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Siehe, der Kaiser entboth im mitternächtlichen Dunkel Noch in die Königsburg Hispania's hohe Cortezza: Denn kein Schlummer umfing sein glühendes Auge; des Kampfes Nahender Augenblick und die drängende Sorge der Rüstung |
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5 | Scheuchten ihn fern': er sah, und hörte nur Sieg und Errettung! Jene harrten im prächtigen Saal des edelsten Herrschers. Nun, da er kam, entfuhren sie alle den schwellenden Pfühlen; Blößten vor ihm, verneigend, das Haupt, und deckten es wieder, Würdigen Ernstes voll, nach altherkömmlichem Vorrecht. |
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10 | Aber er schritt im Gefolg der Großen und Edeln zum Thron' auf, Deß' erlesene Pracht mit Staunen erfüllte den Fremdling. Schwarz aufragte vom Dach der Doppel-Aar, mit dem Zepter Und mit der Krone geschmückt, voll hellaufblitzenden Demant's, Den der Hindou dem Schacht' entriß, und der bataver Künstler |
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15 | Glättete, ringsumher verzierend mit schimmernden Kanten; Doch an dem Purpurtuch, vom Dach zu dem Sitze herunter glänzten die Wapen, vereint, von Gott gesegneter Länder, Die er beherrscht': ein Meisterwerk kunstfertiger Nadel. Dreizehn Königreich', umschlingend Castiliens Kronen, |
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20 | Wies, vorstrahlend, das Tuch zum Ruhme der spanischen Herrschaft; Unter ihm Austria's Schild: den schneeigen Gürtel im Blutfeld, Der in dem Kampf rein hielt von feindlichem Blute den Panzer Leupold, des Tugendhaften, vor Ptolemais: sein Denkmahl!Ortilo, dessen wichtige Fragmente von den Babenbergern, als Herrschern Oestreichs, Chrysostomus Hanthaler aufgefunden und bekannt gemacht hatte, sagt zu dem Jahr 1191 von Leopold dem Tugendhaften, unter anderm: »Da der Herzog bei der Belagerung (von Ptolemais) so tapfer focht, daß sein ganzer Körper, mit Ausnahme jenes Theils, den der Leibgurt umgab, mit Feindes Blut bespritzt war, so hat in der Folge der Kaiser, Heinrich VI, den Schild Oestreichs, in dem bisher fünf Lerchen zu sehen waren, geändert, und zeichnete solchen durch ein rothes Feld aus, das durch einen weißen Querbalken mitten durchschnitten ist.« Ortilo war ein Zeitgenosse Leopold des Tugendhaften, und vier Jahre darauf, bei seiner Begräbniß in heil. Kreuz, gegenwärtig. Spätere Schriftsteller, wie Cuspinian, Lazius &c. &c. sind anderer Meinung über die Bedeutung dieses Wapens. (Siehe Fast Campil. T. I. pag. 434, und Recens. Dipl. Geneal. Arch. Campil. pag. 196. Rechts, im schönen Verein von sechs verbrüderten Reichen, |
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25 | Ungerns doppelten Schild; vier Ströme durchfluthen den einen – Aber das Haupt der Karpathen hebt, dreizackig, im andern Ueber dem fruchtbar'n Land, das tapfere Völker bewohnen, Schimmernd, die Kron' und das Doppelkreutz, von Silber, zur Luft auf. Links, in dem rothen Feld Bohemia's silbernen Löwen: |
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30 | Eines löwenmüthigen Volks hochrühmliches Zeichen. Tiefer, im grünen Feld den flammensprühenden Panther: Stiria's eisenerzausschmelzenden Essen zu Ehren; Dann Carinthia's Leu'n und Pfeile, des trefflichen Landes, Wo das Blei ausbeutet der Bergmann: schrecklich ersetzte |
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35 | Tödlichschmetterndes Blei die Pfeil' im Felde der Waffen; Dann, aufstrebend zur Sonnenbahn, Carniolia's Adler – Morawa's Aar, und Tyrols, der Treue geheiligter Länder. Aber der Löwe Brabants, im Schooß umgränzender Gauen, Zeigt uns im hehren Ruhm des edelsten Kaisers Geburtsland. |
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40 | Ihm zur Seite verschlingt Lombardia's Schlange den Mohren; Ihn umgibt Neapoli's Lilienglanz, und ihm huldigt, Jugendlich schön aus des Meeres Fluth aufschwebend, des Morgens Freundlicher Strahl und erhellt Amerika's winkenden Meerstrand. Dort die Stufen hinan, die ein niederländischer Teppich |
