Johann Ladislav Pyrker
Tunisias
Johann Ladislav Pyrker

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Erster Gesang.

              Tön' o Heldengesang, die Waffenthaten des Kaisers
Carol, die er vollbracht' auf dem wogenden Meer' und dem Festland,
Als er vom schmählichen Joch tunisischer Räuber die Christen
Lös'te mit Siegers Hand, Europa's zagenden Völkern
5   Frieden errang, und dem Meer' erkämpfte die heilige Freiheit.

Haben Unsterbliche jetzt, in der Stunde der Weihe, vor allen
Mir das Auge berührt? Ich seh' urplötzlich der Geister
Schauderumnachtetes Reich erhellt, und im freudigen Eilflug
Zahllos schreiten einher die Heldensöhne der Vorwelt,

10   Die in dem Schlachtengefild', entzweiet, die Völker empören;
Sehe den Kaiser zuerst, im Sturm des Donnergeschützes,
Werfen des Feindes Schiffheersmacht in den brausenden Abgrund;
Dann ihn, laut umjauchzt von Tausenden, landen vor Tunis,
Schimmern die Fahne des Siegs von Goletta, vom blutigen Schlachtfeld
15   Fliehen den Feind, und dort in dem Staub die entfesselten Sclaven
Knieen, und netzen des Retters Hand mit glühenden Thränen,
Der, o Wonne, sie heim in das Vaterland, und entgegen
Segnenden Lieben führt aus Schmach, und Qual, und Verzweiflung!
O wie bebt mir die Brust: herauf aus den Tiefen des Herzens
20   Strömt der Gesang, und kündet der Thaten erhab'ne Vollendung!

Hoch auf dem Erker der Burg, im Duft der Acacienblüthen,
Sanftumschimmert vom Abendgold, saß jetzo der Kaiser,
Sinnend allein. Er dachte des eilegebiethenden Heerzugs;
D'rüben vor Tunis der Schlacht, und des wechselnden Schlachtengeschickes

