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Sie war plötzlich zum Leben erwacht. Und es war ihr, als hätte sie bis jetzt nur geschlafen und geträumt – wüst geträumt!
Was sie bis jetzt erlebt hatte, war kein Erlebnis! Was sie gehofft hatte und immer noch hoffte, war keines Gedankens wert!
Vom Strome getrieben, hatte sie sich willenlos hin und her zerren lassen, bald von diesem, bald von jenem Strudel angezogen! Jetzt fühlte sie zum ersten Male so etwas wie festen Boden unter den Füßen! Sie hatte etwas gefunden, woran die Wurzel ihres Wesens sich anklammern, wachsen und erstarken konnte!
Die Sonne schien ihr zum erstenmal bis in die Seele hinein! – Sie fühlte die Wärme des Lebens in sich pulsieren! Alle Triebe erwachten und drängten zur Entwickelung! Die Seele, deren Knospen die äußere Gewalt roher Hände bis jetzt gewaltsam beschleunigt hatte, auf die Gefahr hin, sie noch vor der Entfaltung völlig zu vernichten – ihre arme, getretene Seele trieb jetzt selbst zur Entfaltung! Die äußere vergewaltigte Hülle fiel! Und rein und unberührt, in voller Unschuld, trotz alles Schlamms, durch den sie emporgetrieben war, entfaltete sich die Blume ihres Seelenlebens, in tausend Farben des reichstens Empfindens schillernd und stark und lieblich duftend!
Die große Liebe war da und hob sie mit ihrer Allgewalt aus dem Sumpf. Und alles, was ihr bis jetzt das Leben gewesen war, wurde ihr gleichgültig! Ohne Bedenken wollte sie es wegwerfen, nie wieder auftreten, nie wieder tanzen, sich ganz vom Getriebe der Bühne zurückziehen!
Sie sah nur ein Paar tiefblaue Augen, die sie anblickten – naiv, groß –, wie wenn ein Kind in einen bunten Traum hineinblickt! Sie hörte nur den Klang einer tiefen, sonoren Männerstimme – sie empfand die ganze Jugendfrische eines Heldentums, das sich ohne Bedenken bereit fand, um ihretwillen alles von sich zu werfen und, ohne Rücksicht auf Familie, Namen oder das Gerede der Welt, aus Liebe zu ihr sein Leben für sie einzusetzen!
Psyche war wieder frei!
Aber die Wandlung war zu schnell gekommen! Die Fesseln waren gelöst, aber sie lagen noch zu ihren Füßen. Sie sah sie noch – sah ihr bisheriges Leben –, sah, was ihr unwiederbringlich verlorengegangen war und wie man an ihr gesündigt hatte! – Sie war wieder frei. Aber die Schwungkraft ihrer Flügel erlahmte! Vom jähen Glück wie vom Unglück gleichermaßen erschüttert, brach sie zusammen!
Ein heftiges Nervenfieber warf sie nieder und fesselte sie für Wochen ans Krankenlager. Die »Mama« war wie verwandelt. In ihr erwachte so etwas wie böses Gewissen. Die Gefahr, in der die Tochter schwebte, hatte es geweckt. Sie sah, wie schwer sie sich aus Eigennutz an ihrem Kinde versündigt hatte, und gelobte dem Himmel, nie wieder ein männliches Wesen an sie heranzulassen, wenn es ihr bloß vergönnt würde, sie dem Leben zu erhalten! Sie nahm die berühmtesten und teuersten Arzte, streute ihr Geld mit vollen Händen aus – alles umsonst!
Jäh, wie Barberinas Gestirn emporgeschnellt war, war es auch vom Firmament verschwunden.
Ganz London interessierte sich für ihr Schicksal. Die tollsten Gerüchte wurden in Umlauf gesetzt, man glaubte nicht an ihre Krankheit, und die Theaterleitung hatte dem Publikum gegenüber einen schweren Stand.
Das Fieber ließ nicht nach. Barberina wurde täglich schwächer und schwächer, ihre Fieberphantasien immer verworrener.
Der junge Lord Stuart suchte vergebens zu ihr zu gelangen. Ihre Tür blieb ihm wie jedem andern hermetisch verschlossen. Tag für Tag besuchte er das Theater, um zu fragen, wann sie wieder auftreten würde. Er ging in den Spielsaal Fossanos und suchte durch diesen Kunde zu gewinnen – vergebens! – Man wußte, daß sie krank war – das war alles!
Eines Tages ging er wieder zu ihrer Wohnung, bestürmte die alte Signora mit Bitten, ihn doch an das Krankenlager zu lassen, bot ihr Geld, bot ihr die Ehe mit ihrer Tochter an, begegnete aber nur kalter Abweisung und mußte unverrichtetersache wieder seines Weges gehen.
Als er auf die Straße heraustrat, wurden von reichgekleideten Trägern eben zwei Sänften vor dem Hause abgesetzt.
Zwei würdige Herren entstiegen ihnen und betraten das Haus nach langem Komplimentieren wegen der Ehre des Vortritts.
Er schlich ihnen nach, eilte die Treppe hinauf und blickte durch die angelehnte Tür des Empfangszimmers hinein.
Die Signora war zu der Kranken hineingegangen, um sie auf den Besuch vorzubereiten. Die beiden Herren waren allein. Stuart kannte sie wohl.
Es waren der berühmte Arzt Sir William Westmore und der nicht minder beliebte Modearzt Dr. Petit, dessen Wunderpillen ihm die Gunst des vornehmen Publikums erobert und den Haß seiner englischen Kollegen zugezogen hatten.
Die beiden Herren konnten sich nicht ausstehen, hüteten sich aber wohl, es merken zu lassen, und bewahrten auch im persönlichen Verkehr eine bewaffnete Neutralität, bereit, jede Blöße des Gegners auszunützen, wenn er sich durch irgendeine mißratene Kur als Scharlatan entpuppen würde. Wie ungern sie sich auch begegneten, so war es ihnen doch stets willkommen, an dasselbe Krankenlager berufen zu werden. Denn da hatten sie Gelegenheit, einander zu belauern. Jeder tat also sein Bestes, um den Argwohn des Kollegen zu entkräften, und bot seine ganze Geschicklichkeit auf – was dem Publikum nicht entging und es auch veranlaßte, sie beide kommen zu lassen, um seines Lebens sicher zu sein. Ein jeder konnte sich nicht den Luxus leisten, durch so berühmte Hände in die Ewigkeit hineinbefördert zu werden. Mama Campanini aber konnte es. Und so wurde die arme Barberina in die Hände dieser beiden Gewaltigen gegeben, die denn auch ihr möglichstes taten, um ihre Krankheit am Leben zu halten.
Doktor Petit, mager, gelenkig und lebhaft, nahm kunstgerecht eine Prise aus seiner goldenen Schnupftabakdose, um sein Geruchsorgan von den bei anderen Kranken empfangenen Eindrücken zu »reinigen«, empfahl seinem entsetzten Kollegen dasselbe Verfahren, steckte die Dose ein, bürstete den Schnupftabak von der Weste, goß dann aus einem Glas das »Sekret« der Kranken in ein Glasrohr, mischte einige Tropfen einer Tinktur bei, hielt die Mischung an das Licht, roch daran, schüttelte den Kopf und reichte die Glasröhre Sir William, hütete sich aber, seine Meinung zu sagen.