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45 | Hüllet, schön im Geweb' darstellend die Freude des Weidwerks, Schritt der Kaiser. Er stand, gewendet, im Glanze des Thrones; Blickte nach Allen umher, und, als er auf blähenden Purpur Nieder sich ließ, begann er mit sanfterglühenden Augen: »Edle des Reichs, und Räthe! Der Tag der Christenerrettung |
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50 | Ruft zu dem heiligen Kampf Europa's vereinte Geschwader, Und, entfaltend am Maste die Flagg' und die wehenden Wimpel, Harren die Völker, vereint, der Abfahrt donnerndem Wink nur, Daß sie im Felde des Ruhms, vor Tunis, am frevelnden Räuber Rächen die Schmach, und dem schrecklichen Joch' entreißen die Brüder. |
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55 | Laut ruft uns Barcellona's Gestad, wo dort auf des Meer's Höh'n, Nun gerüstet zur Schlacht, nun wehrlosen Küstenbewohnern Jammer dräuend und Noth, sein Raubgeschwader sich zeiget. Gottes Segen mit uns und dem Lande. Mein endlicher WilleIn dem Werkchen: Eutropii Diarium Expeditionis Tunetanae a. 1535, die in der Sammlung »Scriptores Rer. Germ. per S. Schardium,« Gießen, 1673, enthalten ist, wird ausdrücklich gesagt, daß der Kaiser während seiner Abwesenheit die Regierung Spaniens seiner Gemahlinn, Isabella, übergeben, und sogar sein Testament hinterlassen habe: »priusque Madritio discederet, omnibus adhibitis solemnitatibus testamentum suum condidit,« pag. 321. Liegt gefertigt im Schrank: so im heiligen Kampf' ich erläge, |
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60 | Und nicht wiederkehrte zu euch, zur liebenden Gattinn, Und zu dem Sohn, der einst, so Gott will, würdig den Zepter Führe nach mir, vor allen Hispania's Ländern zum Frommen. Eurer Sorgfalt, Treu', und Liebe vertrau' ich die beiden Jetzt, und scheide getrost: sie sind da trefflich geborgen.« |
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65 | Also der Fürst. Da quoll's von Thränen im Auge der Edeln; All' entfuhren der Bank, und streckten die Händ' ihm entgegen. Wie der Gießbach rauscht, der hoch vom dauernden Regen Angeschwollen, dem Felsenbett' entstürzet, und rastlos Rasselnde Kiesel wälzt, und Felsengerölle mit fortreißt: |
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70 | Also erscholl in dem Saal' ihr lauterbrausender Zuruf; Doch bald hier, bald dort ertönt' er vernehmlicher, lauter: »Kehre beglückt uns heim, und herrsch' in dem Segen der Völker, Allgeliebter, noch lange! Mit strahlenden Lorbern des Sieges Kommt Europa dir bald, dem Retter, entgegen, und jauchzt dir |
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75 | Lauten Triumph in der Glocken Getön' und des ehrnen Geschützes Freudigen Donnerhall: dein Ruhm erfüllet den Erdkreis.« Aber er stand, erschüttert, am Thron', und sandte nach Allen Heiden Dank aus der Himmelsbläue der glänzenden Augen, Eilte die Stufen herab, und ging. Aufflogen der Thüren |
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80 | Mächtige Flügel vor ihm; er schwand mit seinem Gefolg dann Fern' im Gang. Da kehrten zugleich die Großen des Reiches Nach der heimischen Flur, um dort in der einsamen Felsburg, Oder in menschenversammelnder Stadt noch heute zu fördern, Was zu dem Rettungskampf des Herrschers Wille gebothen. |
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85 |
Eh' in des Erdballs Schooß, in die düstere Wohnung der Trauer, |