25   Ernstumhülleten Blick's. Gestalten der mächtigen Vorzeit
Schwebten ihm, dräuend, vorbei; er sah die verödeten Felder
Einstigen Ruhms, wo Hannibals Stolz dem gewaltigen RömerNach der Schlacht von Zama, soll P. Corn. Scipio den Hannibal gefragt haben, wen er für den größten Feldherrn halte? Dieser nannte zuerst Alexander den Großen, dann Pyrrhus den Epiroten, und den dritten sich selber. Scipio, darüber empfindlich, sprach weiter: »und was würdest du erst gesagt haben, wenn du auch mich überwunden hättest?« – »Dann« entgegnete ihm jener – »würde ich mich weit über jene Beiden gesetzt haben.«
Huldigte, und für den Sieg des weltversöhnenden Kreuzes
Frankreichs Ludwig starb: fürwahr ein heiliger König!Ludwig IX. (der Heilige), König von Frankreich, Sohn Ludwigs VIII. und Blanca's von Castilien (geb. den 25. April 1215), der durch seine Frömmigkeit, Weisheit in Regierungsgeschäften, und durch persönliche Tapferkeit sich allgemeine Hochachtung erworben hatte, unternahm zuerst einen Kreutzzug nach dem gelobten Lande; eroberte im Jahre 1249 Damiata, und schlug den Sultan von Aegypten zu wiederholten Malen. Allein durch Hungersnoth und anstehende Krankheiten zum Rückzug gezwungen, verlor er die errungenen Vortheile mit der Freiheit, die er nur durch die Zurückgabe von Damiata, und durch ein großes Lösegeld für sein mitgefangenes Heer, wieder erhielt. Im Jahr 1270 unternahm er einen zweiten Kreutzzug, schiffte nach Afrika über, und eroberte die Veste von Tunis; doch auch hier, wie in Syrien, raffte eine ansteckende Krankheit einen Theil seines Heeres weg, deren Opfer er selbst, am 25. August desselben Jahres, geworden ist. (Siehe dessen Lebensbeschreibung durch Delachaise und des Abtes de Choisi.)
30   Und ihm pochte die Brust laut auf in der Stille des Abends.
Siehe, da scholl entlang die Wölbung des drönenden Thorwegs
Hufesgerassel, und Leben erwacht' in den untersten Hallen!
Näher die Stufen herauf, im Klirren des Waffengeschmeides,
Kam ein Ritter: Alonzo-Cid, des spanischen Fußvolks
35   Führer, das an dem Meer', unferne dem Strand Barcellona's,
Harrte des heiligen Kampfs für Recht, für Glauben und Freiheit.
Jetzo dem Herrscher genaht, sprach er, empört in dem Busen:
»Herr, von Mendoza gesandt, dem tapferen Heldengebiether,
Komm' ich, ein eilender Bothe heran: uns nahen die Gegner!
40   HairaddinsHairaddin (Chereddin) und Horuc-Barbarossa, von Mitylene, auf der Insel Lesbos, gebürtig, und, als Korsaren, der Schrecken des mittelländischen Meeres, bemächtigten sich des Thrones von Algier, wohin sie Selim-Euthemi, der König, gegen die Spanier zu Hülfe gerufen hatte. Chereddin übertraf seinen Bruder noch an Kühnheit, und begründete eigentlich das so lange, zur Schande Europa's, bestehende System der Seeräuberei an der Nordküste Afrika's. Nachdem er Constantina und noch andere Städte daselbst wegnahm, ernannte ihn Solyman II., oder Prächtige, zum Oberbefehlshaber seiner Flotten. Im Jahr 1535 bemächtigte er sich durch Verrath der Stadt Tunis; sammelte dort eine bedeutende Seemacht, und anstatt, wie im vergangenen Jahre, nur die Küsten Italiens zu plündern, ging er mit nichts Geringerem um, als Sicilien mit einer Menge Türken und Mauren zu erobern, wodurch er sich die Wege zu dem Throne Neapels zu bahnen gedachte. In demselben Jahre wurden seine unabsehbaren Plane durch Carls V. herrlichen Zug nach Tunis vereitelt. Doch Carls unversöhnlicher Feind, Franz I., König von Frankreich, ward Chereddins Verbündeter, mit dessen Macht vereint, er im Jahr 1543 Nizza wegnahm. Er starb im Jahr 1546 zu Constantinopel, – im 88. seines Lebens. An dem Strande des Meeres zu Beschiktasch, am europäischen Ufer des Bosphorus, ist sein Grabmahl (wie Hofrath v. Hammer in seiner Verfassung des osmanischen Reichs Theil II, Seite 317, sagt), und erregt ernste Gefühle bei dem Geräusche der Wogen, die an ihm emporklimmen. (Paul. Jov. in Elog. I. 6. – Hist. I. 33. 41. 44 – Thuan. Hist. L. III.) Seemacht kreuzt vor Hispania's schönen Gestaden,
Jetzo gerüstet zur Schlacht, dann wieder unendlichen Jammer
Dräuend dem Küstenvolk und den heereversammelnden Schiffen.«
»Wie,« so rief ihm der Kaiser, erstaunt: »noch wagte der Räuber
Uns in Europa zu nah'n, da wir nach Afrika's Küsten
45   Wenden den Kiel, und lösen die schimmernden Segel zur Abfahrt?
Wehe dem Wüthrich, denn dort, wo empor aus blutigem Raubwust
Sein entsetzlicher Thron sich hob, und unzählige Christen
Decket in Kerkersnacht: dort treff' ihn die Rach' und Verderben –
Treffe Fluch ihn, und Schmach zur Vergeltung unendlichen Jammers!
50   Eile zurück', und entbiethe von mir dem tapferen Feldherrn,
Daß er versammle sein Volk an dem Meer', und wehre den Räubern
Dort den Ueberfall und die Landung: denn nur im Dunkeln,
Wie der hungernde Wolf, der Nachts die Hürde bestürmet,
Dräu'n sie Schrecken dem Feind, nicht im Lichte der brausenden Seeschlacht,
55   Die mein DoriaAndreas Doria (geb. 1468) aus einem altadelichen Geschlechte Genua's, war früher französischer Admiral, wählte aber freiwillig Kaiser Carls V. Flagge, und blieb zur See in dessen Diensten bis zu seinem Tode im J. 1560. Er war der größte Seeheld seiner Zeit; gab Genua eine bessere Verfassung, und ward der Vater und Befreier des Vaterlandes genannt, das er im J. 1528 vom Joche der Franzosen befreiet hatte. kämpft, ein Adler im Fluge zum Himmel.
Gehe mit Gott! Ich folge dir schnell zu dem Strande des Meers hin.«
Und er winkte mit Huld dem gepriesenen Führer zum Abschied.
Aber er zögerte noch, und begann: »Dem Räuber entfliehend,
Wie vor dem grimmigen Luchs ein Reh durch Schnelle sich rettet,
60   Stieg, erst heute vom Bord des raschhersegelnden Schiffes