Sir William, dessen dicker, stämmiger Körper den ganzen Sessel füllte, roch auch an der Röhre, stellte sie fort, schüttelte auch den Kopf, daß die Perücke wackelte, und verschloß die Lippen mit dem goldenen Knopf seines spanischen Rohres.
»Bedenklich, nicht wahr?« fing der Franzose an.
»Allerdings! Aber durchaus nicht hoffnungslos!«
»Hab' ich auch nicht behauptet!«
»Wenn wir aber der Kranken heute etwas Blut ablassen – –?«
»Unter keinen Umständen, Sir William! Unter keinen Umständen! Keinen Tropfen Blut mehr – keinen Tropfen! Höchstens durch eine gelinde Reinigung des Darms ihr einige Erleichterung verschaffen!«
»Das hält sie noch weniger aus!«
»Sir William, ich gestatte mir, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß auch gestern dieselbe Meinungsverschiedenheit zwischen uns bestand! Ich habe dann aus reiner Kollegialität nachgegeben! Wir haben sie dann zur Ader gelassen! – Mit welchem Erfolg?! – Nun, Sie haben eben daran gerochen!«
»Mein lieber und verehrter Herr Konfrater«, antwortete Sir William mit all der Würde, die seine fette Stimme aufbringen konnte, »wenn Sie gestern meiner Ordination den Vorzug gaben, so tat ich vorgestern Ihren Pillen dieselbe Ehre an! Ich neige auch zu einer leichten Reinigung des Darms, um ihn von den vorgestern eingenommenen Pillen zu säubern – aber nur auf dem einzig richtigen Weg eines milden Klistiers! Ich weiche aber nicht von meiner Ansicht, daß auch ein Aderlaß unbedingt nötig ist, und habe deshalb die Blutegel gleich mitgebracht!«
»Blutegel? Niemals!« rief der Franzose, entsetzt bei dem Gedanken, daß der Nebenbuhler seine Blutegel verkaufen würde. »Diese wilden Tiere sind sehr mit Vorsicht zu gebrauchen! Bei dem Schwächezustand der Patientin wäre das geradezu ein Frevel! Ein Tropfen zuviel könnte da eine Katastrophe herbeiführen! Wir haben es nicht in der Hand, die Raubgier jener Tiere nach Wunsch zu dirigieren! Ich schröpfe immer! Da weiß ich am besten die zu entnehmende Blutmenge genau zu bemessen! Ich willige in den Aderlaß ein, Sir William, aber nur, wenn Sie mich schröpfen lassen!«
»Wenn Sie mir zugestehen, auch mein Klistier in Anwendung zu bringen, so verzichte ich auf die Blutegel und akzeptiere das Schröpfen!« sagte Sir William phlegmatisch.
»Einverstanden!« rief der Franzose und fing sofort an, sein Arsenal auszupacken und sich zum Angriff bereit zu machen. Sein Mitbruder tat desgleichen. Da ereilte sie die Strafe des Himmels!
Stuart, der hinter der Tür der Unterhaltung mit wachsendem Entsetzen gelauscht hatte, warf die Tür auf und stürzte hinzu, schlug ihre Flaschen und Röhren in Scherben und bearbeitete die beiden Wunderdoktoren so nachdrücklich mit dem spanischen Rohr des dicken Sir William, daß sie schreiend und hilferufend die Treppen hinunterliefen, sich in ihre Sänften warfen und sich eilends forttragen ließen.
Schröpfköpfe und Blutegel, Pillen und Klistier waren in die Flucht geschlagen! – Die Liebe behauptete das Schlachtfeld. Sie sollte auch fernerhin siegreich bleiben!
Der alten Signora, die bestürzt aus dem Krankenzimmer herauskam, erklärte der Sieger rundweg, daß er sie und sich auf der Stelle töten würde, wenn sie ihn nicht sofort an das Krankenlager ihrer Tochter führe!
Seine Entschlossenheit machte ihr jeden Widerstand unmöglich. Sie öffnete die Tür und ließ ihn eintreten.
Barberina, von dem Lärm und dem Wortwechsel aufgeschreckt, machte einen schwachen Versuch, sich im Bette aufzurichten. Als sie den Geliebten in der Tür sah, glitt ein frohes Lächeln über ihr Gesicht. Mit einem dankbaren Blick empfing sie seinen Gruß und sank dann in die Kissen zurück.
Er stürzte hinzu, ergriff die vom Bettrand herabhängende Hand und bedeckte sie mit glühenden Küssen. Lange kniete er am Bette, die Lippen auf ihre Hand gepreßt. Als er wieder emporblickte, lag sie da, ganz still, mit geschlossenen Augen. Sie schlief und atmete ruhig, von schönen Träumen umgaukelt. Lange saß er so, immer noch ihre Hand in der seinen haltend. Und die Alte, die die beruhigende Wirkung seiner Anwesenheit sah, ließ ihn gewähren.
Das Fieber wich allmählich; die Gefahr war vorüber, und so hatte er sie zum zweiten Male aus Räuberhänden befreit.
Sie genas in ganz kurzer Zeit und konnte bald das Bett verlassen. Er besuchte sie täglich und genoß in vollen Zügen das Glück, sie zu sehen und an ihrer Seite zu weilen. Sobald sie völlig wiederhergestellt war, wollten sie heiraten und sich ganz vom Getriebe der Welt zurückziehen. Sie wollte das Theater verlassen und er die ihm aufgezwungene Braut.
Während er mit ihr Zukunftspläne schmiedete, zogen sich gewitterschwangere Wolken über seinem nichtsahnenden Haupt zusammen.
Das Duell mit Lord Albermale hatte ein gewaltiges Aufsehen erregt, um so mehr, als es von dem plötzlichen Verschwinden Barberinas von der Schaubühne begleitet wurde. Gänzlich davon abgesehen, wurde jene Begebenheit aber auch aus anderem Grunde zum Gegenstand des Spottes und der allgemeinen Lachlust. Der unverbesserliche Lord Albermale gab auch dafür den Anlaß.
Unter anderem war er nämlich auch ein leidenschaftlicher Verehrer des Hahnenkampfes und versäumte keine Gelegenheit, diesem in England so eifrig betriebenen Sport zu frönen.
So sah man Seine Lordschaft sich oft mit der übelsten Gesellschaft um die Arena drängen, wo irgendein berühmter Hahn sein Leben in die Schanze schlug. Die tollsten Wetten wurden von ihm eingegangen und verloren. Und wie wüst die Kämpfer sich auch zerzausten – der am meisten Gerupfte war am Ende stets der Lord! – Aber es machte ihm Spaß, sein Geld zu verlieren. Und so war er nicht nur in der Lebewelt, sondern auch unter dem Gesindel Londons eine der populärsten Persönlichkeiten.
Hogarth, der damals im Zenit seines Ruhms als rücksichtsloser Sittenschilderer seiner Zeit stand, hatte längst ein Auge auf ihn geworfen und ihn mehrfach als Prototyp eines Modegecken auf seinen Stichen abkonterfeit.
Lord Albermale, weit entfernt, es ihm übelzunehmen, war stolz darauf. Er hatte sogar eine ganze Menge Abzüge eines Stiches erstanden, auf dem er als Präsident des bunt zusammengewürfelten Publikums eines Hahnenkampfes dargestellt worden war, um sie seinen Freunden zu geben.