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90 | Weit von dem Nacken, sein blitzendes Aug' und die glühenden Wangen Kündigten freudigen Muth und trostverheißende Bothschaft. Gierig forscht' er umher, die Freunde sogleich in den Scharen Gleichgesinnter Geister zu schauen, und er fand sie vereint dort. Hannibal,Hannibal, der Sohn des Hamilkar Barkas (geb. im J. 247 vor Chr. zu Karthago), nach seinem berühmten Zuge über die Alpen der Besieger der Römer an der Trebbia, am Trasimenus, vor Cannä &c., wurde bei Zama von dem ältern Scipio besiegt, und starb als Flüchtling in Bithynien (183 J. vor Chr.) in seinem 65. Jahre, nachdem er in seinem 26. den großen Kampf gegen die Römer begonnen hatte. (Polyb. L. III. c. 17 et 64. Livius. L. 21.) der dem RegulusRegulus (Marcus Attilius), um das Jahr 254 vor Chr. Consul von Rom, ward (siehe die folgende Anmerkung) in der Schlacht von Tunis gefangen, und von den Karthagern, wegen der Auslösung ihrer Gefangenen, mit noch andern Abgeordneten, nach Rom gesandt, wo er dem Senat, mit wahrer Römergröße, rieth, die Gefangenen nicht zu lösen. Er kehrte, seinem Eidschwur treu, als Gefangener nach Karthago wieder zurück, und soll dort, nach Einigen, grausam hingerichtet, nach Andern, eines natürlichen Todes gestorben seyn. (Polyb. Lib. I. – Liv. 17 et 18. – Palmerius, in Appian. pag. 151.) nah', auf schwellendem Mooswuchs |
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95 | Ruhte, erhob das Haupt, und rief ihm finster entgegen: »Freude verkündet dein Flammenblick, unbändiger Krieger! Wie, nur Kampf, Gewürg', und Schlachtengetümmel ergetzt dich Noch, das rastlos fort im Geschlechte der Sterblichen wüthet? Aber ich athme nicht Erdenluft, und meide, voll Unmuths, |
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100 | Seit Jahrhunderten schon, der Sonn' erfreuenden Anblick. Siehe, wir führen erneueten Streite ob würdiger Roma, Oder Karthago gedacht, und gehandelt, als Herrscherin? Roma Trat mit ehernem Fuß' allwärts die Blüthe der Menschheit Nieder, als Siegerinn, da Karthago der milderen Herrschaft, |
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105 | Segen pflanzend rings an den Küsten des Meer's, sich erfreute. O, ich hätte mein Vaterland und die Welt, die ergrimmend, Sie in dem Sclavenjoch ausmordete, schrecklich gerächt noch: Hätte nicht Haß und niedriger Neid die Scharen verweigert, Die ich entboth, euch, Wolfesbrut, ganz niederzuschmettern!« |
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110 | Regulus schwieg; doch Hermann rief den zürnenden Helden: »Schon seit lange versöhnt, und verbunden in traulicher Freundschaft, Wollet ihr euch denn heut' entzwei'n durch Worte des Haders? Laßt die Vergangenheit; nur, wie im zaubergewaltigen Spiegel, Gaukelnd, kommen, und flieh'n die buntvermengten Gestalten, |
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115 | Stehe vor eurem Gemüth' ihr grau'numhülletes Bild noch. Hört, was, tröstend für uns, der Erde Bewohner beginnen! Schon ist dem Heldenvolk zum fernentlegenen Tunis Offen die glänzende Bahn; schon waffnet der edelste Kaiser Scharen der Krieger am Meeresstrand, wo unzählige Schiffe |
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120 | Decken die schimmernde Fluth, und entfalten die Segel zur Abfahrt. Ein Welttheil entboth die Tapferen gegen den andern; Ringsum regt sich die Erd', und ihr denkt hier müßig zu weilen? Auf, wir wollen vereint hinzieh'n, und entflammen die Krieger Oben im Kampf! Gedenket des Ruhms entflohener Zeiten!« |
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125 | Hannibal schwang sich empor, und rief mit gewaltiger Stimme: »Fort, auf die Oberwelt! Ich will in dem Felde der Waffen Schauen die Helden der neueren Zeit. So herrliche Krieger, Als am Trasimen und vor Cannä die Erde gewahrte: Staunend den Söhnen des Sieg's, die werd' ich wohl nimmer ersehen.« |
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130 | Regulus stand, verdüsterten Blicks, und sagte den Beiden: »Möget ihr immerhin dem furchtbar'n Schlachtengetümmel Horchen mit Lust, und drängen, und treiben mit stachelnden Worten Eure Erwählten: nur wenig frommt's, nur wenig genügt's euch! Aber mich reizet ihr nicht, zu entfliehen den nächtlichen Räumen.« |