Muley-HassanMuley Hassan (Maula-Hascen), Maula Mehemeds Sohn, König von Tunis. Er war der jüngste Sohn von zwei und zwanzig Geschwistern, unter welchen er seine Brüder, auf den Rath seiner unnatürlichen Mutter, theils blenden, theils tödten ließ, um also zum Throne zu gelangen. Sein älterer Zwillingsbruder, Al-Raschid, entfloh nach Constantinopel, bei Solyman Hülfe zu suchen. Er ward heimlich erwürgt, und der eben von dort absegelnde Chereddin eilte nach Tunis, und bekam bald, im Nahmen des todten Al-Raschid gebiethend, dem das Volk anhing, Goletta die Veste, und dann auch Tunis in seine Gewalt. Muley Hassan ward zwar durch den siegreichen Kaiser in sein ihm entrissenes Land wieder eingesetzt, wurde aber nach wenigen Jahren von seinem Sohn, Hamida, des Thrones beraubt, und geblendet. So kam er zu dem Kaiser nach Augsburg, nochmals um Hülfe zu flehen, und starb auf der Rückreise in Rom. (Siehe M. Cardonne Histoire de l'Afrique et de l'Espagne etc. T. III. Paris chez Saillant 1765, und Jov. Hist. 33. c.) an's Land, dem Hairaddin, schnaubend vor Herrschsucht,
Jüngst die Krone von Tunis geraubt. Er folgte mir schweigend
Nach Madrid, zum Palast, ein Flehender, daß du ihn hörest.«
Jetzt erhob sich, bewegt, der hochgesinnete Kaiser;
65   Eilte die Wendeltreppe herab, und sah nach dem Fremdling
Forschend umher. Er saß an der Marmorsäule der Halle,
Selber ein Marmorbild, auf die kreuzenden Beine gesunken,
Die das räumige Kleid umfing, und der wallende Kaftan
Deckte, mit Zobel umbrämt. Sein finsteres Auge, beschattet
70   Tief von des Tulbans Bund, hing starr am glänzenden Estrich,
Und er regte sich nicht, voll Grams hinbrütend, ein Schaubild
Wechselnden Erdenglücks und leichtentschwindender Hoheit.
Jetzo vernahm er den Tritt des nahenden Herrschers. Er bebte,
Sank auf die Knie', und rief, mit tiefergreifender Stimme:
75   »König des Abendlands, dir wirft sich ein König zu Füßen,
Gleich den Sclaven, die einst vor ihm zum Staube sich bückten!
Ach, ein König nicht mehr: ein Flüchtling zu Land' und zu Wasser,
Freundlos, reich nur an Gram und an Haß unzähliger Gegner,
Fleht er um Hülfe zu dir – ein Würdiger, so du verzeihest,
80   Christenbeherrscher, daß er im Gesetz des Propheten geboren...«
Also der König: da hob, im Innern erschüttert, der Kaiser
Schnell von dem Boden ihn auf. Er drückte, freundlichen Blickes,
Ihm die zitternde Recht', und entgegnet' ihm rasch und entschlossen:
»Sey willkommen im Abendland! Den Glauben, o Fremdling,
85   Wägt ein Höh'rer, denn wir; doch Menschen ist heilig das Unglück:
D'rum verkünde das deinige jetzt mit Muth und Vertrauen!«
Hassan staunte mit Thränen ihn an, und als er, zum Zeichen
Innigen Dankes, den wogenden Bart mit der Linken berührte –
Segnend die Recht' erhob, begann er mit Muth und Vertrauen:
90   »Gott, der Alles erschuf, und die Erde mit allen Gestirnen
Lenkt, allmächtigen Winks, gewähre dir Fülle des Segens,
Weil du, o Herr, den Flehenden ehrst, den mitten im Frieden
Hairaddins Meuchelschwert, noch rauchend vom Blute der Fürsten,
Jüngst aus dem Erbe der Väter vertrieb. Er raubte Telmessans,
95   Algiers Thron: hier Selim Euthemi, den König, erdrosselnd,
Dort erwürgend zugleich Abu-Hamu, den Herrscher, und Masud,
Dem er die Krone verhieß, mit sieben aufblühenden Söhnen.
Soll, Hohn biethend dem Recht, noch Huldigung lohnen dem Frevel?
Wehe, Suleyman,Solyman II. (Suleyman, der Prächtige benannt) folgte Selim I., seinem Vater, im Jahre 1520 in dem türkischen Kaiserreiche nach. Nie ist dieses Reich auf einer glänzenderen Stufe der Macht und des Ruhmes gestanden, als unter diesem, durch Herrscherweisheit und Thatkraft ausgezeichneten Fürsten. Im Jahre 1521 eroberte er Belgrad, und im folgenden Jahre die Insel Rhodus, von wo er die Johanniter-Ritter vertrieb. Im Jahre 1526 gewann er in der Schlacht von Mohatsch den Sieg über den König der Ungern, Ludwig II., der sammt seinem Pferde in einem Moraste zu Grunde ging, und, nachdem er einen großen Theil von Ungern in seine Gewalt bekommen hatte, rückte er im J. 1529 vor Wien, von wo er nach einer vergeblichen Belagerung, da der Kaiser, Carl V., mit einem Heere näher gerückt war, sich schnell nach Ungern hinabzog. Er starb daselbst am 4. September 1566, bei der Belagerung der Veste Sigeth, die Niklas Zriny, ein zweiter Leonidas, so heldenmüthig gegen ihn vertheidigt hatte, im 72. Jahre seines Alters, und im 46. seiner Regierung. (Paul Jov. in Solim.) der große genannt von niedrigen Seelen,
100   Ehrte des Räubers That, und gab mein herrliches Erbland
Ihm zum Lohn', als schändlicher Treubruch auch in des Bruders
Herzen die giftigen Keime geweckt! Al-Raschid, der Frevler,
Zwillinggeboren mit mir, denn liebend säugt' uns die Mutter
Selbst an der zärtlichen Brust, dem grauenden Vater zur Wonne,
105   Eilte nach Istambul,Istambul, Stambul, nennen die Türken die Stadt Constantinopel. ein Flüchtender, frecher Empörung
Strafe scheuend. Sie ward ihm dort: denn meuchlingsgemordet,
Fröhnt' er nur Hairaddins List, der schnell Goletta, die Festung,
Dann auch Tunis gewann, im Nahmen des Todten gebiethend,
Welchem das Volk anhing, das immer der Neuerung hold ist.
110   Schwer entrann ich des Wüthrichs Hand, und beuge mich jetzo
Tief im Staube vor dir, Hispania's mächtiger König,
Daß mir werde der Väter Thron im Kampfe der Rettung
Tausender, den du beginnst! Dein sey von Tunis die Herrschaft –
Muley Hassan, Mehemeds Sohn, dein treuer Vasall nur.«
115   Doch mit der Recht' an der Brust begann dann jener, betheuernd:
»Frei zu kämpfen mein Volk – zu rächen die Schmach und die Freveln,
Die von dem frechen Korsaren es litt an den heimischen Küsten
Und auf dem Meer, das segenspendend die Welten vereine,
Sey mir das heilige Ziel im Waffengefilde vor Tunis.
120   Dein ist der Ahnen Thron, und soll dir werden je Freiheit:
Deß' sey Gott, der allwissend', ein Zeug', und ein Rächer des Meineids!«
Also rief er, bewegt, und Hassans finsteres Antlitz
Leuchtete gleich dem Mond, der Wetterwolken entschwebte.
Gastlich sah er sich dann im hohen Palaste beherbergt.

