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Es war nach einem langen Bade in dem klaren Bache, zur Stunde der Ruhe, als Artemis, unter dem Schatten der beunruhigenden Wälder ausgestreckt, in den keuschen Beinen das Verlangen spürte, fühlte, wie die Schlange, die sich in ihren Träumereien verbarg, ihr ruhiges Fleisch stach.
Die Prinzessin denkt, nicht an eine Vergangenheit befriedigten Stolzes, sondern an die Gegenwart und an mögliche Freuden.
Seltsame Erwägungen über ihre Lebensart entstehen unmerklich in ihr: sie zweifelt, ob ihr Entschluß richtig ist; sie ist danach neugierig, was sie sich selbst verboten hat; sie beschäftigt sich mit dem, was sie verachtet und flieht.
Ihr Gedanke wendet diese Seiten des Buches der Sphinx, die wie ein geschwächtes Echo von zahlreichen und dumpfen Küssen rauschen, von denen die Lesezeichen gleiten: Blumen, schneller getrocknet als die Gluten, die sie getauscht haben; vergilbte Briefchen, die Ueberlebenden totgeborener Liebe, die auf ihrem Velin den Duft und die Liebkosung des Mieders bewahren.
In einer verlorenen Ferne singt der Chor der Dichter die Hymne ewiger Liebe und die menschlichen Ohren sind gespannt auf diese Gesänge gerichtet, welche die der Engel selbst zu sein scheinen.
Die Propheten, die Sänger, die Weisen und die Narren ziehen melancholisch vorbei, auf ihren Lippen diesen Refrain der Herzen: »Love is my sin.«
Die verächtliche Falte ihres Mundes schwindet vor dieser fruchtbaren Sünde, diesem erhabenen Dünger, aus dem die Aufopferungen und die Oden hervorgehen! Warum hat sie sich geweigert, von den trüben Wassern, von den schweren Wassern der Leidenschaft zu trinken, der einzigen Tränke der beklagenswerten Menschheit?
Der Springbrunnen der Liebe erscheint und das Gewühl der Sterblichen drängt sich heran. Der Ephebe taucht seine flaumlosen Lippen hinein, die Matrone ihre Runzeln, die Patriarchen ihren silbernen Bart. Aus einer großen Lasururne gießt ein ironischer Engel die Gallenflüssigkeit, die das Becken füllt.
Sieht er Lippen zurückweichen, die von der Bitterkeit des Getränkes gebissen werden, so nimmt er von seinem Gürtel eine kleine Gießkanne und neigt sie. Der Tropfen Illusion genügt, damit die verzückten Augen der Liebesdurstigen in der halbsalzigen Flüssigkeit ihre Träume sehen.
Diesen Tropfen Wahn, der unbesiegbar nach dem Absurden strebt, wie das Verlangen des Menschen, ließ die Einbildungskraft auf den Gedanken der Prinzessin fallen. Dann erstickt der Trieb die Idee und leise, langsam setzt er sich ins Wollen um. Schon sagt sie lächelnd, aber so leise, daß selbst die großen Lilien es nicht hören: Oh, wie lügen die Dichter!
Die Opferbinden der Frömmigkeit drücken keineswegs ihre Stirn; und einmal gewonnen, gleitet sie in Träumereien, wo die Wollust wie Shylock immer damit endet, das versprochene Fleisch zu fordern.
Sie ist noch etwas Unbekanntes für sie: die geschlechtliche Empfindung. Verheiratet, umschwärmt, kennt sie die Lust der Sünde nicht. Alle Zweige am Baume des Wissens hat sie schon geschüttelt und an dessen funkelnden und säuerlichen Früchten ihren stolzen Biß zurückgelassen. Nur an die Frucht des Fleisches hat sie nicht gerührt: auch die umschmeichelt sie mit dem Auge der Begierde. Sie weiß, daß diese Frucht unter ihrer sammetartigen Haut voll unedler Würmer ist, aber so, wie die Frucht ist, will sie die.
Diese Gesetze der Geschlechtlichkeit, diese Lianen, die sich vor dem Schritt des Menschen kreuzen und verwirren, hat sie bis heute durchgeschnitten und bei Seite geschoben: nun ist sie ganz von ihnen umhüllt, die plötzlich aufgeschossen sind. Eine Stimme, die des Pan vielleicht, murmelt, wie der Seufzer einer Flöte: Vae Soli.
Oh, zwei sein! Zwei Herzen und ein Schlag, zwei Geister und ein Gedanke, zwei Körper und eine Begierde!
Diese beiden Herzen zu einer Anbetung verschmolzen, diese beiden Geister zu einer Bewunderung vereinigt, diese beiden Körper zu einer Entzückung verschlungen.
Zwei! die Stimme und das Echo. Zwei! das doppelte Dasein! ein Wesen seinem Wesen zugefügt; in sich zwei, neben der Begierde die Befriedigung; der heilige Traum des Androgyn, nach den Gesetzen verwirklicht; die ursprüngliche Schöpfung wiedergefunden.
