahl der Araber, Mauren, Numiden,
Welch' im Grauen der Nacht, in der Helle des Tages ihn drängen?
Wir ersiegen uns bald ein unvergängliches Denkmaal
Heldenruhms, wenn Carl, der größte der Christenbeherrscher,
Büßend die Kühnheit, mit seinem Heer' in Stücke gehau'n wird,
345   Oder, als ein Gefangener, uns erliegt auf dem Schlachtfeld.
Hebe dich, Abu-Sa-id! Dir folg' auch Muhamed Temtes:
Eil't, und verkündet den Euren, ein jeglicher freudigen Aufrufs,
Daß sie, der Beute bedacht, zum entscheidenden Kampfe sich rüsten!«
Aber die beiden erhoben sich schnell, und Muhamed Temtes
350   Sprach, sich beugend zuvor, mit demuthheuchelnden Blicken:
»Er, der Himmel und Erd' erschuf, verläng're dein Leben
Fern' in die kommende Zeit. So wie die Sterne des Himmels,
Wie der Sand an dem Meer, sey deiner Erzeugten Erzeugung,
Und es erfülle dein Ruhm die fernsten Räume des Weltalls!«
355   Jen' enteilten, und Hairaddin sprach: »Wohl kenn' ich die Falschen.
Trugvoll ist ihr Gemüth, und keines ausharrenden Muthes,
Fähig ihr Volk, das unzählige, das, uns feindlich gesinnet,
Nur durch Verheißungen großen Gewinns zum Heere gelockt ward.
Aber uns ziemt: die Krieger Suleymans, des Prächtigen, Großen,
360   Welchem die Erde sich beugt, uns ziemt die Heldengesinnung,
Kämpfend mit eisernem Muth', ihm hier zu erhalten die Herrschaft,
Und zu erhöhen den Ruhm der Söhne des großen Propheten.«
All' aufschrie'n, das Schwert von der Hüfte sich reißend, und riefen:
»Gott ist Gott, und Muhamed seyn erhab'ner Gesandter:
365   Hairaddin sey die Treu' und dem Feinde die Rache geschworen!«
Froh des dräuenden Schwurs, begann jetzt Hairaddin wieder:
»Sinam, dir werde Goletta vertraut, dieß herrlichste Kleinod
Unseres Reichs, und ruhig schlummr' ich, weil dir es vertraut ward;
Dragut, Unwiderstehlicher, dir gehorche des Heeres
370   Vorderzug, und dir, Tobukes, dem Schrecken der Gegner,
Freudig, des Fußvolks Macht; doch du, Reih'nbändiger, Salek,
Lenke die Reisigen kühn zum Sieg'! Ich führe den Nachzug.
Sammelt die Scharen, vom Strand zu entfernen des Feindes Geschwader,
Oder sogleich die Gelandeten dort zu erwürgen: denn wißt es:
375   Wer sich zuerst die Stirn' umflicht mit dem Lorber des Sieges,
Raubet oft dem Besiegten den Muth in dem Felde für immer!«
Aufsprang Dragut, und rief mit lautumschallender Stimme:
»Ha, nicht wehre dem Feind die kühnbeschlossene Landung:
Leicht entflöh' er uns heut, geschreckt, auf dem rettenden Schiff noch!«
380   »Eitele Furcht,« sprach Hairaddin, »o, dem christlichen Herrscher
Schlägt ein tapferes Herz in dem Busen, und eiserner Starrsinn
Drängt ihn fort auf erkorener Bahn: ihm wird er erliegen!«
Jetzt erhob er sich rasch, und ging, sich in Eile zu rüsten;
Aber die Feldherrn all', enteilten in's lärmende Lager.

385  

Regulus schwebte herbei: er sann den Sklaven der Hochburg,
Rettend, zu nah'n, und ließ in der wimmelnden Straße von Tunis
Sich im Fluge herab. Da saß vor Draguts Behausung
Hugo, und weinte vor Schmerz. Ihm war die Kunde gekommen,
Freudig und furchtbar zugleich: daß heute der Kaiser mit Heer'smacht