125  

Aber zum heiligen Dom' hinwandelte jetzt in des Abends
Stille der Kaiser allein, um dort, auf die Kniee gesunken,
Seine Seele mit Muth und Stärke zu rüsten. Er flehte:
»Ewiger, dein allmächtiger Arm hat Israels Scharen
Durch die Tiefen geführt des seitwärtsweichenden Meeres,

130   Daß sie die Fluthenwand entlang, wie auf grünenden Matten
Wandelten! Schnell, wie ein Sturm herbraust, so stürzte dein Odem
Ueber Pharao's Macht die Wässer zusammen, daß alle,
Mann, und Wagen, und Roß, wie Blei versanken im Abgrund.
Deinem allmächtigen Hauch' erbebten Jericho's Mauern,
135   Und versanken in Schutt, als Josua's Volk sie im Sieg'sruf
Seiner Drometen umfing. Ich ziehe zu Felde: gewähre
Mir ein Zeichen der Huld und der beifallwinkenden Allmacht!«
Also bethet' er leis'. Aus den farbigen Scheiben des Fensters
Flog ein leuchtender Strahl der Abendsonn' ihm vorüber;
140   Aber zugleich ein Glanz, dem tausende Sonnen verlöschen,
Flammte mit Donnergetön' in dem Allerheiligsten nieder,
Und des unendlichen Doms aufthürmende Säulen erbebten.
Leise wogte der Grund. Aus der silbernstrahlenden Orgel
Töneten hehr' Accorde heran, und Gesänge des Himmels,
145   Wie kein Sterblicher sie noch vernahm, verhallten im Luftraum.
Aber der Bethende schloß die lichtgeblendeten Augen:
Denn nur ein leises Weh'n, die erblassenden Wangen vorüber,
Fühlt' er noch, und Schauder der nahen Vernichtung ergriff ihn.
»Ha, welch' Wunder,« er rief's, »da sinkt die sterbliche Hülle,
150   Die mich im Staub' umgab, entseelt in lieblichen Schlummer,
Und ich entschweb' ihr verzückt? Wie, war's ein täuschender Traum nur,
Oder ein Nachtgesicht, aus Himmelsdufte gewoben?«
Wie der schwebende Flaum, gerafft vom Hauche des Windes,
Schnell zum Gewölk auffleugt: so hob sein geistiger Leib sich
155   Leicht von der Erd' empor, und schwebt' im sausenden Eilflug
Ueber dem Luftraum schon, den keiner der Erdebewohner,
Lebend, durchschifft': er mißt', urplötzlich, Besinnung und Odem.

Jetzt an dem holden Gestirn, das sonst die Nächte des Erdballs,
Wechselnd, mit silbernem Schimmer erhellt, erbrauste sein Aufflug.

160   Dunkeles Land mit glänzenden Meeren, und Strömen, und Flüssen,
Däucht' ihn, umgeb' auch hier den rastloskreisenden Mondball,
Und ihn däucht': er hörte das Rauschen der brandenden Wogen,
Mächtigbevölkerter Städte Getös', und, dem Brüllen der Heerden
Rings vermengt, Geschrei der befiederten Lüftebewohner.
165   Doch er verweilt', und staunte, daß alle die Länder des Erdballs
Und das umgürtende Meer ihm jetzt ein schimmernder Punkt nur
Schien in des Weltalls Raum, dem Ozean flammender Sonnen,
Sonder Gestad' – endlos nach oben, nach unten, und ringsum:
Denn, wie in heiterer Nacht, wo jegliches Lüftchen verstummet,
170   Und im sanftergossenen Licht der silberne See ruht,
Innig bewegt, ein Wanderer bald den schimmernden Aether
Ueber sich schaut, und bald in des See's hinfluthendem Spiegel,
Tiefhinuntergewölbt, ihn erblickt mit den goldenen Sternen:
Also ersah der Bebende dort die unzähligen Welten,
175   Schimmernd, und dacht', ohnmächtig im Aethergefild zu vergehen!
Aber ihm nahete jetzt, voll Hast, der Himmlischen Einer.
Lieblich strahlte sein Aug' und sandte dem Erdebewohner
Zärtliches Mitleid zu. Holdseliges Lächeln umschwebte
Seinen rosigen Mund; es wehten die goldenen Locken
180   Ihm um die denkende Stirn' und die Flammensäule des Nackens,
Und vom glänzenden Leib, in Fülle der ewigen Jugend,
Wallte das Strahlengewand wie morgenröthlicher Schimmer.
Als er den Fremdling sanft erhob, begann er, voll Anmuth:
»Fürchte dich nicht! Unzählbar blüh'n in den Auen des Himmels
185   Dir die Blumen der ewigen Huld: du pflückst sie mit Andacht,
Und sie duften dir noch, erquickend, im irdischen Leben,
Daß du erringest das Ziel auf gottgefälliger Laufbahn.«
Sagt' es, und faßt' ihn, und schwang sich mit ihm, urplötzlichen Fluges,
Eilender stets, im Glanz' ätherischer Räume herunter.
190   Nicht das lastende Blei, von der Zinne des Thurmes geschleudert,
Sinket zur Erde so schnell; nicht der Sturm umbrauset des Erdballs
Unermeßliche Reiche so rasch, und des Menschen Gedanken
Dringen nicht also geschwind vom eisigen Nord- zu dem Südpol:
Als der Hocherhobene jetzt, an der Seite des Freundes
195   Aus ätherischen Höh'n zur heimischen Erde herabsank.
Und, als hätt' er Jahrhunderte schon in des schnellen Herabflugs
Augenblicken durchlebt, so wähnt' er: ein irrender Fremdling
Diesseits noch, und gebannt in des Fleisches umschränkende Hülle.

