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VII.
Das Sakrament der Ehe

– Putzen Sie sich heute abend, Graf Noroski, Sie machen eine Gräfin.

– Was soll das heissen?

– Das heisst, dass ich Sie verheirate und Sie zu diesem Zwecke eine Frau wählen lasse.

– Eine Dirne, wollen Sie sagen.

– Nein, eine Frau, die bestimmt ist, die Mutter ihrer Kinder zu werden.

– Welche Posse! Und die achtbaren Frauen, die Jungfrauen findet man irgendwo zur Auswahl, in einem Ehebazar?

Und die Prinzessin zuckte die Achseln, ihre Weste zuknöpfend.

– Zu einer solchen Komödie gebe ich mich nicht her.

– Sie machen mir heute abend dieselbe Szene wie damals, als wir ins »Liebes-Amt« Peladans Roman »Weibliche Neugier«. gingen! Ohne sparsam zu sein, werfe ich nicht tausend Franken zum Vergnügen fort: ich habe dafür bezahlt, dass Sie eine Frau wählen, und Sie werden eine wählen.

– Und wieviel kostet sie Ihnen, meine Frau? sagte Paula mit einem Lächeln auf den Lippen. Soviel wie der Dichter Davèze im »Liebes-Amt«? Ist sie blond, braun oder kastanienfarbig?

– Sie wird so sein, wie Sie sie wählen. Ich habe tausend Franken für einen Abend gezahlt, für den man mir die grösste Auswahl versprochen hat: selbst Vermögen stehen Ihnen zur Verfügung! Vielleicht treffen Sie auf diesem Felde Bekannte, Pensionsfreundinnen.

– Führen Sie mich in ein verrufenes Haus oder zu ehrenwerten Leuten?

– Ich führe Sie in den Salon der Agentur.

– Mit einem Worte, ist es dunkel? rief Paula gereizt.

– Es ist kaum verdächtig, und nur für die Geladenen.

– Man kann also in diesem glücklichen Paris Auftrag geben, einem eine ehrbare Frau zu finden wie eine nicht ehrbare; und die Ehe hat ihre Agenturen ebenso wie der Ehebruch? Welches Paar, das einigermassen sauber ist, hat sich dort treffen können? Ich gäbe etwas darum, wenn ich so fabrizierte Gatten sehen könnte.

– Kennen Sie den Baron Dalgouski und seine Frau?

– Ja, eine reizende Familie.

– Nun, meine liebe Paula, vor fünf Jahren hatte der Baron Dalgouski den Teufel in seinem Geldbeutel; er wandte sich an die Agentur Plot; die entdeckte ihm Fräulein Lingerat, die ihre Million gegen den Titel einer Baronin wechselte; und der Zufall hat beide glücklich gemacht.

– Und wissen Dalgouskis, wie man dem Zufall geholfen hat?

– Die Frau weiss es nicht; manchmal weiss es der Gatte auch nicht.

– Es ist also ein frommes und barmherziges Werk, um das Junggesellentum zu vertilgen; es müssen Schutzdamen dort sein, die ich kenne?

– Sie springen von einem Extrem zum andern! Zuerst nennen Sie meine Agentur Bordell und dann barmherziges Werk: es ist einfach ein Geschäftshaus. Man bezahlt so und so viel Prozent von der Mitgift, die man erhält.

– Welche Mitgift erhalte ich also, da Sie tausend Franken gegeben haben?

– Das sind Vorschüsse: die Kerzen und der Punsch der Vorstellung.

– Selbst in Verkleidung widerstrebt mir das Spiel einer Geldheirat!