390   Vor Goletta erschien, und wie nun befreien Mathilden,
Listig umstellt von Draguts stets auflauernden Spähern?
Regulus haucht' ihm, genaht, alsbald den tröstenden Rath ein:
»Treugesinnter, du weinst, und weißt nicht, die Gattinn zu retten
Ihrem Gemahl? Wohl kam er heran, dem heiligen Aufruf
395   Folgend des Vaterlands, und folgend dem Rufe des Herzens:
Hier in dem Kampf, voll Muths, zu ersiegen die liebende Gattinn.
Such' im Olivengehölz den einsamlebenden Fischer,
Der, ein Christ, der Heimath entfloh, wo ihm Jammer zu Theil ward.
Viele der Höhlen sind dort, einst Gräber berühmter Geschlechter,
400   Als Karthago's Ruhm noch erfüllte den staunenden Erdkreis.
Dort um die Mitternacht, in eine derselben geborgen,
Möge Toledo sie wiederseh'n in beglückender Freiheit.«
Schnell erhob sich der Greis, und flehte, mit thränenden Augen
Schauend empor, um des Himmels Huld: in der That zu vollbringen,
405   Was ihm so wunderbar vorschwebte – die Rettung Mathildens:
Denn er kannte schon lang den menschenfeindlichen Fischer,
Der am Strande des See's, umschattet vom säuselnden Oehlwald,
Wohnt' in der Grabes Höhl', und die Beute der Netz' und der Angeln
Ihm feilboth vor den Thoren der Stadt am dämmernden Abend.
410   Jetzt gewann er die Höhl' auf seltenbetretenen Pfaden,
Keuchend vor Hast, und sah in des Eingangs Felsenumwölbung
Liegen auf dürrem Moos' den unglückseligen Fremdling.
Drüben im Frankenland, von edeln Geschlechtern entsprossen,
Sah in des Lebens aufdämmerndem Strahl der treffliche Jüngling
415   Blühen holdselig die Braut, die liebende; preßte den Freund auch,
Treu und warm an die Brust, und jauchzte dem zweifachen Segen.
Siehe, da rief ihn das Vaterland in den Kampf, und er folgte
Freudig dem Ruf! Doch, als er nach Jahren, mit ehrenden Narben –
Lohnenden Kränzen geschmückt, heimzog im Kreise der Tapfern,
420   Trat im festlichen Zug die Braut an der Seite des Freundes
Froh zum Altar'. Er eilt' aus dem brausenden Jubelgedräng weg,
Fern in der neuern Welt ein Grab und den Frieden zu suchen.
Doch auf Siciliens Meereshöh'n von Korsaren gefangen,
Ward er nach Tunis geschleppt, und ein Räuber schenkt' ihm die Freiheit,
425   Ehrend sein Jammergeschick, zum Hohne des schändlichen Undanks.
Tief in der Brust den finsteren Menschenhaß und der Heimath
Abscheu nährend, erkor er ein Grab zu seiner Behausung.
Jetzt ihm genaht, sprach Hugo mit herzerschütternder Stimme:
»Kurd dein Nahm', Unglücklicher? Ha, nicht gabst du des Korans
430   Täuschung dich hin, ein Christ! D'rum wird, wie schmachtende Fluren,
Säuselnd, der Regen erquickt, Mitleid mit himmlischer Wonne
Laben dein blutendes Herz, und Gott, der über uns waltet,
Allerbarmend, Lohn und Frieden dir geben. Vernimm jetzt
Größeres Wehe denn dein's. Geraubt dem tapfersten Helden,
435   Schmachtet sein edles Weib in Draguts grauser Gewahrsam.
Kennst du nur eigenes Leid? Rechtfertige, Mensch, mit Ergebung
Duldend, vor deinem Geschlecht die dunkelen Wege der Vorsicht,
Neig' auch fremdem Jammer dein Ohr, und den eig'nen versüße
Mitleid dir! Denn, horch, auf dem Meer mit unzähligen Schiffen
440   Kamen die Christen heran, zu strafen den Räuber, und siegend
Ihm zu entreißen den Herrscherthron, der Hassan geraubt ward.
Bald erschallt Sieg'sruf – erschallt geretteter Menschen
Jubelnder Dank. Zieh' hin in das Lager der Brüder, zu treffen
Dort Toledo, und sprich: »Wenn uns an dem Himmel der Vollmond
445   Strahlt, da rettet in Grabesnacht ihm Hugo die Gattinn,
Und du lenke den Liebenden her zur Höhle des Waldes.«
Jener regte sich nicht, und starrte hinab in die Fluthen,
Aehnlich dem Felsenriff, das starr aufragt an dem Meerstrand.
»Kurd,« so sagte der Greis, »entfernt zehn Jahre der Trauer
450   Bist du vom Vaterland; vergeudet wurde dein Erbtheil:
Dürftig kommst du zurück, ein Bettelnder unter den Deinen;
Sieh', er spendet, willfahrest du ihm, dir Goldes die Fülle,
Dankbargesinnt, und freudig erblickst du die heimischen Fluren!«
Aber noch finsterer starrete Kurd: da umschlang ihm der Greis dort,
455   Weinend, die Knie', und rief mit leis'erbebender Stimme:
»Hast du geliebt? Wie solltest du nicht, verstummender Dulder!
Jammert die Gattinn nach dir? Welkt', ach, die Geliebte dir früh hin?«
Jetzt aufriß sich vom Boden der Mann, der schrecklich geschwiegen,
Taumelte wild umher, als sollt' er den Flehenden morden.
460   Dennoch konnt' er nicht, tieferregt, von den Thränen des Greises
Mehr verwenden den Blick, und die ewige Huld, die, erbarmend,
Senket des Menschen Sinn gleich fluthenden Bächen, zerschmolz ihm
Nun durch Thränen das Herz, das, qualenbelastet, erstarrt war,
Und ein glänzender Strom quoll ihm aus den Augen; er faßte
465   Hugo's Recht', und sprach: »Du siegtest; ich stehe bereit dir.«
Aber der Greis entfloh, von der Wonne der Rettung beflügelt.

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