Da, wo in engerer Bahn, an Siziliens Felsengestaden

200   Und Calabriens Klippen vorbei, sich die salzige Meerfluth
Strömend ergießt: traf jetzt mit sanften, melodischen Tönen,
Brausender Wogen Gebrüll' und wirbelnder Fluthen Getümmel
Sein aufhorchendes Ohr, und seine erheiterten Augen
Hafteten sehnsuchtsvoll an der dampfenden Kuppe des Aetna:
205   Denn, nur eben entrückt dem mildbefreundeten Leben,
War ihm die Erde noch stets die liebe, die trauliche Heimath.
Doch auf den schwindligen Höh'n, wo Stille herrscht, und des Wand'rers
Ohren kein Laut erschallt, wenn dort nicht der einsame Gemsaar,
Von dem mittleren Raum, mit kreischender Kehle, sich aufschwingt;
210   Wo in des Frühwinds frostigem Hauch nur gelbliches Steingras
Rauschet, und gleißt, und am Felsenkamm kein Rasen ergrünet:
Dort erblüheten jetzt rings her die erlesensten Blumen –
Nickten, und trugen die beiden vereint auf den schimmernden Kelchen
Sanft von der Erd' empor, und verbreiteten Düfte des Himmels.
215   Doch der Unsterbliche sank auf die Knie', und sah zu dem Lichtreich
Flehenden Blickes empor, die Stimme des Herrn zu vernehmen.
Und sie erscholl leis' erst, wie ein Frühlingslüftchen die Blüthen,
Lispelnd bewegt; dann ähnlich dem Sturm, der hoch zu den Wolken
Stäubet die Felder, entwurzelt den Forst, und empöret den Waldstrom,
220   Daß er mit schwellendem Grimm' ausbricht in die Fluren und wüstet
Thäler und Hügel umher, zu trauererregendem Anblick;
Wie der furchtbare Donner, der des umnachteten Himmels
Eh'rnes Gewölb, weithin, durchbrüllt, und mit krachenden Schlägen
Dumpf fortrollt, und murrt, daß die Vesten erzittern des Erdballs:
225   Also, Vernichtung drohend, erscholl's dem sinkenden Fremdling,
Als der Ewige sprach; doch jener vernahm's mit Entzücken.
Wie der leis' Erwachende horcht, wenn nächtliche Lüftchen,
Flisternden Hauchs, die Saiten der Aeolsharfe durchsäuseln,
Und der entzückende Klang in den stillen Räumen dahinstirbt:
230   Also horchte der Himmlische. Doch nun hob er den Fremdling
Liebend an seine Brust, und drückte die rosigen Lippen
Dann mit erweckender Gluth an seine geschlossenen Wimpern.
Staunend blickt' er umher: er sah durch Thränen der Wonne,
Fest an den Busen des Holden geschmiegt, die Gefilde des Himmels
235   Plötzlich enthüllt, und stand verloren in seliger Anschau.
Wie in des eisigen Winters Zeit, wenn düstere Nebel
Lange die Thäler umher, dicht lagernd, verhüllten, der Ostwind
Sausenden Flugs anstürmt, und die lästigen ferne verscheuchet:
Da glänzt herrlicher noch der hochaufwölbende Luftraum,
240   Und der bereifte Wald erhebt von den starren Gebirgshöh'n,
Schimmernd, das Haupt – hell glühet der Strom im sonnigen Thal fort:
Also zerfloß auch hier, vor den Augen des staunenden Fremdlings
Leise die Wolkennacht, und er sah... wer wagt' es zu sagen,
Was er geseh'n, gehört, und gefühlt in den Tiefen des Herzens?
245   Nur in dem Augenblick, wie er uns auf Erden entschwindet,
Wurden die hohen Gesicht' ihm enthüllt: im duftigen Goldglanz
Schwanden sogleich vor seinen Blicken die Räume des Himmels.
Aber er stand, und starrte noch immer, erschüttert, vor sich hin,
Wie der Wand'rer im strahlenden Blitz die nächtliche Gegend
250   plötzlich erhellet schaut, dann blind hinstarrt in die Sturmnacht.
Und der Unsterbliche rief ihm jetzt ermunternden Blickes:
»Sohn des Staubes, o nie vergiß der Huld des Erbarmers,
Die zu Gefilden dich hob, wohin kein sterbliches Aug' noch
Drang. Lobsinge dem Herrn, dem einigen Lenker des Weltalls!
255   Hier auf den dampfenden Höh'n verkünd' ich dir seine Beschlüsse,
Wie erst zuvor mein Ohr sie vernahm in unsäglicher Wonne.
Er durchschaute dein Herz, das heiß für unzähliger Völker
Wohlfahrt schlägt, und jetzt den Sclaven Errettung bereitet.
Schön ist der Kampf für Recht und des Menschen heilige Freiheit;
260   Gottgesegnet der Muth, die schmähliche Kette zu brechen,
Die der freche Tyrann, im Wahnsinn höhnenden Stolzes,
Jenen ersann, die Brüder ihm sind, und Erkor'ne des Himmels.
Herrlichen Sieg gewähret dir Gott; erkenne dieß Zeichen
Seiner unendlichen Huld und der beifallwinkenden Allmacht.«
265   Jener beugte die Stirne zum Staub'; erhob sich, und sah dann
Freudig empor: sein Aug' erglänzte von Thränen des Dankes.
Jetzt ergriff er die Hand des Himmlischen, starrte verwundert
Noch in die Lüfte hinaus, und sprach mit leiserer Stimme:
»Ringsum sah ich die Luft von Scharen unsterblicher Geister
270   Wimmeln, und dort die Wege der Sterblichen gierig erforschen.
O, verhehl' es mir nicht: was sollen die hohen Gestalten,
Die, verdunkelt, nicht dir, nicht mir, dem Fremdlinge, gleichen?«
Und der Unsterbliche rief mit ernstumwölketen Augen:
»Erdebewohner, du wolltest erschau'n des unendlichen Weltalls
275   Tiefen und Höh'n; dich kühn auf der Stufenleiter der Wesen
Schwingen hinauf und hinab, und erkennen, wie Glied sich auf Glied dort
Reih' an der Kette, mit dem die allmächtige Rechte des Ew'gen,
Alles, was athmet, und lebt, und was nicht lebet, noch athmet,
Liebend umschlungen hält? Du sänkest zurück' in den Urstaub
280   Vor dem Geheimniß des All's, dem selbst der Cherub erbebte.
Sieh', in des Himmels Höh'n ist Seligkeit; tief in des Abgrunds
Höllengefilden ist Qual: auf immer dort dem Gerechten
Unaussprechlicher Lohn, hier Strafe verhärteten Frevlern!
Aber inmitten der scheidenden Bahn des Heil's und Verderbens
285   Dämmert der Pfad der Läuterung noch: ihn wandeln die Seelen,
Schuldig des leichteren Fehl's aus Irrthum, oder Verblendung,
Dem auch jene Unglücklichen dort einst fröhnten auf Erden,
Daß sie, gereint, der hohen Erbarmungen würdig erscheinen,
Wenn in des Richters erhobener Hand, an dem letzten Gerichtstag,
290   Furchtbar die Wag' ertönt. Sie wandeln den läuternden Weg noch.«
Sagt' es, und jener begann voll Hast: »Wo weilen die armen?
Ueber der Erd' umher, nicht ferne der Menschen Gemeinschaft,
Oder fern' im Verborgenen?« Doch, die lichte Gestalt rief:
»Als das »Werde!« erscholl: da brausten die endlichen Wesen
295   All', erschaffen aus Nichts, von des Herrn allmächtigem Odem
In den unendlichen Raum geschleudert, mit Donnergetös' hin.
Aber im kreisenden Flug vereinte sich Sprödes und Weiches,
Erd' und Gestein, und strebte hinaus, zur äußersten Rundung
Sich zu dehnen. So ward im finstern Schooße des Erdballs
300   Weitverbreitete Leer' umwölbt, die nimmer der Sonne
Strahlender Blick erfreut, nie Sterngefunkel und Mondglanz.
Dort verweilt nicht selten die Schar der trauernden Geister,
Deren so manchen du erst in den schimmernden Lüften erblickt hast;
Doch sie nah'n, zuweilen den nächtlichen Räumen entschwebend,
305   Gerne dem Menschen als Freund', und suchen ihm Hülf' und Errettung,
Kraft, und Muth, und, was sie noch sonst an edler Gesinnung
Einst in dem Leben erhob, in die horchende Seele zu hauchen:
Denn sie erkennen schnell der Seelen geheimste Gedanken,
Sterblicher Hüll' entrückt; sie schauen des irdischen Lebens
310   Reinern Gehalt, und ihr Herz erglüht in heiliger Sehnsucht
Nach dem erquickenden Segensborn des Guten und Wahren.
Bald in dem Schlachtengemeng', umschweben sie dich und die Deinen
Hülfreich; aber du kennest das Wort des ewigen Lebens:
Solchem vertraue allein mit nie zu erschütterndem Herzen.«
315   Sprach's, und die Stimme des Helden erklang, wie Harfengelispel
Tönt in des Mondes Zauberlicht, wenn alles entzückt horcht;
Doch sie erscholl, wohl hundert vereinten Donnern nicht ungleich,
Welchen die Erd' erbebt, als, über dem flammenden Abgrund
Schwebend, er jetzt die tieferschütternden Worte hinabrief:
320   »Geister, herauf! Euch winkt die ersehnete Stunde vor Tunis.«
Und ein lautes Getös' erscholl in den Tiefen des Erdballs.
Wie, vom stürmenden Wind' empört, sich Wogen auf Wogen
Stürzen; Geheul und Gebrüll der schrecklichen schallt, und die Küsten
Ringsumher dem wilden Tumult stets lauter erdrönen:
325   Also erhob, und mehrte sich tief in der Wölbung des Erdballs
Dumpfes Gemurmel zuerst, und sofort unendliches Jauchzen.
Schauernd wogte der Grund; aufrauschten des Meeres Gewässer;
Finsterer quoll der Rauch aus dem Schlunde des Berges; die Flammen
Prasselten hoch in die Luft, und die glühenden Fluthen der Lava
330   Braus'ten herauf und hinunter, im Flug durchwüthend den Abgrund.