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135 | »Wie,« rief Hermann, »du bliebest zurück', und rings in Karthago's Hehrem Gefild tönt bald Siegsruf im Getümmel der Waffen? Sehntest dich nimmer zu schau'n die Heldenmaale der Vorwelt? Zwar es fing dich im Kampf der hochgesinnte Spartaner, Xanthippos,Xanthippos hieß der edle Spartaner, der Karthago einen glänzenden Sieg über Rom verschaffte. Nach der Niederlage von Eknomos, die jene im J. 254 v. Chr. zur See gegen die Consuln Cajus Sulpitius, und Attilius Regulus erlitt, ward sie von dem Letzteren, der in Afrika landete, und Tunis zu seinem Waffenplatze erkor, an den Rand des Verderbens gebracht. Da landete mit einem Schiffe griechischer Miethlinge auch Xanthippos, der von Gestalt unansehnliche, aber geist- und kraftbegabte Spartaner, von dem C. Sil. Pun. L. 6. singt:
Er machte den Senat auf die Fehler seiner Heerführer aufmerksam, übte das ihm anvertraute Heer nach griechischer Kriegskunde zuvor ein, besiegte die Römer in der Schlacht von Tunis, und nahm den Consul A. Regulus mit dem Ueberreste seines Heeres gefangen. – Ihm war das stolze Bewußtseyn genug: eine ganze Nation dem Untergange entrissen zu haben: denn er kehrte gleich darauf wieder nach seinem Sparta zurück. (Siehe Fr. Mich. Vierthalers vortreffliche Philosophische Geschichte der Menschen und Völker V. B. S. 306.) dem Volk Karthago's gebiethend als Feldherr: |
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140 | Doch du sühntest die Schmach, gabst hin die unschätzbare Freiheit Für dein Vaterland, und auf immer preist dich die Nachwelt. Komm', und folge mir, dort zu entflammen den Muth in den Schlachtreih'n!« Also der Held: da erscholl des Unsterblichen donnernde Stimme, Die von des Aetna Schlund durch wirbelnder Flammen Geprassel |
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145 | Brausend, die Scharen der Geister hinauf zum erwachenden Kampf lud. Neunmal umkreis'te der Donnerruf den unendlichen Raum dort; Neunmal erwiedert' ihn auch der Geister empörterer Jubel, Und die beiden entschwebten, vereint, und von Kriegern umgeben, Welchen sie einst geboten im Kampf, dem Schooße des Erdballs. |
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150 | Aber Regulus stand, verlassen von seinen Gefährden, Sinnend, allein, und blickte starr in die Tiefe hinunter. Jetzo wollt' er entflieh'n, um fern in des eisigen Nordpols Wölbung den glühenden Durst, der mächtig ihn drängte, zu stillen; Doch er entbrannte noch mehr: das Schmettern der Kriegesdrometen, |
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155 | Dann das Wiehern der stampfenden Ross', und der Würgenden Schlachtruf Töneten, wechselnd, um ihn, und von tausend Gebilden ergriffen, Stand er, triefend von Schweiß, und zitternd vor steigender Kampflust. Sieh', nun ballt' er die Faust, und rief mit gewaltiger Stimme: »Deutschlands Hort, so sagte zuvor der kühne Cherusker, |
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160 | Kommend herab von der oberen Welt, entboth Europa's Völker zur Heldenfahrt: viel tausend gefangene Menschen Aus des Räubers Gewalt, aus Schmach und Fesseln zu retten?... Weh', auch ich trug einst die schmähliche Kette! Sie both mir Ruhm und Lohn; doch fühlt' ich es oft in vernichtender Schwermuth, |
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165 | Wie in dem dumpfen Gewölb sie lastete, wo mich die Stunden Länger als Tag', und diese zu trägen Jahren gedehnet, Dünkten. Auch mir erscholl die höhnende Stimme des Wüthrichs – Drohte sein finsterer Blick stets größere Qualen; ich fühlte So die entsetzlichste: fern von der hochgesinneten Gattinn |
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170 | Und den Erzeugten, das Leben in Kerkersnacht zu verhauchen. Jetzo hinauf, hinauf nach Tunis, dem einstigen Schauplatz Dort unsterblichen Ruhms und herzzerreißenden Jammers, Daß ich vielleicht noch selbst Unglücklichen Hülfe gewähre!« D'rauf schwang er sich empor zu den sonnigen Fluren des Erdballs, |