– Zuerst habe ich nicht gerade von Ihrer Habsucht gesprochen; ich habe gesagt, je mehr das junge Mädchen gefiele, desto weniger Mitgift verlangten Sie: das ist sehr dehnbar. Jetzt lassen Sie mich Ihnen eine Idee falschen Edelmutes und Ehrgefühls nehmen, die aus einer grossen Unkenntnis des Lebens entstanden ist. Sie lehnen sich auf, wenn von der Geldfrage in Sachen ehelicher Liebe gesprochen wird, als müsste eine Gnadengabe Gottes in diesem Falle alles ersetzen. Die Ehe ist nicht die durch die Kirche geheiligte Paarung eines Mannes und einer Frau, die sich frei gewählt haben, nach ihrer Gemütsart und Uebereinstimmung; man heiratet sich nur, um zusammen zu schlafen; und selbst dieser Punkt wird bald der weniger wichtige. Die Ehe ist vor allem eine Verbindung gegen das Elend, die Krankheit und die Langeweile; bevor man zu einer Frau sagt: ich hafte dir für ein angenehmes Leben und jede nötige Fürsorge, wenn du leidest, und für jede mögliche Zerstreuung, wenn das Selbander dich ermüdet, muss man Gold genug besitzen, um Teppiche unter die Füsse der Gattin legen, nach dem Apotheker schicken und die Musse haben zu können, sich mit ihr zu beschäftigen. Wenn man ohne dieses Gold daran denkt, sich zu verheiraten, ist es ehrlicher und edler, einem jungen reichen Mädchen zu sagen: »Junge, Schöne, ich liebe Sie; aber gerade weil Sie jung und schön sind, würde ich Sie nicht nehmen, wenn Sie arm wären, denn ich bin auch arm, und die Jugend braucht Bewegung und Freude, die Schönheit Luxus.« Schliesslich, wenn wir den physiologischen und sakramentalen Zweck betrachten, welch sorglose und schuldige Selbstsucht, unglückliche Kinder zu erzeugen, die man nicht vor Arbeit und Demütigung schützen kann; vor der Knechtschaft, welche die Gesellschaft dem auferlegt, der sich nicht von der verdummenden Wirklichkeit loskaufen kann.

– Wenn man wirklich liebt, statt so viel zu überlegen, verlässt man sich auf Gott, rief die Prinzessin aus.

– Sich auf Gott verlassen, das gilt für Frömmigkeit, ist aber eher eine Vermessenheit des Glaubens: Gott paktiert nicht so mit seinem Geschöpf! Wenn man eine Familie gründet, ohne ein anderes Gegengewicht als Liebe zu besitzen, muss man entweder einen guten Beruf haben oder sich mit einem Scheffel Kohlen versehen. Die Liebe entkleidet eine Frau und bedeckt sie mit Küssen; aber nur in den Versen des Theophile Gautier geht man aus in einer Tunika von Küssen! Entwaffnet man seine Pförtnerin, diesen unvermeidlichen Feind, indem man sie umarmt? Liebt man sich lange genug, um sich im Winter ohne ein anderes Feuer als Liebkosungen zu wärmen? Die Tochter eines amerikanischen Pioniers zu heiraten und, mit einer guten Büchse versehen, in die Savannen eindringen, mit der Gnade Gottes, das ist nicht so schwer: man hat nur die wilden Tiere und die Rothäute zu fürchten. Aber auf dem Pflaster der Städte muss man Geld haben oder sterben, auf hundert Arten sterben, die alle sehr langsam sind.

– Also, Nebo, wenn Sie arm wären, würden Sie kein armes Mädchen heiraten, so begabt sie auch in jeder Hinsicht sein möge.

– Sicher nicht, aus Ehrlichkeit. Sobald ich Spiesserschnauzen porträtieren müsste, statt meine Träume zu entwerfen, würde ich von einer rasenden Laune sein; und die rasende Laune verträgt sich mit keiner andern. Dann die Aussicht auf kleine Nebos, die gezwungen sind, Zeitungen zu illustrieren, um zu leben! Wenn ich nur daran denke, will mir das Herz brechen. Die Armut befiehlt dem geistigen Menschen, allein zu bleiben. Nach meiner Ansicht ist, wer mit der Arbeit den Geldansprüchen des Lebens die Stirn bieten muss und dabei für das Glück einer Frau einsteht, ein Lügner oder ein Erleuchteter. Denken Sie doch, Paula, welche Geistesklarheit, welche Selbstbeherrschung, welche Kunst der Nachsicht nötig sind, um zu allen Stunden des gemeinsamen Lebens liebenswürdig zu sein.

– Aber Sie sprechen von der Rolle des Gatten, als handle es sich um ein Kunstwerk: die Ehe verlangt kein Genie, sonst welche Entvölkerung! …

– Wir sprechen hier von der Luxusehe, von der Ehe eines Künstlers mit einer Millionärin. Das junge Mädchen bringt den Stoff von dem, was man Glück nennt, diese Watte, die ein Dasein auspolstert und die von der Dicke der Banknoten abhängt; der Gatte und Künstler wird diesen kostbaren Stoff zerschneiden, zuschneiden, herrichten; und wenn wirklich der genügende Stoff nicht unter seiner Hand ausgeht, muss er seiner Frau erscheinen und bleiben als der, der allen kommenden Liebhabern vorzuziehen ist.