Eilend erhob sich nun der Herrliche, der ihm der Geister
Reich enthüllt', in die schimmernde Luft, und, leiseverhallend,
Tönten vom Aethergefild noch die lieblichen Worte herunter:
»Senke dich durch den Schlund, durch Qualm und flackernde Flammen

335   Muthig hinab zur Höhl' in Schooße des dampfenden Aetna,
Und erringe das Ziel nach der hehren Geistesverzückung.«
Weinend hob nun jener den Blick zu dem seligen Freund' auf,
Der, umstrahlt vom Glanz unsterblicher Seelengemeinschaft,
Fern' in den Lüften schwand, und fuhr jetzt, brausenden Fluges,
340   Nieder im finstern Schlund durch Qualm und flackernde Flammen,
Bis in dem Zwielicht weit vor seinen Augen der Eingang
Klafft', und die Höhle sich wies in angsterweckender Anschau!
Furchtbar wölbte die Felsenwand aus schwindligen Höhen
Höher sich auf. Es jagte zuweilen der wirbelnde Zugwind
345   Tief in den Riesendom die Flammensäule; sie hob sich,
Züngelnd, die Wände hinan, und leuchten hoch in die Nacht auf;
Doch erflog ihr fernster Schimmer des nächtlichen Dunkels
Hälfte noch kaum, das endlos herrscht' in des Felsens Umwölbung.
Hier nicht weilet die Ruh', und athmet nicht liebliche Stille;
350   Rastlos tobt – aufbraus't im Sturm, der kochenden Lava
Urstoff: Erz im Gestein, und Schwefel, mit dunkelem Erdharz
Gährend, zur Wolkenhöh', an des Berges geöffneten Rachen.
Donnernde Ström' entstürzen rings den Schluchten; sie rauschen
Tief in des Abgrunds Nacht, und wälzen, dem berstenden Kerker
355   Unten entfloh'n, zum Meeresgestade die finstere Fluth fort.
Ihrem Sturz' erdrönet die Höhl', und vom eisigen Abgrund
Fleugt Entsetzen, Frost, und Schauder in Windesgeheul auf.