Er schloß sich eng dem Freundeskreis Hogarths an und verkehrte fast täglich mit ihm, zum nicht geringen Ärger seiner Standesgenossen. – Sie betrachteten ihn als das enfant terrible, das ihre kleinen Menschlichkeiten dem treffsichern Grabstichel Hogarths preisgab und diesen so in die Lage versetzte, sich an ihnen wegen ihrer Geringschätzung seiner Malereien zu rächen.
Der gute Lord hatte auch nichts Eiligeres zu tun, als seinem guten Freunde die näheren Details seines gloriosen Zweikampfes mit Lord Stuart zu schildern. Und das war für Hogarth ein gefundenes Fressen.
Sein Zeichenstift schwelgte in karikaturistischen Orgien – seine Kupferstecher kratzten und schwitzten – seine Pressen gingen Tag und Nacht! Und eines schönen Tages überraschte er seine Verehrer und Abnehmer mit einem neuen Stich, der reißenden Abgang fand und ungeheures Aufsehen machte.
Der Stich war eine Travestie seines eigenen, wegen Albermales bereits weitverbreiteten Stiches: »Der Hahnenkampf«.
Aber keine richtigen Hähne standen sich in der Arena gegenüber, sondern Mitteldinge zwischen Federvieh und Dandy – die Hahnenkämme zu federgeschmückten Dreimastern angeschwollen – die gerupften Körper in den modisch geschwungenen Linien von Fechtern stutzerhaft posierend. So standen sie einander gegenüber – die linken Flügel halb an die Seite gedrückt, die rechten gekreuzt – das rechte Bein vorgestreckt! – Die Köpfe der Kampfhähne aber waren deutlich erkennbare Karikaturen von Albermale und seinem jungen Gegner.
Um die zirkelrunde, tischförmige Arena herum rekelte sich die übliche Versammlung von Spielern, Beutelschneidern und allerlei Gesindel nebst ihren Opfern aus der besten Gesellschaft. Alle aber trugen die Gesichter von bekannten Aristokraten, Parlamentariern oder Großkaufleuten. Sir Josuah Crichton sowie sein edler Gönner Lord Stuart waren auch da, und mit ihnen mancher ihrer Standesgenossen.
Von der Seite aber, wo für gewöhnlich der Besitzer des Kampfhahns von dem ihm allein zustehenden Recht, den Fuß auf die Arena zu setzen, Gebrauch zu machen pflegte, war eben in kühnem Satz eine Tänzerin über die Häupter der Kämpfenden gesprungen. Man sah von ihr nur die Beine über das Ganze schwirren und die Waffen der beiden Kampfhähne auseinander schlagen. – Diese und die Zuschauer starrten mit weit offenen Mäulern und lüsternen Mienen dem über sie hinwegschwebenden Wunder nach – die Blicke an die Strumpfbänder gebannt, an denen eine Unzahl kleiner Herzen aufgereiht war. – Nur einer blieb teilnahmslos – der Mann am Eingang, dessen Züge eine sprechende Ähnlichkeit mit dem berühmten Minister Walpole verrieten, und der, ganz wie sein Ebenbild, mit dem Verkauf von Sitzen beschäftigt war. Wenn's auch keine Parlamentssitze waren, so schien doch der Profit, nach seiner vergnügten Miene zu urteilen, recht einträglich zu sein.
»Allerhöchst dero Pirouetten«, lautete die Unterschrift unter dem Stich. Und trotz des hohen Preises von einer Guinee für jeden Abzug ging er zu Tausenden ab.
Hogarth machte ein glänzendes Geschäft und konnte es sich leisten, sich für einige Zeit zurückzuziehen, um an einem neuen Gemälde zu arbeiten, das ihm wohl weder Gold noch Ehren einbringen würde!
Es konnte nicht ausbleiben, daß der Stich auch auf den Tisch Seiner Herrlichkeit, des Lords Stuart, flatterte. Und auch unter den Fakturen des Chefs des Hauses Crichton & Co. fand sich eines Tages ein Exemplar eingeschmuggelt. Die beiden würdigen Vertreter der Ehre und des Reichtums Englands hatten also das Vergnügen, sich selbst in gar nicht würdevoller Weise unter den Zuschauern des Hahnenkampfes abkonterfeit zu sehen, und vertieften sich in die Selbstbetrachtung, ohne eine Miene zu verziehen.
Die Wirkung war aber bei den beiden verschieden.
Sir Josuah gab in aller Ruhe und im trockensten Tone den Befehl, sofort eine Annonce aufzugeben, worin bekanntgemacht wurde, daß sein Kontor alle nur erlangbaren Exemplare des Stiches zum doppelten Preise aufkaufen würde. Er sandte seinen Prokuristen zu Hogarth und ließ ihm ohne Feilschen den von ihm verlangten Preis für die Platte und die noch nicht verkauften Exemplare auszahlen sowie ihm die schriftliche ehrenwörtliche Verpflichtung abnehmen, keine weiteren Vervielfältigungen des Stiches anzufertigen und die Originalzeichnungen zu vernichten. Nach Erledigung dieses Geschäfts ging Sir Josuah stillschweigend über die Angelegenheit zur Tagesordnung über und vertiefte sich in eine Kalkulation über die Gewinnung von schwarzem Elfenbein für Südamerika.
Lord Stuart dagegen trug nur äußerlich Ruhe zur Schau. Innerlich kochte er vor Wut. Und die Wut eines Engländers nimmt manchmal sonderbare Formen an. – Bei Lord Stuart schlug sie sich gleich auf die Würde und brachte eine eisige Unnahbarkeit hervor, die alles Leben um ihn lähmte. Alles schlich auf den Fußspitzen um Seine Herrlichkeit herum und bot den äußersten Scharfsinn auf, um die Ursache seines Mißvergnügens ausfindig zu machen und ebenso unmerklich zu beseitigen, wie sie entstanden war. Selbstverständlich ohne den Lord selbst darüber zu interpellieren oder irgendwie damit zu belästigen. Denn Fragen zu stellen, wo man selbst Augen und Ohren hatte, war im Hause Stuart zur Zeit der Wut Seiner Herrlichkeit mehr als lebensgefährlich.
Gelang es, den Grund seines Zornes zu beseitigen, so war alles gut und nahm von selbst wieder die gewohnten Formen an. Sonst konnte man auf Überraschungen gefaßt sein. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel sauste dann urplötzlich das Endergebnis der Entschließungen Seiner Herrlichkeit auf das Haupt des damit bedachten Schuldigen oder Unschuldigen nieder. Aber Mylord verzog dabei keine Miene und verharrte in der Eisregion seiner unverletzlichen Würde.
Ein derartiges Einfrieren alles Lebens – wie diese einer Eruption entgegengesetzte Erscheinung wohl genannt werden darf – bereitete sich eben in der erlauchten Seele Seiner Herrlichkeit vor, als ihm der Besuch Sir Josuah Crichtons gemeldet wurde.
Eine Neigung des Kopfes teilte dem Hofmeister mit, daß der Lord empfangen wollte. Eine Handbewegung deutete ihm auch an, wo. Da er nicht verstand, aber auch nicht wagte, nach der Bedeutung der Geste zu fragen, so führte er Sir Josuah, zum Entsetzen Stuarts, der auf die Ahnengalerie gedeutet hatte, geradeswegs ins Allerheiligste – ins Arbeitszimmer hinein, wo sonst nur Mitglieder der allernächsten Familie empfangen wurden. Dieser Mangel an Distinktionsvermögen brachte ihm einen kalten Blick unter mäßig gerunzelten Brauen ein. Zitternd zog er sich zurück und ließ die beiden Herren allein.