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175 | Dort vor allen zuerst die düstern Gefilde von Tunis Wiederzusehen. Nicht wandt' er den Blick nach dem Felde der Waffen, Wo der Griech' ihn bezwang, Xanthippos, der in die Schlachtreih'n Sein' Elephanten gestellt – das Heer im Rücken bestürmend, Schnell die Reihen durchbrach, ihn fing, und Karthago den Sieg gab. |
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180 |
Nahe der Stadt, auf Felsen, erhob sich die thürmende Hochburg, |
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185 | Jammergestöhn! Wie ein Falk, der schnell aus den Lüften herabfährt, Weil er die girrenden Küchlein sah im Schatten des Hofraums, Fuhr der Lüftebewohner hinab, und schauderte, bebte: Denn in des Kerkers Nacht, in der Felsentiefe der Hochburg, Sah er, beim düsteren Schein der mattaufflimmernden Lampen, |
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190 | Bleiche, durch Moderluft und Hunger entfleischte Gestalten; Sah dort Qual und Verzweiflung zugleich auf den zuckenden Wangen Und im erloschenen Blick, der endlich zum grimmigen Hohn ward; Hörete Ketten-Geklirr, und dumpfes Aechzen und Stöhnen In dem Gewölb. Sie rückte heran, die Stunde des Jammers, |
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195 | Wo Medelin, der Renegat aus Genua's Landen, Forschend die Höhlen des Graun's durchschritt, und mit eherner Geißel Peitschte die Murrenden dort, nach Hairaddins schrecklichem Machtwort. Zorn erglüht' im Blick des edelgesinneten Geistes. Doch nun brauset' er über sie hin, und rief im Gelispel |
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200 | Dunkelen Geisterrufs: »Euch nahet ein Retter, erhebt euch!« Alle fuhren empor, und schreckliches Kettengerassel Scholl im Gewölb: nicht wußten die armen die Tröstung zu deuten. Doch er kehrte zurück, Hispania's Erd', und den Retter Dort zu erschau'n, der jetzt nah' war Barcellona's Gestaden. |
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205 |
Muhamed sah ihn. Er schwebt' im Gefolg' unzähliger Geister |
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210 | Bald erspähte sein forschender Blick den König der Hunnen. Ueber dem caspischen Meer, wohl tausend Meilen erhoben, Saß er im Wolkenzelt, so wie einst, von den Helden umgeben, Nach vollendetem Mahl. Der Söhne geliebtester, Ellack, Neigte sein Haupt ihm sanft auf die Schulter; der wilde Tuhutum |
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215 | Saß ihm zunächst; Zombor, der schreckliche Krieger, mit Tursol, Und mit Retel und Bojt, unbändigen Würgern im Schlachtfeld, Saßen im Kreis' um ihn her, dem liedergewaltigen Sänger Horchend, der, im Sturm des pochenden Busens, der Zither Saiten empörender schlug, und jetzt der herrlichen Vorzeit |
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220 | Helden pries in dem Lied', unsterblicher Thaten gedenkend, Daß sich des Ahnenruhms, gleich tapfer, erfreue der Enkel. All' aufhorchten ihm still'. Auf die bärtigen Lippen der Krieger Stürzte die schimmernde Thräne herab; sie wiegten das Haupt oft Bei des Gesangs Allmacht ergriffen von stürmischer Wehmuth. |
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225 | Muhamed braus'te herein; der Sänger verstummte; die Krieger Fuhren vom Sitz, da er so zum Kampf' aufboth den Beherrscher: Attila, auf, zur Rache, zum Sieg! Die mächtigsten Geister Hieß des Unsterblichen Ruf entfahren dem Schooße des Erdballs, Daß sie dem Christenvolk, nur uns zu verhöhnen entschlossen, |
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230 | Stehen als Retter im Kampf. Wir sollten es dulden? Der Blutschuld Denkest du noch, die Roms entartete Söhne nicht büßten, Wie dein eisernes Herz es gewollt? Und fuhr nicht der Römer, Trotzigen Blicks, erst hin, den Christen als Helfer zu nahen? Nun sey List dem Muthe vereint, stets wachsam die Rachgier, |
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235 | Schmach auf die Feinde gehäuft, und errungen der herrlichste Sieg uns.« Attila winket' ihm Beifall zu. Des schrecklichen Rohrwolfs Zähne, deß' zottiger Pelz ihm Rücken und Fersen umhüllte, Starrten von seiner Stirn', und tief, wie aus nächtlichem Schacht her Strahlet des Bergmanns Grubenlicht, ihm glommen die Augen |