Dorthin, kommend herab aus dem übersinnlichen Luftraum,
War ihm Muhamed erst, umringt von Scharen der Geister,

360   Die er entboth, voraus in die schaurige Höhle geflogen.
Ueber der allbelebenden Luft, die rings an dem Erdball,
So an dem Mond', und den endlos hin entflammten Gestirnen,
Schwimmt umher, erhebe sich der übersinnliche Luftraum
Dräuend in seiner Leer', und unwohnbar sterblichen Menschen:
365   Denn, wie, umhüllt vom glockengestalten Glase, der Sperling
Schnell das Leben verhaucht, wenn wißbegierige Forscher
Schonungslos ihm rauben die Luft mit den künstlichen Pumpen
Also würd' in des Menschen Brust urplötzlich das Leben
Stocken, der in das Uebersinnliche kühn sich erhöbe;
370   Aber des sterblichen Leibes beraubt, bewohnen die Fürsten,
Mächt', und Gewalten des ewigen Feind's, auf Arges gesinnet,
Solches mit Lust: Verworf'ne vom Herrn, die am letzten Gerichtstag
Dann mit dem Tode ungleich, dem letzten der Uebel, vergehen.Die heiligen Urkunden sprechen von einem Orte der ewigen Seligkeit, wohin die Guten kommen, und von welchem die Bösen auf immer ausgeschlossen bleiben. Aus ihnen schöpfte die Allgemeine Kirche die Lehre von einem Mittelzustande, von jenem der Läuterung, durch welche der Uebergang zu jenem möglich wird. Ueber alle drei ist in dieser Kirche, seit der ersten Zeit ihrer Verbreitung bis zu dem heutigen Tage, ein, und derselbe Glaube geblieben, welchen sie bestimmt, und deutlich gelehret hat In Bezug auf dieses dreifache Geisterreich, von welchem die Kirche Beschreibungen zu geben, weder konnte, noch wollte, ließ sie auch einige Stellen in den Briefen des Apostel Paulus unberührt, die mit jenem in Verbindung gebracht werden konnten. Dieß sind die Stellen, in welchen er von den, im Luftraum wohnenden Geistern spricht, und auf welche der Sänger der Tunisias, und des Rudolph von Habsburg, sein Wunderbares im Epos, (nicht als Exeget, sondern als Dichter) gegründet hat. Im Brief an die Epheser VI. vom 11.–13. Vers (»Ziehet an die volle Rüstung Gottes, damit ihr stehen könnet gegen die Nachstellungen des Versuchers: denn unser Kampf ist nicht wider Fleisch und Blut, sondern wider Fürstentümer, Gewalten und Weltherrscher der finsteren Gegenwart: wider die bösen Geister im Uebersinnlichen«) ist von Geistern die Rede, die böser Natur sind, und gegen deren Einflisterungen der Christ zu kämpfen hat. Vorher, III. Cap. 10. V. (»Damit den Mächten und Gewalten, im Uebersinnlichen, durch die Kirche« – die Bekenner der christlichen Lehre, »die mannigfaltige Weisheit Gottes bekannt werde«) spricht er aber von solchen, welchen auf dem Pfade der Läuterung ein Aufschreiten vergönnt zu seyn scheint. Besonders die erstere Stelle fände ihre Erläuterung in jener im I. Brief an die Chorinther XV. Cap. 24. V. &c., wo Paulus von dem Weltende spricht: (». . . Dann ist das Ende, wenn Gott die Fürsten, Mächte und Gewalten« – im Uebersinnlichen – »außer Wirksamkeit gesetzt haben wird. Das letzte aber, was sein Ende erreichen soll, ist der Tod.«)

Daß diese Stellen in den Briefen des Apostel Paulus schon in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung auf eine ähnliche Art ausgelegt wurden, beweisen die merkwürdigen Worte des größten Schriftauslegers aller Zeiten, des h. Hieronymus, der zu obiger Stelle im VI. Cap. des Briefes an die Epheser, sagt: »Haec autem omnium Doctorum opinio est: quod aer iste, qui coelum et terram medius dividens, inane appelatur, plenus sit contrariis Fortitudinibus.« S. Hieronym. Comment. in Epist. ad Ephes. Q. 3. c. 5.