Aber, wo ist der Geliebte? Wer ist es, der ihre linke Brust erregen, ihr Leben bewegen, mit Küssen den Marmor ihrer Haut röten, ihren Körper nach der Lust modellieren wird?
Damit ihr Geist will, ihr Herz schlägt, ihre Haut empfängt, sind rote Lippen und schwarze Gedanken, eine entartete Seele unter einer schönen Form nötig.
Sie durchblättert in Gedanken, unzüchtig prüfend, dieses Album von Photographien der Freunde, das der Bürger auf seinen Nipptisch legt.
Der Prinz von Courtenay, der vollkommene Edelmann, ist vierzig Jahre alt und bemüht sich, königlich aufzutreten und Ludwig XIV. im Frack zu verwirklichen. Die Entartung des Grafen Rochenard erhebt sich nicht bis zur Spekulation. Nonancourt, der Zierbengel, ist für einen Ehebruch, der von einer Frömmlerin gezuckert wird; ein guter Sprecher, hat Montessuy einen erdigen Teint; Sennevoy ist naiv; Vidauban hat Geist, doch würde seine Magerkeit wie Zunder Feuer fangen, wenn die Spiele der Liebe lebhaft würden; Genneton, ein schöner Mann, der es nicht beweisen könnte; Narsannes girrt und de Quercy läßt sich hinreißen; Chaumontel kopiert Albert de Ryons und Boutigny hält es mit dem Totentanze. Die Andern langweilen sich, sind langweilig, noch unbedeutender, hohl und von sich selbst überzogen. Da wäre allerdings Tanneguy, genial und schön, aber für den Schriftsteller ist die Frau kaum etwas Anderes als ein Gegenstand des Studiums, ein Anreiz zum Denken und Vibrieren. Wenn man sich da hingibt, so bedeutet das, Manuskript geben. Guy de Quéant, dieser Stutzer, der wie eine Sphinx lächelt? Aber nein, er ebenso wenig wie die Andern.
Sie stellt sich die Liebe unter den Zügen eines schönen Jünglings vor, der auf einem Papageien reitet, der größer als ein Adler ist. Er hält ein Zuckerrohr, das zum Bogen gekrümmt ist und dessen Sehne aus einem still stehenden Bienenschwarm besteht. In seinem Köcher, der in eine Frauenbrust endigt, reiben fünf Pfeile, die fünf Sinne, ihre Blütenspitzen.
Als Duhshanta die Prinzessin bemerkt, vergißt er einen Augenblick Sakuntala; aber sie möchte die Buhlerin Vasantasena sein, um im Garten nach dem Gewitter die Liebesworte des Tscharudata zu hören.
Medschnun und Leila Epos des persischen Dichters Nizami (1141-1202)., der Ruhm Persiens, die vor Entzücken starben, als sie sich erblickten, ziehen vorbei, ohne sie zu sehen.
Plötzlich die Natur eines Aquarells, bei rosigem Himmel, eine Reihe Brücken mit Satteldächern, unter denen Dschunken dahingleiten: Frauen von feinen Formen, mit dem Fleischton von Teerosen, singen von der Blüte des Pfirsichs und dem Blatt der Weide, wie Kinder kauernd und wie Katzen spielend.
Nach einer Melodie von Rameau führen die Gestalten des Marivaux auf einem Bilde von Watteau ihre verliebte Gleichgiltigkeit spazieren.
In der Nacht der Zeiten ziehen Sodom und Gomorra sie an. Welches Verbrechen, von dem wir nichts wissen, kannten denn diese Städte? Sie findet einen Zauber an diesen Völkern, die das Böse so weit trieben, daß sie das Feuer vom Himmel zwangen, sie zu zerstören!
Die Augenlider der Prinzessin blinzeln vor den unbestimmten Wahrnehmungen, die sie genauer wünschte; sie führt langsam ihre Zunge über ihre Lippen, bei dem leckeren Anblick verbotener Dinge.
Die Begierde unter allen ihren Formen; die Wollust in allen ihren Rhythmen; die Liebe in allen ihren wechselnden Verkörperungen; die ganze Frau, ihre Taumel und ihre Tränen; ihre Verzweiflung und ihr Rausch; die Kämpfe ihres Herzens gegen die Leidenschaft, ihres Körpers gegen die Lust, ziehen durch ihre Träumerei wie schon gesehene, schon geübte Dinge, Verwandlungen der Verderbtheit … Das Kaleidoskop der Liebe: in den Scheiterhaufen der Dido wird das moderne Vitriol gegossen, die Gestalten der Kunst mischen sich den Personen der Geschichte.