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240 | Aus dem finstern Gesicht'. Er faßte den blutigen Säbel Tyrs,Tyr nach der nordischen Götterlehre, der Sohn Odins, und der tapferste unter den Göttern, wie es bei den Griechen Ares war, den die Römer Mars benannten. den einst (so kündet die Sage) der furchtbare Kriegsgott Selbst auf der Heide vergrub, daß seiner Gewalt nicht die Völker All' erlägen: umsonst! Der Schreckliche, der sich die Geißel Gottes im furchtbar'n Trotze genannt, entriß ihn des Feldes |
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245 | Tiefverhüllendem Schooß'. Auch jetzt aufschwang er das Eisen, Jauchzend, und eilte Muhamed nach. Unzählige Scharen Folgten ihm, dürstend nach Blut und brausendem Kampfesgetümmel. So durchstürmten die Luft ringsher die empöreten Geister. Aber der Kaiser drückte voll Hast, Isabella, die Gattinn, |
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250 | Noch an die pochende Brust, und mengte die Thräne mit Thränen; Segnete. tiefbewegt, sein störrischblickendes Söhnlein, Schwang sich auf's wiehernde Roß, und flog aus dem drönenden Thorweg, Mitten im Ehrengefolg fünfhundert erlesener Reiter, Schnell g'en Barcellona hinaus, der prächtigen Seestadt. |
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255 | Nah' ihm spornte das Roß der einst gewaltige König, Muley Hassan, und sann, verstummend, und düster, den Pfad hin. Muhamed naht' ihm ergrimmt. Er sah, wie finsteres Mißtrau'n Ihm zerwühlte die Brust vor Furcht und banger Erwartung: Ob der Christ ihm dereinst, wenn Hairaddins Macht er bezwungen, |
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260 | Treu dem heiligen Eidschwur, noch den Zepter von Tunis Frei gibt– oder ihn selber behält, mit räub'rischen Händen? Sah's, und schwang sich herab. Gleich einem gewaltigen Uhu, Der vom Hunger gequält, mit erblindeten, feurigen Augen Harrt in der Felsenkluft der Dämmerung; dann, sich erhebend, |
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265 | Leis' in dem Thal' umher, mit weitgebreiteten Flügeln Flattert, nach Beute zu späh'n: so naht' auch Muhamed jetzo Hassans geistigem Leib, der leicht wie die Strahlen der Sonne, Jegliche Nerve durchdringt, und schnell, wie in dumpfer Betäubung, Und wie entkörpert, vernahm er den Geist im Seelengelispel: |
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270 | »Träumender, ha, du sankst erst jüngst dem ungläubigen Fürsten Feig zu den Füßen, und hoffst, auf die Rechte des Sieger dich stützend, Den, nach schrecklichem Mord' ererbeten Thron zu besteigen? Thor, der also sich täuscht: der Christ, und ein Christenbeherrscher Zöge für dich in den Kampf, und opferte dir zu Gefallen |
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275 | Menschen und Gold, daß du dich dann erfreuest der Herrschaft? Wiss' es: er sinnt dir Schmach und Verrath, und gibt dich der Rachgier Hairaddins hin – vielleicht als Preis für die Veste Goletta. Solltest du nicht, bald heimgekehrt, auf täuschendem Pfad' ihm Jammer bereiten, und ihn verderben, dir selber zur Rettung?« |
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280 | Hassan horchte verwundert, und sann, wer ihm in dem Herzen Solch' Empörung erregt, das sonst schon zweifelerfüllt war? Doch nun hemmt' er das Roß mit dem Zaum': im zögernden Schritte Sich zu entzieh'n der Schar, die rasch zum rühmlichen Ziel fort Eilete; sah dann zurück, nach Mosul. dem Sclaven, und sagte. |
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285 | »Mosul, vernimm, wie dir des Busens geheimste Gedanken Dein Gebiether enthüllt: denn ach, so beugete Hassans Haupt das Geschick, daß er selbst dem niedrigen Sclaven sie kund thut! Siehe, wie dort hineilt der mächtige Christenbeherrscher, Bald an der Spitze des Heeres zu steh'n, zu entfalten die Segel, |