Dorther schwang mit Gefolg sich Muhamed, glühenden Blickes,
375   Jetzo herab. Er saß in der Höhl', auf dem ragenden Felsblock,
Ueber die Scharen erhöht. Der dunkelröthliche Schimmer,
Welchen der Flammenstrom entsandt' aus der Ferne des Eingangs,
Schwebt' in flatterndem Flug' an seinem blasseren Antlitz.
Feuer sprühte sein Aug'; in silbernkräuselnden Wellen
380   Floß ihm der Bart in den Busen herab, und die luftigen Glieder
Hüllet' in Schatten das Unterkleid und der wallende Kaftan.
Jetzt erhob er die Recht' an des Stirnbunds Zier; mit der Linken
Wühlt' er die Blätter des Korans auf: sie rauschten, den Stürmen
Aehnlich im Herbst, da ihr Hauch die trauernden Wälder entblättert.
385   »Hör' es, mein Volk,« so rief er, »was dir im nächtlichen Dunkel,
Ferne vom spähenden Blick' uns feindlichgesinneter Geister,
Meine Zung' enthüllt, und zeige dich würdig des Herrschers!
Unheil droht von Hesperiens Küsten dem Lande gen Aufgang –
Dieser erwählten Blum' im Kranz der Schöpfungen Gottes,
390   Dieser Perle der Welt, und der Wiege des Menschengeschlechtes.
Jüngst erhascht' es mein Ohr auf Deutschlands gährenden Gauen,
Die der Neuerung Flamme durchtobt: es sinne der Kaiser
Jenem ein schmähliches Joch, und sich weltherrschende Hoheit.
Seh't, was mich, den heimlichen Forscher, nur Täuschung bedünkte,
395   Fügt sich in Wahrheit schon! Er ruft, und rüstet die Völker
Rings zum Kampf, von den schimmernden Höh'n zu Tunis den Halbmond
Niederzuschmettern, und ha, fällt Afrika jetzo, gebändigt,
Seiner Gewalt: dann lechzt er wohl gar nach Asia's Herrschaft,
Daß er die heiligen Städte und dort der gläubigen Pilger
400   Freudiges Ziel, mein Grab, mit stolzer Ferse zerstampfe?
Aber nicht also gescheh's! Wir zieh'n, des edelsten Weltteils
Söhn', ihm entgegen, nicht scheuend den Trotz der Gegner im Luftraum,
Welche zuvor des Erdballs Schooß' entschwebten, und uns stets
Feindlichgesinnt, ihm bald mit thatenerweckendem Eifer
405   Beisteh'n: denn auch Hairaddins Brust, des treuen Bekenners
Meiner Lehre, will ich mit Kraft erfüllen und Kühnheit.
Jetzo nach Tunis geeilt, und nie vergesset des Wortes:
Wer das Eine nur will, fest will, der wird es erringen!«
Sagt' es, und hob sich empor. Ihm folgten unzählige Geister,
410   Jauchzend; aber es zischt' ihr Schrei nur schwach im Gewölb hin.
So, wie in dunkler Gewitternacht der einsame Wand'rer,
Keuchend, die Leucht' in der Hand mit halbverlöschendem Flämmchen,
Endlich die Höhle betritt im verborgenen Raume der Felswand:
Ihm umschwirren sogleich die Fledermäuse, geblendet,
415   Rings das Haupt, und er wankt erschrocken zurück nach dem Eingang:
Also bebte vor Angst der leis'aufhorchende Fremdling
Vor den flüchtenden Geistern zurück', und eilt', in des Tages
Lichte Gefilde zu schau'n nach schrecklicher Nacht der Verbannung.
Tief zerfleischte sein Herz, voll himmlischer Milde, des Sehers
420   Haßverkündendes Wort. Er saß, und drückte die Augen
Fest in die Hand, und sieh', es schwebten aus kommenden Tagen
Dunkler Ahnung Gebild' ihm vor: das wilde Gebären
Thatenschwangerer Zeit, und zerstörendes End' im Beginne!
Schatten floh'n, und kamen, und eilten vom wechselnden Schauplatz;
425   Aber, weit durchströmt von den schimmernden Fluthen der Elbe,
Hüllte sich Mühlbergs Heid' ihm auf. Er horchte dem Siegsruf;
Sah die ihn höhnten, besiegt, ihm die Knie' umfassen, und wähnte
Schon die Deutschen vereint nach des Glaubens schrecklichem Zwiespalt:
Wie, und er flieht dann bald im Grau'n der finsteren Sturmnacht,
430   Wehrlos, alt, und krank, dem nimmergeahneten Undank
Weichend, fort aus Tyrols, der Treue geheiligten Thälern?
Und so bald versah er das Ziel weltherrschender Hoheit?Die grundlose Beschuldigung, die der Sectenhaß so vielen, selbst ausgezeichneten Geschichtschreibern eingab, daß nämlich Carl V. nach der Alleinherrschaft in Europa gestrebt habe, ist dem Unpartheiischen wohl aus seinem ganzen Herrscherleben klar genug; doch findet er sie völlig widerlegt durch seine Lage nach dem berühmten Siege, den er bei Mühlberg (24. April 1547) über den Smalkaldischen Bund errungen hatte. Seine ergrimmtesten Gegner sanken dort überwunden zu seinen Füßen; seine spanischen Veteranen, mit vielen italienischen Scharen, standen ihm zu Geboth, und er – begnügte sich dem frechen Uebermuth, der ihn nur als Carl von Gent mehr gelten ließ, ein Ziel gesetzt zu haben, entließ seine sieghaften Scharen. baute auf Treu und Glauben: denn das hatte er wohl nie gedacht, daß sein Liebling, Moritz von Sachsen, den er an seinem Herzen groß gezogen hatte, so undankbar an ihm handeln würde, und gerieth, von diesem mit einem Ueberfall bedroht, schon fünf Jahre (J. 1552) nach jenem Siege, in solche Gefahr, daß er sich, von Gichtschmerzen gefoltert, in einem Tragsessel noch in der Nacht von Innsbruck fort über die Gebirge nach Kärnthen, als ein Flüchtender, mußte tragen lassen.
Aechzend erhob er den Blick: die trüben Gesichte der Zukunft
Schwanden in Nacht; er floh, und kehrt' in die sterbliche Hülle.

435  

Sieh', und es regte sich nun der schlummernde Kaiser! Ihm pochte
Hörbar die Brust; sein Athem flog, und häufiger Schweiß rann
Ihm von der glühenden Stirn'. Er blickte lange verwundert
Rings in den Hallen umher, und sann, ein wachender Träumer.
Jetzt ein dämmernder Strahl, und jetzt – kaum wagt' er's zu denken,

440   Was so erhaben und groß vor seinem Geiste dahinschwand,
Und ihn entzückte zuvor: ihm drohte vernichtende Wonne,
Und, was unhörbar war den Ohren sterblicher Menschen,
Barg für immer sein treues Gemüth. Nie lächelt' er wieder
Und sein sehnender Blick hing stets an dem Bilde des Grabes.
445   Doch nun kehrt' er heim in die Burg, und Stille war ringsum.

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