Im »Boustan« der Sinne geht ihre suchende Phantasie von einem Baum zum andern, die Früchte des Fleisches schüttelnd, erstaunend, daß die Wollust nicht als Regen niederfällt. Der »King« der Leidenschaft, das »Rig« des Körpers singen in ihr tolle und mächtige Hymnen, wie Treibhauslüfte und Brünste wilder Tiere.
Sie glaubt ein Zittern im linken Auge, eine Unruhe im linken Arm zu fühlen: bei den Hindus Anzeichen, daß der Geliebte sich nähert.
Von diesem Gewimmel von Bildern hebt sich ein Poussin ab, und auf das Warten dieser Italienerin der Renaissance erscheint der Traum des griechischen Lasters, das Rom verehrte: Antinous. Seine überirdische Nacktheit strahlt; seine Brustwarzen erscheinen leuchtend, und die Prinzessin läßt in ihrer eigenwilligen Halluzination den von Hadrian Freigelassenen diese Rede halten:
– Prinzessin, du bist schön, wie ich schön bin. Glaube nicht an die Verleumdungen der Geschichte: der Kaiser brannte in vergeblichem Feuer. Ich bin jungfräulich, ich bin es für dich geblieben, deren hohe Stirn wie die der Pallas den Gedanken birgt. Du vereinigst mit der Schönheit der Aphrodite den Geist der Athene: ich liebe dich. Als ich mich im Nil ertränkte, habe ich dein Bild unter den Wellen gesehen. Ach, ich habe dich gesucht; Neptun hat mich boshaft zurückgehalten. Wie die Leier des Orpheus bezauberte meine Schönheit die Ungeheuer des Meeres. Verführt und ohne Stimme, wanden die Sirenen in Verzweiflung ihren Schweif; toll vor Liebe, röteten die Nymphen mit ihrem Blut die Koralle. Endlich habe ich dich wiedergefunden! Meine Tränen habe ich in einer Halskette gesammelt, die ich dir geben werde. Oeffne deine Arme, meine Glieder sind durch ein Bad von achtzehn Jahrhunderten geschmeidig gemacht: ich bin bereit für deine Umarmung.
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Messalina ist nicht immer in der Suburra oder in den Armen des Silius Strindberg, Christus.; man kann sich noch mehr durch den Geist beschmutzen.
Die Hexen rieben sich mit einer die Sinne täuschenden Salbe ein, die ihnen unzüchtige Träume verschaffte. Erwacht, behaupteten sie vom Sabbat zu kommen. Die Phantasie genügt, sich dorthin zu versetzen. Der Kuß des Bockes wird auch mit dem Gedanken gegeben; aber das Unmögliche ist, ihn nicht zu wiederholen; der Geist heftet sich an die unreine Sache, und die Beschwörungen des Fleisches können ebenso wenig wie die der schwarzen Magie aufgehalten werden. In ihrer prickelnden Betrachtung fühlt sich die Prinzessin von ihrem Traum überfallen und unterjocht; der Schweiß perlt auf ihrer Stirn und an ihren rot gewordenen Ohren zittern die Gehänge.
Die großen schamhaften Lilien schließen ihre Blüten und neigen in der Traurigkeit reiner Blumen ihren stolzen Stengel.
Sie hat dieses Schreckbild: die Unzucht der Dinge. Böcke, vor Geilheit schielend, brechen ihre Hörner in wütenden Liebkosungen; eine fieberhafte Phallophorie zieht vorüber; es entrollen sich die inneren Friese eines Tempels des Priapos, die Panathenäen des Gemeinen … Plötzlich überkommt sie eine Erleuchtung. Mit einer Kraft, die sie ganz bleich macht, sich an ihren Stolz klammernd, zügelt sie ihr Fleisch.
Fiebernd, entnervt, keuchend, weinend, läßt sie ihre Arme in tiefer Erschöpfung sinken.
Bei diesem Siege öffnen die Lilien wieder ihren Kelch und richten ihren Stengel wieder auf.
Die Nacht kommt: von der Kuppel wirft der Abendschatten seine Schleier auf diese namenlose Ausschweifung, deren Geheimnis er bewahren wird.
Der Araber, der sein Pferd dahinjagt und es dicht an der Mauer zurückreißt; der Gondolier, der gerade um die Ecke des Palastes rudert und in einer Linie wendet, spielen Kinderspiele; aber seinen Körper der Wollust überlassen, um ihn in dem Augenblick, da die Enthaltsamkeit zerbrechen will, zurückzureißen: das ist eine Tat!
Stolz senkt sie ihre Augen auf ihren Körper, den das Nachtgewand entblößt, und lächelt über ihr unbeflecktes Fleisch. Eine jener Oden, welche die Tuthmosis den Hieroglyphen von Karnak Peladan, Das Land der Sphinx (deutsch in Vorbereitung). anvertraut haben, singt in ihr einen triumphierenden Lobgesang:
»Noch einmal habe ich das Tier gezähmt!«