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290 | Und zu entschiffen, im Flug nach Tunis, dem herrlichen Erbland. Hoffst du, er werde des Schwurs, des heiligen: mir das Entriss'ne Wieder zu schaffen mit Waffengewalt, auch drüben gedenken? Ach, mir sinnet er Schmach und sich unendlichen Vortheil, So er dem schrecklichen Feind mich verräth, dem solches ersehnt ist!« |
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295 | Sagt' es, bewegt. »Nicht zürn', o Herr,« so entgegnet jener, »Daß ein niedriger Knecht vor deinem erhabenen Antlitz Sich zu reden erkühnt. Hast du nicht am dämmernden Abend Gestern geseh'n, wie mildgesinnt der Christenbeherrscher Dich aufnahm im Palast, wie gütig sein thränender Blick war? |
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300 | Nicht vernommen den Eidschwur dort, beim einigen Gotte Dir geschworen, daß er den entrissenen Zepter der Väter, So er den Räuber besiegt, dir wieder zu geben bereit sey? Ach, nicht brächt' ihm die Täuschung Gewinn: ein irrender Fremdling Stehst du vor ihm... vertrau' im edelen Herzen dem Edeln!« |
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305 | »Schweig,« so rief der Zürnende jetzt, »im lächelnden Antlitz Lauert der Trug – dein lacht im freundlichen Auge die Falschheit! Hat das unselige Volk nicht Hairaddins List mit Al-Raschids Leiche getäuscht? Droht mir, dem Muselman, nicht von dem Christen Größeres Unheil noch? Merk' auf! Im engenden Schiffsraum, |
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310 | Nicht wie im stolzen Palast durch weite Hallen gesondert Von dem Beherrscher selbst und den Seinen, erhaschest du leicht wohl, Achtlosscheinend, ein Wort, das uns die schändliche Täuschung Aufhellt: nicht mißtraut sein Gefolg dem niedrigen Sclaven. Angelangt an dem heimischen Strand', erseh' ich den Vortheil |
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315 | Mir dann schnell, und entflieh' in der Dämmerung; oder ich heische, So er von Tunis den Thron mir wieder zu geben gesinnt ist, Selber von ihm das Schiff, Hülfsvolk aus den Bergen von KabeschKabesch. Kabes, eine Stadt im Königreiche Tunis von 25,000 Einwohnern. Sie liegt in dem Golf gleiches Nahmens, sonst auch die Kleine-Syrte genannt. Ihm zu schaffen, wo mir die tapfern Bewohner noch treu sind.« Und er spornte das schnaubende Roß, der Seite des Kaisers |
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320 | Wieder zu nah'n, der eilender g'en Barcellona hinausritt.
Doch, ach, welch Geschrei erschallt unferne der Seestadt |
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325 | Stumm, und bebend vor Angst, aufschau'n zu dem nächtlichen Himmel, Ob er sie schirm', ob Flammen speie sein rächender Donner? Heiter entschwand die Sonn' im rosigen Duft', und der Himmel Lächelte mild. Wie ein Säugling am Busen der liebenden Mutter Schlummert, so lag, entzückend, am Saume der luftigen Berghöh'n |
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330 | Abendröthliche Gluth. Im Gesang heimkehrten die Schnitter; Laut ertönte des Hirten Schalmei, und die blöckenden Heerden Eilten durch Wolken Staub's, der hoch in den röthlichen Himmel Aufquoll, hüpfend zum duftenden Stall, nach Ruhe sich sehnend. Als sich die Müden getrocknet den Schweiß, und die dämmernde Kammer |
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335 | Alle versammelt' umher, da tischte die sorgliche Hausfrau Jenes zur Abendkost, was ihr der Garten gespendet, Was die Heerd' ihr both aus strotzenden Eutern. Sie stillten Fröhlich den Hunger, und bald verstummte des Tages Getümmel Ringsum; nur vom Thurme herab noch mahnte das Glöcklein, |
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340 | Fromm zu erheben das Herz. Sie betheten, eilten zu ruhen, Und der erquickende Schlaf umfing sie mit süßer Betäubung. Glückliche, wacht: denn nah' ist der Sturm, der plötzlich den Himmel Eures Friedens bewölkt mit schwarzumnachtender Trauer! Lauernd durchpflügte die See, mit hundert gerüsteten Schiffen, |