Lord Stuart mußte also seinen Gast selbst in die Galerie hineinführen, ehe er sich herablassen konnte, seinen Mund aufzutun. Denn nur im Kreise seiner Ahnen konnte er so sprechen, wie's die Situation von ihm, einem Peer von England, verlangte! – Da allein war er sicher, es mit der gebührenden Würde tun zu können, ohne Gefahr zu laufen, das Gleichgewicht des Gemüts zu verlieren.
Mit einer Handbewegung stellte er seinem Gast alle die Stuarts vor und lud ihn dann ein, unter ihnen Platz zu nehmen! – Eine symbolische Handlung, deren hohe Bedeutung Sir Josuah nicht gebührend zu schätzen schien! Denn er lächelte belustigt und verstieg sich sogar zu der respektlosen Äußerung: »Ich könnte Eurer Herrlichkeit allerdings nicht mit derselben Ehrung aufwarten, falls ich bald einmal den Vorzug Ihres Besuches haben sollte! – Denn all die Heringstonnen, die ich dann als Ahnengalerie vor Eurer Herrlichkeit Augen auffahren lassen müßte, fänden in ganz Pall Mall keinen Platz!«
Eine Bemerkung, die die Würde Mylords auf den Gefrierpunkt brachte!
»Als Staatsvisite habe ich Ihren Besuch auch nicht aufgefaßt, Sir Josuah!« sagte er, setzte sich zuerst und lud seinen Gast mit einer Handbewegung ein, seinem Beispiel zu folgen. »Ich gehe wohl auch in der Annahme nicht fehl, daß ein besonderer Anlaß Ihres Kommens vorliegt?«
»Sicher nicht!« sagte Sir Josuah und versenkte seine kugelrunde Gestalt in einen ebenso prachtvollen Thronsessel wie den Seiner Herrlichkeit. »Es liegen sogar ganz besondere Gründe vor!«
»Dürfte ich denn bitten?«
»Zunächst hätten wir einen Brief Ihres Herrn Sohnes –« Sir Josuah holte seine große Hornbrille hervor, putzte die Gläser und hakte das Ungetüm hinter den Ohren fest, faltete dann einen Brief auseinander und hielt ihn hoch. »Dieser Brief, den ich die Ehre haben werde vorzulesen – –«
»Ich darf wohl hoffen«, unterbrach der Lord, »daß jenes Schreiben nichts von Geld oder Geldangelegenheiten enthält? – Denn ich müßte sonst ablehnen, mich damit zu befassen und mich auf die Erklärung beschränken, daß ich meinem Sohn ausdrücklich verboten habe, in geschäftlichen Dingen irgend etwas ohne meine Erlaubnis zu unternehmen, sowie, daß diese Erlaubnis weder von ihm nachgesucht, noch von mir erteilt wurde!«
»Eure Herrlichkeit können in dieser Hinsicht ganz außer Sorge sein! Der Brief betrifft nur eine Herzensangelegenheit!«
»Da gestatte ich mir zu bemerken, daß er wohl falsch adressiert worden ist?«
»Durchaus nicht!« sagte Sir Josuah und zeigte ihm die Rückseite des Briefes, wo die Adresse deutlich zu lesen war.
Lord Stuart geruhte hinzublicken, las die Aufschrift: »Sir Josuah Crichton«, und sagte dann trocken: »Soviel ich weiß, haben wir meinen Sohn in aller Form mit Ihrer Tochter verlobt?«
»Ich bin derselben Ansicht, Mylord!«
»Sonderbar! Wie kommt er denn dazu, seine Liebesbriefe an Sie zu adressieren?«
Sir Josuah lachte kurz auf. Lord Stuart ignorierte es.
»Etwas weltfremd war mein Sohn ja immer! Das kommt aber von dem Erziehungsplan seiner Mutter, der seligen Lady Stuart, den ich ihr auf ihrem Sterbebette getreulich zu befolgen versprach und auch befolgt habe! Er sollte vor den Verlockungen der Welt möglichst bewahrt werden!«
»Die selige Mylady muß eine seltene Frau gewesen sein!« sagte Sir Josuah. »In unserer Zeit sieht man, besonders unter den Frauensleuten, die Verlockungen der Welt nicht nur als gänzlich ungefährlich, sondern als wünschenswert an. Und, unter uns gesagt, ist's auch so! Ein junger Mann muß sich austoben, soll etwas Rechtes aus ihm werden! Sonst speichern sich die gefangenen Lebenskräfte auf, es kommt im ungeeignetsten Augenblick zur plötzlichen Entladung, und man wird von irgendeinem Geschehnis überrascht, das alle Berechnungen über den Haufen wirft! – – Sausen und brausen, solange die Säfte noch gären! – Das gibt im reifen Alter guten Wein! – Meine Jungens sind mir alle durch die Lappen gegangen! – Weiß der Satan, wenn ich sie wieder einfange! – Aber Gott verdamm mich, wenn ich sie anders haben wollte!«
Lord Stuart rümpfte mehrmals die Nase bei den Ausführungen seines Besuchers und nahm wiederholt einen Anlauf, sie zu unterbrechen. Aber Sir Josuah ließ sich nicht stören. Als er endlich aufhörte, räusperte sich der Lord ein paarmal laut und vernehmlich und sagte dann kurz und scharf:
»Ich würde mir niemals erlauben, an der Lebensphilosophie meiner seligen Gattin noch nachträglich Kritik zu üben! Ich billigte sie auch schon im Leben! – Wenn ich jene Lebensanschauungen trotzdem soeben erwähnte, so tat ich es nur, um Ihnen den Grund für die Lebensfremdheit meines Sohnes zu erklären! Und auch – weil ich, wie ich sagte, mich trotzdem über seine Distraktion wundere, seine Liebesbriefe an Sie, statt an Ihr Fräulein Tochter zu adressieren!«
Sir Josuah lachte wieder kurz.
»Er wird schon wissen, wohin er sie adressiert!«
»Wie soll ich denn das verstehen?« fragte Stuart kopfschüttelnd. »Sie hatten doch die Güte, zu bemerken, daß der Brief eine Herzensangelegenheit betrifft!«
»So ist es auch!«
»Aber – –«
»Mein lieber Freund«, sagte Sir Josuah, auf einmal alle Förmlichkeit außer acht lassend, und blickte ihn über die Brille sarkastisch an. »Mein lieber, guter Freund – wir zwei brauchen uns wahrhaftig nichts vorzumachen! Am allerwenigsten in dieser Sache! Soviel ich weiß, handelt es sich zwischen unseren Familien um gar keine Herzensangelegenheiten, sondern nur um die rein geschäftliche Operation einer ehelichen Verbindung zwischen unseren Kindern! In dem zwischen uns geschlossenen Vertrage steht gar nichts von zärtlichen Empfindungen! Bei geschäftlichen Abmachungen pflegt es, soviel ich weiß, auch nicht anders zu sein! Ich würde mich auch schön hüten, das Herz meiner Tochter in Liebessachen beeinflussen zu wollen! Dann käme sie mir am Ende gar mit Wünschen in dieser Beziehung, die mit dem kindlichen Gehorsam, den ich von ihr verlangen muß, gar nichts zu tun haben! Sie mag meinetwegen mit ihrem Herzen tun, was sie will! Aber heiraten soll sie so, wie ich will! – Das ist mein Standpunkt, und daran ist nicht zu rütteln! – Eben um Eurer Lordschaft zu versichern, daß wir, was auch kommen mag, an der Verlobung festhalten werden, bin ich hierhergekommen!«
»Ich wüßte nicht, daß ich jemals den geringsten Zweifel über die Loyalität Ihrer Absichten geäußert hätte«, sagte Lord Stuart und richtete sich im Sessel auf.