– Wer einen solchen Traum als Tausch für einen Haufen Gold bieten kann, gibt offenbar mehr, als er empfängt, und sein Teil an der Gemeinschaft übersteigt ausserordentlich die Mitgift der Frau.

– In der Politik bin ich der Ansicht, dass man einem Minister, einem Gesandten, einem General Blankovollmacht in allen Punkten geben, aber den Erfolg verlangen soll; in der Ehe kann der Gatte einen Palast fordern, und was dazu gehört, aber in diesem Palast muss er liebenswürdig sein, um geliebt zu werden. In der Theologie hat die Lehre des heiligen Liguori Liguori, »Theologia moralis«, Neapel 1748. über die Reinheit der Absicht Kurs; nicht jedoch auf dem Gebiete des Gefühls.

– Indessen, bemerkte Paula, man sagt zuweilen: Ruhm den Besiegten, und Ehre dem unglücklichen Mute.

– Auf rohem Gebiete, wie der Krieg es ist, ja; wenn aber ein Schriftsteller abnimmt und ein Gatte Bauch ansetzt, werden Publikum und Frau ohne Berufung urteilen, dass der eine kein Recht mehr auf Bewunderung, der andere keines mehr auf Liebe besitzt. Einmal war ich der Gesandte eines tief unglücklichen Liebhabers bei der Frau, die ihn nicht mehr liebte; und als ich ihr alle seine Eigenschaften, sittliche wie unsittliche, vorhielt, sagte sie: »Ich sehe ihn wie Sie, besser als Sie, ich denke höher von ihm, als Sie mir sagen, aber ich fühle nichts mehr für ihn.« Dieser zaghafte Liebhaber hatte aufgehört, anziehend zu sein; nun, ich kann es Ihnen bekennen, ich besitze solche Geheimnisse, dass meine Frau mich nicht altern sehen würde: wenn meine Haare auch weiss geworden, wird sie glauben, mit ihrer Hand über die blondesten Locken zu streichen. Trotz diesen Waffen der Verführung, die fast allen Menschen unbekannt sind, würde ich von dem ersten Vicomte d'Antioche geschlagen werden, müsste ich meine Kraft auf den Kampf ums Leben verwenden. Deshalb, wenn ich den reichen Mädchen einen Rat zu geben hätte, so würde es der sein: Suchet einen Gatten von Geist, einem Geiste, der noch mehr auf euch als um euch strahlt, einem Geiste, der auf dem ehelichen Felde zaubern kann.

– Welch ausserordentlicher Mensch Sie sind! sagte Paula, als sie das Haus des Platonikers verliessen: die Kunst ist Ihnen so in Fleisch und Blut übergegangen, dass Sie die Ehe als eine Art Meisterwerk betrachten, das auszuführen ist.

– Ich spreche von dem Gesichtspunkt, der von materiellen Sorgen unabhängig ist; und von diesem Gesichtspunkt bleibt im Leben nichts mehr als das Gebet, die Barmherzigkeit und die Kunst.

Er rief eine Droschke an, die vorbeifuhr.

– Boulevard Saint Germain 15.

– Dort wohnt der Baron Plot; er gibt viele Gesellschaften, und man sagt, seine Frau sei sehr gefällig und dienstbereit.

– Die Gesellschaft scheint gemischt zu sein, bemerkte das junge Mädchen.

– Gemischt, ja, wenn wir dort sein werden, denn Sie sind, Graf Noroski, auch von der Baronin Plotte geladen.

– Wie? Die Leute halten Ehebazar, und man weiß es nicht?