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345 | Hairaddins Liebling, Al-Mansor, dem, scheidend, am Bord' er Noch in die Seele gelegt: so draußen auf offener Meersfluth Kühn dem Feind' entgegen zu steh'n, so rings an den Küsten Furchtbar'n Ueberfall in nächtlicher Stunde zu wagen, Und zu entwinden das Schwert des Feindes Hand in Europa, |
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350 | Das er nach Afrika, dräuend, gezückt, ihm selber zum Unheil. Wühlend im röthlichen Bart, der ihm zu dem Gürtel herabfloß, Sprach nun Al-Mansor zu Omrah, dem tapferen Aga: »Omrah, Mustapha's Sohn, vernimm mich jetzt, den Gebiether! Bald entsinket die Nacht dem erdumwölbenden Himmel; |
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355 | Spanne die Segel dem Wind'. Unferne der Stadt Barcellona Landend, raub' entschlummertes Volk der niedrigen Hütte, Oder dem stolzen Palast, daß wir erkunden in Wahrheit: Ob in die thürmende Stadt der Christenbeherrscher gekommen, Kampfgerüstet, ob nicht? denn eilig geböth' er die Fahrt dann. |
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360 | Tapferer, was du beginnest mit Muth, vollende mit Kühnheit!« Omrah gehorchte dem Wort'. Er löste dem Winde die Segel, Und aus dem dunkeln Schooß Verderben dräuend und Jammer, Flog sein Schiff dem Strand' entgegen am dämmernden Abend. Dort in der Felsenbucht, nicht ferne den Marken Areny's, |
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365 | Harret' er, lauernd, der Nacht. Sie kam: rings schwanden die Lichter; Jeglicher Laut erstarb; nur die Wellen rauschten am Schiffskiel Leis' empor, nur die Brandung scholl an den fernen Gestaden. Eilig umschifft' er den bergenden Fels; dann flog er zum Strand hin, Landete, trieb sein Volk zum Raub', ihm Eile gebiethend. |
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370 | Und, wie in dunkler Mitternacht aus säuselndem Schilfrohr, Plötzlich, die wilde Schar langhungernder Wölfe sich aufmacht, D'rauf, der Hürde genaht, einstürmt, und die zitternden Lämmer Raubet in Hast; wie jährige Stier' im blutigen Rachen Tragend, die Jaguar, Westindiens schreckliche Tieger, |
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375 | Fliehen den Berg aufwärts: so drangen die furchtbaren Räuber, Gräßlichen Mord im Blick, durch berstende Thüren und Fenster Ein in die Hütten; so raubten sie dort den blühenden Jüngling, Grauender Aeltern einzigen Trost, und des liebenden Weibes Theuern Gatten, und floh'n zum Bord des harrenden Schiffs hin. |
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380 |
Wehklag' scholl. Als jetzt sie erweckte des Dörfchens Bewohner, |
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385 | In dem Gesicht, mit Gluth in der Brust, die Gattinn, und breitet Zitternd die Arme dem Gatten nach: mit bebenden Lippen Will sie noch einmal zurück, mit Gewalt, ihn rufen, und stöhnt nur. Dort auf den Sand hinstürzet der Greis, und rauft sich die Haar' aus Ob des Töchterchens, ob des Sohn's. Da knie't an dem Ufer, |
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390 | Schaudernd im Fieber, die Braut, und blickt mit wilden Geberden Jetzo dem Vater, und jetzt der weinenden Mutter in's Antlitz; Horcht nach den Fluthen hinaus, erhebt sich, und läuft auf dem Sandpfad Plötzlich dahin. Ein gellender Schrei aus dem fliegenden Busen Füllet die Luft und die Herzen des Volk's, mit starrem Entsetzen. |
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395 | Ach, sie stürzt' in die Fluth, doch hängen die zarten Geschwister, Wimmernd, an ihrem wehenden Kleid', und rufen ihr liebvoll Trost in das Herz, vereint dem Fleh'n des weinenden Volkes, Das an den Vater im Himmel sie mahnt, den Rächer der Unschuld! Aber schon nahte der Rächer, im Flug, Barcellona's Gefilden, |
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400 | Glühend im Herzen dem Ruf' erhabener Christenerrettung. |