»Das erkenne ich durchaus an!«
»Ich darf wohl hoffen, daß Sie Ihrerseits keinen Zweifel uns gegenüber hegen?«
»An Eurer Herrlichkeit guten Willen glaube ich schon!«
»Das möchte ich mir auch ausbitten! Und was meinen Sohn betrifft, wird er Ihnen wohl sicherlich ebenso vertrauenswürdig erscheinen müssen!«
Sir Josuah antwortete mit einem Achselzucken. Lord Stuart blickte ihn fragend an.
»Sie denken hoffentlich nicht an jene Albernheit – jenen Stich Hogarths, den Sie wohl auch gesehen haben? Derartigen Erzeugnissen eines verwilderten Geschmacks können wir doch unmöglich irgendeine Bedeutung beimessen!«
»So ganz ohne Bedeutung ist jener Stich in diesem Falle nicht, Mylord!«
Lord Stuart ließ einen seiner verächtlichsten Blicke seinen Gegenpart streifen und schüttelte leise den Kopf.
»Mein lieber Sir Josuah«, sagte er dann gemessen. »Wer, wie ich oder Sie, in der Öffentlichkeit steht, muß in solchen Sachen über jede Empfindlichkeit erhaben sein! Man muß sich schon einiges gefallen lassen! Es war stets das gute Recht des Mobs, unsereinen zu verspotten – notabene: wenn er uns dabei nicht die schuldige Ehrfurcht versagt! Ich hätte nichts gegen jene Erzeugnisse des Grabstichels einzuwenden, die an die Lachlust des Publikums appellieren, wenn sie nicht meistens den guten Geschmack verletzten! – Sehen Sie sich nur den Wisch da genau an!« Er schob ihm einen Abzug des Stiches zu. »Sehen Sie ihn nur an! Wie zum Beispiel hat der Zeichner mich dargestellt?! Sehen Sie nur! Trage ich etwa jemals die Perücke schief?! Kann irgendeiner behaupten, mich jemals so gesehen zu haben?!«
»Ich glaube kaum!« lächelte Sir Josuah.
»Und der Ordensstern! –Jeder gebildete Mensch weiß doch, daß ich das Großkreuz des Bathordens trage! Der Maler aber weiß nicht mal, wie der Bathorden aussieht! – Wie kommt er dazu, in den Stern den Steward eines Porterhauses einzuzeichnen? Diese absurde Idee! Und – die Geige! Wann bin ich jemals mit einem derartigen Instrument in Berührung gekommen? Haben Sie mich geigen sehen? Und gar öffentlich – bei einer derartigen Gelegenheit! – Besuchen Sie etwa ein Hahnengefecht?«
»Heute nicht mehr!« sagte Sir Josuah. »Heute ist mein Platz da, wo die Menschen sich rupfen!«
»Aber trotzdem sind Sie auch dabei!« sagte der Lord und zeigte auf die Zeichnung. »Und wie hat er Sie dargestellt?! Als einen Schlemmer – einen Gourmand schlimmster Sorte! – Sie lecken sich sogar den Mund!«
»Das könnte schon vorkommen!« schmunzelte Sir Josuah.
»Sagen Sie, was Sie wollen!« rief Lord Stuart entrüstet, »aber daß Sie so schlechte Manieren hätten, könnte Ihnen nicht einmal Ihr schlimmster Feind nachsagen!«
»Aber auch nicht, daß ich schlechten Geschmack hätte! Und da muß ich sagen – wenn mir einmal so'n paar hübsche Beine um den Kopf schwirren würden, da könnte es schon sein, daß ich auch die guten Manieren außer Gefecht setzte! Ich bin gewiß kein Kostverächter! Meine verstorbene Frau könnte Ihnen da verschiedenes bestätigen, wenn sie noch am Leben wäre!«
Das war zuviel für Seine Herrlichkeit. Seine Würde kochte bis zum Gefrierpunkt hinunter.
»Ich will nicht hoffen, Sir Josuah«, sagte er in einem Ton, der auch diesen in Harnisch brachte, »daß Sie mir zumuten wollen, mich noch nachträglich in irgendeine Intimität mit Ihrer verstorbenen Frau einzulassen!«
Und er schob den Stich, der zu so unliebsamen Erörterungen Anlaß gegeben hatte, weit von sich.
»Die Intimitäten haben jetzt ihre Herrlichkeiten die Würmer zu besorgen!« replizierte der unverbesserliche Sir Josuah, der durch den bloßen Gedanken an diese »nachträgliche« Intimität seine gute Laune sofort wiedergewann und sich spitzbübisch darüber freute, Mylords Entsetzen noch mehr zu steigern. »Von dem guten Geschmack Eurer Herrlichkeit in puncto Intimitäten war ich auch ohne diese Erklärung hinlänglich überzeugt! Auch den allernächsten Angehörigen gegenüber!«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Daß Eure Herrlichkeit meines Erachtens also wohl von den Herzensangelegenheiten Ihres Sohnes ebensowenig Notiz nehmen wollen wie ich von denen meiner Tochter!«
»Ich glaube, Ihnen bei der Verlobung hinlänglich Gelegenheit gegeben zu haben, diese Überzeugung zu gewinnen! Sie werden nicht gemerkt haben, daß ich meinen Sohn irgendwie um seine Ansicht gefragt habe!«
»Ganz recht! Und deshalb bedaure ich, Eure Herrlichkeit darum bitten zu müssen, das nachzuholen!«
»Was Sie sagen!«
»Ich muß sogar dringend auf der Erfüllung dieses Wunsches bestehen und hoffe, daß Eure Herrlichkeit dabei die ganze väterliche Autorität aufbieten wollen!«
»Sie sind sehr kühn!«
»Der Inhalt dieses Briefes wird meine Kühnheit rechtfertigen!«
»So lesen Sie ihn doch endlich vor!«
Sir Josuah schob seine Brille zurecht, gab dem Briefbogen einen Klaps, um ihm die nötige Strammheit beizubringen, und fing endlich an:
»Mein lieber Sir Josuah!