– Liebe Paula, in Paris weiss man alles, aber in einem sehr beschränkten Kreise, und jeder hat zuviel zu tun, um einen Stadtklatsch lange herumzutragen, und besonders um ihn wiederaufzunehmen, wenn er niederfällt. In der Provinz runden die Betschwestern drei Monate lang eine Verleumdung, um sie einander zwanzig Jahre lang wie einen Federball zuzuwerfen, ohne ihn jemals fallen zu lassen. Als es einen Hof und gesellschaftliche Kasten gab, waren die Leute in Würden, das heisst im Licht gruppiert: man folgte ihnen allen mit demselben Blick; darum haben die Demokraten leichtes Spiel, die Geliebten des Adels vom letzten Jahrhundert auszugraben. Heute sind die Würden Passagen und die Ehren Korridore; man grüsst und geht durch; die Skandalchronik hat nicht die Zeit, ihre Augengläser zu ergreifen, und die Jakobiner des zwanzigsten Jahrhunderts werden leichtes Spiel haben, die Verbrecher Richelieu, Mazarin, Fleury und Bernis unter den ehrwürdigen Tugenden der achtzig Minister der dritten Republik zu zermalmen. Nichts bedeutet etwas von einem Unbedeutenden; Herr Bürger besitzt dreissig Hirschparks und Legionen von Lebels in Paris; gleichviel, für die Geschichte hat es nur den Hirschpark Harden, Zukunft, 9. Oktober 1920. Ludwigs XV. gegeben. Frau Bürger hat Liebhaber gehabt, eine Zuhälterin: man wird nur von Buckingham und Anna von Oesterreich sprechen. Ein Land ohne Hof kann Moral haben, nicht Sitten; eine Regierung ohne Prunk ist nichts als eine Geschäftsführung, und auf dem Wege der Gleichheit wird Frankreich bald nur noch eine Handelsgesellschaft mit der Kopfsteuer von sechsunddreissig Millionen unbewusster Jakobiner … Wenn Baron Plot oder Baronin Plotte Sie nach Ihren Gütern und Verbindungen fragt, so sagen Sie Ihnen, sie möchten sich an Herrn Nebo, Ihren Sekretär, wenden: das wird Ihnen Phantasiekosten ersparen, die vielleicht nicht von derselben Währung sein würden wie die, welche ich bestritten habe, denn diese ehrenwerten Ehestifter der Pariser Gattung nehmen sich sehr ernst und würden Ihre reine und einfache Neugier nicht begreifen.

– Ziehen Sie daraus Vorteil, fuhr Nebo fort, als sie die Treppe hinaufstiegen, dass der Graf Noroski den jungen Mädchen, die ins Geheimnis des Hauses eingeweiht sind, als glänzende Partie angekündigt ist: dieses Geheimnis, das Sie nicht kennen dürfen. Sie haben wie Fräulein von Maupin Gautier, Mlle. de Maupin. die Gelegenheit, die Süßigkeiten der Mannesrolle im Flirt kennen zu lernen. Werden Sie die Person des jungen Mannes, der heiraten will: seien Sie galant, seien Sie beherzt.

– Ja, sagte Paula, ich glaube, ich werde mich unterhalten.

Das Vorzimmer, mit massvollem Luxus ausgestattet, war mit zwei Lakaien in Livree und Kniehosen besetzt.

– Aha, sagte Nebo, sie geben uns eine grosse Vorstellung und haben bei der Ausstattung nicht geknausert.

Als sie angemeldet wurden, mit etwas zu lauter Stimme, wurde die Stellung eines Bataillons eingenommen, in dem Augenblick, in dem der General bei der Parade erscheint.

Nebo hatte eine Bewegung des Dirigenten aufgefangen: wie die Baronin Plotte ihren Fächer handhabte: der Ruf des Photographen: »Achtung, nicht mehr rühren.«

Mit zuviel Geschäftigkeit trat sie den Kommenden entgegen. Es war eine vornehme Frau, trotz ihrer Beleibtheit, deren offenbare vierzig Jahre sich in dieser unverschämten Rubrik des Lebemannes hielten, der eine nicht allzu vorgeschrittene Reife mit: »Noch zu machen« bezeichnet.

Der Baron nahm gern die gerade Art des alten Soldaten an und trug den Schnurrbart steif und spitz, wie es die letzten Provinzbonapartisten lieben.

Beim ersten Blick missfiel die Verschiedenheit der Anzüge: neben sehr nackten Schultern ein geschlossenes Kleid; diese hatte nur die Arme, jene nur den Hals frei. Man merkte, jede hatte sich so angezogen, wie es für ihr Aussehen am besten passte, die eine verbarg dürftige Brüste, die andere zeigte schöne. Die Gefallsucht spielte vorsichtig, eher ein Glücksspiel als eines zum Vergnügen: man war da, um sein Leben zu ordnen, nicht um ohne Absicht Redensarten zu drechseln. Diese Erwartung, die nur durch die Fieberhaftigkeit des Blickes und etwas Nervosität im Benehmen zum Ausdruck kam, gab dieser Abendgesellschaft das Ansehen einer seltenen Kraft.