Als ein Mann von Ehre werden Sie einen Schritt billigen, den zu tun mir meine Ehre gebietet, auch wenn er Ihren Wünschen nicht entspricht! Kurz und gut – ich kann Ihre Tochter nicht heiraten! Ich habe mein Herz einer anderen geschenkt und ihr die Ehe versprochen! – Ich gedenke dies Versprechen, das ihr und mir das Lebensglück verbürgt, auch zu halten, trotz der Schwierigkeiten, die sich uns entgegentürmen werden! – Nichts wird mich davon abbringen! Werfen Sie mir nicht vor, ich hätte dies als Ehrenmann vor der Verlobung mit Ihrer Tochter erklären müssen. Ich war nicht in der Lage, es zu tun! Ich wußte nicht mit mir Bescheid! Ich hatte keine Ahnung von der großen Liebe, die jetzt mein ganzes Wesen erfüllt! Ich handelte wie im Traum! – Ich dachte mir die Ehe als etwas ganz Gleichgültiges, das man mit in den Kauf nehmen und der Entscheidung fürsorglicher Eltern überlassen muß! – Es war ein Irrtum! – Das Leben ist jetzt zu mir gekommen! – Ich habe gesehen, daß keiner außer mir die Macht haben kann oder darf, mein Leben zu gestalten, wenn meine Neigung mit im Spiele ist! Ich bitte das zu berücksichtigen und es mir nicht nachzutragen oder es gar als Schimpf auffassen zu wollen, wenn ich die Verbindung mit Ihrer Tochter hiermit löse. Aber auch wenn Sie mich nicht entschuldigen wollen – es könnte nichts an meinem Entschluß ändern, oder an der Hochachtung, die ich für Ihr Fräulein Tochter und für Sie selbst hege! Ich überlasse es Ihnen, die nötigen Maßnahmen zu treffen, und bitte Sie, Ihr Fräulein Tochter von meinem Entschluß in Kenntnis zu setzen!
In unabänderlicher Wertschätzung Ihr
Lord Stuart-Wortley-Mackenzie.«
»Mylord wollen sich selbst überzeugen?« sagte Sir Josuah nach beendigter Vorlesung, legte den Brief auf den Tisch, nahm die Brille ab und steckte sie in die Tasche. »Mylord wollen sich gütigst überzeugen, daß ich richtig gelesen habe!«
Lord Stuart erhob sich feierlichst zu seiner ganzen Größe und schlug zum erstenmal in seinem Leben mit der Hand auf den Tisch. Einmal nur! – Aber das genügte, um auch Sir Josuah aus der Tiefe seines Thronsessels emporschnellen zu lassen. Mit dem Blick eines Imperators verkündete dann Seine Herrlichkeit ihren Willen.
»Die Heirat findet statt! Der Junge hat da nicht mitzureden! Er wird sich das abgewöhnen müssen! Morgen geht er nach Schottland zu seinem Regiment, um Subordination zu lernen! Zur festgesetzten Stunde tritt er zur Trauung an! Verlassen Sie sich darauf! Aber behalten Sie doch Platz!«
Er setzte sich wieder, jetzt ganz Herr der Situation, und Sir Josuah tat desgleichen. Einen Augenblick blieben sie so in feierlichem Schweigen und blickten sich mehrmals hochachtungsvoll an.
»Die Hypotheken –« fing Sir Josuah an, um das Schweigen zu brechen. »Eure Herrlichkeit wissen wohl bereits, daß alles in Ordnung ist?«
»Mein lieber Sir Josuah«, sagte der Lord langsam, »mein Haushofmeister hat mir noch nichts darüber gesagt! Ich nehme aber ohne weiteres an, daß der unüberlegte Schritt meines Sohnes auch daran nichts geändert hat oder ändern wird!«
»Das wollte ich eben bemerken!« sagte Sir Josuah und schwieg eine Weile, um dem Lord Zeit zum Auftauen zu lassen. Dann hustete er leicht und fing wieder an.
»Ist Eurer Herrlichkeit nichts in dem Briefe aufgefallen?« fragte er.
»Ich kann nicht sagen! Die üblichen Redensarten in derartigen Fällen! Finden Sie etwas daran?«
»Nein! Aber da fehlt etwas zur Vollständigkeit der Sache!«
»Was denn?«
»Der Name der betreffenden Person, die Ihr Herr Sohn heiraten will!«
»Ganz recht! Wissen Sie, wer die Dame ist?«
»Nein. Aber ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich sie in Beziehung zu jenem Stich bringe!«
Lord Stuart nahm den Stich und sah ihn prüfend an.
»Ja – wenn wir danach gehen wollten!« sagte er und warf ihn wieder auf den Tisch. »Man sieht da ja von ihr bloß die Beine!«
»Allerdings!« sagte Sir Josuah. »Aber man weiß auch, wem diese Beine gehören!«
»Meinen Sie?«
»Ja! Jenes Duell, das auf dem Stiche so lustig persifliert wird, hat wirklich stattgefunden!«
»Mein Sohn hätte sich also geschlagen?«
»Regelrecht geschlagen!«
»Was Sie sagen! Mit wem denn?«
»Mit Lord Albermale!«
»Mit dem? Nun – der ist ja immer gleich bereit! Hoffentlich hat mein Sohn ihm einen Denkzettel verabreicht!«
»Ich weiß über den Verlauf des Duells nichts – nehme es aber ohne weiteres an! Man hätte sonst wohl von einer Verwundung gewußt und gesprochen.«
»Und der Anlaß jenes Duells?«
»Eben die Besitzerin jener Beine, die Eure Herrlichkeit soeben auf dem Stiche bewundert haben!«
»Wer ist diese Dame?«
»Die Tänzerin Barberini vom Coventgardentheater.«
»Eine Tänzerin? Wegen einer Tänzerin hätte er sich mit Albermale geschlagen? Ich kenne den Albermale! Er ist wohl zu jedem tollen Streich imstande! Aber er hat Geschmack! Und eine Tänzerin! Wegen einer solchen Person fängt ein Peer von England keine Ehrenhändel an!«
»Sie ist sehr schön. Und Lord Albermale ist ein großer Don Juan!«
»Nun, ich will hoffen, daß mein Sohn sich von dem Albermale nicht ausstechen läßt!« sagte der Lord selbstbewußt, merkte aber dann, daß er sich verplappert hatte, und fügte noch rasch hinzu: »Das heißt: ich hoffe, mein Sohn wird wissen, was sich gehört! Oder sollten Sie den Brief auf jene Tänzerin beziehen?«
»Es bleibt mir nichts anderes übrig! Man hat sie zwar niemals öffentlich mit Ihrem Sohne zusammen gesehen! Aber wenn er sich schon ihretwegen duelliert hat –«
»Da will ich Ihnen gleich etwas sagen, Sir Josuah: – Werfen Sie jenen Brief nur in den Ofen! Der hat gar keine Bedeutung! Wenn es sich um eine erste Liebschaft handelt, da fangen die jungen Leute schon gleich mit dem Eheversprechen an! Und nach vierzehn Tagen denken sie nicht mehr daran! – Ein Rausch, wie wir ihn alle einmal gehabt haben; weiter nichts! – Der wird sich austoben und ebenso schnell vergehen, wie er kam!«
»Auch meine Meinung!« sagte Sir Josuah. »Aber aus dem Briefe spricht eine Entschlossenheit und eine gewisse Überspanntheit, die mir doch zu denken geben! Ihr Sohn scheint mir ganz anders geartet als andere junge Leute seines Alters! Und deshalb wäre es meine Bitte an Eure Herrlichkeit, ihn in aller Form darauf aufmerksam machen zu wollen, daß diese Liaison nur als vorübergehender Rausch zu betrachten sein darf!«
»Verlassen Sie sich darauf, Sir Josuah! Jener ›Rausch‹ ist schon vorüber! Mein Sohn geht morgen nach Schottland zu seinem Regiment!«
»Das wäre wohl doch zu grausam!«
»Schadet nichts! Er bekommt auf die Weise seinen Kopf frei – sie nimmt sich inzwischen einen anderen! In Schottland hat er keine Gelegenheit, Ihre Tochter so auffallend zu vernachlässigen wie jetzt hier! So wird sie es auch weniger merken!«
Am anderen Ende der Galerie wurden Stimmen laut. Lord Stuart schwieg und blickte um die Rücklehne seines Sessels herum.
»Mein Sohn!« sagte er. »Er scheint jemand in der Galerie herumzuführen!«
Sir Josuah blickte auch, so gut es ging, um die Lehne seines Sessels herum, sank aber gleich wieder zurück.
»Sie ist es!« rief er.
»Wer? – Sie meinen doch wohl nicht jene – – jene Tänzerin?!«
»Sie ist es!«
»Diese Dreistigkeit!« – Lord Stuart richtete sich in seiner ganzen Würde auf und saß kerzengerade da, die Hände auf die Stuhllehnen gestützt, und wartete den Schicksalsschlag mit der Ruhe eines alten Römers ab.
Es waren wirklich Beß und Barberina, die am anderen Ende der riesigen Galerie hereingekommen waren und sich langsam näherten. Sie blieben hier und dort stehen. Er gab die nötigen Erläuterungen zu den Bildern, und sie lauschte neugierig.
Die Sessel der beiden alten Herren standen so, daß sie sie nicht sehen konnten. Sie glaubten sich allein und unterhielten sich zwanglos und vertraulich, plauderten vergnügt und tauschten manchen Händedruck aus. Schließlich blieben sie vor einem Bilde stehen und blickten es lange an. Es war das Porträt einer blonden, schlanken Dame von außergewöhnlicher Schönheit, deren große tiefblaue Augen dem Betrachter melancholisch entgegenblickten.
»Meine Mutter!« sagte er.
»Wie schön!«
»Nicht wahr? – Was gäbe ich darum, wenn sie noch am Leben wäre! Sie hätte dich gleich liebgewonnen!«
»Glaubst du?«
»Wie wäre etwas anderes möglich?«
Er schloß sie plötzlich in die Arme und küßte sie leidenschaftlich. Am anderen Ende der Galerie wurde ein heftiger Husten laut.
»Mein Vater!« flüsterte er und ließ sie schnell los. Rasch entschlossen nahm er sie dann bei der Hand und führte sie zu dem alten Lord, der steifnackig dastand und die Begleiterin seines Sohnes mit einer kaum merkbaren Neigung des Kopfes grüßte.
»Ich wußte nicht, daß du Besuch hattest!« sagte der alte Herr und auf Sir Josuah deutend: »Wie du siehst, habe ich auch welchen! Du mußt mich also entschuldigen!«
Er blickte Barberina prüfend an und mußte vor sich selbst zugeben, daß sie es mit jeder Dame der höchsten Aristokratie an Haltung und Eleganz aufnehmen konnte.
Die schlanke, biegsame Gestalt war eingehüllt in ein Kleid von neuester Pariser Mode aus heller, geblümter Seide. – Um die halbentblößten herrlichen Schultern hatte sie eine Mantille aus echten Spitzen – um den Hals das Diamantkollier König Ludwigs. Die Haare waren gepudert, aber weder Schminke noch Mouches auf den blühenden Wangen; die Augen sprühten von jugendlichem Übermut und Lebenslust.
»Mein Vater, Lord Stuart«, stellte Beß vor. »Sir Josuah Crichton!« Und Sir Josuah machte sein schönstes Kompliment.
»Mademoiselle interessieren sich für alte Gemälde?« fragte Stuart der Ältere und trat auf sie zu. »Da haben Sie in London gute Gelegenheit! Wir haben hier eine Reihe vorzüglicher Privatsammlungen. Aber – gestatten Sie mir, Sie auf einige Perlen meiner Galerie aufmerksam zu machen? Mein Sohn wird Sie etwas flüchtig geführt haben!«
Er bot ihr den Arm und führte sie von den beiden anderen Herren fort, um ihnen Möglichkeit zur Aussprache zu geben.
Sir Josuah versäumte nicht, die Gelegenheit auszunutzen. Er machte es dem Herrn Schwiegersohn klar, daß er wohl geneigt wäre, bei einer kleinen Unbesonnenheit durch die Finger zu sehen, keinesfalls aber ohne weiteres gesonnen sei, den Schimpf anzunehmen, den eine Lösung der Verlobung bedeuten würde.
Barberina hörte von alledem nichts.
Der alte Lord schien ganz bezaubert von ihr zu sein und entwickelte eine Liebenswürdigkeit, daß seinem Sohne angst und bange wurde und Sir Josuah vor Schadenfreude ganz aus dem Häuschen geriet.
Er zeigte ihr ein vom Alter geschwärztes Bild.
»Der Ritter hier«, sagte er, »gilt als Stammvater unseres Hauses – obwohl wir schon vor ihm, unter Eduard dem Bekenner, Stuarts nachweisen können. Er kämpfte mannhaft bei Hastings gegen die normannischen Eroberer und wurde, nach unserer Niederlage, später von Wilhelm dem Eroberer enthauptet.«
Barberina lachte.
»Gleich der Stammvater hat den Kopf verloren? Seitdem tun's die Stuarts wohl immer?«
»Ich möchte es nicht behaupten!« antwortete der Lord, auf den Spaß eingehend. »Ich kann aber nicht leugnen, daß die Neigung dazu oft vorhanden war – wenn sie einmal zu tief in schöne Frauenaugen blickten! Sie wußten aber stets den Weg zur Pflicht zurückzufinden und werden es hoffentlich auch künftig so halten!«
Die letzten Worte sprach er mit besonderem Nachdruck aus.
Barberina ließ sich aber nicht bekommen. Sie zuckte leicht mit den Schultern, blickte den Lord spöttisch an und fragte in leicht verächtlichem Ton:
»Was waren denn das für Frauen?«
»Schöne Frauen – geistreiche Frauen! Oft von feinen Sitten, aber nicht von gleichem Rang mit uns!«
»Hängen hier Bilder von ihnen?«
Der Lord schüttelte den Kopf.
»Die Galerie enthält nur Mitglieder unseres Hauses. Und nur einer von diesen Damen gelang es, der Ehre teilhaft zu werden!«
»Zeigen Sie mir ihr Bild!«
Er zog den Vorhang von einem schwarz verhüllten Bildnis zur Seite.
»Warum ist es verhängt?«
»Sie brachte Unglück über unser Haus. Durch ihre Untreue machte sie ihren Mann zum Mörder und brachte ihn um Ehre und Leben! Er war der erste Protestant in unserer Familie! Sein und ihr Sohn war ein Verschwender und ein Konspirateur! Er schloß sich den Aufrührern an, die Johanna Grey auf den Thron setzten –«
»Wer war diese Dame?«
»Sie war neun Tage Königin von England. Jung und schön und unglücklich!«
»Aber Königin!« sagte Barberina, und ihre Augen blitzten.
»Das mußte sie mit dem Leben bezahlen! Und mit ihrem Haupte fielen die Köpfe ihrer Anhänger – auch der meines Vorfahren! Seine Güter wurden konfisziert. Königin Elisabeth gab sie uns wieder. Und seitdem sind sie in unserem Besitz geblieben!«
»Und die Stuarts haben seitdem nie wieder eine Nichtadlige geheiratet?«
»Nein. Das war die erste und hoffentlich letzte Mesalliance in unserem Hause!«
Barberina blickte ihn spöttisch an und zog ihn mit sich von Bild zu Bild, stets die Porträts der Frauen mit besonderer Neugier betrachtend.