Zwanzig junge Mädchen, die einen hässlich und reich oder hübsch und arm; die andern mit einem dunklen Punkt in ihrer Familie; kurz alle nicht imstande, in ihrem Kreise den Gatten und Befreier zu finden – betrachteten diesen Ladislaus Noroski, einen Grafen, der reich, jung und wunderbar schön war. Als die Baronin Plotte Paula zu einem Sessel führte und diese ihn mit lächelnder Gebärde zurückwies, um sich an den Kamin zu lehnen, ihr Monokel schaukelnd, gab es ein bewunderndes Geflüster. Sei es, dass die Begierde dieser Jungfrauen den falschen Grafen mit einem fluidischen Heiligenschein umgab, sei es, dass seine Anmut Nebo bis in geheimnisvolle Tiefen rührte, auch er wurde von dem Reiz gefangen. Und der Baron Plot beugte sich ans Ohr des Platonikers:

– Ich habe hier viele junge Leute defilieren sehen; der dort ist ein Traum: er kann selbst Miss Milding wählen, zwei Millionen und hübsch.

Der Anzug kleidete die Prinzessin köstlich, wenn auch das weisse Vorhemd, durch die mit Mühe zusammengepressten Brüste gebläht, eine ungewöhnliche Rundung zeigte; die konnte man aber auf Rechnung der Stärke schieben, welche die Leinwand steifte; ihr eingezogener und männlicher Bauch liess den Gedanken an eine Verkleidung, den die Rundung der Lenden und die etwas abstehenden Rockschösse vielleicht erweckten, nicht aufkommen.

Die Baronin Plotte begann sofort ihre jungen Mädchen vorzustellen. Neben ihr stand Miss Milding, durch diesen Ehrenplatz dem Grafen besonders empfohlen: die Waise mit den zwei Millionen, eine träumerische Engländerin, die diese übermässigen Augen und diesen für den Kuss zu kleinen Mund der Kupferstiche vor dreissig Jahren Peladan schrieb diesen Roman 1886. hatte: sie war mager und durchsichtig. Neben ihr stand ihr Gegensatz: eine blonde und fette Wienerin, die schöne Schultern einer reifen Frau zeigte und die Taille eines Kindes hatte. Auf der andern Seite des Kamins zwei Schwestern von Pariser Haltung, in feinster Toilette.

Indem sie den Arm des Grafen Noroski nahm, stellte die Baronin ihn in einer Viertelstunde allen anwesenden Fräulein vor; und Paula verbeugte sich bei jeder Station, von den einladenden Mienen, die man ihr machte, belustigt.

Mehrere junge Mädchen waren von ihrer Mutter begleitet, welche die geringsten Bewegungen mit der angehaltenen Aufmerksamkeit eines Spielers überwachte, der beim Schach seine Goldstücke riskiert.

Ausser den Müttern konnte man gut getragene Fracks beobachten, die aber ohne Umschweife eingeladen waren, augenscheinlich ständige Reigenführer auf den Abenden der Agentur.

Je nachdem die Baronin vorstellte, erklärte der Baron Nebo die Ziffer des Vermögens, die Herkunft und die Ansprüche einer jeden. Es wäre ihm nicht in den Sinn gekommen, dass man eine solche Ausstellung ohne festen Heiratswunsch veranstalten könne; und er bestand auf diesen Punkt: wenn der Graf ein nicht reiches Mädchen wähle, sei es an ihm, die Agentur zu bezahlen. Nebo machte bei jeder Geldfrage das sorglose schiefe Maul des Sekretärs eines Nabobs.

– Ist es besser, Herr Nebo, ein kleines Konzert oder ein Tanzvergnügen zu veranstalten? Sie müssen den Geschmack des Herrn Grafen kennen, sagte der Baron.

– Weder das eine, noch das andere, Baron Plot; besser wäre es, wenn Ihr Salon kleine Salons hätte, in einer Flucht, die ein Zwiegespräch erlauben; der Herr Graf ist romantisch veranlagt, und solange er nicht sich selbst überlassen ist, wird er stumm und lächelnd bleiben, wie Sie ihn sehen.