»Gott, wie gelangweilt sehen sie aus! Wenn ich nicht annehmen würde, daß die Stuarts auch damals Geist hatten, ich würde die armen Ladys bedauern! Am Ende liegt's an den Malern?«
»Wir haben stets die ersten Maler der Zeit beschäftigt! Hier sind auch mehrere van Dycks unter den Bildern!«
»Was treibt denn solch eine vornehme Dame ihr Leben lang? Sie vegetiert wohl nur – in den Stadtpalästen – auf ihren Landschlössern – geht in die Kirche – sorgt für fromme Stiftungen – gebärt die Stammhalter – verzieht sie – verwelkt und stirbt? – Nicht wahr?«
»Sie haben nicht so unrecht!«
»Und nachher wird sie hier aufgehängt!«
Es fröstelte sie leicht. Sie zog die Mantille um ihre Schultern zusammen.
»Ich möchte nicht hier hängen! Weiß Gott, ich möchte keine solche Lady sein!«
»Wenn ich nicht irre, hat Ihr Ehrgeiz bereits – und zwar mit großem Erfolg – andere Wege eingeschlagen! Ich habe mir auch sagen lassen, daß die Kunst die Hingabe ihrer Adepten so voll und ganz verlangt, daß ihnen weder Zeit noch Neigung für die Ehe übrigbliebe!«
Barberina lachte laut auf – so silberhell, so bestrickend, daß der alte Herr gegen seinen Willen einstimmen mußte.
»Man hat Sie sicher hinters Licht geführt, Mylord!« sagte sie spöttisch. »Ich kann mir ganz gut denken, daß ich verliebt genug sein könnte, um meiner Kunst zu entsagen und dem Manne meines Herzens zu leben! Aber beileibe nicht, um ihm zu helfen, irgendwelche vermodernden Familientraditionen aufrechtzuerhalten! Eher um sie auf den Kopf zu stellen! Das würde mir sogar viel Spaß machen!«
»Sie sind gefährlich!«
»Sie fürchten sich hoffentlich nicht?«
»Mein Alter stellt mich leider außerhalb des Wettbewerbs«, lächelte er, küßte ihr dabei aber so galant die Hand, daß es den guten Beß kalt überlief. »Wenn ich noch jung wäre und eine schöne Dame liebte, die derartige Absichten hegte, würde ich jedenfalls alles tun, um sie zu bekehren! Denn wir Stuarts bleiben unweigerlich dabei, auch in Liebessachen die glorreichen Traditionen unseres Hauses aufrechtzuerhalten!«
»Mit mir hätten Sie da kein Glück! Wenn ich jemand mein Herz schenke, muß er meinetwegen ganz den Kopf verlieren! Meinetwegen muß er von allem fortgehen, nur um mit mir zu leben und irgendwo glücklich zu sein, wo die Sonne scheint und wo's weder englische Nebel noch hochvornehme Urteile gibt! Seinetwegen gäbe ich denn auch gern alles auf! Und, Mylord, wenn ich mir vornehme, jemand so den Kopf zu verdrehen, dann führe ich es auch sicherlich durch! – – Ich darf aber Ihre Güte nicht länger in Anspruch nehmen! – Es war sowieso eine Dreistigkeit von mir, ohne weiteres herzukommen! Ich war aber neugierig! Ihr Herr Sohn hatte mir so viel von seiner Mutter erzählt, daß ich begierig wurde, ihr Bildnis zu sehen! – Ich danke Ihnen für Ihre gütige Nachsicht! – Und nun gestatten Sie wohl –?«
Sie legte ihren Arm in seinen und ließ sich zu den beiden anderen Herren zurückführen.
»Sie werden wohl die Güte haben, mir den Weg zu zeigen?« sagte sie zu Beß, der auch sofort bereit war. Aber sein Vater kam ihm zuvor.
»Es sind für dich Befehle deines Regiments da, die keinen Aufschub erleiden! Deine Anwesenheit in deiner Garnison scheint erwünscht zu sein! Du wirst wohl morgen früh abreisen müssen! – Gestatten Sie, Mademoiselle, daß ich Sie selbst zu Ihrem Wagen geleite?«
Er bot ihr galant den Arm. Und Barberina, ohne mit einer Miene zu zeigen, wie sehr sie von der bevorstehenden Abreise ihres Geliebten betroffen war, nahm lächelnd Abschied und folgte dem alten Herrn, immer noch lustig lachend und plaudernd.
Beß stand da und vermochte kein Wort hervorzubringen.
»Hoffentlich hast du gutes Reisewetter, mein Sohn!« sagte Sir Josuah in seinem freundlichsten Ton.
»Ich lasse mich nicht fortschicken!« rief Beß heftig. »Ich bin kein Kind mehr! Ich nehme meinen Abschied! Aber ich gehe nicht von London fort! Am allerwenigsten jetzt!«
»Das wirst du dir wohl doch erst überlegen!«
»Keinesfalls! Mein Entschluß ist gefaßt!«
»Da mußt du eben einen neuen Entschluß fassen! – Schließlich – Schottland ist hübsch! Das Garnisonleben hat auch seine Reize! Und – zur Hochzeit kommst du ja wieder her!«
»Aus der Hochzeit wird nichts!« schrie der junge Mann.
Aber Sir Josuah pflegte sich grundsätzlich nie auf Diskussionen längst erledigter und bereits als Tatsachen feststehender Geschäfte einzulassen. Er antwortete also nicht, sondern besah sich den Stich Hogarths noch einmal, legte ihn gelassen aus der Hand und sagte:
»Schade, daß sie's so eilig hatte! Ich hätte sie zu gern über den Stich interpelliert! Es hätte mich interessiert, auch ihre Kritik zu hören!«
Beß riß den Stich an sich, zerknüllte ihn und warf ihn in die Ecke. Sir Josuah tat, als bemerke er es nicht.
»Na, schließlich kann ich mir eine Loge im Theater nehmen!« sagte er gelassen. »Sie wird mir den Stich am besten – mit den Beinen erläutern!«
»Sie hat Geist und Witz!« sagte der alte Lord Stuart, der wieder hereintrat. »Wirklich, sie hat viel Liebreiz und wird es in ihrem Beruf sicherlich weit bringen. – Wäre ich selbst jung – ich wäre imstande, mir von ihr den Kopf verdrehen zu lassen! – Nun – es wird ihr schon nicht an Anerbietungen fehlen!«
»Sicher nicht!« sagte Beß. »Aber sie nimmt keine an, die nicht ernst gemeint sind! – Und was meine Verlobung betrifft – –«
Ein eisiger Blick des alten Herrn unterbrach ihn jäh.
»Über deine Verlobung möchte ich mich jetzt nicht mit dir unterhalten!« sagte er mit Nachdruck. »Nachher, wenn wir allein sind, haben wir allerdings verschiedenes miteinander zu bereden! Das Arrangement deines zukünftigen Hauswesens und so weiter! Denn morgen wirst du keine Zeit mehr dazu haben!«
»Dann möchte ich nicht länger stören!« sagte Sir Josuah rasch, um der Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn aus dem Wege zu gehen. »Eure Herrlichkeit gestatten wohl, daß ich mich empfehle?«
»Leben Sie wohl, Sir Josuah! Sagen Sie Ihrer Tochter, daß mein Sohn sich noch von ihr verabschieden wird!«
»Ich werd' sie schonend darauf vorbereiten!« sagte Sir Josuah schmunzelnd und ließ die beiden allein.