– Begreife, das ist vorgesehen, sagte der sonderbare Gastgeber lebhaft und machte sich heimlich davon.

Die Baronin befragte Paula über ihre Reisen in Persien und brachte sie in arge Verlegenheit, als ein Beben die Mädchen durchfuhr. Eine Tür hatte sich geöffnet, mehrere Gemächer zeigend, die mässig erleuchtet waren.

– Wenn er dich dahinführt, sei nicht spröde, empfahl hinter Nebo eine Mutter ihrer Tochter, einem Kinde von sechzehn Jahren im Mieder einer Jungfrau.

Die Erfrischungen wurden herumgereicht, und Paula trank, um sich Mut zu machen, zwei Gläser Punsch: als sie diese abgesonderten Gemächer sah, die man eben öffnete, versprach sie sich, so sehr wie möglich Théodore de Serannes mit allen diesen Röschen zu sein Gautier, Mlle. de Maupin..

Zuerst bemühte sie sich um die Gunst von Miss Milding; diese Sylphide hatte ein starkes Gedächtnis und antwortete mit Zitaten aus Shakespeare, über welche die Prinzessin erstaunte, bis sie bemerkte, dass der köstliche Lawrence die blauesten Strümpfe trug, die je das dürre Bein einer Tochter Albions getragen hatte.

Mit höflichen Worten ging sie dann zu der blonden Wienerin über, die ihr die Geliebte des Albert Gautier, Mlle. de Maupin. gut vorstellte, weniger die launische Anmut: sie bot ihr den Arm und führte sie in den ersten der kleinen Salons. War es eine Regung von Verderbtheit, die Wirkung des Punsches oder eine schrankenlose Neugier: sie fasste sich ein Herz, dreist wie ein Page. Auf demselben Sofa sitzend und vor Blicken geschützt, machte sie in einigen Minuten diese Eroberung.

– Die Frau, die ich träume und die ich suche, würde ich an diesem Zeichen erkennen: dass ihre Lippen meine Lippen nicht fliehen, von der ersten Begegnung an; dass sie sich als die Meinige fühlt, sobald sie mich erblickt.

Die sinnliche Oesterreicherin, von der Lockpfeife der Heirat gefangen, auch vom Zauber des falschen jungen Mannes verführt, empfing frischweg den Kuss, den Paula ihr hinter den Kulissen gab. Dadurch ermutigt, zog die Prinzessin das Kind an sich, mit der einen Hand ihren Busen kosend.

In dieser verliebten Umarmung überraschte Nebo sie. Das verlegene junge Mädchen riss aus, aber Paula, die angeheitert war, antwortete mit einem Blick des Ungehorsams auf den beinahe strengen Nebos. Sie ging wieder in den Salon zurück, trank noch etwas und teilte fast an alle die wärmsten Komplimente aus.

Die beiden Schwestern Molineau an ihren Armen führend, kehrte sie in den kleinen Salon zurück. Mit einer teuflischen Laune betörte sie beide, die eine nach der andern küssend: die Süssigkeit des Kusses sollte ihr die Wahl erleichtern. Die beiden jungen Mädchen, in ihrem Gewissen beruhigt über das mögliche, wenn nicht wahrscheinliche Ende dieses brennenden Spiels, verteidigten sich schlecht und lachten nervös.

– Der Herr Graf ist sehr angeheitert, sagte Baron Plot zu dem angeblichen Sekretär; er möge sich mit der kleinen Bonnard in acht nehmen; wenn er die entführt und sich zu nahe ansieht, wird die Mutter versuchen, seine Hand zu erzwingen, wie in »Pot-Bouille« Pot-Bouille (»Küche«), Roman von Zola, 1882 erschienen..

– Ich spreche nicht für den Herrn Grafen, sagte Nebo, aber könnte nicht zufällig ein anderer als er diese kleinen Salons missbrauchen?

– Um zu umarmen! Sie wollen lachen, Herr Sekretär, rief der Baron, um verständnisvoll fortzufahren: Für weniger als ein Goldstück gibt es genug Diwane in Paris; meine werden geachtet, weil sie zu teuer sind für das, was man dort finden würde.

Als Paula die beiden Schwestern zurückführte, zog Nebo sie einen Augenblick beiseite.

– Paula, erinnern Sie sich an die Bierschenke Peladans Roman »Weibliche Neugier«., wo Sie von einer Kellnerin verwirrt wurden; Sie spielen mit dem Antiphysismus, die Sünde ist enorm, und Ihr Ansehen wird in meinen Augen verlieren.

– Ich höre Sie, Prediger, und beruhige Sie, indem ich nur noch eine Liebelei mache.

– Aber nicht mit der kleinen Bonnard: die Mutter würde über Vergewaltigung schreien, sobald sie sich Ihnen überlässt, und Sie zum Heiraten zwingen.

– Zum Heiraten zwingen? Das wäre ein Spass!

Sie lachte und steuerte auf das junge Mädchen zu, dessen Eroberung Nebo ihr verbot. Dieses, mit nackten Armen und sehr ausgeschnitten, unter einem Busentuch aus Gaze, das absichtlich schlecht befestigt war, affektierte eine grosse Zurückhaltung und senkte beständig die Augen.

Errötend und Rührung heuchelnd über die Aufmerksamkeiten des falschen Noroski, nahm sie Paulas Arm und liess sich in den kleinen Salon führen. Alsbald legte sich die Mutter in den Hinterhalt, um den günstigen Augenblick für einen Skandal zu überwachen.

Paula, vom Treiben der falschen Agnes sehr interessiert, pries die rosige Farbe ihrer Haut.

– Die Gaze schmeichelt; wenn Sie die Haut nackt sähen, ist sie sehr gewöhnlich,

– Ich wette, nein!

– Sie haben verloren, bitte, erwiderte sie und zog eine Nadel heraus: der Busenschleier öffnete sich.

– Ah, sagte Paula, Sie haben ein Zeichen zwischen den beiden Brüsten.

– Es ist so tief: wie können Sie es sehen?

Graf Noroski beugte sich über den entblössten Busen; das junge Mädchen ergriff ihn beim Kopfe und warf ihren wie ohnmächtig zurück, das »Ah!« der sich hingebenden Frau ausstossend.

Bevor Paula sich hatte losmachen können, war die Mutter zur Stelle, von einem Teil der Anwesenden begleitet, und rief mit bürgerlicher Theatralik:

– Meine Tochter, du bist kompromittiert! Herr Graf, nach einer solchen Freiheit gibt es nur noch eins …

In würdiger Erregung hielt sie inne.

Und wahrhaftig, das Gesicht von Fräulein Bonnard zeigte einen derartigen Ausdruck, ihre Brüste waren durch die Entfernung der Gaze derartig entblösst, dass die Szene für jeden andern Freier misslich gewesen wäre.

Das junge Mädchen, zu weit von ihrer Mutter entfernt, um ihre Verlegenheit in deren Armen zu verbergen, warf sich mit flehender Gebärde Paula, die sitzen geblieben war und lächelte, an die Brust; sogleich aber richtete sie sich wieder auf und rief, wild und wahr in ihrem Zorn:

– Mama, dieser junge Mann ist ein Weib.

Sie hatte unter dem Vorhemd die Brüste der Prinzessin aufsteigen gefühlt. Der Theatercoup war derartig, dass die Anwesenden vor Bestürzung erstarrten.

– Sie hofften, Herr Graf, zu verbergen, dass Sie Hermaphrodit sind! Ach, trösten Sie sich: man hätte es doch eingestehen müssen, sagte Nebo mit heuchlerischem Schmerz und spaltete die Gruppen, um Paula den Weg zu öffnen; die biss sich auf die Lippen, um nicht zu lachen.

– Beeilen Sie sich doch, Närrin, sagte Nebo im Vorzimmer; der Plot und die Plotte werden sich ereifern.

Und wirklich, sie kamen ganz rasend, im Augenblick, als die beiden Diener die Tür schlossen.

– Nun, Sie sind auf dem Wege lasterhafter Vollkommenheit: halb berauscht, halb lesbisch.

– Berauscht, etwas; lesbisch, nein! Diese Küsse und diese Liebkosungen, die ich gegeben, wie die, welche ich erhalten habe, sind mir nur Neuigkeiten als Bubenstreiche gewesen. Die Frucht meines Abends ist die Ueberzeugung, dass alles gleichgültig ist von einem Wesen, das man nicht liebt, und dass die Person den Kuss macht; an sich ist er nichts, ist er nicht vorhanden.


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